S10 400.856-1/2008/3E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. ROSENAUER als Einzelrichter über die Beschwerde der M.M., geb. 00.00.1982, StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 17.07.2008, Zahl: 08 04.978-EAST West, zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 41 Abs. 3 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 100/2005 stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1. Der Verfahrensgang vor der erstinstanzlichen Bescheiderlassung ergibt sich aus dem erstinstanzlichen Verwaltungsakt und stellt sich im Wesentlichen wie folgt dar:
Das Bundesasylamt hat mit dem angefochtenen Bescheid vom 17.07.2008, Zahl: 08 04.978-EAST West, den Antrag auf internationalen Schutz der Beschwerdeführerin (in der Folge BF), ohne in die Sache einzutreten, gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 (in der Folge AsylG) als unzulässig zurückgewiesen und gleichzeitig ausgesprochen, dass für die Prüfung des gegenständlichen Asylantrages gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates (in der Folge Dublin II VO) Polen zuständig sei. Gleichzeitig wurde die BF gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen und gemäß § 10 Abs. 4 AsylG festgestellt, dass die Abschiebung zulässig sei.
Die Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die BF Staatsangehörige der Russischen Föderation sei und der Volksgruppe der Inguschen angehöre. Ihre Identität stehe nicht fest und sie sei schwanger. Die BF habe bereits vor ihrer illegalen Einreise nach Österreich einen Asylantrag in Polen gestellt (am 10.04.2006). Laut Angaben der BF sei sie dort ca. eineinhalb Jahre aufhältig gewesen. Am 26.01.2008 sei sie mit ihrem Sohn T.H., geboren 00.00.2006 in Warschau, ihrer Schwester M.E., geboren 00.00.1985 und deren Tochter M.L., geboren 00.00.2005, illegal nach Frankreich gereist. Von dort sei sie von ihrem bereits seit 20.11.2007 in Österreich aufhältigen Lebensgefährten T.T., geboren 00.00.1975, geholt worden und gemeinsam mit den Genannten am 03.06.2008 illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist. Am 06.06.2008 habe sie beim Bundesasylamt EAST West einen Antrag auf internationalen Schutz eingebracht.
Die BF hat im erstinstanzlichen Verfahren vorgebracht, dass sie Polen verlassen hätten, weil zwei Männer aus Inguschetien ihren Lebensgefährten bedroht hätten.
Weiters brachte sie vor, dass sie an Herzschmerzen leide und schwanger sei. Sie hätte in Polen an einer starken Toxikose gelitten. Bei der Geburt ihres Kindes in Polen hätte sie 12 Stunden lang starke Wehen gehabt. Nach ihrer Geburt sei sie 15 Tage lang im Krankenhaus gewesen. Sie hätte zwei Fehlgeburten gehabt, eine vor und eine nach der Geburt ihres Sohnes. Ihre Schwangerschaft mit ihrem Sohn sei eine Risikoschwangerschaft gewesen.
Der Rechtsberater beim Bundesasylamt ersuchte um eine Untersuchung gemäß § 10 AsylG (gemeint wohl: Untersuchung, ob Durchsetzungsaufschubsgründe gemäß § 10 Abs. 3 AsylG vorliegen).
In der Begründung des bekämpften Bescheides wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass die BF trotz Aufforderung bis zur Bescheiderlassung ihren Mutter-Kind-Pass nicht vorgelegt hätte. In Polen sei sie bezüglich ihrer medizinischen Probleme sehr wohl behandelt worden. Zu den angegebenen Herzschmerzen hätte sie trotz Aufforderung keinerlei Befunde vorgelegt. Dass ihre gesundheitliche Lage gegen eine Überstellung nach Polen sprechen würde, sei auszuschließen, da sie vom Krankenhaus wieder entlassen worden sei; sollte sie akute medizinische Hilfe benötigt haben, hätte sie der Gynäkologe vom Krankenhaus sicherlich nicht nach Hause entlassen. Zum Thema Überstellung und Abschiebehindernis wurden weiters Feststellungen zur Situation in Polen, umfangreiche Judikatur des EGMR sowie Entscheidungen des Unabhängigen Bundesasylsenates angeführt. Auf Grund dieser Ausführungen gehe der Antrag des Rechtsberaters, eine Untersuchung nach § 10 AsylG durchführen zu lassen, ins Leere.
2. Gegen diesen am 18.07.2008 an die BF zugestellten Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben, worin Anträge auf Behebung des Bescheides des Bundesasylamtes und Zulassung des Asylantrages sowie auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde gestellt wurden.
Als Gründe für die Beschwerde wurden im wesentlichen Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgrund unterbliebener Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhaltes geltend gemacht.
3. Die Beschwerde langte am 05.08.2008 beim Asylgerichtshof ein.
4. Mit Bescheid des Asylgerichtshofes vom 08.08.2008, GZ: S10 400.856-1/2008-2Z, wurde der Beschwerde der BF aufschiebende Wirkung - wie auch jenen der unter Punkt I.1 genannten Personen - zuerkannt.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
Rechtlich ergibt sich Folgendes:
1. Mit Datum 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG idF BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 4/2008) und ist auf die ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.
Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 AsylG erledigter Asylantrag als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Dublin II VO zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Asylbehörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist die Zurückweisung eines Antrages nach Maßgabe des § 10 Abs. 3 und Abs. 4 AsylG mit einer Ausweisung zu verbinden.
Die Dublin II VO ist eine Verordnung des Gemeinschaftsrechts im Anwendungsbereich der 1. Säule der Europäischen Union (vgl. Art. 63 EGV), die Regelungen über die Zuständigkeit zur Prüfung von Asylanträgen von Drittstaatsangehörigen trifft. Sie gilt also nicht für mögliche Asylanträge von EU-Bürgern, ebensowenig ist sie auf Personen anwendbar, denen bereits der Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde. Das Grundprinzip ist, dass Drittstaatsangehörigen das Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Asylverfahren in einem Mitgliedstaat zukommt, jedoch nur in einem Mitgliedstaat, dessen Zuständigkeit sich primär nicht aufgrund des Wunsches des Asylwerbers, sondern aufgrund der in der Verordnung festgesetzten hierarchisch geordneten Zuständigkeitskriterien ergibt.
Es ist daher zunächst zu überprüfen, welcher Mitgliedstaat nach den hierarchisch aufgebauten (Art. 5 Abs 1 Dublin II VO) Kriterien der Art. 6-12 bzw. 14 und 15 Dublin II VO, bzw. dem Auffangtatbestand des Art. 13 Dublin II VO zur inhaltlichen Prüfung zuständig ist.
Im vorliegenden Fall hat das Bundesasylamt zutreffend festgestellt, dass eine Zuständigkeit Polens gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. e Dublin II VO besteht, zumal die Beschwerdeführerin am 10.04.2006 in Polen einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, weiters eine Zustimmung vom 11.06.2008, eingelangt am 12.06.2008, zur Wiederaufnahme der Beschwerdeführerin und ihrer Tochter durch die polnischen Behörden vorliegt. Die erste Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der getroffenen Unzuständigkeitsentscheidung ist somit gegeben.
Es sind auch aus der Aktenlage keine Hinweise ersichtlich, wonach die Führung der Konsultationen im gegenständlichen Fall derart fehlerhaft erfolgt wäre, sodass von Willkür im Rechtssinn zu sprechen wäre und die Zuständigkeitserklärung des zuständigen Mitgliedstaates wegen Verletzung der gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgrundsätze aus diesem Grund ausnahmsweise keinen Bestand haben könnte (Filzwieser, Subjektiver Rechtsschutz und Vollziehung der Dublin II VO - Gemeinschaftsrecht und Menschenrechte, migraLex, 1/2007, 22ff; vgl. auch das Gebot der Transparenz im "Dublin-Verfahren", VwGH 23.11.2006,
Zl. 2005/20/0444).
Das Bundesasylamt hat ferner von der Möglichkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO keinen Gebrauch gemacht. Es war daher - wie auch in der Beschwerde geltend gemacht - noch zu prüfen, ob von diesem Selbsteintrittsrecht im gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) zwingend Gebrauch zu machen gewesen wäre.
Der VfGH hat mit Erkenntnis vom 17.06.2005, Zl. B 336/05-11 festgehalten, die Mitgliedstaaten hätten kraft Gemeinschaftsrecht nicht nachzuprüfen, ob ein anderer Mitgliedstaat generell sicher sei, da eine entsprechende normative Vergewisserung durch die Verabschiedung der Dublin II VO erfolgt sei, dabei aber gleichzeitig ebenso ausgeführt, dass eine Nachprüfung der grundrechtlichen Auswirkungen einer Überstellung im Einzelfall gemeinschaftrechtlich zulässig und bejahendenfalls das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO zwingend geboten sei.
Die Judikatur des VwGH zu den Determinanten dieser Nachprüfung lehnt sich richtigerweise an die Rechtsprechung des EGMR an und lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK (Verbot der Folter) widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigende notorische Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, Zl. 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter auf den betreffenden Fremden bezogener Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall seiner Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 26.11.1999, Zl 96/21/0499, VwGH 09.05.2003, Zl. 98/18/0317; vgl. auch VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059): "Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art. 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist." (VwGH 23.01.2007, Zl. 2006/01/0449).
Die Vorlage allgemeiner Berichte ersetzt dieses Erfordernis in der Regel nicht (vgl VwGH 17.02.1998, Zl. 96/18/0379; EGMR Mamatkulov & Askarov v Türkei, Rs 46827, 46951/99, 71-77), eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle einer Überstellung, ebenso eine allfällige Unterschreitung des verfahrensrechtlichen Standards des Art. 13 EMRK sind für sich genommen nicht ausreichend, die Wahrscheinlichkeit einer hier relevanten Menschenrechtsverletzung darzutun. Relevant wäre dagegen etwa das Vertreten von mit der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) unvertretbaren rechtlichen Sonderpositionen in einem Mitgliedstaat oder das Vorliegen einer massiv rechtswidrigen Verfahrensgestaltung im individuellen Fall, wenn der Asylantrag im zuständigen Mitgliedstaat bereits abgewiesen wurde (Art. 16 Abs. 1 lit. e Dublin II VO). Eine ausdrückliche Übernahmeerklärung des anderen Mitgliedstaates hat in die Abwägung einzufließen (VwGH 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582, VwGH 31.05.2005, Zl. 2005/20/0025, VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/19/0673), ebenso andere Zusicherungen der europäischen Partnerstaaten Österreichs (zur Bedeutung solcher Sachverhalte Filzwieser/Liebminger, Dublin II VO, K13 zu Art. 19 Dublin II VO).
Weiters hatte der Asylgerichtshof folgende Umstände zu berücksichtigen:
Bei entsprechender Häufung von Fällen, in denen in Folge Ausübung des Selbsteintrittsrechts die gemeinschaftsrechtliche Zuständigkeit nicht effektuiert werden kann, kann eine Gefährdung des "effet utile" Grundsatzes des Gemeinschaftsrechts entstehen.
Zur effektiven Umsetzung des Gemeinschaftsrechts sind alle staatlichen Organe kraft Gemeinschaftsrechts verpflichtet.
Der Verordnungsgeber der Dublin II VO, offenbar im Glauben, dass sich alle Mitgliedstaaten untereinander als "sicher" ansehen können, wodurch auch eine Überstellung vom einen in den anderen Mitgliedstaat keine realen Risken von Menschenrechtsverletzungen bewirken könnte (vgl. insbesondere den 2. Erwägungsgrund der Präambel der Dublin II VO), hat keine eindeutigen verfahrens- oder materiellrechtlichen Vorgaben für solche Fälle getroffen. Diesbezüglich lässt sich aber aus dem Gebot der menschenrechtskonformen Auslegung des Gemeinschaftsrechts und aus Beachtung der gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgrundrechte ableiten, dass bei ausnahmsweiser Verletzung der EMRK bei Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat eine Überstellung nicht stattfinden darf. Die Beachtung des Effizienzgebotes (das etwa eine pauschale Anwendung des Selbsteintrittsrechts oder eine innerstaatliche Verfahrensgestaltung, die Verfahren nach der Dublin II VO umfangreicher gestaltet als materielle Verfahren, verbietet) und die Einhaltung der Gebote der EMRK stehen daher bei richtiger Anwendung nicht in Widerspruch (Filzwieser, migraLex, 1/2007, 18ff, Filzwieser/Liebminger, Dublin II VO, K8-K13 zu Art. 19).
Die allfällige Rechtswidrigkeit von Gemeinschaftsrecht kann nur von den zuständigen gemeinschaftsrechtlichen Organen, nicht aber von Organen der Mitgliedstaaten rechtsgültig festgestellt werden. Der EGMR hat jüngst festgestellt, dass der Rechtsschutz des Gemeinschaftsrechts regelmäßig den Anforderungen der EMRK entspricht (30.06.2005, Bosphorus Airlines v Irland, Rs 45036/98).
Es bedarf sohin europarechtlich eines im besonderen Maße substantiierten Vorbringens und des Vorliegens besonderer vom Antragsteller bescheinigter außergewöhnlicher Umstände, um die grundsätzliche europarechtlich gebotene Annahme der "Sicherheit" der Partnerstaaten der EU als einer Gemeinschaft des Rechts im individuellen Fall erschüttern zu können. Diesem Grundsatz entspricht auch die durch das AsylG 2005 eingeführte gesetzliche Klarstellung des § 5 Abs. 3 AsylG, die Elemente einer Beweislastumkehr enthält. Es trifft zwar ohne Zweifel zu, dass Asylwerber in ihrer besonderen Situation häufig keine Möglichkeit haben, Beweismittel vorzulegen (wobei dem durch das Institut des Rechtsberaters begegnet werden kann), und dies mitzubeachten ist (VwGH, 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949), dies kann aber nicht pauschal dazu führen, die vom Gesetzgeber - im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht - vorgenommene Wertung des § 5 Abs. 3 AsylG überhaupt für unbeachtlich zu erklären (dementsprechend in ihrer Undifferenziertheit verfehlt Feßl/Holzschuster, AsylG 2005, 225ff). Eine Rechtsprechung, die in Bezug auf Mitgliedstaaten der EU faktisch höhere Anforderungen entwickelte als jene des EGMR in Bezug auf Drittstaaten, wäre jedenfalls gemeinschaftsrechtswidrig.
Was die Frage der "Beweislast" anbelangt, so ist vorweg klarzustellen, dass bei Vorliegen "offenkundiger" Gründe (zum Begriff der "Offenkundigkeit" vgl. § 45 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) und die dazu ergangene Judikatur, beispielsweise zitiert in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), E 27 zu § 45 AVG) eine Mitwirkung des Asylwerbers zur Widerlegung der in § 5 Abs. 3 AsylG implizit aufgestellten Vermutung nicht erforderlich ist. Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art. 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist. Es versteht sich von selbst, dass bei der Beurteilung, ob die geforderte "Glaubhaftmachung" gelungen ist, der besonderen Situation von Asylwerbern, die häufig keine Möglichkeit der Beischaffung von entsprechenden Beweisen haben, Rechnung getragen werden muss (in diesem Sinne auch Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 2005, 226). Hat der Asylwerber die oben angesprochenen besonderen Gründe glaubhaft gemacht, ist die dem § 5 Abs. 3 AsylG immanente Vermutung der im zuständigen Mitgliedstaat gegebenen Sicherheit vor Verfolgung widerlegt. In diesem Fall sind die Asylbehörden gehalten, allenfalls erforderliche weitere Erhebungen (auch) von Amts wegen durchzuführen, um die (nach der Rechtsprechung des EGMR und der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes erforderliche) Prognose, der Asylwerber werde bei Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat der realen Gefahr ("real risk") einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt sein, erstellen zu können. Diese Ermittlungspflicht ergibt sich aus § 18 AsylG, die insoweit von § 5 Abs. 3 AsylG unberührt bleibt (VwGH 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949; vgl. ähnlich auch VwGH 21.03.2007, Zl. 2006/19/0289).
2. Im konkreten Fall kann die Ansicht der erkennenden Behörde, der Antrag des Rechtsberaters, eine Untersuchung gemäß § 10 AsylG durchführen zu lassen, ginge auf Grund dieser Ausführungen ins Leere - was impliziert, dass nach Ansicht der erkennenden Behörde kein substantiiertes Vorbringen der Antragstellerin in Bezug auf eine mögliche Verletzung des Art. 3 EMRK durch die Überstellung in den zuständigen Mitgliedsstaat vorliegt - allein vor dem Hintergrund der übermittelten Unterlagen nicht nachvollzogen werden. Das Vorbringen der BF erscheint auch im Hinblick auf den Umstand, dass sie laut ihren Angaben bereits 2 Fehlgeburten erlitten hätte und im Zuge ihrer aktuellen Schwangerschaft Beschwerden hätte, nicht von vornherein als zu wenig konkret und unglaubwürdig.
Es wäre der erkennenden Behörde durchaus möglich und auch angezeigt gewesen, den Wahrheitsgehalt dieser Angaben durch eine ärztliche Untersuchung zu überprüfen, was darüber hinaus auch vom Rechtsberater im Zuge der Einvernahme der BF angeregt worden war. Da die Möglichkeiten der BF, selbst weitere Beweise beizuschaffen, um ihr Vorbringen zu untermauern, aufgrund ihrer besonderen persönlichen Situation (sowohl in Hinsicht auf ihre Rechtsposition, als auch im Hinblick auf ihre physische und wohl damit verbundene psychische Situation) als eingeschränkt zu bewerten sind, war nach Auffassung des Asylgerichtshofes dieser besonderen Situation durch weitere Erhebungen der Asylbehörde Rechnung zu tragen. Die von der erkennenden Behörde in der Bescheidbegründung aufgenommenen Ausführungen alleine reichen nicht aus, um eine allenfalls drohende Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte im gegenständlichen Fall von vornherein auszuschließen.
Diese Feststellungen werden auch von den Beschwerdevorbringen und den der Beschwerde beigelegten ärztlichen Befundberichten von Dr. J.W. gestützt, denen zufolge bei der BF im Zuge ihrer Schwangerschaft multiple Beschwerden sowie eine Plazenta praevia mit Blutungsneigung vorliegen. Die notwendige Einzelfallprüfung macht es im gegenständlichen Fall erforderlich, zunächst eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen, ob Durchsetzungsaufschubsgründe gemäß § 10 Abs. 3 AsylG vorliegen. Ohne die Aufnahme dieses weiteren Beweises kann aus Sicht des Asylgerichtshofes aus den dargestellten Gründen nicht von Entscheidungsreife gesprochen werden.
3. Im fortgesetzten Verfahren wird die Erstbehörde (sofern eine neuerliche Erlassung einer Unzuständigkeitsentscheidung nach § 5 AsylG beabsichtigt ist), nach Durchführung des ergänzten Beweisverfahrens wie dargestellt, klare Feststellungen zur gesundheitlichen Situation der BF zu treffen haben, ebenso wie individuell begründete, auf aktuelle Beweisergebnisse gestützte Ausführungen zur Überstellungsfähigkeit der BF bzw. sonstige - eventuell familiäre - Abschiebehindernisse im Falle einer Überstellung im Hinblick auf mögliche Verletzungen der Art. 3 und 8 (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) EMRK, zumal die BF bald zweieinhalb Jahre gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten und ihren angeführten Verwandten verbracht hat.
Auf die Notwendigkeit der Wahrung des persönlichen Parteiengehörs in einer Einvernahme ist zu verweisen. Dabei sind der BF auch die von der Behörde verwendeten Beweisquellen zur Kenntnis zu bringen.
4. Als maßgebliche Determinante für die Anwendbarkeit des § 41 Abs. 3 AsylG in diesem Zusammenhang ist die Judikatur zum § 66 Abs. 2 AVG heranzuziehen, wobei allerdings kein Ermessen des Asylgerichtshofes besteht.
Auch der Asylgerichtshof ist - wenn auch gemäß § 41 Abs. 3 AsylG nicht bei Beschwerden gegen eine zurückweisende Entscheidung und die damit verbundene Ausweisung (in diesem Fall ist statt dessen die fast gleichlautende Bestimmung des § 41 Abs. 3 3. Satz AsylG anzuwenden) - zur Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG berechtigt (vgl. dazu VwGH 21.11.2002, 2002/20/0315 und 21.11.2002, 2000/20/0084; ferner VwGH 21.09.2004, Zl. 2001/01/0348). Eine kassatorische Entscheidung darf vom Asylgerichtshof nicht bei jeder Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes, sondern nur dann getroffen werden, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.
Im vorliegenden Fall hat das Bundesasylamt, wie dargestellt, keine ordnungsgemäß begründete Entscheidung (vgl. Art. 19 Abs. 2 1. Satz Dublin II VO und Art. 20 Abs. 1 lit. e 2. Satz Dublin II VO) erlassen. Der Asylgerichtshof war auf Basis der Ergebnisse des Verfahrens des Bundesasylamtes praktisch nicht mehr in der Lage, innerhalb der zur Verfügung stehenden kurzen Entscheidungsfristen (§ 37 Abs. 3 AsylG) eine inhaltliche Entscheidung zu treffen. Der angefochtene Bescheid konnte daher unter dem Gesichtspunkt des § 41 Abs. 3 AsylG keinen Bestand mehr haben.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden. Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 41 Abs. 4 AsylG entfallen.