B10 225.645-4/2008/3Z
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat gemäß § 61 Asylgesetz 2005, BGBl I 2005/100 idF BGBGl. I 2008/4, (AsylG) und 66 Abs. 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), durch den Richter Mag. Stefan HUBER als Vorsitzenden und die Richterin Mag. Ursula SAHLING als Beisitzerin im Asylverfahren des S.I., geb. 00.00.1975, StA.
Serbien, von Amts wegen zu Recht erkannt:
Der Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 26.05.2008, Zl. 225.645-3/3E-II/04/08, wird gemäß § 68 Abs. 2 AVG von Amts wegen aufgehoben.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Verfahrensgang und Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer ist Staatsbürger von Serbien aus P. und Angehöriger der albanischen Volksgruppe. Er stellte am 10.09.2001 einen (ersten) Asylantrag, welcher mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 14.12.2001, Zl. 01 20.886-BAS, gemäß § 7 abgewiesen und ausgesprochen wurde, dass gemäß § 8 AsylG die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers zulässig ist.
Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 01.07.2005, Zl. 225.645/13-II/04/05, mit der Maßgabe abgewiesen, dass der Spruchteil hinsichtlich der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Serbien-Montenegro (ohne Kosovo) zu lauten hat.
Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 23.01.2007, Zl. 2005/01/0407-7, abgelehnt.
Am 26.04.2007 stellte der Beschwerdeführer einen (zweiten) Asylantrag, wobei mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 07.01.2008 , Zl. 07 03.993-BAL, dem Beschwerdeführer gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten und gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Serbien (ohne Kosovo) nicht zuerkannt wurde sowie gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 die Ausweisung des Beschwerdeführers nach Serbien (ohne Kosovo) ausgesprochen wurde. Es handelte sich um eine Entscheidung im Rahmen eines Familienverfahrens gemäß § 34 Abs. 4 AsylG 2005.
Dieser Bescheid wurde mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 26.05.2008, Zl. 255.645-3/3E-II/04/08, gemäß § 66 Abs. 2 AVG behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt mit der Begründung zurückverwiesen, dass sich die Behörde - im Hinblick auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur entschiedenen Sache gemäß § 68 AVG - nicht mit der Zulässigkeit des Folgeantrages auseinandergesetzt habe und die Frage, ob der Beschwerdeführer einen neuerlichen Antrag oder einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens habe stellen wollen, zu klären sei.
Auf Grund dieser Zurückverweisung erging - in Bindung an diese Rechtsansicht - der Bescheid des Bundesasylamtes vom 02.07.2008, Zl. 07 03.993, womit der Antrag vom 26.04.2007 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 die Ausweisung des Beschwerdeführers nach Serbien ausgesprochen wurde.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde vom 15.07.2008, mit welcher ua. eine Verletzung des Art. 8 EMRK - im Hinblick auf die noch anhängigen Asylverfahren der Ehegattin und des mj. Sohnes des Beschwerdeführers vor dem Asylgerichtshof - geltend gemacht wird.
Derzeit sind sowohl das verfahrensgegenständliche Verfahren des Beschwerdeführers als auch Verfahren zu den Beschwerden gegen die Abweisung der Asylanträge seiner Ehegattin und seines minderjährigen Sohnes vom 11.11.2005 gemäß den Bestimmungen der §§ 7 und 8 AsylG idF BGBl. I 101/2003 beim Asylgerichtshof anhängig.
Der Asylgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 61 Abs. 1 Asylgesetz 2005 idF Art. 2 BG BGBl. I 4/2008 entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten über
Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und
Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes oder
soweit in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide
a) wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4,
b) wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5 und
c) wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG und die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.
Gemäß § 23 Asylgerichtshofgesetz (Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz; Art. 1 BG BGBl. I 4/2008) sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.
Nach § 68 Abs 2 AVG können von Amts wegen Bescheide, aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist, sowohl von der Behörde oder vom unabhängigen Verwaltungssenat, die oder der den Bescheid erlassen hat, als auch in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde aufgehoben oder abgeändert werden.
Die amtswegige Aufhebung eines rechtskräftigen Bescheides wäre etwa dann unrechtmäßig, wenn durch die Behebung die rechtliche Lage der Partei ungünstiger als durch den aufgehobenen Bescheid gestaltet wird (VwSlg 9707 A/1978; VwGH 13.10.1994, 93/09/0264). Die Rechtssphäre einer Partei wäre in diesem Sinn etwa dann beeinträchtigt, wenn durch die nachträgliche Aufhebung entweder eine ihre auferlegte Verpflichtung vergrößert oder eine ihr zuerkannte Berechtigung verringert würde. (vgl Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren, § 68 AVG, E 276.) Durch die Behebung des erstinstanzlichen Bescheides vom 07.01.2008 und Zurückverweisung der Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung ist dem Asylwerber kein Recht erwachsen; ebensowenig durch die - unter Bindung an die Rechtsansicht in dieser Entscheidung - ergangene und nunmehr angefochtene Zurückweisung des Asylantrages vom 26.04.2007 wegen entschiedener Sache.
Die amtswegige Aufhebung nach § 68 Abs 2 AVG ist laut Judikatur - welche allerdings vor Einrichtung der unabhängigen Verwaltungssenate und des Asylgerichtshofes entstanden ist - grundsätzlich auf Einparteienverfahren beschränkt, sodass die Rechtmäßigkeit ihrer Durchführung im vorliegenden Fall zweifelhaft sein könnte, da es sich bei dem Verfahren vor den UVS bzw. dem Asylgerichtshof jedenfalls um ein Mehrparteienverfahren handelt, in dem neben dem Asylwerber der Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, Parteistellung zukommt (§ 67b AVG iVm § 22 Abs. 4 AsylG).
Doch zeigt schon der Wortlaut des § 68 Abs. 2 AVG, wonach "Bescheide von Amts wegen vom unabhängigen Verwaltungssenat, (...) der den Bescheid erlassen hat, aufgehoben oder abgeändert werden können", dass Bescheide in Mehrparteienverfahren vor unabhängigen Verwaltungssenaten erlassen, einer Be- oder Aufhebung zugänglich sind. Im Hinblick auf § 23 AsylGHG ist diese Bestimmung auch durch den Asylgerichtshof anwendbar, welcher gemäß § 75 AsylG Verfahren des unabhängigen Bundesasylsenates weiterzuführen hat, somit auch berechtigt ist, dessen Bescheide von Amts wegen gemäß § 68 Abs. 2 AVG aufzuheben.
Der Erstbehörde sind aus der Entscheidung des unabhängigen Bundesasylsenates keine Rechte erwachsen. Nach hA bedeutet die Begründung einer Organparteistellung nicht automatisch zugleich die Einräumung materieller Berechtigungen (Thienel, Das Verfahren der Verwaltungssenate, 73 mwN), sondern lediglich Rechte im Verfahren. Damit fehlt es aber an Rechten der Organpartei, die Gegenstand einer Berufungsentscheidung des unabhängigen Bundesasylsenates sein könnten, sodass auch der belangten Behörde, im vorliegenden Fall dem Bundesasylamt, aus dem aufgehobenen Bescheid keine Rechte iS des § 68 Abs 2 AVG erwachsen waren, einer Anwendung des § 68 Abs 2 AVG also im vorliegenden Fall nichts entgegen steht. (vgl zur Anwendbarkeit des § 68 Abs 2 AVG im Bescheidbeschwerdeverfahren vor dem VwGH etwa VwSlg NF 5393 A/1960.)
Wie bereits dargestellt, sind derzeit sowohl das Beschwerdeverfahren betreffend den Beschwerdeführer zur Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG und § 10 AsylG 2005 als auch die Beschwerdeverfahren betreffend seine Ehegattin und den mj. Sohn betreffend die Abweisung ihrer Asylanträge gemäß den §§ 7 und 8 AsylG idF BGBl I Nr. 101/2003 vor dem Asylgerichtshof anhängig.
Gemäß § 2 Z 22 AsylG 2005 ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung unverheiratetes minderjähriges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Familieneigenschaft eines Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.
Auf Grund der anhängigen Verfahren vor dem Asylgerichtshof für den Beschwerdeführer und seine Ehegattin sowie den minderjährigen Sohn liegt ein Familienverfahren gemäß § 34 Abs. 4 AsylG 2005 in Bezug auf den Beschwerdeführer (bzw. § 10 Abs. 5 ASylG idF BGBl I 101/2003 in Bezug auf die Ehegattin und den mj Sohn) vor.
Die Entscheidung des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 26.05.2008 gemäß § 66 Abs. 2 AVG war daher gemäß § 68 Abs. 2 AVG aufzuheben (und die in Bindung an diese Rechtsansicht ergangene Entscheidung des Bundesasylamtes vom 02.07.2008 nach § 68 Abs. 1 AVG gemäß § 66 Abs. 4 AVG - mit Erkenntnis gleichen Datums - ersatzlos zu beheben.)
Eine Entscheidung über das nunmehr (wieder) anhängige Beschwerdeverfahren gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 07.01.2008 ist - im Hinblick auf den Stand der Beschwerdeverfahren betreffend die Ehegattin und den mj. Sohn des Beschwerdeführers - zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht möglich und ergeht daher gesondert.
Gemäß § 61 Abs. 1 AsylG war in dieser Angelegenheit durch Senat zu entscheiden. Es handelt sich hiebei um keine zurückweisende Entscheidung im Sinne des § 61 Abs. 3 AsylG.