B12 302.405-1/2008/15E
ERKENNTNIS
SPRUCH
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Rohrböck als Einzelrichter über die Beschwerde des Herrn H. M. E., geb. 1989, StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 8. Mai 2006, Zl. 06 01.838-BAI, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18. März 2008 zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde des Herrn H. M. E. gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 8. Mai 2006, Zl. 06 01.838-BAI, wird stattgegeben und Herrn H. M. E. gemäß § 8 Abs. 1Z 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.
II. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG wird Herrn H. M. E. eine befristete Aufenthaltsberechtigung für die Dauer eines Jahres bis zum 1. September 2009 erteilt.
III. Spruchpunkt III des bekämpften Bescheides betreffend die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan wird ersatzlos aufgehoben.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang:
Am 12. Februar 2006 brachte der damals minderjährige Beschwerdeführer beim Bundesasylamt einen Asylantrag ein und gab als Fluchtgrund an, dass er aufgrund der Ermordung seines Vaters und seines Bruders durch Landsleute im Zuge von Grundstücksstreitigkeiten in die Position des Familienoberhauptes gekommen sei und er in weiterer Folge durch diese Leute zum Verkauf der Grundstücke genötigt und bedroht worden sei. Der Beschwerdeführer wurde am 16. Februar 2006, im Beisein seiner gesetzlichen Vertreterin, vom Bundesasylamt einvernommen. Dabei brachte er im Wesentlichen vor, dass er von einer Person namens B. J. bedroht worden sei, auf den Rechtsanspruch der familiären Grundstücke zu verzichten. Der Beschwerdeführer sei nach dem Tod seines Vaters und seines Bruders, die in Folge von Grundstückstücksstreitigkeiten ermordet worden seien, in der Erbfolge an nächster Stelle gestanden, weswegen sich die Drohungen in weiterer Folge gegen ihn gerichtet hätten. Neben den Drohungen sei er auch geschlagen und aus dem obersten Stockwerk seines Hauses gestoßen worden. Von diesen Vorfällen habe er heute noch gesundheitliche Probleme.
Am 2. Mai 2006 wurde der Beschwerdeführer neuerlich durch das Bundesasylamt einvernommen und gab konkretisierend an, dass ihm von J., dem angeblichen Mörder seines Vaters sowie seines Bruders, eine gefälschte Urkunde vorgehalten worden sei, die er unterschreiben habe sollen. Eines Tages sei er wieder von J. und seinen Gefolgsleuten bedroht worden, wobei es zum Vorfall seines Stoßes aus dem Fenster gekommen sei. Auch wenn er damals noch nicht volljährig gewesen sei, hätten die Täter auf die Gültigkeit des Vertrages gepocht. Im Heimatdorf des Beschwerdeführers gebe es keine Polizeistation und keinen Dorfältesten, einzig ein Mullah habe dort Recht gesprochen und dieser sei bestechlich gewesen. In ganz Afghanistan könne man mit Geld jegliche Art von Gesetzen und Normen umgehen. Als ethnischer Hazare und nach dem Verlust des Vaters nahezu mittellos sei es ihm nur sehr schwer möglich gewesen, eine innerstaatliche Fluchtalternative zu ergreifen. Bei einer etwaigen Rückkehr habe er Angst um sein Leben, denn aufgrund der Lage in Afghanistan könne er seitens der Behörden nicht einmal annähernd geschützt werden und würde von J. und seinen Leuten aufgrund des Streits um die Grundstücke getötet werden. Er selbst sei nie politisch aktiv gewesen, allerdings seien der Vater und der Bruder Mitglied in der Sepah-Partei gewesen.
Mit Bescheid vom 18. Mai 2006, Zl. 06 01.838-BAI, hat das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers "gem. § 3 Absatz 1 Asylgesetz 2005, BGBl I 100/2005 (AsylG) idgF, abgewiesen" (Spruchpunkt I) und ihm zudem gem. § 8 Absatz 1 Ziffer 1 AsylG den Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan nicht zuerkannt (Spruchpunkt II). Weiters wurde der Beschwerdeführer gem. § 10 Absatz 1 Ziffer 2 AsylG "aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen" (Spruchpunkt III.).
In diesem Bescheid hielt das Bundesasylamt begründend fest, dass die Aussagen des Beschwerdeführers im Bezug auf seine Verfolgungsgefahr nicht glaubwürdig gewesen seien und er durch die widersprüchliche und vage Schilderung des Vorbringens keine entscheidenden Umstände für eine Glaubhaftmachung der asylrechtlichen Relevanz der Erlebnisse näher darlegen konnte. Insbesondere sei es nicht nachvollziehbar gewesen, dass der Beschwerdeführer als Minderjähriger nach islamischem Recht befugt gewesen wäre, eine Urkunde zu unterschreiben. Ebenso sei es ein Widerspruch, wenn der Beschwerdeführer davon spricht, dass er keine Obhut habe, es sich aber im Laufe der Befragungen herausstelle, dass er eine verheiratete Schwester habe. Ein weiterer Widerspruch sei gewesen, dass J. nach den Schilderungen des Beschwerdeführers einmal alleine gekommen sei und dann mit 20 oder 30 Mann. Auch die Tatsache, dass er im Zuge des Vorfalls mit dem Fenstersturz einmal angab, alleine zu Hause gewesen zu sein, ein anderes Mal aber die Mutter und der jüngere Bruder im Haus gewesen seinen, stelle einen Widerspruch dar. Ebenso sei die Behauptung, bei der Rückkehr nach Afghanistan getötet zu werden, viel zu allgemein und vermöge nicht den vom Gesetz geforderten Glaubwürdigkeitsansprüchen gerecht zu werden.
Das Bundesasylamt kam zur Überzeugung, dass das Vorbringen hinsichtlich des Fluchtgrundes keine Relevanz in Bezug auf die Genfer Flüchtlingskonvention aufweise.
Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 26. Mai 2006 über die Bezirkshauptmannschaft Feldkirch/Abteilung Jugendwohlfahrt zugestellt.
Die Bezirkshauptmannschaft Feldkirch erhob als gesetzlicher Vertreter des Beschwerdeführers gegen die Spruchpunkte II und III dieses Bescheides mit Schriftsatz vom 6. Juni 2006 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde. Darin wurde ausgeführt, dass eine falsche Beweiswürdigung seitens der erstinstanzlichen Behörde vorliege und die angebotenen Beweise nicht gewürdigt worden seien. Zugleich wurden Befunde über die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Beschwerdeführers vorgelegt.
In der Einvernahme zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung vor dem unabhängigen Bundesasylsenat am 10. September 2007 legte der Beschwerdeführer weitere ärztliche Atteste vor. Er könne zwar schon ein wenig Deutsch, habe aber in Afghanistan nur unregelmäßig die Koranschule besucht und sei Analphabet. In seiner Heimat seien nur mehr seine Mutter und sein jüngerer Bruder sowie seine Schwester. Diese sei verheiratet und müsste eine Tagesreise mit dem Esel von seinem Heimatdorf entfernt leben; zur Mutter und zum jüngeren Bruder gebe auch es keinen Kontakt und nicht einmal einen Anhaltspunkt bezüglich eines möglichen Aufenthaltsortes. Nach dem Tod des Vaters sei die soziale Stellung der Familie gesunken, sodass der Beschwerdeführer als Hirte zu arbeiten begonnen habe. Durch den Tod des Vaters habe aber der Grundstücksstreit nicht geendet, sondern sei mit unverminderter Härte fortgeführt worden, sodass auch der Bruder getötet worden sei, als er J. am Besäen der Felder hindern habe wollen. Die Mitgliedschaft in verschieden Parteien könnte der Grund für den Grundstücksstreit gewesen sein. So seien der Vater und der Bruder Kämpfer bei der Sepah gewesen, während B. J. Einfluss bei Harakat und Hezb-e Wahdat hatte. Zum Zeitpunkt der Tötung sei der Vater möglicherweise nur mehr im Besitz einer privaten Waffe gewesen, weil die Mitglieder Sepahs ihre Waffen bei den Taliban abgeliefert haben.
Durch den bei der Einvernahme am 10. September 2007 anwesenden, dem Beschwerdeverfahren beigezogenen Sachverständigen Dr. S. R. wurde mit 14. November 2007 eine schriftliche Stellungnahme bezüglich des Vorbringens des Beschwerdeführers erstellt. Dieser sind folgende Ausführungen zu entnehmen:
"Der BW gibt an, dass er aus dem Dorf Q. stammt. Der Name seines Vaters sei G. M. H. und er sei Mitglied der Hazara-Partei, Sepah, gewesen. Sein Vater sei gemeinsam mit seinem Bruder seitens B. J., ein Angehöriger der Harakat-e islami, im Jahre 2000 ermordet worden. Der Anlass für die Ermordung seines Vaters sei ein Grundstückstreit mit J. gewesen. Dieser B. J. sei ein entfernter Verwandter des BW und hätte auch mit den Taliban zusammenbearbeitet.
Meine Kontaktperson konnte J. nicht finden, aber er hat herausgefunden, dass nach der Erzählung der Bevölkerung der Vater des BW seitens J. während eines Grundstückstreits getötet worden ist; nach dem BW ist auch sein Bruder dabei ums Leben kommen. Außerdem hat die Bevölkerung von N. angegeben, dass G. M. H., Vater des BW, bei der Hazara-Partei, Sepah, gewesen sei und J. in der Harakat-e islami. Die Bevölkerung hat auch angegeben, dass der Vater des BW ca. im Jahre 1379 = 2000 getötet worden ist.
Diese Information ist mit Vorsicht zu betrachten, da es in der letzten Zeit vorkommt, dass die Angaben der BW und der Dorfbewohner wortwörtlich gleich sind und es ist möglich, dass die Dorfbewohner von der Familie des BW informiert worden sind.
Trotzdem möchte ich feststellend ausführen, dass dem BW keine Verfolgung droht, weil J. angeblich den Vater des BW und den Bruder des BW getötet hat.
Der Grund für die Tötung dieser Personen war ein Grundstückstreit und nicht ein vorhandener Racheakt seitens J.. Zudem ist J. ein entfernter Verwandter des BW, wie der BW bei der Verhandlung angegeben hat. Es kommt in der letzten Zeit öfters vor, dass es unter den Verwandten wegen ungeklärter Erbschaften zu schwerwiegenden Streitigkeiten kommt.
Diese Tötung war kein Racheakt seitens J., sondern er wollte seine Machtposition während des Bürgerkrieges benutzen zum Grundstück zu kommen, dessen Besitzverhältnis nach meiner Sachkenntnis noch nicht geklärt war. Dafür spricht die Verwandtschaft von J. zu dem BW.
Als die Kommunisten im Jahre 1978 die Macht an sich rissen und eine Bodenreform durchführten, wurden viele Grundbesitzer enteignet. Nach dem Einmarsch der sowjetischen Armee wurden die Grundstücke jenen Personen zurückerstattet, die mit dem kommunistischen Regime zusammenarbeiteten. Diese Personen wurden wieder seitens der Mujaheddinkommandanten enteignet. Nach der Machtübernahme der Mujaheddin im Jahre 1992 wurde die Reform zur Gänze rückgängig gemacht. Die Mujaheddin-Kommandanten, die schon seit Beginn der 80ger Jahren ihrerseits einen Teil von Grundstücken der Leute zurückbehalten hatten, weil die Eigentümer entweder geflüchtet waren oder mit dem kommunistischen Regime arbeiteten, waren und sind nicht bereit, diese Grundstück zurückzuerstatten. Obwohl seit dem Sturz der Taliban die betroffenen Leute beim Gericht ihre Rechte einfordern und ihre Grundstücke zurückhaben wollen, können die angeklagten Personen entweder durch Bestechung oder durch ihre Machtposition im Staat das Gericht umgehen und die von ihnen besetzte Grundstücke nicht zurückerstatten. Daher bilden die Grundstückstreitigkeiten in Afghanistan derzeit die meisten Gerichtsprozesse.
Wenn J. die Grundstücke in seinem Besitz hat und wenn der BW diese Grundstücke mit Gewalt zurück haben will, besteht die Möglichkeit, dass J. sich dagegen wehrt, entweder mit Bestechung der Gerichte, oder, wenn der BW bewaffnet gegen J. vorgeht, auch mit Waffengewalt.
Nach meinen Recherchen liegt kein Racheakt gegen den BW seitens J. vor und er wird seitens J. nicht verfolgt. Die Bevölkerung wusste nicht, dass ein Racheakt seitens J. gegen den BW bestehen würde.
Es besteht ein Racheakt gegen J. seitens des BW, weil J. den Vater und den Bruder des BW getötet hat. Wenn der BW versucht, sich an J. zu rächen, wird in diesem Fall J. sich gegen das Vorgehen des BW wehren, wenn J. bewaffnet ist und sich in Afghanistan aufhält.
Humanitäre- und Sicherheitslage in Afghanistan seit Mai 2007. seit meiner letzten Reise in Afghanistan:
Die Sicherheitslage ist derzeit überall in Afghanistan prekär und die Taliban sind noch mehr erstärkt: Die Selbstmordanschläge der Taliban haben in den Städten gegen die Ausländer und gegen die Angehörigen der Nationalarmee- und Polizei zugenommen. Diese Anschläge werden auch in den nichtpaschtunischen Regionen wie in Kunduz, Baghlan und Mazar-e Sharif im Norden und in Hazarajat am Rande der paschtunischen Wohngebiete durchgeführt. Dabei kommen auch viele zivile Personen ums Leben.
Kürzlich wurde in Baghlan ein Anschlag verübt, wobei mehr als 80 Menschen getötet wurden. Dabei sind 6 Abgeordneten und mehr als 50 Schulkinder ums Leben gekommen. (siehe Beilage 1)
Auch die bewaffneten Diebstähle und Raubüberfälle mit tödlichen Folgen haben zugenommen. Hierbei geht es darum, dass zunehmend die Rückkehrer angegriffen werden, mit der Vorstellung, dass diese aus dem Ausland Geld mitgenommen hätten. Die Taliban sind derzeit in der Lage, jede nichtpashtunische Gegend, wo die Regierungsgebäude und ausländischen Truppen sind, anzugreifen und sich sofort zurückzuziehen.
Die humanitäre Lage in Afghanistan für die Rückkehrer ist weiterhin prekär, wenn diese keine Gründstücke, kein Haus und kein Geld besitzen, um eine Existenz nach ihrer Rückkehr aufzubauen. Die afghanische Regierung ist immer noch nicht in der Lage, den Rückkehrern eine Existenz zu ermöglichen, indem sie diesen Menschen Arbeit vermittelt und Wohnungen zur Verfügung stellt. Die Arbeitsmarktlage ist in Afghanistan derzeit nicht geeignet für einen Rückkehrer, eine Arbeit zu finden.
Mehr als 60% der Bevölkerung in Afghanistan sind arbeitslos und ohne den familiären Zusammenhalt könnte eine Rückkehr eine humanitäre Katastrophe auslösen. Der UNHCR hilft einem geringen Teil der zurückkehrenden Flüchtlinge. Die meisten Rückkehrer fristen ihr Dasein unter den Zelten, die von den Hilfsorganisationen aufgestellt sind.
Es gibt nur Saisonarbeit auf den Feldern im Sommer, welche nur jenen Menschen vorenthalten ist, die schon in Afghanistan leben und schon immer als Saisonarbeiter in ihren Dörfern auf diesen Feldern gearbeitet haben. Die Saisonarbeit ist nicht ausreichend, dass davon auch die Rückkehrer profitieren könnten."
Am 18. März 2008 führte der unabhängige Bundesasylsenat eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer sowie der o.g. Sachverständige teilnahmen. Im Zuge dieser Verhandlung wurde dem Beschwerdeführer das Gutachten des Sachverständigen zur Kenntnis gebracht. Der Beschwerdeführer gab ergänzend an, dass er nicht wisse, wo seine Familie derzeit aufhältig bzw. ob diese überhaupt noch am Leben sei. Sein älterer Bruder sei im Jahr 2005 getötet worden, der Beschwerdeführer sei aber bei der Tötung des Bruders selbst nicht dabei gewesen. Der Sachverständige merkte zu seinem Gutachten an, dass seine Kontaktperson in Afghanistan bei den Befragungen den Eindruck gehabt habe, die dortige Bevölkerung sei durch den Beschwerdeführer vom Ausland aus vorab informiert worden. Dass B. J. den Beschwerdeführer töten wolle, sei vor dem Hintergrund der in Afghanistan existierenden Blutrache-Tradition zu bezweifeln; vielmehr sei der Beschwerdeführer selbst am Zug, die Ermordung seines Vaters und seines Bruders zu rächen. B. J. habe in der Herkunftsregion des Beschwerdeführers nicht ausfindig gemacht werden können, er sei womöglich in einer anderen Provinz oder außerhalb von Afghanistan.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 75 Abs 7 Z 1 AsylG 2005 sind Verfahren, welche am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig und einem Senatsmitglied dieser Behörde zugeteilt waren, welches als Richter des Asylgerichtshofes ernannt wurde, von diesem als Einzelrichter weiterzuführen, soweit eine mündliche Verhandlung bereits stattgefunden hat.
Gemäß § 73 Abs. 1 AsylG ist das AsylG 2005 am 1. Jänner 2006 in Kraft getreten; es ist gemäß § 75 Abs. 1 AsylG auf alle Verfahren anzuwenden, die am 31. Dezember 2005 noch nicht anhängig waren.
Das vorliegende Verfahren war am 31. Dezember 2005 nicht anhängig; das Beschwerdeverfahren ist daher nach dem AsylG 2005 zu führen. Der Beschwerdeführer hat gegen die Spruchpunkte II und III des bekämpften Bescheides Beschwerde erhoben. Gegenstand dieses Verfahrens ist damit ausschließlich die Frage, ob dem Beschwerdeführer gem. § 8 Abs. 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zu gewähren und allenfalls eine befristete Aufenthaltsberechtigung gem. § 8 Abs. 4 AsylG zu erteilen ist.
Das Bundesasylamt hat Spruchpunkt II des bekämpften Bescheides auf § 8 AsylG 2005 gestützt. Diese Bestimmung lautet:
"§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,
1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder
2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,
wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.
(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.
(4) Einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, ist von der zuerkennenden Behörde gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesasylamt verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.
(5) In einem Familienverfahren gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 gilt Abs. 4 mit der Maßgabe, dass die zu erteilende Aufenthaltsberechtigung gleichzeitig mit der des Familienangehörigen, von dem das Recht abgeleitet wird, endet.
(6) Kann der Herkunftsstaat des Asylwerbers nicht festgestellt werden, ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen. Diesfalls ist eine Ausweisung aus dem Bundesgebiet zu verfügen, wenn diese gemäß § 10 Abs. 2 nicht unzulässig ist. § 10 Abs. 3 gilt.
(7) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten erlischt, wenn dem Fremden der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird."
Zur Auslegung des § 8 AsylG ist aus Sicht des erkennenden Gerichtshofes weiterhin die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 37 Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992, und § 57 Fremdengesetz, BGBl I Nr. 126/2002, heranzuziehen. Danach erfordert die Feststellung nach dieser Bestimmung das Vorliegen einer konkreten, den Beschwerdeführer betreffenden, aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbaren Gefährdung bzw. Bedrohung. Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher ohne Hinzutreten besonderer Umstände, welche ihnen noch einen aktuellen Stellenwert geben, nicht geeignet, die begehrte Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen (vgl. VwGH 25.01.2001, 2001/20/0011; 14.10.1998, 98/01/0122). Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, 98/01/0122; 25.01.2001, 2001/20/0011). Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen (z.B. VwGH 26.06.1997, 95/21/0294; 25.01.2001, 2000/20/0438; 30.05.2001, 97/21/0560). Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 MRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwGH 08.06.2000, 99/20/0203). Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 MRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.02.2001, 98/21/0427; 20.06.2002, 2002/18/0028). Im Übrigen ist auch im Rahmen des § 8 AsylG zu beachten, dass mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben das Bestehen einer aktuellen Gefährdung bzw. Bedrohung im Sinne des § 57 Abs. 1 oder 2 FrG glaubhaft zu machen ist (vgl. VwGH 25.01.2001, 2001/20/0011).
Bei der Entscheidungsfindung ist insgesamt die Rechtsprechung des EGMR zur Auslegung der EMRK, auch unter dem Aspekt eines durch die EMRK zu garantierenden einheitlichen europäischen Rechtsschutzsystems als relevanter Vergleichsmaßstab zu beachten. Dabei kann bei der Prüfung von außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegender Gegebenheiten nur dann in der Außerlandesschaffung des Antragsstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK liegen, wenn außergewöhnliche, exzeptionelle Umstände, glaubhaft gemacht sind (vgl. EGMR, Urteil vom 06.02.2001, Beschwerde Nr. 44599/98, Bensaid v United Kingdom und Henao v. The Netherlands, Unzulässigkeitsentscheidung vom 24.06.2003, Beschwerde Nr. 13669/03).
Im konkreten Fall konnte der Beschwerdeführer dem erkennenden Gerichtshof glaubhaft machen, dass sein Vater und sein Bruder in Afghanistan im Zuge eines Grundstücksstreites ermordet wurden. Dass der dem Beschwerdeverfahren beigezogene Sachverständige im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung vom 18. März 2008 angab, dass die in Afghanistan recherchierende Kontaktperson den Eindruck gehabt habe, die befragten Personen seien vorab von der Fluchtgeschichte des Beschwerdeführers informiert worden, vermag die Glaubwürdigkeit des diesbezüglichen Vorbringens nicht zu schmälern, zumal der Sachverständige nur von einem Eindruck einer dazu nicht näher befragten Drittperson berichtet. Es bleibt jedoch unumstritten, dass befragte Personen in der Herkunftsregion des Beschwerdeführers dessen Angaben, die er im Übrigen im Laufe seines Asylverfahrens auch schlüssig und widerspruchsfrei darzulegen vermochte, bestätigten. Damit kann mit hinreichender Sicherheit angenommen werden, dass der Vater und der Bruder des Beschwerdeführers durch einen Mann namens B. J. ermordet wurden.
Aus diesem Umstand allein lässt sich jedoch noch keine reale Gefahr einer Verletzung der in § 8 Abs. 1 AsylG genannten Rechte des Beschwerdeführers bzw. einer Bedrohung im Sinne dieser Bestimmung erkennen. Dies vor allem deshalb, da nach den Angaben des Sachverständigen ein weiteres Bemühen B. J.s, den Beschwerdeführer zu ermorden, nicht der Lebenswirklichkeit Afghanistans bzw. den dort vorherrschenden Blutrache-Traditionen entspräche, womit eine konkrete Wahrscheinlichkeit einer weiteren Verfolgung des Beschwerdeführers durch diesen Mann nicht gegeben ist. Eine diesbezüglich bestehende "reale Gefahr" muss schon deshalb verneint werden, da der Sachverständige in der Verhandlung am 18. März 2008 angab, dass B. J. nicht aufgefunden habe werden können und sich womöglich in einer anderen Provinz oder gar außerhalb Afghanistans befinde.
Eine Gefahr im Lichte der oben genannten Judikatur ergibt sich für den Beschwerdeführer im vorliegenden Fall jedoch bereits aus dem notorischen Wissen über die prekäre humanitäre Situation in Afghanistan. Aus dem Gutachten des dem Beschwerdeverfahren beigezogenen Sachverständigen und den darin enthaltenen Ausführungen über die auf den Beschwerdeführer zutreffende katastrophale humanitäre und Sicherheitslage in seinem Herkunftsstaat lässt sich deutlich entnehmen, dass er im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan in eine ausweglose Situation geraten würde. Erschwerend kommt für den Beschwerdeführer hinzu, dass er offenbar keinen Kontakt zu seiner Mutter oder seiner Schwester hat und deren Aufenthaltsort ihm unbekannt sind, womit auch von einem familiären Rückhalt im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan nicht ausgegangen werden kann. Ebenso sind die durch zahlreiche ärztliche Stellungnahmen und Gutachten nachgewiesenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Beschwerdeführers in sowohl physiologischer (Kompressionsfraktur des zweiten Lendenwirbels) wie psychologischer (depressive Störung) Hinsicht in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen. In Gesamtschau aller Umstände ist somit davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer eine Rückkehr nach Afghanistan unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK nicht zumutbar ist und sich eine Abschiebung sohin als unzulässig erweist.
Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, von der zuerkennenden Behörde gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesasylamt verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.
Der Asylgerichtshof hat mit gegenständlicher Entscheidung erstmals festgestellt, dass dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, sodass eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr zu erteilen war.
Da Herrn H. der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen war, ist Spruchpunkt III des bekämpften Bescheides rechtwidrig und war ersatzlos aufzuheben.