GZ: C6 218.506-0/2008/17E
XX
geb. 00.00.1980, StA.: Türkei;
Schriftliche Ausfertigung des öffentlich verkündeten Bescheides
BESCHEID
SPRUCH
Der unabhängige Bundesasylsenat hat durch das Mitglied Mag. Judith PUTZER gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 38 Abs. 1 des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 (AsylG) idF BG BGBl. I Nr. 126/2002 entschieden (Bescheiderlassung durch Verkündung in der Verhandlung am 28.4.2008):
Der Berufung von XX vom 00.00.2000 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 7.8.2000, Zahl: 00 09.232-BAG, wird stattgegeben und XX gemäß § 7 AsylG 1997 Asyl gewährt. Gemäß § 12 leg.cit. wird festgestellt, dass XX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
BEGRÜNDUNG
I. Bisheriger Verfahrensgang
Am 20.7.2000 stellte die Berufungswerberin, ihren Angaben zu Folge türkische Staatsbürgerin und Angehörige der kurdischen Volksgruppe, in Österreich einen Asylantrag. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 2.8.2000, Zahl: 00 08.224-BAG, gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen. Unter Spruchpunkt II dieses Bescheides wurde festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Berufungswerberin in die Türkei zulässig ist.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Berufung.
Der unabhängige Bundesasylsenat erhob Beweis durch Einsicht in die folgenden Dokumente:
Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Türkei (Stand Februar 2005);
Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Türkei (Stand Dezember 2006);
Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Türkei (Stand Dezember 2007);
Schweizerische Flüchtlingshilfe, Türkei. Zur aktuellen Situation - Mai 2006;
Home Office, Operational Guidance Note Turkey, 11 July 2006;
Schweizerisches Bundesamt für Migration, Focus Türkei - Folter und Misshandlung, 8. März 2007
und führte am 28.4.2008 eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung gemäß § 67d AVG unter Beiziehung eines Sachverständigen für die aktuelle politische Lage in der Türkei durch, an der das Bundesasylamt nicht teilgenommen hat.
II. Der unabhängige Bundesasylsenat hat erwogen:
1. Folgender Sachverhalt steht fest:
1.1. Zur Person der Berufungswerberin:
1.1.1. Die Berufungswerberin ist türkische Staatsangehörige und Angehörige der kurdischen Volksgruppe. Er stammt aus der Provinz G. wo sie für fünf Jahre die Grundschule absolvierte. Die Berufungswerberin ist seit 2000 nach islamischem Ritus mit Herrn K.M. verheiratet. In der Türkei leben noch ihre Eltern; alle Geschwister der Berufungswerberin befinden sich im europäischen Ausland. Die Berufungswerberin hat die Türkei gemeinsam mit ihrem Ehemann im Jahr 2000 verlassen.
1.1.2. Nach seiner Ankunft in Österreich wurde die Berufungswerberin
-
ebenso wie ihr Ehemann - Mitglied beim Mesopotamischen Kulturverein. Sie nimmt - ebenso wie ihr Ehemann - seit etlichen Jahren an vielen kurdischen Veranstaltungen und Festivitäten teil. Sie war im Rahmen ihrer Vereinstätigkeit - gemeinsam mit ihrem Mann
-
an einer Vielzahl von Demonstrationen und Kundgebungen in Österreich beteiligt; dabei war der Ehemann der Berufungswerberin als Ordner mit roter Armbinde tätig, skandierte, trug Poster mit dem Bild Öcalans oder die kurdische Fahne. Die Berufungsweberin selber war ebenfalls häufig mit Postern mit dem Abbild Öcalans an Demonstrationen beteiligt. In einer kurdischen Zeitung befindet sich ein Artikel über die Arbeit des CPT in der Türkei; dieser Artikel ist ua mit der Fotographie einer Demonstration illustriert, an der die Berufungswerberin teilgenommen hat. Auf dem Foto ist sie erkennbar mit einer kurdischen Fahne in der Hand abgebildet.
1.2. Zum Herkunftsstaat der Berufungswerberin:
1.2.1. Zur hier relevanten Minderheitensituation:
Die Türkei erkennt Minderheiten als Gruppen mit rechtlichem Sonderstatus grundsätzlich nur unter den Voraussetzungen des Lausanner Vertrags von 1923 an, der "türkischen Staatsangehörigen,die nichtmuslimischen Minderheiten angehören, (...) die gleichen gesellschaftlichen und politischen Rechte wie Muslimen" (Art. 39) garantiert. Weiterhin sichert er den nichtmuslimischen Minderheiten das Recht zur "Gründung, Verwaltung und Kontrolle (...) karitativer,religiöser und sozialer Institutionen und Schulen sowie anderer Einrichtungen zur Unterweisung und Erziehung" zu (Art. 40). Nach offizieller türkischer Lesart beschränkt sich der in Art. 37 bis 44 des Lausanner Vertrages niedergelegte, aber nicht auf bestimmte Gruppen festgeschriebene Schutz allerdings nur auf drei Religionsgemeinschaften: die griechisch-orthodoxe und die armenisch-apostolische Kirche sowie die jüdische Gemeinschaft...
Ungefähr ein Fünftel der Gesamtbevölkerung der Türkei (72 Millionen) - also ca. 14 Millionen Menschen - ist zumindest teilweise kurdischstämmig. Im Westen der Türkei und an der Südküste lebt die Hälfte bis annähernd zwei Drittel dieser Kurden: ca. drei Millionen im Großraum Istanbul, zwei bis drei Millionen an der Südküste, eine Million an der Ägäis-Küste und eine Million in Zentralanatolien. Rund sechs Millionen kurdischstämmige Türken leben in der Ost- und Südost-Türkei, wo sie in einigen Gebieten die Bevölkerungsmehrheit bilden. Nur ein Teil der kurdischstämmigen Bevölkerung in der Türkei ist auch einer der kurdischen Sprachen mächtig.
Die meisten Kurden sind in die türkische Gesellschaft integriert, viele auch assimiliert. In Parlament, Regierung und Verwaltung sind Kurden ebenso vertreten wie in Stadtverwaltungen, Gerichten und Sicherheitskräften. Ähnlich sieht es in Industrie, Wissenschaft, Geistesleben und Militär aus...
(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Türkei, 11. Jänner 2007, S 15).
1.2.1. Exilpolitische Aktivitäten/Tätigkeiten in der Türkei verbotenen Vereinen
1.2.1.1.Türkische Staatsangehörige, die im Ausland in herausgehobener oder erkennbar führender Position für eine in der Türkei verbotene Organisation tätig sind und sich nach türkischen Gesetzen strafbar gemacht haben, laufen Gefahr, dass sich die türkischen Sicherheitsbehörden und die Justiz mit ihnen befassen, wenn sie in die Türkei einreisen. Es ist davon auszugehen, dass sich eine mögliche strafrechtliche Verurteilung durch den türkischen Staat insbesondere auf Personen bezieht, die als Auslöser von als separatistisch oder terroristisch erachteten Aktivitäten und als Anstifter oder Aufwiegler angesehen werden (Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Türkei, 11. Jänner 2007, S 34).
1.2.1.2. Bei jeder Demonstration der kurdischen Vereine wird durch Mittelsmänner oder türkischen Geheimdienstler fotografiert und gefilmt. Bei Demonstrationen, zu denen sich die Türken nicht trauen hinzugehen, versuchen sie über kurdische Zeitungen und Fernsehen die Demonstranten auszuforschen. Diejenigen, die ausgewertet sind, werden der politischen Polizei und der Anti-Terror-Einheit, die über die Informationssammelstelle verfügt, zugeschickt, damit diese im Fall der Rückkehr dieser Personen genügend Material in der Hand haben um gegen diese Leute gerichtlich vorgehen zu können. Personen wie die Berufungswerberin - insbesondere aufgrund des Umstandes, dass sie in einer kurdischen Tageszeitung als Demonstrantin, die eine kurdische Fahne trägt, abgelichtet ist - haben im Fall einer Rückkehr in die Türkei damit zu rechnen, dass sie sofort der politischen Polizei übergeben würden, die sie nach einem Verhör und einer dabei entstandenen Aussage der Anti-Terror-Einheit übergeben würde. Das bedeutet Folter und erpresste Aussagen, die von den betroffenen Personen zwangsweise unterschrieben werden müsste. Diese Aussagen werden auch vor den Strafgereichten, die ehemaligen Staatssicherheitsgerichte vertreten, als Beweis zugelassen.
Eine Verurteilung nach der Anti-Terror-Gesetzgebung § 314 türk. StGB bedeutet eine Haftstrafe von 7 bis 15 Jahren.
Alle kurdischen Vereine im Ausland werden vom türkischen Staat werden als illegal und terroristisch eingestuft. Auch kurdische Vereine werden regelmäßig vom türkischen Staat beobachtet, teilweise werden auch Mittelsmänner eingeschleust." (Ausführungen des der mündlichen Verhandlung beigezogenen Sachverständigen).
2. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus folgender Beweiswürdigung:
2.1. Die zur Person des Berufungswerberin und zu ihrem familiären und (exil-)politischen Hintergrund getroffenen Feststellungen basieren auf ihrem Vorbringen im Asylverfahren, insbesondere in der mündlichen Berufungsverhandlung, und den dabei vorgelegten Beweismitteln. Es gab für die Berufungsbehörde keine Anhaltspunkte, an der Glaubhaftigkeit des Vorbringens zu zweifeln.
2.2. Die zum Herkunftsstaat der Berufungswerberin getroffenen Feststellungen basieren auf den unter 1.2. jeweils genannten Quellen.
3. Rechtlich folgt:
3.1.1. Mit 1.7.2008 hat der Gesetzgeber den Asylgerichtshof als unabhängige Kontrollinstanz in Asylsachen eingerichtet. Die maßgeblichen verfassungsmäßigen Bestimmungen bezüglich der Einrichtung des Asylgerichtshofes befinden sich in den Art. 129c ff. B-VG. Gemäß Art. 151 Abs. 39 Z. 1 B-VG wird mit 1.7.2008 der bisherige unabhängige Bundesasylsenat zum Asylgerichtshof. Laut Z. 4 leg. cit. sind am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof weiterzuführen. Bereits aufgrund der genannten Bestimmungen und der in ihnen erkennbar vom Verfassungsgesetzgeber vorgesehenen Kontinuität ergibt sich, dass der Asylgerichtshof auch für die schriftliche Ausfertigung von mündlich verkündeten Bescheiden des unabhängigen Bundesasylsenates zuständig ist. Da die ausfertigende Richterin des Asylgerichtshofes dieselbe Person wie das für das Berufungsverfahren vor dem unabhängigen Bundesasylsenat zuständige Senatsmitglied ist, ergeben sich auch aus dem Grundsatz der richterlichen Unmittelbarkeit keine Bedenken. Im vorliegenden Fall wurde der Berufungsbescheid mit o.a. Spruch am 28.4.2008 und damit vor Einrichtung des Asylgerichtshofes beschlossen und öffentlich verkündet.
Gemäß § 75 Abs. 1 des Asylgesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (im Folgenden: AsylG 2005) sind alle am 31.12.2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG i.d.F. BGBl. I Nr. 129/2004 (im Folgenden: AsylG) gilt. Gemäß § 44 Abs. 2 AsylG sind Asylanträge, die bis zum 30.04.2004 gestellt wurden, nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 16/2002 zu führen.
Gemäß § 38 Abs. 1 AsylG entscheidet der unabhängige Bundesasylsenat über Rechtsmittel gegen Bescheide des Bundesasylamtes.
3.1.2. Gem § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.
Der verwiesene Art 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention lautet: Im Sinne dieses Abkommens findet der Ausdruck "Flüchtling" auf jede Person Anwendung, die ... aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Gesinnung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will; ...
3.2. Die Furcht der Berufungswerberin vor Verfolgung ist begründet:
In seinem Erkenntnis vom 8.4.2003, Zl 2002/01/0078 hielt der Verwaltungsgerichtshof zur asylrechtlichen Relevanz exilpolitischer Aktivitäten fest: "... bei der Frage, ob der Asylwerber (ein Staatsangehöriger der Demokratischen Republik Kongo) infolge seiner exilpolitischen Tätigkeit ins Blickfeld der zuständigen kongolesischen Behörden geraten konnte, [ist] zunächst zu beurteilen, ob er so in Erscheinung getreten ist, dass er als auffällig regimekritisch identifizierbar war. ... Sollte sich dies herausstellen, wäre zu klären, ob damit zu rechnen ist, dass die kongolesischen Behörden von dem Auftreten des Asylwerbers Notiz genommen haben ..."
Im Fall der Berufungswerberin war daher zu prüfen, ob sie als auffällig regimekritisch identifizierbar war/ist und ob der türkische Staat davon Kenntnis genommen hat.
Dazu ist Folgendes auszuführen:
Die Berufungswerberin nimmt seit mehreren Jahren in Österreich regelmäßig an politischen Kundgebungen und Veranstaltungen teil. Diese Veranstaltungen haben überwiegend Kritik an der Vorgangsweise des türkischen Staates gegenüber politisch anders denkenden Personen - insbesondere Mitgliedern kurdischer Organisationen - zum Inhalt gehabt. Es ist den Ausführungen des Sachverständigen und dem Bericht des deutschen Auswärtigen Amtes zu entnehmen, dass vom türkischen Staat Informationen über die Teilnahme an solchen Veranstaltungen dann systematisch gesammelt und ausgewertet werden, wenn die betreffende Person in einer exponierten Weise daran teilnimmt. Darunter ist - in Abgrenzung zum bloßen "Mitläufertum" - die aktionistische Teilnahme als Redner zu verstehen. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Photos von Veranstaltungen aufgenommen und ausgewertet werden (vgl Feststellungen Punkt 1.2.1.2.) ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass bei der der türkischen Polizei zur Verfügung stehenden Informationssammelstelle Daten über die Berufungswerberin seit ihrer aktiven und im eben geschilderten Sinn exponierten Teilnahme an Demonstrationen vorhanden sind. Mit beträchtlicher Wahrscheinlichkeit ist dies jedoch auch deshalb der Fall, weil die Berufungswerberin Kontakte zum mesopotamischen Kulturverein unterhält. Es ist den Ausführungen des Sachverständigen zu Folge davon auszugehen, dass Personen, die bei dieser Organisation tätig sind, von Seiten des türkischen Staates als "Terroristen" bzw. als Mitglieder einer in der Türkei als gefährlich qualifizierten Organisation angesehen werden (Feststellungen Punkt 1.2.1.2.). Bei einer Gesamtschau dieser Umstände ist davon auszugehen, dass die Berufungswerberin als "auffällig regimekritisch" einzustufen ist und dass der türkische Staat davon Notiz genommen hat.
Im Fall ihrer Rückkehr in die Türkei ist weiters davon auszugehen, dass über die Berufungswerberin gesammelte Informationen auf Grund der routinemäßig durchgeführten Recherchen bei der Grenzkontrolle (Feststellungen Punkt 1.2.1.2.) bereits der Grenzpolizei bekannt würden. Die Berufungswerberin hat bereits bei der Einreise in die Türkei mit ihrer Anhaltung, Festnahme und Befragung bzw. Überstellung an der für die Staatssicherheit zuständigen Polizeieinheit zu rechnen. Im Rahmen einer daran anknüpfenden Überstellung an die Anti-Terroreinheit ist das Risiko einer Misshandlung gegeben; Eingriffe in die psychische oder physische Integrität sind nicht auszuschließen, was sich aus den Ausführungen des Sachverständigen ergibt, der davon spricht, dass es "zu Folterungen und erzwungenen Aussagen kommen wird".
3.3. Der hier in seiner Intensität zweifellos erhebliche Eingriff - Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit - in die vom Staat schützende Sphäre des Einzelnen ist dann asylrelevant, wenn er an einem in Artikel 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft. Unter politischer Gesinnung als Ursache eines drohenden Eingriffes ist alles zu verstehen, was auf die staatliche, gesellschaftliche, wirtschaftliche und kulturelle Ordnung und ihre konkrete sachliche und personelle Ausgestaltung bezogen ist, alles, was der Staat gegen sich, seine Ordnung, seinen Bestand, eventuell gegen seine Legitimität gerichtet erachtet. Im Fall der Berufungswerberin knüpft die Verfolgungsgefahr an seine politische Gesinnung an. Es ist davon auszugehen, dass ihre Gesinnung vom türkischen Staat jedenfalls als eine gegen den Bestand des Staates gerichtete qualifiziert wird. Die unter 3.2. dargestellten spezifischen Gefährdungsrisiken stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit der Annahme einer bestimmten (staatsfeindlichen) politischen Gesinnung von Seiten des türkischen Staates. Die von der Berufungswerberin zu befürchtende Verfolgungsgefährdung knüpft somit eindeutig an den Tatbestand der "politischen Gesinnung" an.
3.4. Eine inländische Fluchtalternative steht der Berufungswerberin aus folgenden Gründen nicht offen: Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes trägt der Begriff "inländische Fluchtalternative" dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss. Steht dem Asylwerber die gefahrlose Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht (VwGH 08.09.1999, 98/01/0503; 25.11.19999, 98/20/0523). Das einer "inländischen Fluchtalternative" innewohnende Zumutbarkeitskalkül setzt voraus, dass der Asylwerber im in Frage kommenden Gebiet nicht in eine ausweglose Lage gerät (VwGH 08.09.1999, 98/01/0614). Im konkreten Fall kann nicht angenommen werden, dass sich die Berufungswerberin der dargestellten Bedrohung durch Ausweichen in einen anderen Teil seines Herkunftsstaates entziehen kann; dies schon deshalb, weil sich die Gebiets- und Hoheitsgewalt der türkischen Regierung auf das gesamte Gebiet erstreckt und Informationen über die im Ausland stattgefundenen politischen Tätigkeiten der Berufungswerberin den türkischen Behörden zur Verfügung stehen, so dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass es der Berufungswerberin möglich wäre, sich über einen längeren Zeitraum hindurch erfolgreich versteckt zu halten (vgl dazu auch Home Office, Operational Guidance Note Turkey, p. 3.10).
3.5. Zusammenfassend wird festgehalten, dass sich die Berufungswerberin aus wohlbegründeter Furcht, wegen ihrers politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb der Türkei befindet und im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren und auch keiner der in Artikel 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- und Ausschlussgründe vorliegt.
Gemäß § 12 AsylG war die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Dieser Bescheid wurde in der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 28.4.2008 verkündet.