S7 400962-1/2008/2E
S7 400963-1/2008/2E
S7 400964-1/2008/2E
S7 400965-1/2008/2E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. LASSMANN als Einzelrichterin über die Beschwerden
des K.R., 00.00.1966 geb., StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.07.2008, Zahl: 08 04.313-EAST Ost;
der K.F., 00.00.1975 geb., StA. Russiche Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.07.2008, Zahl: 08 04.315-EAST Ost;
des mj. K.T., 00.00.2003 geb., StA. Russische Föderation, vertreten durch die Kindesmutter K.F., gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.07.2008, Zahl: 08 04.317-EAST Ost;
des K.L., 00.00.2007 geb., StA. Russische Föderation, vertreten durch die Kindesmutter K.F., gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.07.2008, Zahl: 08 04.319-EAST Ost,
zu Recht erkannt:
Die Beschwerden des K.R., der K.F., des K.T. sowie des K.L. werden gemäß §§ 5, 10 AsylG idF BGBL. I Nr. 100/2005 als unbegründet abgewiesen.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1. Der Verfahrensgang vor der erstinstanzlichen Behörde ergibt sich aus dem erstinstanzlichen Verwaltungsakt.
K.R. und seine Gattin K.F. reisten am 05.05.2008 gemeinsam mit ihren Kindern K.T. und K.L. mit dem Zug von Weißrussland nach Polen ein, wo sie sich in der Folge in Dembak und Katowice aufhielten und in der Folge alle vier einen Asylantrag stellten, und zwar am 08.05.2008. Am 14.05.2008 reiste die Familie von Warschau nach Österreich ein und stellte hier am 15.05.2008 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
Ebenfalls am 15.05.2008 hat vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes in Traiskirchen eine Erstbefragung sowie am 27.06.2008 eine Einvernahme vor dem Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle Ost, in Gegenwart eines Rechtsberaters, stattgefunden.
Am 16.05.2008 richtete das Bundesasylamt an Polen ein Ersuchen um Aufnahme des Beschwerdeführers gemäß Art. 10 Abs. 2 der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom 18.02.2003 (Dublin II VO).
Die Mitteilung über die Führung von Konsultationen gemäß § 29 Abs.3 AsylG wurde den Beschwerdeführern am 21.05.2008, sohin innerhalb der 20-Tagesfrist nach der Antragseinbringung, übermittelt. Mit Erklärung vom 19.05.2008, bei der Erstaufnahmestelle Ost eingelangt am 21.05.2008, erklärte sich Polen gemäß Art. 16 Abs. 1 lit c. der Dublin II-VO hinsichtlich aller Beschwerdeführer für zuständig.
2. Als Fluchtgrund wurde seitens der Beschwerdeführer die Situation in ihrem Heimatland ins Treffen geführt. K.R. gab hiezu an, im Dorf würden immer wieder Leute von maskierten Männern festgenommen und mitgenommen werden, es habe vor vier Jahren auch eine Säuberungsaktion der Russen gegeben und sei er nach Kontakten zu seinem Großvater S.B. und anderen Rebellen befragt worden. Einmal sei die Miliz zu ihnen gekommen und habe sie nach dem Hausbesitzer befragt. Er habe das Land verlassen aus Angst davor, irgendwann einmal mitgenommen zu werden und damit den Kindern nichts passiere.
Er wolle nicht nach Polen zurückkehren, da dort das Gesundheitssystem nicht so gut funktioniere (im Lager sei es sehr kalt gewesen und habe sich deshalb sein Sohn L. erkältet, obwohl er 38 Grad Fieber gehabt habe, sei die medizinische Hilfe abgelehnt worden). Außerdem würden in Österreich zwei Cousins von ihm leben, wo genau sei ihm jedoch nicht bekannt.
K.F. gab für sich und ihre Kinder als Fluchtgründe an, dass die Lage in Tschetschenien sehr unsicher sei und zwei Nachbarn von maskierten Personen mitgenommen und getötet worden seien. Außerdem seien die Bedingungen in Tschetschenien sehr schlecht und habe sie wegen ihrer Kinder das Land verlassen. Sie möchte, dass ihre Kinder in Österreich ihre Zukunft bestreiten sollen.
Das Bundesasylamt hat mit den im Spruch angeführten verfahrensgegenständlichen angefochtenen Bescheiden jeweils vom 18.07.2008, die Anträge auf internationalen Schutz der Beschwerdeführer, ohne in die Sachen einzutreten, gem. § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass für die Prüfung der gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz gem. Art. 13 iVm Art. 16 Abs. 1 lit. c der VO (EG) Nr. 343/2003 des Rates Polen zuständig sei. Gleichzeitig wurden die Beschwerdeführer gem. § 10 Abs. 1 Z1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen und gem. § 10 Abs. 4 AsylG festgestellt, dass die Abschiebung nach Polen zulässig sei.
Beweiswürdigend wurde hervorgehoben, dass die Antragsteller keine stichhaltigen Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht haben, dass sie tatsächlich Gefahr liefen, in Polen Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden oder ihnen eine Verletzung der in Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte drohe. Weiters lägen keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer maßgeblichen gesundheitlichen Beeinträchtigung oder psychischen Beeinträchtigung vor, welche einer Überstellung nach Polen entgegenstehen würden. Auch im Verfahren zu beachtende soziale oder familiäre Anknüpfungspunkte zu Österreich gäbe es nicht.
Gegen die im Spruch genannten Bescheide wurde jeweils fristgerecht am 05.08.2008 auf dem Faxwege Beschwerde erhoben. Darin wird im Wesentlichen behauptet, dass Polen kein sicherer Drittstaat sei, dass das polnische Asylverfahren im krassen Missverhältnis zu Menschenrechtsstandards stehe und humanitäre Gründe, (die Beschwerdeführer seien sämtlich traumatisiert und würde es im Falle einer Abschiebung zu einer Retraumatisierung kommen, weiters käme es bei einer Abschiebung zu einem Verstoß gegen Art. 8 EMRK - in Österreich würden zwei Cousins von K.R. leben) einer Abschiebung entgegenstehen.
Die gegenständliche Beschwerde samt erstinstanzlichem Verwaltungsakt langte am 11.08.2008 beim Asylgerichtshof ein.
II. Der Asylgerichtshof hat durch die zuständige Richterin über die gegenständliche Beschwerde wie folgt erwogen:
1. Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt.
2. Rechtlich ergibt sich Folgendes:
Mit Datum 01.01.2006 ist das neue Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG idF BGBL. I Nr. 100/2005) und ist somit auf alle ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.
2.1. Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 AsylG erledigter Asylantrag als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom 18.02.2003 zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Asylbehörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Gemäß § 10 Abs 1 Z 1 AsylG ist die Zurückweisung eines Antrages nach Maßgabe der § 10 Abs 3 und Abs 4 AsylG mit einer Ausweisung zu verbinden. Die Dublin II VO ist eine Verordnung des Gemeinschaftsrechts im Anwendungsbereich der 1. Säule der Europäischen Union (vgl Art. 63 EGV), die Regelungen über die Zuständigkeit zur Prüfung von Asylanträgen von Drittstaatsangehörigen trifft. Sie gilt also nicht für mögliche Asylanträge von EU-Bürgern, ebenso wenig ist sie auf Personen anwendbar, denen bereits der Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde. Das wesentliche Grundprinzip ist jenes, dass den Drittstaatsangehörigen in einem der Mitgliedstaaten das Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Asylverfahren zukommt, jedoch nur ein Recht auf ein Verfahren in einem Mitgliedstaat, dessen Zuständigkeit sich primär nicht aufgrund des Wunsches des Asylwerbers, sondern aufgrund der in der Verordnung festgesetzten hierarchisch geordneten Zuständigkeitskriterien ergibt.
2.1.1. Es ist daher zunächst zu überprüfen, welcher Mitgliedstaat nach den hierarchisch aufgebauten (Art. 5 Abs 1 Dublin II VO) Kriterien der Art. 6-12 bzw 14 und Art. 15 Dublin II VO, beziehungsweise dem Auffangtatbestand des Art. 13 Dublin II VO zur inhaltlichen Prüfung zuständig ist.
2.1.1.1. Im vorliegenden Fall hat das Bundesasylamt das Konsultationsverfahren mit Polen aufgrund der plausiblen Angaben der Beschwerdeführer zu ihrem Reiseweg eingeleitet. Aufgrund der Eurodac-Treffer zu K.R. und K.F. und der Mitteilung der polnischen Behörden vom 19.05.2008 ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführer über Polen in die Europäische Union einreisten und dort um Asyl ansuchten.
In den Art. 5 ff der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates werden die Kriterien aufgezählt, nach denen der zuständige Mitgliedstaat bestimmt wird.
Gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates ist der Mitgliedstaat, der nach der vorliegenden Verordnung zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist, gehalten, einen Drittstaatsangehörigen, dessen Antrag sich noch im Prüfungsstadium befindet, und der sich unerlaubt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates aufhält, nach Maßgabe des Art. 20 wiederaufzunehmen.
Dem Bundesasylamt ist darin beizupflichten, dass der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gem. § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückzuweisen ist.
2.1.2. Das Bundesasylamt hat ferner von der Möglichkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechtes nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO keinen Gebrauch gemacht. Es war daher noch zu prüfen, ob von diesem Selbsteintrittsrecht im gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung der EMRK zwingend Gebrauch zu machen gewesen wäre.
Der VfGH hat mit Erkenntnis vom 17.06.2005, Zl. B 336/05-11 festgehalten, die Mitgliedstaaten hätten kraft Gemeinschaftsrecht nicht nachzuprüfen, ob ein anderer Mitgliedstaat generell sicher sei, da eine entsprechende normative Vergewisserung durch die Verabschiedung der Dublin II VO erfolgt sei, dabei aber gleichzeitig ebenso ausgeführt, dass eine Nachprüfung der grundrechtlichen Auswirkungen einer Überstellung im Einzelfall gemeinschaftsrechtlich zulässig und bejahendenfalls das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs 2 Dublin II VO zwingend geboten sei.
Die Judikatur des VwGH zu den Determinanten dieser Nachprüfung lehnt sich richtigerweise an die Rechtsprechung des EGMR an und lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigende notorische Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der EU in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, Zl. 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter auf den betreffenden Fremden bezogener Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall seiner Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 26.11.1999, Zl 96/21/0499, VwGH 09.05.2003, Zl. 98/18/0317; vgl auch VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059): "Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist." (VwGH 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949).
Die Vorlage allgemeiner Berichte ersetzt dieses Erfordernis in der Regel nicht (vgl VwGH 17.02.1998, Zl. 96/18/0379; EGMR Mamatkulov & Askarov v Türkei, Rs 46827, 46951/99, 71-77), eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle einer Überstellung ebenso eine allfällige Unterschreitung des verfahrensrechtlichen Standards des Art. 13 EMRK sind für sich genommen nicht ausreichend, die Wahrscheinlichkeit einer hier relevanten Menschenrechtsverletzung darzutun. Relevant wäre dagegen etwa das Vertreten von mit der GFK unvertretbaren rechtlichen Sonderpositionen in einem Mitgliedstaat oder das Vorliegen einer massiv rechtswidrigen Verfahrensgestaltung im individuellen Fall, wenn der Asylantrag im zuständigen Mitgliedstaat bereits abgewiesen wurde (Art. 16 Abs 1 lit. e Dublin II VO). Eine ausdrückliche Übernahmeerklärung des anderen Mitgliedstaates hat in die Abwägung einzufließen (VwGH 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582, VwGH 31.05.2005, Zl. 2005/20/0025, VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/19/0673), ebenso andere Zusicherungen der europäischen Partnerstaaten Österreichs (zur Bedeutung solcher Sachverhalte Filzwieser/Liebminger, Dublin II VO, K13. zu Art 19 Dublin II VO).
Weiterhin hatte der Asylgerichtshof folgende Umstände zu berücksichtigen:
Bei entsprechender Häufung von Fällen, in denen in Folge Ausübung des Selbsteintrittsrechts die gemeinschaftsrechtliche Zuständigkeit nicht effektuiert werden kann, kann eine Gefährdung des "effet utile" Grundsatzes des Gemeinschaftsrechts entstehen.
Zur effektiven Umsetzung des Gemeinschaftsrechts sind alle staatlichen Organe kraft Gemeinschaftsrechts verpflichtet.
Der Verordnungsgeber der Dublin II VO, offenbar im Glauben, dass sich alle Mitgliedstaaten untereinander als "sicher" ansehen können, wodurch auch eine Überstellung vom einen in den anderen Mitgliedstaat keine realen Risken von Menschenrechtsverletzungen bewirken könnte (vgl. insbesondere den 2. Erwägungsgrund der Präambel der Dublin II VO), hat keine eindeutigen verfahrens- oder materiellrechtlichen Vorgaben für solche Fälle getroffen hat, diesbezüglich lässt sich aber aus dem Gebot der menschenrechtskonformen Auslegung des Gemeinschaftsrechts und aus Beachtung der gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgrundrechte ableiten, dass bei ausnahmsweiser Verletzung der EMRK bei Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat eine Überstellung nicht stattfinden darf. Die Beachtung des Effizienzgebots (das etwa eine pauschale Anwendung des Selbsteintrittsrechts oder eine innerstaatliche Verfahrensgestaltung, die Verfahren nach der Dublin II VO umfangreicher gestaltet als materielle Verfahren verbietet) und die Einhaltung der Gebote der EMRK stehen daher bei richtiger Anwendung nicht in Widerspruch (Filzwieser, migraLex, 1/2007, 18ff, Filzwieser/Liebminger, Dublin II VO², K8-K13. zu Art. 19).
Die allfällige Rechtswidrigkeit von Gemeinschaftsrecht kann nur von den zuständigen gemeinschaftsrechtlichen Organen, nicht aber von Organen der Mitgliedstaaten rechtsgültig festgestellt werden. Der EGMR hat jüngst festgestellt, dass die Rechtsschutz des Gemeinschaftsrechts regelmäßig den Anforderungen der EMRK entspricht (30.06.2005, Bosphorus Airlines v Irland, Rs 45036/98).
Es bedarf sohin europarechtlich eines im besonderen Maße substantiierten Vorbringens und des Vorliegens besonderer vom Antragsteller bescheinigter außergewöhnlicher Umstände, um die grundsätzliche europarechtlich gebotene Annahme der "Sicherheit" der Partnerstaaten der Europäischen Union als einer Gemeinschaft des Rechts im individuellen Fall erschüttern zu können. Diesem Grundsatz entspricht auch die durch das AsylG 2005 eingeführte gesetzliche Klarstellung des § 5 Abs 3 AsylG, die Elemente einer Beweislastumkehr enthält. Es trifft zwar ohne Zweifel zu, dass Asylwerber in ihrer besonderen Situation häufig keine Möglichkeit haben, Beweismittel vorzulegen (wobei dem durch das Institut des Rechtsberaters begegnet werden kann), und dies mitzubeachten ist (VwGH, 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949), dies kann aber nicht pauschal dazu führen, die vom Gesetzgeber - im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht - vorgenommene Wertung des § 5 Abs 3 AsylG überhaupt für unbeachtlich zu erklären (dementsprechend in ihrer Undifferenziertheit verfehlt, Feßl/Holzschuster, AsylG 2005, 225ff). Eine Rechtsprechung, die in Bezug auf Mitgliedstaaten der EU faktisch höhere Anforderungen entwickelte, als jene des EGMR in Bezug auf Drittstaaten wäre jedenfalls gemeinschaftsrechtswidrig.
2.1.2.1. Mögliche Verletzung des Art. 8 EMRK:
Der Beschwerdeführer gab bei seiner Erstbefragung an, eine Tante, welche A.H. heiße, sowie drei Cousins, deren Aufenthaltsort ihm nicht bekannt wäre, in Österreich zu haben. Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt bestätigte er diese Angaben, ohne diese näher zu konkretisieren. In seiner Beschwerde wird vorgebracht, er habe eine Tante und e i n e n Cousin in Österreich und gibt er erstmals an, man hätte zwar in Tschetschenien nicht zusammengelebt, aber ständig und intensiven Kontakt gehabt und habe er nach der Flucht der Tante mindestens einmal in der Woche telefoniert und habe sie sogar von Österreich Kleidung und Gebrauchsgegenstände geschickt, es bestehe daher sehr wohl ein Abhängigkeitsverhältnis.
Artikel 8 EMRK setzt das Bestehen einer Familie voraus und gelangt dann zur Anwendung, wenn im Zeitpunkt des Eingriffs ein reales Familienleben existiert. Das Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK reicht über den Kreis der Kernfamilie hinaus, und kann auch die Großfamilie einschließen, sofern die Beteiligten durch die Führung eines gemeinsamen Haushaltes, durch spezifische Abhängigkeitsverhältnisse oder durch andere tatsächlich gelebte Bande miteinander verbunden sind (vgl. EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458).
Auch zwischen Geschwistern, Onkeln/Tanten und Nichten/Neffen kann ein Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK vorliegen. In diesen Fällen muss allerdings auf das Bestehen eines tatsächlichen und hinreichend intensiven Familienlebens abgestellt werden. Ob das Familienleben tatsächlich besteht und hinreichend intensiv ist, wird vom EGMR anhand folgender Kriterien beurteilt:
Zusammenleben der betroffenen Personen,
und/oder Bestehen einer finanziellen oder sonstigen Abhängigkeit.
Aus dem Vorbringen des K.R. im erstinstanzlichen Verfahren und in seiner Beschwerde lässt sich weder zu seinen Cousinsvon denen er nicht einmal weiß, wo in Österreich diese leben, noch zu seiner Tante das Bestehen einer engen familiären Beziehung dergestalt ableiten, dass daraus auf ein Familienverhältnis im Sinne des Art. 8 EMRK geschlossen werden könnte.
Zu seinen Cousins hat er offenbar keinerlei Kontakt und wird auch hinsichtlich der Tante nur für die Vergangenheit behauptet, von dieser gelegentlich Geschenke erhalten zu haben. Damit wird selbst bei Unterstellung der Wahrheit dieser Angaben kein besonderes Abhängigkeitsverhältnis aufgezeigt.
Da sich auch sonst keine Hinweise darauf ergeben haben, die Berufungswerber könnten über persönliche Bindungen in Österreich verfügen, welche im Sinne des Art. 8 EMRK relevant wären, war auch aus diesem Grund vom Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO kein Gebrauch zu machen.
Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG ist "Familienangehöriger" im Sinne des Asylgesetzes unter anderem der Elternteil eines minderjährigen Kindes, der Ehegatte oder das zum Zeitpunkt der Antragstellung unverheiratete minderjährige Kind eines Asylwerbers. Gemäß § 34 Abs. 1 Z 3 AsylG gilt der Antrag des Familienangehörigen eines Asylwerbers auf internationalen Schutz als "Antrag auf Gewährung desselben Schutzes". Die Behörde hat gem. § 34 Abs. 4 AsylG Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind "unter einem" zu führen, und es erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang.
Bei den Berufungswerbern handelt es sich um einen Mann, seine Ehefrau und seine minderjährigen Kinder. Diese sind zueinander Familienangehörige im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG des jeweils anderen, alle haben einen Asylantrag gestellt, keinem wurde bisher Asyl oder subsidiärer Schutz gewährt, das Verfahren keines von ihnen wurde bisher zugelassen. Daher sind die Abs. 1 Z 3 und Abs. 4 des § 34 AsylG anzuwenden.
Gemäß § 34 Abs. 4 AsylG erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur - in soweit vergleichbaren - Vorgängerbestimmung (§ 10 Abs. 5 AsylG 1997) bedeutet dies auch, dass dann, wenn das Verfahren auch nur eines Familienangehörigen zuzulassen ist, dies auch für die Verfahren aller anderen gilt (VwGH 18.10.2005, Zl. 2005/01/0402). Sollte daher der Antrag eines Beschwerdeführers zuzulassen sein, so würde dies auch für den Antrag der anderen Beschwerdeführer als Familienangehörige gelten.
Die Beschwerdeverfahren, aller vier Berufungswerber haben nicht ergeben, dass ihre Verfahren zuzulassen wären. Daher ergibt sich auch daraus nicht, dass das Verfahren der Berufungswerber gem. § 34 Abs. 4 AsylG zuzulassen wäre.
2.1.2.2. Kritik am polnischen Asylwesen, mögliche Verletzung des Art. 3 EMRK:
Hiezu ist einleitend festzuhalten, dass die seinerzeitige Judikatur zu § 4 AsylG 1997 vor dem Beitritt einiger Nachbarstaaten Österreichs zur Europäischen Union am 01.05.2004 nicht mehr unmittelbar relevant ist (zuletzt VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/19/0673). Im Sinne der im Erkenntnis des VwGH vom 31.05.2005, Zl. 2005/20/0095, für Fälle des Art. 16 Abs. 1 lit. e VO-Nr. 343/2003 herausgearbeiteten Anforderungen ist klarzustellen, dass vom Beschwerdeführer im Verfahren keine konkreten Anhaltspunkte in Bezug auf die inhaltliche Bedenklichkeit eines in Polen zu führenden Asylverfahrens dargetan wurden.
Relevant wären im vorliegenden Zusammenhang schon bei einer Grobprüfung erkennbare grundsätzliche schwerwiegende Defizite im Asylverfahren des zuständigen Mitgliedstaates (also etwa:
grundsätzliche Ablehnung aller Asylanträge oder solcher bestimmter Staatsangehöriger oder Angehöriger bestimmter Ethnien; kein Schutz vor Verfolgung "Dritter", kein Rechtsmittelverfahren). Solche Mängel (die bei einem Mitgliedstaat der Europäischen Union nicht vorausgesetzt werden können, sondern zunächst einmal mit einer aktuellen individualisierten Darlegung des Antragstellers plausibel zu machen sind, dies im Sinne der Regelung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005), sind schon auf Basis der erstinstanzlichen Feststellungen nicht erkennbar und auch in der Beschwerde nicht substantiiert vorgebracht worden.
Im konkreten Fall läuft das Vorbringen des Beschwerdeführers darauf hinaus, dass von vorne herein und ohne jegliche konkrete Belege (die im Lichte des § 5 Abs. 3 AsylG und der zum Zeitpunkt des EU-Beitrittes erfolgten normativen Vergewisserung über die "Sicherheit" der neubeitretenden Mitgliedstaaten - wenn sie nicht notorisch sind - aber vom Asylwerber vorzulegen sind, und diesfalls nicht eine explorative Erhebungsverpflichtung der Asylbehörden im Sinne eines Erkundungsbeweises besteht), aus der aktuellen Asylpraxis in Polen vorweisen zu können, die Annahme gerechtfertigt wäre, dass alle Asylverfahren in Polen die europäischen Menschenrechtsstandards qualifiziert unterschreiten. Wäre dies aber der Fall, wären die gemeinschaftsrechtlich zuständigen europäischen Organe verpflichtet, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen einzuleiten, da Polen so nicht Mitglied der EU, als auch einer dem Menschenrechtsschutz verpflichteten Europäischen Wertgemeinschaft sein dürfte. Für eine derartige Sichtweise bestehen aus Sicht des Asylgerichtshofes aber keine Anhaltspunkte.
Erwähnenswert ist, dass die in der Beschwerde angeführten Berichte zum Aufenthaltsstatus und dem Asylverfahrensablauf in Polen zumindest teilweise als veraltet anzusehen sind und eine Einschätzung der aktuellen Lage nicht vermögen.
Hingegen ergibt sich aus den weitaus zeitgemäßeren Feststellungen der Erstbehörde, dass selbst Ausländer mit "bloß" bewilligtem, toleriertem Aufenthalt, Familienleistungen wie Familienbeihilfen und Familienbeihilfezuschläge, einmaliges Mutterschaftsgeld oder Betreuungsleistungen, Pflegegeld und Pflegeleistungen beanspruchen können. Das polnische Fremden- und Asylrecht sieht neben der Asylgewährung auch die Zuerkennung eines "tolerated stay" vor, dies für den Fall, dass im Falle der Rückschiebung eine Verletzung der Art. 2, 3 und 5 EMRK drohen würde. Im Bereich der Bildung hat der Ausländer mit bewilligtem tolerierten Aufenthalt nach denselben Regeln wie der polnische Staatsbürger das Recht auf kostenlosen Schulunterricht in den öffentlichen Grundschulen, Gymnasien und Oberschulen, als auch in den öffentlichen Kunstschulen und öffentlichen Anstalten für Lehrausbildung. Die Ausländer mit bewilligtem, toleriertem Aufenthalt haben dieselben Berechtigungen im Bereich des Zugangs zum Arbeitsmarkt und zu den Gesundheitsleistungen wie die anerkannten Flüchtlinge. Sie haben unbegrenzten Zugang zum Arbeitsmarkt und werden in den Fragen der Arbeitsaufnahme und der Abwicklung der Zivilrechtsverträge in der Regel so wie die polnischen Staatsbürger behandelt. Auch eine wirtschaftliche Betätigung dürfen sie nach denselben Regeln wie polnische Staatsangehörige aufnehmen. Weiters sind Ausländer mit bewilligtem tolerierten Aufenthalt schutzberechtigt im Falle der Arbeitslosigkeit.
Dass die meisten tschetschenischen Asylwerber nicht als Flüchtlinge anerkannt werden, sondern eine "Duldung" erhalten, zeigt kein reales Risiko einer Art. 3 EMRK-Verletzung auf. Mit 29.04.2004 wurde die "Richtlinie über die Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (2004/83/EG) erlassen. Seitens der Europäischen Kommission sind keine rechtlichen Schritte gesetzt worden, wonach Polen die diesbezüglichen Bestimmungen nicht umgesetzt hätte. Dies betrifft auch die Aufnahmerichtlinie 2003/9/EG.
2.1.2.3. Medizinische Aspekte:
Unbestritten ist, dass nach der allgemeinen Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK und Krankheiten, die auch im vorliegenden Fall maßgeblich ist, eine Überstellung nach Polen nicht zulässig wäre, wenn dort wegen fehlender Behandlung schwerer Krankheiten eine existenzbedrohende Situation drohen und diesfalls das Selbsteintrittsrecht der Dublin II VO zwingend auszuüben wäre.
In diesem Zusammenhang ist vorerst auf die jüngste diesbezügliche Rechtsprechung des EGMR zur Frage einer ausreichenden medizinischen Behandlung in Zusammenhang mit Art. 3 EMRK zu verweisen:
GONCHAROVA & ALEKSEYTSEV gg. Schweden, 03.05.2007, Rs 31246/06
AYEGH gg. Schweden, 07.11.2006, Rs 4701/05
PARAMASOTHY gg. NIEDERLANDE, 10.11.2005, Rs 14492/03
RAMADAN & AHJREDINI gg. Niederlande, 10.11.2005, Rs 35989/03
HUKIC gg. Schweden, 27.09.2005, Rs 17416/05
OVDIENKO gg. Finnland, 31.05.2005, Rs 1383/04
AMEGNIGAN gg. Niederlande, 25.11.2004, Rs 25629/04
NDANGOYA gg. Schweden, 22.06.2004, Rs 17868/03
Aus dieser Rechtsprechung ergeben sich folgende Judikaturlinien:
Der Umstand, dass die medizinischen Behandlungsmöglichkeiten im Zielland schlechter sind als im Aufenthaltsland, und allfälligerweise "erhebliche Kosten" verursachen, ist nicht ausschlaggebend. In der Entscheidung HUKIC gg. Schweden, 27.09.2005, Rs 17416/05 wurde die Abschiebung des am Down-Syndrom leidenden Beschwerdeführers nach Bosnien-Herzegowina für zulässig erklärt und wurde ausgeführt, dass die Möglichkeit der medizinischen Versorgung in Bosnien-Herzegowina gegeben sei. Dass die Behandlung in Bosnien-Herzegowina nicht den gleichen Standard wie in Schweden aufweise und unter Umständen auch kostenintensiver sei, sei nicht relevant. Notwendige Behandlungsmöglichkeiten wären gegeben und dies sei jedenfalls ausreichend. Im Übrigen hielt der Gerichtshof fest, dass ungeachtet der Ernsthaftigkeit eines Down-Syndroms, diese Erkrankung nicht mit den letzten Stadien einer tödlich verlaufenden Krankheit zu vergleichen sei.
Dass sich der Gesundheitszustand durch die Abschiebung verschlechtert ("mentaler Stress" ist nicht entscheidend), ist vom Antragsteller konkret nachzuweisen, bloße Spekulationen über die Möglichkeit sind nicht ausreichend. In der Beschwerdesache OVDIENKO gg. Finnland vom 31.05.2005, Nr. 1383/04, wurde die Abschiebung des Beschwerdeführers, der seit 2002 in psychiatrischer Behandlung war und der selbstmordgefährdet ist, für zulässig erklärt; mentaler Stress durch eine Abschiebungsdrohung in die Ukraine ist kein ausreichendes "real risk".
Auch Abschiebungen psychisch kranker Personen nach mehreren Jahren des Aufenthalts im Aufenthaltsstaat können in Einzelfällen aus öffentlichen Interessen zulässig sein (vgl. PARAMSOTHY gg. Niederlande, 10.11.2005, Rs 14492/05; mit diesem Judikat des EGMR wurde präzisiert, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach neunjährigem Aufenthalt in den Niederlanden, welcher unter posttraumatischem Stresssyndrom leidet und bereits einen Selbstmordversuch hinter sich hat, zulässig ist, da spezielle Programme für Behandlungen von traumatisierten Personen und verschiedene therapeutische Medizin in Sri Lanka verfügbar sind, auch wenn sie nicht den selben Standard haben sollten wie in den Niederlanden).[...]
In besonderem Maße instruktiv für die Frage, ob eine posttraumatische Belastungsstörung oder andere schwere psychische Erkrankungen einer Abschiebung in den Herkunftsstaat entgegenstehen, sind die beiden erst jüngst ergangenen Entscheidungen AYEGH gg. Schweden, 07.11.2006, Rs 4701/05 und GONCHAROVA & ALEKSEYTSEV gg. Schweden, 03.05.2007, Rs 31246/06.
Im ersteren Fall ging es um eine iranische Asylwerberin, bei der von zwei psychiatrischen Gutachtern unabhängig von einander schwere psychische Störungen in Gestalt von schweren Depressionen, akuten Selbstmordgedanken und ein multikausales Trauma infolge diverser Erlebnisse diagnostiziert worden war. Ein Gutachter war zu dem Ergebnis gekommen, dass für die Beschwerdeführerin im Falle einer Abschiebung in den Iran ein reales Risiko eines Selbstmordes bestand [...] Die gegen die Abschiebung der Beschwerdeführerin in deren Herkunftsstaat Iran erhobenen Beschwerde mit der Begründung eine solche verstoße infolge des schlechten Gesundheitszustandes der BW gegen Art. 3 EMRK, wies der EGMR ab [...]
Der Entscheidung GONCHAROVA & ALEKSEYTSEV gg. Schweden, 03.05.2007, Rs 31246/06 lag ua. der Fall zugrunde, dass der Zweitbeschwerdeführer - ein russischer Asylwerber, der drei(!) Selbstmordversuche begangen bzw. mehrere Aufenthalte in der Psychiatrie hinter sich hatte und dem von Gutachern einhellig ein schwere psychische Erkrankung ua. in Gestalt einer posttraumatischen Belastungsstörung sowie eine akute Selbstmordgefährdung bescheinigt worden war - seine Abschiebung nach Russland mit dem Hinweis auf seinen schlechten und infolge aktueller Suizidgefahr lebensbedrohlichen Gesundheitszustand in Beschwerde zog. Auch diese Beschwerde wies der EGMR mit einer über weite Strecken identen Begründung wie in der Entscheidung AYEGH gg. Schweden ab. [...]
Die dargestellten Entscheidungen zeigen deutlich, dass bei Vorliegen von Erkrankungen im Allgemeinen nur solche relevant sind, die bekanntermaßen zu einem lebensbedrohlichen Zustand führen und grundsätzlich keine Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bestehen (siehe dazu nunmehr auch VfGH vom 06.03.2008, Zl: B 2400/07-9).
Aus diesen Judikaturlinien des EGMR leitet sich der für das vorliegende Beschwerdeverfahren relevante Prüfungsmaßstab ab. Maßgebliche Kriterien für die Beurteilung der Art. 3 EMRK-Relevanz einer psychischen Erkrankung angesichts einer Abschiebung sind Aufenthalte in geschlossenen Psychiatrien infolge von Einweisungen oder auch Freiwilligkeit, die Häufigkeit, Regelmäßigkeit und Intensität der Inanspruchnahme medizinisch-psychiatrischer Leistungen, die Möglichkeit einer wenn auch gemessen am Aufenthaltsstaat schlechteren medizinischen Versorgung im Zielstaat sowie die vom Abschiebestaat gewährleisteten Garantien in Hinblick auf eine möglichst schonende Verbringung. Rechtfertigen diese Kriterien eine Abschiebung, hat eine denkmögliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes oder ungünstige Entwicklung des Gesundheitszustands außer Betracht zu bleiben, geschweige denn vermag die Verursachung von überstellungsbedingtem mentalen Stress eine Abschiebung unzulässig machen.
Im vorliegenden Fall konnte von den Beschwerdeführern keine schwere psychische Krankheit belegt werden, respektive die Notwendigkeit weitere Erhebungen seitens des Asylgerichtshofes. Aus der Aktenlage sind keine Hinweise auf einen existenzbedrohenden Zustand ersichtlich. Hier ist insbesondere auch auf die im Akt befindlichen gutachtlichen Stellungnahmen Dris. I.H. zu verweisen, aus welchen sich ergibt, dass einer Überstellung der Beschwerdeführer K.T. und K.F. nach Polen keine schweren psychischen Störungen entgegenstehen würden, die bei einer Überstellung eine unzumutbare Verschlechterung des Gesundheitszustandes aus ärztlicher Sicht bewirken würden. Weiters ergibt sich aus dieser Stellungnahme, dass die Beschwerdeführer K.T. und K.F. keine Symptome einer krankheitswertigen psychischen Störung aufweisen (siehe hiezu S. 83 ff des erstinstanzlichen Aktes betreffend K.T. und S 87 ff des erstinstanzlichen Aktes betreffend K.F.).
Das Beschwerdevorbringen, wonach von einer "generellen Traumatisierung aller Tschetschenen" auszugehen ist, ist als nicht näher konkretisierte pauschale Behauptung der Beschwerdeführer einzustufen, auf welche nicht näher einzugehen ist.
Zu dem vom Beschwerdeführer K.R. vorgelegten "klinisch-psychologischen Befund" der Dr. Mag. C.H., zertifizierte klinische Psychologin, ist anzumerken, dass hier auffällt, dass das Schreiben mit 28. April 2008 datiert ist, und auf eine angebliche Untersuchung vom 30.04.2008 Bezug nimmt. Laut eigenen Angaben des Beschwerdeführers K.R. reiste dieser erst am 15.05.2008 nach Österreich ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Da der Monat im vorgelegten "Befund" jeweils in Worten mit April ausgeschrieben ist, kann es sich hiebei kaum um einen Schreibfehler handeln, sondern muss bezweifelt werden, dass die Psychologin K.R. tatsächlich persönlich untersucht hat. Aber auch diese kommt in ihrem Befund nicht zu dem Schluss, dass K.R. an einer solchen Störung leiden würde, welche seine Überstellung unzulässig machen würde, sodass letztlich dieser Befund auch nicht im Widerspruch zu der oben angeführten gutachtlichen Stellungnahme Dris. I.H. im Akt steht.
Erwähnenswert sind jedoch die Feststellungen der Erstbehörde zur medizinischen Versorgung in Polen. Asylwerber haben in Polen Zugang zu medizinischer Versorgung aufgrund einer Vereinbarung zwischen dem Amt für Repatriierung und Fremde (polnische Asylbehörde) und dem Zentralklinikum des Innenministeriums in Warschau. Diese Versorgung umfasst neben allen medizinischen Anwendungen und Untersuchungen, unter anderem auch psychologische Hilfe, die ein Fremder in den Aufnahmezentren beanspruchen kann.
In Polen werden Asylwerber über das Zentralkrankenhaus des Ministeriums für Inneres und Administration den für sie zuständigen Krankenhäusern zugeteilt. In Fällen dringender Behandlung ist jedes Krankenhaus in Polen zuständig. Die medizinische Versorgung von Asylwerbern entspricht in Polen derjenigen von polnischen Staatsbürger/Innen.
Zusammengefasst stellt daher eine Überstellung der Beschwerdeführer nach Polen keinesfalls eine Verletzung des Art. 3 EMRK und somit auch keinen Anlass zur Ausübung der Selbsteintrittsrechtes Österreichs nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO dar. Die Beschwerdeführer konnten dieser Ansicht des Asylgerichtshofes jedenfalls nicht durch ihre pauschalen und unbelegten Ausführungen in der Beschwerde entgegentreten.
Zusammenfassend sieht der Asylgerichtshof in Einklang mit der diesbezüglichen Sichtweise der Erstbehörde keinen Anlass, Österreich zwingend zur Anwendung des Art. 3 Abs. 2 Verordnung 343/2003. In Folge drohender Verletzung von Art. 3 und Art. 8 EMRK zu verpflichten.
2.1.3. Spruchpunkt I der erstinstanzlichen Entscheidung war sohin bei Übernahme der Beweisergebnisse und rechtlichen Würdigung der Erstbehörde mit obiger näherer Begründung zu bestätigen.
2.2. Die Erwägungen der Erstbehörde zu Spruchpunkt II waren vollinhaltlich zu übernehmen. Auch im Beschwerdeverfahren sind keine Hinweise hervorgekommen, die eine Aussetzung der Überstellung nach Polen in Vollzug der Ausweisung aus Österreich erforderlich erschienen ließen. Diese erweist sich daher bezogen auf den Entscheidungszeitpunkt als zulässig.
2.3. Gemäß § 41 Abs 4 AsylG konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Eine gesonderte Erwägung bezüglich einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konnte angesichts des Spruchinhaltes entfallen.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.