TE Vwgh Erkenntnis 2001/3/30 2000/02/0247

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Veröffentlicht am 30.03.2001
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs3;
VStG §24;
VStG §51g Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Sellner, über die Beschwerde der L in W, vertreten durch Dr. Conrad Borth und Dr. Johannes Müller, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Landhausgasse 4, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 1. August 2000, Zl. UVS- 03/V/14/11/1998/16, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt (Land) Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Verwaltungsgerichtshof verweist zur Vermeidung von Wiederholungen vorweg auf das hg. Erkenntnis vom 10. Juli 1998, Zl. 97/02/0530, mit welchem der im ersten Rechtsgang erlassene Bescheid der belangten Behörde vom 8. Oktober 1997 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben wurde.

Mit dem Bescheid vom 20. Dezember 1999, schriftliche Ausfertigung vom 1. August 2000 bestätigte die belangte Behörde das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom 25. September 1996 in dessen Spruchpunkt 3 mit der Maßgabe, dass die Tatumschreibung zu lauten habe:

"Sie waren am 7.6.1996 um 22.50 Uhr in Wien 19., W-Gasse 2c, als Lenkerin des Kraftfahrzeuges WU an einem Verkehrsunfall mit Sachschaden ursächlich beteiligt und haben es unterlassen, ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle zu verständigen."

Die Beschwerdeführerin habe eine Übertretung gemäß § 4 Abs. 5 StVO begangen, es wurde gemäß § 99 Abs. 3 lit. b StVO eine Geldstrafe in der Höhe von S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 40 Stunden) verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin rügt als Verfahrensmangel, es sei der im Zuge des Verfahrens beigezogene Amtssachverständige nicht der im fortgesetzten Verfahren abgehaltenen mündlichen Verhandlung beigezogen worden.

Der Vertreter der Beschwerdeführerin hatte in der mündlichen Verhandlung vom 20. Dezember 1999 "die Befragung des Sachverständigen bzw. die Ausarbeitung eines Sachverständigengutachtens zu der Frage" beantragt, "ob eine Kontaktnahme, wie sie der Zeuge geschildert habe, aus technischer Sicht möglich" sei "bzw. ob eine Kontaktaufnahme in der vom Zeugen geschilderten Form ohne eine Beschädigung des Fahrzeuges der Berufungswerberin aus technischer Sicht überhaupt möglich" sei und "die Einvernahme des Sachverständigen, damit an diesem das Fragerecht ausgeübt werden" könne, "dies insbesondere im Hinblick auf die heutigen Angaben des Zeugen".

Demgegenüber begründete die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid, dass der Antrag auf Einholung eines kraftfahrzeugtechnischen Gutachtens abzuweisen gewesen sei, weil der Sachverständige schon in seiner schriftlichen Äußerung vom 11. April 1997 dargelegt habe, dass hiezu die Besichtigung beider Fahrzeuge unerlässlich gewesen wäre. Eine solche könne jedoch im Hinblick auf die zwischenzeitlich erfolgte Veräußerung des geschädigten Fahrzeuges nicht mehr stattfinden.

Die Frage nach der Möglichkeit der Kontaktnahme und die Frage, ob hiebei am von der Beschwerdeführerin gelenkten Fahrzeug zwingend hätte ein Schaden entstehen müssen, waren bereits Inhalt des Ersuchens der belangten Behörde an den kraftfahrtechnischen Gutachter. Dieser hat nach vergeblichem Versuch, die am gegenständlichen Unfall beteiligten Fahrzeuge zu besichtigen (beide Fahrzeuge wurden nicht vorgeführt, vom Geschädigten wurden Lichtbilder über den Schaden vorgelegt), ausgeführt, "es kann kein technisch schlüssiges Gutachten hinsichtlich der do. Anfrage abgegeben werden, da dazu die Besichtigung beider Fahrzeuge erforderlich gewesen wäre". In der mündlichen Verhandlung vom 20. Dezember 1999 stellte sich heraus, dass die Vorführung zumindest eines der beteiligten Fahrzeuge nicht möglich ist. Auch die Beschwerdeführerin gab nicht zu erkennen, dass sie nunmehr anders als 1997 das von ihr zum Unfallszeitpunkt gelenkte Fahrzeug vorführen könne. Angesichts dieser Umstände liegt eine Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens nicht vor, weil das beantragte Beweismittel zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes unter den gegebenen Umständen nicht geeignet ist (vgl. die in Walter/Thienel,

Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), Seite 553, E 105 ff wiedergegebene hg. Rechtsprechung).

Wenn die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang darauf hinweist, dass in dem Vorerkenntnis vom 10. Juli 1998 auf das durch § 51g Abs. 1 VStG eingeräumte Recht auf Gegenüberstellung und Fragestellung insbesondere auch an Sachverständige hingewiesen worden sei, so verkennt sie, dass der Verwaltungsgerichtshof im genannten Erkenntnis lediglich die Rechtslage wiedergegeben hat, jedoch im konkreten Fall nicht befunden hat, die Beiziehung des Sachverständigen sei im Beschwerdefall im Hinblick auf die genannte Verfahrensvorschrift notwendig. Das Fragerecht des § 51g VStG erstreckt sich nur auf solche Fragen, die der Aufklärung des Sachverhalts dienen. Ist bereits die Ausarbeitung eines Sachverständigengutachtens aus den im gegenständlichen Fall vorliegenden Gründen zur Klärung des Sachverhaltes nicht möglich, so gilt dies umso mehr auf ein darauf Bezug nehmendes Fragerecht an den Sachverständigen.

Des Weiteren rügt die Beschwerdeführerin, es seien die beiden die Anzeige aufnehmenden Polizeibeamten nicht zeugenschaftlich einvernommen worden, ob sie eigene Wahrnehmungen zum Sachschaden gemacht hätten.

Die belangte Behörde begründete im angefochtenen Bescheid, die zeugenschaftliche Einvernahme der die Verkehrsunfallanzeige aufnehmenden Sicherheitswachebeamten sei entbehrlich, weil bereits aus der Anzeige zu ersehen sei, dass die darin enthaltenen Angaben zu Unfall und Sachschaden nicht auf deren eigenen Wahrnehmungen, sondern auf den Angaben des Aufforderers beruhen.

Entgegen den in der Beschwerde angestellten Vermutungen ist aus der Verkehrsunfallmeldung vom 9. Juni 1996 nicht abzuleiten, dass die die Anzeige aufnehmende Sicherheitswachebeamtin oder der die Anzeige überhaupt nur mit "Gel." (= gelesen) zeichnende Sicherheitswachebeamte den behaupteten Sachschaden am Fahrzeug des Geschädigten besichtigt hätten. Damit handelte es sich bei diesen von der Beschwerdeführerin vermissten Beweismittel um im Verwaltungsverfahren nicht zulässige Erkundungsbeweise.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 30. März 2001

Schlagworte

Beweise Fragerecht und Gegenüberstellung Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Gegenüberstellung Fragerecht Verwaltungsstrafverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2000020247.X00

Im RIS seit

20.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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