TE AsylGH Erkenntnis 2008/08/14 S12 400966-1/2008

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Veröffentlicht am 14.08.2008
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Spruch

S12 400.966-1/2008/2E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Maurer-Kober als Einzelrichterin über die Beschwerde der S.M., geb. 00.00.1975, StA.

Russische Föderation, vertreten durch: Dr. Lennart Binder LL.M, Rechtsanwalt, 1030 Wien, Rochusgasse 2, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 26.07.2008, FZ. 08 05.488 EAST-Ost, zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 5, 10 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

1.1 Die Beschwerdeführerin, eine russische Staatsangehörige tschetschenischer Volksgruppenzugehörigkeit, hat ihr Heimatland verlassen, ist am 25.06.2008 illegal mit dem Zug in das österreichische Bundesgebiet eingereist und hat am selben Tag den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

 

1.2. Bei der Erstbefragung am Tag der Antragstellung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion Traiskirchen in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Russisch gab die Beschwerdeführerin im Wesentlichen an, sie sei am 09.06.2008 von Gudermes aus mit dem Zug über Moskau legal mit ihrem eigenen Reisepass aus ihrem Heimatland ausgereist. Dann sei sie mit einem anderen Zug weiter nach Brest (Weißrussland) gefahren. Am 12.06.2008 habe sie schon versucht, in Polen einzureisen, sei jedoch an der Grenze zurückgeschickt worden, weil es schon zu spät gewesen sei. Am nächsten Tag, dem 13.06.2008 sei sie dann mit dem Zug nach Polen eingereist. In Polen habe sie einen Asylantrag gestellt, obwohl ihr eigentliches Zielland Österreich gewesen sei. In Österreich würden ein Bruder und zwei Schwestern von ihr leben, daher habe sie immer hierher gewollt. Ihr Heimatland habe sie verlassen, weil sie aufgrund der Tätigkeit ihres Bruders für Präsident Maschadow bedroht und ihr Haus angezündet worden sei. Am 24.06.2008 sei sie dann mit dem Zug aus Polen ausgereist und nach Österreich gefahren, wo sie am 25.06.2008 angekommen sei. Den Stand ihres polnischen Asylverfahrens kenne sie nicht. Sie wolle nicht in Polen bleiben, weil ihre Geschwister in Österreich seien. Da sie nicht verheiratet und ihr Vater verstorben sei, müsse sie nach der Tradition unter der Aufsicht ihres Bruders leben.

 

Eine Eurodac-Abfrage vom selben Tag ergab, dass die Beschwerdeführerin bereits am 13.06.2008 in Polen (Lublin) einen Asylantrag gestellt hatte.

 

1.3. Am 30.06.2008 richtete das Bundesasylamt ein Wiederaufnahmeersuchen an die zuständige polnische Behörde.

 

1.4. Am 01.07.2008 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 29 Abs. 3 AsylG mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, ihren Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen (§§ 4, 5, 68 Abs. 1 AVG, §29 Abs.3 Z 4 AsylG), da Dublin Konsultationen mit Polen seit 30.06.2008 geführt werden (vgl. AS 45f).

 

1.5. Mit Schreiben vom 01.07.2008 (eingelangt am 02.07.2008) erklärte sich Polen gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedsstaat gestellten Asylantrag zuständig ist (in der Folge: Dublin II-VO), für die Wiederaufnahme der Asylwerberin für zuständig.

 

1.6. Am 10.07.2008 langte die gutachterliche Stellungnahme im Zulassungsverfahren gemäß § 10 AsylG von Dr. R.Y., Facharzt für Psychiatrie, beim Bundesasylamt ein, (Untersuchung am 09.07.2008) der zu entnehmen ist, dass die Beschwerdeführerin zum Untersuchungszeitpunkt beschwerdefrei sei. Es liege aus aktueller Sicht keine belastungsabhängige krankheitswertige psychische Störung vor. Der Überstellung nach Polen stünden keine schweren psychischen Störungen entgegen, die eine unzumutbare Verschlechterung des Gesundheitszustandes aus ärztlicher Sicht bewirken würden.

 

1.7. Am 21.07.2008 wurde die Beschwerdeführerin vom Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle Ost, nach erfolgter Rechtsberatung in Anwesenheit eines Rechtsberaters sowie eines geeigneten Dolmetschers für die Sprache Russisch niederschriftlich einvernommen und gab dabei im Wesentlichen an, dass sie körperlich und geistig in der Lage sei, die Einvernahme durchzuführen. In Polen habe sie zu ihrem Asylverfahren noch keine Einvernahme gehabt, und es sei ihr keine Entscheidung mitgeteilt worden. Den Abschluss des Asylverfahrens in Polen habe sie nicht abgewartet, da sie von Anfang an nach Österreich gewollt habe, weil hier ihr Bruder lebe. In Österreich würden noch zwei Schwestern von ihr leben und in Frankreich drei weitere Schwestern. Probleme habe sie in Polen keine gehabt. Ihren Bruder habe sie vor ihrer Flucht im Jahr 2004 das letzte Mal gesehen, ihre Schwester A. im Jahr 2005 und ihre andere Schwester J. im Jahr 2005 oder im Jahr 2006. In ihrem Heimatland habe sie in Gudermes bei ihrem Bruder gewohnt. Alle ihre drei Geschwister hätten in Österreich einen positiven Asylbescheid erhalten. Nach deren Ausreise habe sie mit ihren Geschwistern nur noch telefonischen Kontakt gehabt. Finanzielle Abhängigkeit habe nie bestanden, da sie in ihrer Heimat in einem Krankenhaus gearbeitet habe. Sonst lebe sie mit niemandem in eine Familiengemeinschaft oder einer familienähnlichen Lebensgemeinschaft. Zur geplanten Vorgehensweise des Bundesasylamtes, die Beschwerdeführerin nach Polen zu überstellen, gab sie an, sie wolle nicht nach Polen. Sie sei ledig und wenn eine Frau keinen Ehemann habe, solle sie mit den Eltern oder den älteren Brüdern leben. Einer Ausweisung nach Polen stehe entgegen, dass sie in Polen nicht ohne Familie leben könne. Sie wolle bei ihrem Bruder sein.

 

Im Rahmen dieser Einvernahme legte die Beschwerdeführerin ein Schreiben ihres Bruders, S.C., vom 11.07.2008 vor (vgl. AS 79), in welchem dieser die Behörde ersucht, die Beschwerdeführerin in Österreich zum Asylverfahren zuzulassen. Er habe mit ihr in Tschetschenien immer zusammen gelebt. In Tschetschenien habe sie keine Verwandten mehr, die sie aufnehmen würden, da sich die restliche Familie von ihr abgewandt habe, um keine Probleme mit der Polizei zu bekommen. Ferner habe er ein besonderes Naheverhältnis, da die Beschwerdeführerin sich in Tschetschenien immer um seine Kinder gekümmert habe, da er und seine Ehefrau berufstätig gewesen seien.

 

2. Mit dem angefochtenen Bescheid hat das Bundesasylamt den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz vom 25.06.2008 ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und festgestellt, dass für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutzes gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates Polen zuständig sei. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG wurde die Beschwerdeführerin aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen und festgestellt, dass demzufolge die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Polen gemäß § 10 Abs. 4 AsylG zulässig sei.

 

3. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter fristgerecht Beschwerde und brachte hierbei im Wesentlichen vor, dass sie über verlässliche Informationen verfüge, dass von Polen regelmäßig Kettenabschiebungen von Tschetschenen über Weißrussland oder die Ukraine nach Russland erfolgen würden und eine Gefährdung durch russische Agenten gegeben sei. Überdies würden ihr Bruder und zwei ihrer Schwestern in Österreich als anerkannte Konventionsflüchtlinge leben. Es bestünden enge Beziehungen zwischen der Beschwerdeführerin und ihren Geschwistern. Ferner könne eine alleinstehende Frau in Polen nicht existieren und sei es nach den Sitten und Gebräuchen der Beschwerdeführerin und ihrer Familie logisch, dass eine alleinstehende Frau bei den Eltern oder dem ältesten Bruder lebe. Weiters wurde vorgebracht, dass Polen eine niedrige Asylanerkennungsquote habe und dass die polnischen Asylbehörden davon ausgehen würden, dass Tschetschenen, die sich außerhalb Tschetscheniens auf russischem Territorium aufhalten nicht verfolgt würden. Weiters wurde auf ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verwiesen, welches noch nicht abgeschlossen ist. Die Feststellungen im angefochtenen Bescheid zu Polen seien unrichtig. Die Erstbehörde habe ferner unterlassen, festzustellen, dass die Beschwerdeführerin traumatisiert sei. Weiters habe sich die Erstbehörde nicht mit dem konkreten Vorbringen der Beschwerdeführerin auseinander gesetzt.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Folgender Sachverhalt wird der Entscheidung zugrunde gelegt:

 

1.1. Die Beschwerdeführerin, eine russische Staatsangehörige tschetschenischer Volksgruppenzugehörigkeit, hat ihr Heimatland verlassen, ist am 25.06.2008 illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist und hat am selben Tag den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

 

Zuvor stellte die Beschwerdeführerin am 13.06.2008 in Lublin (Polen) einen Asylantrag, dessen Entscheidung sie nicht abgewartet hat.

 

Bei der Beschwerdeführerin liegt keine belastungsabhängige krankheitswertige psychische Störung vor und einer Überstellung nach Polen stehen keine schweren psychischen Störungen entgegen, die eine unzumutbare Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Beschwerdeführerin aus ärztlicher Sicht bewirken würden.

 

In Österreich leben ein Bruder und zwei Schwestern der Beschwerdeführerin als anerkannte Konventionsflüchtlinge. Seit dem Jahr 2004 hatte die Beschwerdeführerin lediglich telefonischen Kontakt zu ihrem Bruder; ihre Schwestern sah sie zuletzt im Jahr 2005 oder 2006. Die Beschwerdeführerin lebt weder mit ihrem Bruder noch mit einer ihrer Schwestern im gemeinsamen Haushalt, und es besteht keine finanzielle oder sonstige Abhängigkeit. Eine solche hat im Übrigen auch im Heimatland der Beschwerdeführerin nicht bestanden.

 

Polen hat sich mit Schreiben vom 01.07.2008 (eingelangt am 02.07.2008) gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin II-VO ausdrücklich für die Wiederaufnahme der Asylwerberin für zuständig erklärt.

 

1.2. Die in § 28 Abs. 2 AsylG festgelegte zwanzigtägige Frist zur Erlassung eines zurückweisenden Bescheides nach § 5 AsylG gilt nicht, weil der Beschwerdeführerin das Führen von Konsultationen gemäß der Dublin II-VO innerhalb der Zwanzigtagesfrist mitgeteilt wurde, weshalb kein Übergang der Zuständigkeit an Österreich wegen Fristüberschreitung eingetreten ist.

 

2. Der festgestellte Sachverhalt gründet sich auf folgende Beweiswürdigung:

 

Die oben angeführten Feststellungen ergeben sich aus dem erstinstanzlichen Verwaltungsakt, insbesondere aus den Angaben der Beschwerdeführerin bei der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 25.06.2008, aus der niederschriftlichen Einvernahme der Beschwerdeführerin vom 21.07.2008 sowie aus der Zuständigkeitserklärung Polens vom 01.07.2008.

 

Die Feststellungen zum psychischen Gesundheitszustand und zur Überstellungsfähigkeit der Beschwerdeführerin ergeben sich darüber hinaus aus der schlüssigen und nachvollziehbaren gutachtlichern Stellungnahme im Zulassungsverfahren von Dr. R.Y., Facharzt für Psychiatrie, vom 09.07.2008.

 

Die Feststellung, dass der Bruder und die beiden Schwestern der Beschwerdeführerin in Österreich als anerkannte Konventionsflüchtlinge leben, ergibt sich aus den jeweiligen AIS-Auszügen.

 

3. Rechtlich ergibt sich Folgendes:

 

3.1. Gemäß §§ 73 Abs. 1 und 75 des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl, BGBl. I Nr. 100/2005 (in der Folge AsylG) iVm § 1 AsylG ist das oben angeführte Gesetz auf Anträge auf internationalen Schutz anzuwenden, die ab dem 01.01.2006 gestellt wurden. Daraus folgt, dass für das gegenständliche Verfahren das AsylG 2005 anzuwenden war.

 

Gemäß § 23 AsylGHG sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde tritt.

 

3.2. Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 AsylG erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin II-VO zur Prüfung des Antrages zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Behörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Gemäß § 5 Abs. 3 AsylG ist, sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder bei der Behörde offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

 

Die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates nach der Dublin II-VO ist als negative Prozessvoraussetzung hinsichtlich des Asylverfahrens in Österreich konstruiert. Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens ist somit die Frage der Zurückweisung des Asylantrages wegen Zuständigkeit eines anderen Staates.

 

Nach Art. 3 Abs. 1 Dublin II-VO wird ein Asylantrag, den ein Drittstaatsangehöriger an der Grenze oder im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates stellt, von jenem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III (Dublin II-VO) als zuständiger Staat bestimmt wird. Kapitel III enthält in den Artikeln 6 bis 13 Dublin II-VO die Zuständigkeitskriterien, die nach Art. 5 Abs. 1 Dublin II-VO "in der in diesem Kapitel genannten Reihenfolge" Anwendung finden.

 

3.3. Gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin II-VO ist der Mitgliedstaat, der nach der Dublin II-VO zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist, gehalten, einen Antragsteller, der sich während der Prüfung seines Antrages unerlaubt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe des Art. 20 wieder aufzunehmen.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird. Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn 1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder 2. diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden. Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG ist, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, gleichzeitig mit der Ausweisung auszusprechen, dass die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben ist. Gemäß § 10 Abs. 4 AsylG gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.

 

Gemäß § 40 Abs. 1 AsylG dürfen in einer Berufung gegen eine Entscheidung des Bundesasylamtes neue Tatsachen und Beweismittel nur vorgebracht werden, 1. wenn sich der Sachverhalt, der der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, nach der Entscheidung erster Instanz maßgeblich geändert hat; 2. wenn das Verfahren erster Instanz mangelhaft war; 3. wenn diese dem Asylwerber bis zum Zeitpunkt der Entscheidung erster Instanz nicht zugänglich waren oder 4. wenn der Asylwerber nicht in der Lage war, diese vorzubringen.

 

Gemäß § 28 Abs. 2 AsylG ist der Antrag zuzulassen, wenn das Bundesasylamt nicht binnen zwanzig Tagen nach seiner Einbringung entscheidet, dass er zurückzuweisen ist, es sei denn, es werden Konsultationen gemäß der Dublin II-VO oder einem entsprechenden Vertrag geführt. Dass solche Verhandlungen geführt werden, ist dem Asylwerber innerhalb der 20-Tages-Frist mitzuteilen.

 

3.4. Im gegenständlichen Fall ist das Bundesasylamt ausgehend davon, dass die Beschwerdeführerin bereits in Polen einen Asylantrag gestellt hat und, dass Polen einer Übernahme der Beschwerdeführerin auf Grundlage des Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin II-VO zustimmte, zu Recht von einer Zuständigkeit Polens zur Prüfung des Asylantrages ausgegangen.

 

3.5. Zu prüfen bleibt daher, ob Österreich im gegenständlichen Fall verpflichtet wäre, im Hinblick auf Art. 3 EMRK oder Art. 8 EMRK von seinem Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO Gebrauch zu machen.

 

3.5.1. Der Verfassungsgerichtshof sprach in seinem Erkenntnis vom 08.03.2001, G 117/00 u.a. VfSlg 16.122, aus, dass § 5 AsylG nicht isoliert zu sehen sei; das im Dubliner Übereinkommen festgelegte Selbsteintrittsrecht Österreichs verpflichte - als Teil der österreichischen Rechtsordnung - die Asylbehörde unter bestimmten Voraussetzungen zur Sachentscheidung in der Asylsache und damit mittelbar dazu, keine Zuständigkeitsbestimmung im Sinne des § 5 vorzunehmen. Eine strikte, zu einer Grundrechtswidrigkeit führende Auslegung (und somit Handhabung) des § 5 Abs. 1 AsylG sei durch die Heranziehung des Selbsteintrittsrechtes zu vermeiden. Dieser Rechtsansicht schloss sich der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 23.01.2003, Zl. 2000/01/0498, an.

 

Hatte der Verfassungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 15.10.2005, G 237/03 u.a. ausgesprochen, dass jene zum Dubliner Übereinkommen angestellten Überlegungen auch für das Selbsteintrittsrecht des Art. 3 Abs. 2 Dublin-VO zutreffen, ergänzte er in seinem Erkenntnis vom 17.06.2005, B 336/05-11, dies dahingehend, dass die Mitgliedstaaten nicht nachzuprüfen haben, ob ein bestimmter Mitgliedstaat generell sicher sei, da die entsprechende Vergewisserung durch den Rat erfolgt sei; eine Nachprüfung der grundrechtlichen Auswirkungen einer Überstellung eines Asylwerbers in einen anderen Mitgliedstaat im Einzelfall sei jedoch gemeinschaftsrechtlich zulässig. Sollte diese Überprüfung ergeben, dass Grundrechte des betreffenden Asylwerbers etwa durch eine Kettenabschiebung bedroht sind, sei aus verfassungsrechtlichen Gründen das Eintrittsrecht zwingend auszuüben.

 

In seinem Erkenntnis vom 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582 (dem ein - die Zuständigkeit Italiens nach dem Dubliner Übereinkommen betreffender - Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates zugrunde lag) sowie in dem (bereits die Dublin-VO betreffenden) Erkenntnis vom 31.05.2005, Zl. 2005/20/0095-9, führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass in Verfahren wie dem gegenständlichen eine Gefahrenprognose zu treffen ist, ob ein - über die bloße Möglichkeit hinausgehendes - ausreichend substantiiertes "real risk" besteht, dass ein aufgrund der Dublin-VO in den zuständigen Mitgliedstaat ausgewiesener Asylwerber trotz Berechtigung seines Schutzbegehrens, also auch im Falle der Glaubhaftmachung des von ihm behaupteten Bedrohungsbildes, im Zielstaat der Gefahr einer - direkten oder indirekten - Abschiebung in den Herkunftsstaat ausgesetzt ist, wobei insbesondere zu prüfen sei, ob der Zielstaat rechtliche Sonderpositionen vertritt, nach denen auch bei der Zugrundelegung der Behauptungen des Asylwerbers eine Schutzverweigerung zu erwarten wäre. Weiters wird ausgesprochen, dass geringe Asylanerkennungsquoten im Zielstaat für sich allein genommen keine ausreichende Grundlage dafür sind, um vom Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen.

 

3.5.2. Im gegenständlichen Fall kann nun nicht gesagt werden, dass die Beschwerdeführerin ausreichend substantiiert und glaubhaft dargelegt hätte, dass ihr durch eine Rückverbringung nach Polen die - über eine bloße Möglichkeit hinausgehende - Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung drohen würde.

 

Während des gesamten Verfahrens hat die Beschwerdeführerin keine substantiierten Gründe vorgebracht, die gegen eine Überstellung nach Polen sprechen, sondern hat als einzigen Grund genannt, dass sie in Österreich bei ihrem Bruder leben wolle. Ferner hat sie angeführt, dass sie in Polen keine Probleme gehabt habe.

 

Das Vorbringen in der Beschwerde, die Beschwerdeführerin verfüge über verlässliche Informationen, dass von Polen regelmäßig Kettenabschiebungen von Tschetschenen erfolgen würden und eine Gefährdung durch russische Agenten gegeben sei, verstößt gegen das Neuerungsverbot gemäß § 40 Abs. 1 AsylG, da dieses Vorbringen - sollte es der Wahrheit entsprechen - der Beschwerdeführerin bereits während des erstinstanzlichen Verfahrens bekannt gewesen sein musste und auch sonst keine Ausnahmen von Neuerungsverbot vorliegen bzw. in der Beschwerde nicht vorgebracht wurden. Im Übrigen ist auszuführen, dass dieses erstmalige Vorbringen in der Beschwerde weder begründet noch substantiiert dargelegt wurde. Ein Verweis auf "verlässliche Informationen", die in der Folge nicht näher ausgeführt werden, ist nicht ausreichend, um glaubhaft zu wirken, zumal dieses Vorbringen dem Amtswissen des Asylgerichtshofes widerspricht.

 

Ferner ist in diesem Zusammenhang anzuführen, dass von Seiten Polens keine systemwidrigen Verletzungen der Verpflichtungen aus der Dublin II-VO bekannt sind. Auch geringe Asylanerkennungsquoten im Zielstaat sind für sich genommen keine ausreichende Grundlage dafür, dass die österreichischen Asylbehörden vom Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen müssten (vgl. u.a. VwGH vom 31.05.2008, Zl. 2005/20/0095). Im Übrigen erhalten Antragsteller aus Tschetschenien in Polen zumindest tolerierten Aufenthalt.

 

Zum weitern Vorbringen in der Beschwerde ist zunächst auszuführen, dass es für das erkennende Gericht absolut nicht nachvollziehbar ist, aus welchen Gründen eine alleinstehende Frau in Polen nicht existieren kann. Polen ist ein gesellschaftlich westlich geprägtes, demokratisches Land und Mitglied der Europäischen Union. Selbstverständlich kann eine alleinstehende Frau in Polen genauso gut leben wie in Österreich, Deutschland oder einem beliebigen anderen Land der Europäischen Union. Auch wenn es nach den Sitten und Gebräuchen im Heimatland der Beschwerdeführerin üblich ist, dass eine alleinstehende Frau bei ihrem ältesten Bruder lebt, ändert dies nichts an der gegenständlichen Entscheidung, da sich die österreichische Rechtsordnung auf die hier geltenden Gesetze stützt und nicht auf die Sitten oder Gebräuche eines anderen Staates.

 

Ferner wurde in der Beschwerde lediglich in den Raum gestellt, dass die erstinstanzlichen Länderfeststellungen zu Polen unrichtig seien, ohne diesen substantiiert entgegenzutreten. Der Verweis auf ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, welches noch nicht abgeschlossen ist, ist für die gegenständliche Entscheidung vollkommen irrelevant. Hinzu kommt, dass in der Beschwerde nicht nachvollziehbare Behauptungen zum polnischen Asylverfahren aufgestellt wurden, da diese ohne Angaben von Quellen erfolgt sind, sodass der Asylgerichtshof nicht in der Lage ist, diese auf ihre Richtigkeit bzw. Relevanz hin zu überprüfen. Lediglich einmal wurde eine Quelle aus dem Jahr 2006 - betreffend Schubhaft - genannt, wobei diesbezüglich auszuführen ist, dass eine Inschubhaftnahme in sämtlichen europäischen Staaten möglich ist und darüber hinaus die Beschwerdeführerin bei ihrem Aufenthalt in Polen nicht in Schubhaft genommen wurde.

 

Die Beschwerdeführerin hat sohin kein Vorbringen erstattet, welches die Annahme rechtfertigen könnte, dass ihr in Polen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung drohen würde.

 

Soweit aus dem Vorbringen bzw. aus der Beschwerde herauszulesen ist, dass die Beschwerdeführerin in Polen möglicherweise kein Asyl erhalten werde und in die russische Föderation abgeschoben werden könnte, ist ihr entgegenzuhalten, dass es nicht Aufgabe der österreichischen Asylbehörden sein kann, "hypothetische Überlegungen über den möglichen Ausgang" eines von einem anderen Staat zu führenden Asylverfahrens anzustellen (vgl. u.a. VwGH vom 31.05.2008, Zl. 2005/20/0095).

 

Aus der Rechtsprechung des EGMR lässt sich ein systematische, notorische Verletzung fundamentaler Menschenrechte in Polen keinesfalls erkennen und gelten im Übrigen die Mitgliedstaaten der EU als sichere Staaten für Drittstaatsangehörige. Zudem war festzustellen, dass ein im besonderen Maße substantiiertes Vorbringen bzw. das Vorliegen besonderer von der Beschwerdeführerin bescheinigter außergewöhnlicher Umstände, die die Gefahr einer Verletzung der EMRK im Falle einer Überstellung ernstlich möglich erscheinen ließen, im Verfahren nicht hervorgekommen sind. Konkret besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass etwa die Beschwerdeführerin im Zuge einer so genannten "ungeprüften Kettenabschiebung" in ihr Heimatland, sohin in die russische Föderation, zurückgeschoben werden könnte.

 

Wenn die Beschwerdeführerin in der Beschwerde behauptet, das Bundesasylamt habe lediglich Textbausteine verwendet und sich nicht darum bemüht, individuell auf den gegenständlichen Fall bezogen zu ermitteln und zu entscheiden, sondern habe allgemeine Phrasen auf den Fall angewendet, so kann dies anhand des gegenständlichen Verfahrens nicht nachvollzogen werden. Aus dem erstinstanzlichen Bescheid geht jedenfalls hervor, dass sich das Bundesasylamt mit dem konkreten Vorbringen der Beschwerdeführerin im angefochtenen Bescheid auseinandergesetzt hat; so geht insbesondere die erstinstanzliche Beweiswürdigung über vier Seiten (vgl. Seite 17 bis 21 des angefochtenen Bescheides).

 

Letztlich ist noch anzuführen, dass die Behauptung, die Beschwerdeführerin sei traumatisiert, ebenfall unsubstantiiert ohne nähere Begründung in den Raum gestellt wurde und dem erstinstanzlichen Ermittlungsergebnis, der gutachterlichen Stellungnahme im Zulassungsverfahren von Dr. R.Y., eindeutig widerspricht.

 

Der Asylgerichtshof kommt daher zu dem Schluss, dass der Beschwerdeführerin in Polen keine reale Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung drohen würde.

 

3.5.3. Ferner ist eine Überprüfung gemäß Art. 8 EMRK dahingehend vorzunehmen, ob die Beschwerdeführerin über im Sinne des Art. 8 Abs. 1 EMRK relevante Verbindungen in Österreich verfügt.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in Ausübung dieses Rechts ist gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Der EGMR bzw. die EKMR verlangen zum Vorliegen des Art. 8 EMRK das Erfordernis eines "effektiven Familienlebens", das sich in der Führung eines gemeinsamen Haushaltes, dem Vorliegen eines Abhängigkeitsverhältnisses oder eines speziell engen, tatsächlich gelebten Bandes zu äußern hat (vgl. das Urteil Marckx [Ziffer 45] sowie Beschwerde Nr. 1240/86, V. Vereinigtes Königreich, DR 55, Seite 234; hierzu ausführlich: Kälin, "Die Bedeutung der EMRK für Asylsuchende und Flüchtlinge: Materialien und Hinweise", Mai 1997, Seite 46).

 

Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse gemeinsame Intensität erreichen. Als Kriterien hierfür kommen etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes oder die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht. In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (vgl. EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; siehe auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (vgl. EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311), und zwischen Onkel und Tante und Neffen bzw. Nichten (vgl. EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1989, 761; Rosenmayer ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (vgl. EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

 

Im gegenständlichen Fall leben ein Bruder und zwei Schwestern der Beschwerdeführerin als anerkannte Konventionsflüchtlinge in Österreich. Diesbezüglich ist zunächst anzuführen, dass die Beziehung auch zwischen erwachsenen Geschwistern von der oben zitierten Rechtsprechung des EGMR unter bestimmten Umständen - nämlich, wenn eine intensive Beziehung vorliegt - umfasst wird. Allerdings liegt im gegenständlichen Fall die geforderte Beziehungsintensität - wie das Leben im gemeinsamen Haushalt oder eine finanzielle Abhängigkeit - im Fall der Beschwerdeführerin und ihrem Bruder nicht vor, zumal sich hier Widersprüche zwischen den Angaben der Beschwerdeführerin und dem im Rahmen der erstinstanzlichen Einvernahme am 21.07.2008 von ihr vorgelegten Schreiben ihres Bruders ergeben haben. Zwar haben sowohl die Beschwerdeführerin als auch ihr Bruder angeführt, sie hätten im Heimatland im gemeinsamen Haushalt gelebt, wobei jedoch die Beschwerdeführerin angegeben hat, sie hätten in Gudermes gelebt; ihr Bruder führte hingegen in seinem Schreiben vom 11.07.2008 aus, sie hätten in O. zusammengelebt; die Beschwerdeführerin sei in Gudermes lediglich offiziell gemeldet gewesen. Ebenfalls nicht nachvollziehbar ist, dass auch deshalb ein enges Naheverhältnis bestehe - wie im Schreiben des Bruders angeführt - weil sich die Beschwerdeführerin um die Kinder des Bruders gekümmert habe, da dieser und seine Ehefrau in Tschetschenien berufstätig gewesen seien. Die Beschwerdeführerin hat selbst angegeben, dass sie in Tschetschenien als Krankenschwester gearbeitet habe, sohin war sie ebenfalls berufstätig und hatte daher wohl weder die Zeit noch die Möglichkeit sich zusätzlich um die Kinder des Bruders zu kümmern. Betreffend ihre beiden Schwestern hat die Berufungswerberin kein Vorbringen erstattet, welches auf die vom EGMR geforderte Beziehungsintensität schließen lässt. Lediglich der Vollständigkeit halber ist nochmals zu erwähnen, dass die Sitten und Gebräuche im Heimatland der Beschwerdeführerin - als alleinstehende Frau müsse sie bei ihrem ältesten Bruder leben - für das gegenständliche Verfahren vollkommen irrelevant sind.

 

Weitere familiäre Beziehungen zu einem österreichischen Staatsbürger oder einem dauernd aufenthaltsberechtigten Fremden in Österreich hat die Beschwerdeführerin nicht angeführt, weshalb sie bei einer Überstellung nach Polen in ihrem durch Art. 8 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nicht verletzt werden würde.

 

3.5.4. Zusammenfassend kann daher gesagt werden, dass kein Anlass für einen Selbsteintritt Österreichs gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO aufgrund einer drohenden Verletzung von Art. 3, 8 EMRK besteht.

 

3.5.5. Festzuhalten ist auch, dass die in § 28 Abs. 2 AsylG normierte 20-tägige Frist im gegenständlichen Fall eingehalten worden ist.

 

3.5.6. Hinsichtlich Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides ist noch auszuführen, dass keine Hinweise für eine Unzulässigkeit der Ausweisung im Sinne des § 10 Abs. 2 AsylG ersichtlich sind, da weder ein nicht auf das AsylG gestütztes Aufenthaltsrecht aktenkundig ist noch die Beschwerdeführerin in Österreich über Angehörige im Sinne des Art. 8 EMRK verfügt. Darüber hinaus sind auch keine Gründe für einen Durchführungsaufschub gemäß § 10 Abs. 3 AsylG ersichtlich. Was schließlich den seitens des Bundesasylamtes im Bescheidspruch aufgenommenen Ausspruch über die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Polen anbelangt, so ist darauf hinzuweisen, dass die getroffene Ausweisung, da diese mit einer Entscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG verbunden ist, gemäß § 10 Abs. 4 erster Satz AsylG schon von Gesetzes wegen als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat gilt.

 

3.5.7. Die Beschwerde erwies sich somit als nicht berechtigt und war daher spruchgemäß abzuweisen.

 

3.5.8. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 41 Abs. 4 AsylG abgesehen werden.

Schlagworte
Ausweisung, familiäre Situation, Rechtsschutzstandard, Sicherheitslage, soziale Verhältnisse
Zuletzt aktualisiert am
17.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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