TE AsylGH Erkenntnis 2008/08/18 A5 319290-1/2008

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Veröffentlicht am 18.08.2008
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Spruch

A5 319.290-1/2008/5E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. SCHREFLER-KÖNIG als Vorsitzende und die Richterin Mag. HÖLLER als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin VB Wilhelm über die Beschwerde der I.R., geb. 00.00.1980, StA. Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 7.5.2008, FZ. 08 03.643- EAST-West, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

I. Die Beschwerde der I.R. wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, abgewiesen.

 

II. Gemäß § 8 Abs. 1 Z. 1 AsylG 2005 wird I.R. der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Nigeria nicht zuerkannt.

 

III. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 AsylG 2005 wird I.R. aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang

 

I.1. Mit dem angefochtenen Bescheid hat das Bundesasylamt den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz vom 24.4.2008 gemäß § 3 AsylG 2005 abgewiesen und ihr den Status der Asylberechtigten ebenso wie den Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Nigeria nicht zuerkannt und diese Entscheidung mit einer Ausweisung verbunden.

 

I.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde.

 

I.3. Mit Einrichtung des Asylgerichthofes am 1.7.2008 ging gegenständliche Angelegenheit in die Zuständigkeit des nunmehr erkennenden Senates über.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

II.1. Folgender Sachverhalt wird der Entscheidung zugrunde gelegt:

 

II.1.1. Zur Person und den Fluchtgründen der Beschwerdeführerin

 

Die Beschwerdeführerin trägt den im Spruch angeführten Namen und ist Staatsangehörige von Nigeria.

 

Sie reiste am 24. 4. 2008 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz. Bei der am Tag der Antragstellung stattgefundenen niederschriftlichen Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab die Genannte zu ihren Fluchtgründen an, sie habe Nigeria verlassen, weil sie beschuldigt werde, ihren Freund getötet zu haben.

 

Am 28.4.2008 führte die belangte Behörde eine niederschriftliche Einvernahme mit der nunmehrigen Beschwerdeführerin durch. Dabei gab die Genannte zu Beginn der Einvernahme zu Protokoll, gelegentlich auf ihrem linken Ohr nichts hören zu können, da Flüssigkeit austrete. Sie habe sich die Medikamente in Nigeria selbst besorgt, ohne aber in ärztlicher Behandlung gestanden zu sein.

 

Zu ihren Fluchtgründen führte die nunmehrige Beschwerdeführerin aus, ihr Freund C.E. sei Mitglied der PDP- Partei gewesen. Nachdem die PDP die Wahlen am 14.4.2007 gewonnen habe, habe sich die AC an ein Tribunal gewandt und am 20.3.2008 Recht bekommen. Der Freund der Beschwerdeführerin habe ihr angekündigt, die PDP werde ihr Recht bis in alle Instanzen erkämpfen. Am 27.3. 2008 sei sie mit ihrem Freund zusammen gewesen, am darauf folgenden Tag sei er vermisst gemeldet worden. Man habe schließlich seine Leiche gefunden. Darauf hin sei die nunmehrige Beschwerdeführerin beschuldigt worden, ihren Freund getötet zu haben. Im Fall ihrer Rückkehr befürchte sie, von PDP-Mitgliedern getötet zu werden.

 

Über Nachfrage der belangten Behörde gab die Beschwerdeführerin an, die PDP habe via Radio ihren Freund als vermisst gemeldet. Auch über dessen Tod sei die Genannte über das Radio informiert worden. Die Mitglieder der PDP und die Polizei seien in ihr Haus gekommen und hätten nach Spuren gesucht; dies sei in der Zeit gewesen, als der Freund der Beschwerdeführerin noch als vermisst gegolten habe. Als sie dann von dessen Tod erfahren habe, habe sie Angst bekommen und noch am selben Tag Nigeria verlassen.

 

Der Beschwerdeführerin wurden im Rahmen dieser Einvernahme aktuelle Feststellungen zur Lage in Nigeria vorgehalten. Sie wollte dazu keine Stellungnahme abgeben.

 

Am 30.4. 2008 fand eine weitere niederschriftliche Einvernahme der Beschwerdeführerin vor der belangten Behörde statt. Über Aufforderung, ihre früheren Angaben zu präzisieren, führte die Genannte aus, sie sei die heimliche Geliebte ihres Freundes gewesen, dieser sei nämlich verheiratet gewesen und habe eine Tochter gehabt. Sie habe ihn kennen gelernt, als sie von ihrer Chefin zu einer Veranstaltung mitgenommen worden sei, bei der sie die Tische zu dekorieren gehabt habe. Das Hotel, in dem ihr Freund umgebracht worden sei, befinde sich in Benin City. Die anwesende Rechtsberaterin stellte fest, sie habe im Internet recherchiert und könne die Angaben rund um die Person des Freundes der Beschwerdeführers bestätigen. Weiters habe die Polizei auf dem Handy des Ermordeten einen Anruf eines unbekannten Teilnehmers entdeckt und gehe davon aus, dass dieser von der Beschwerdeführerin stamme.

 

Weiters betonte die Rechtsberaterin unter Verweis auf entsprechende Berichte und Fernsehsehsendungen darauf, dass sie die Angaben der Beschwerdeführerin zwar für glaubhaft und nachvollziehbar erachte, aber dennoch den Verdacht habe, dass diese Opfer von Menschenhandel geworden sei und zur Zwangsprostitution in Österreich gezwungen werde.

 

Die belangte Behörde wies den Antrag der nunmehrigen Beschwerdeführerin auf Gewährung von internationalem Schutz ab und begründete, unter Beifügung umfassender Länderfeststellungen zu Nigeria, ihre Entscheidung im Wesentlichen mit der fehlenden Glaubhaftmachung asylrelevanter Verfolgung. Es sei nicht nachvollziehbar, dass die Genannte ihre Heimat verlassen habe, bloß weil sie im Radio vom Tod ihres Freundes erfahren habe. Weder sei sie von der Polizei noch von Parteimitgliedern damit konfrontiert worden, dass sie mit dessen Tod etwas zu tun habe, so dass ihr Verhalten nicht schlüssig sei. Zu den vorgelegten Internetartikeln stellte die belangte Behörde fest, dass diese lediglich belegten, dass ein gewisser C.E. wahrscheinlich ermordet worden sei. Ein Bezug zur Beschwerdeführerin werde aber in keinem der Berichte hergestellt.

 

Die Beschwerdeführerin bekämpfte die Entscheidung der belangten Behörde fristgerecht mittels Berufung (ab 1.7.208: Beschwerde) wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie wegen unrichtiger und fehlender Sachverhaltsfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung. Sie sei entgegen der Annahme der belangten Behörde bereits während des Verschwindens ihres Freundes verdächtigt worden und sei ihr Haus von der Polizei und den PDP- Mitgliedern durchsucht worden.

 

II.1.2. Zur Lage in Nigeria

 

Die im angefochtenen Bescheid getroffenen Länderfeststellungen zur Lage in Nigeria decken sich mit dem Amtswissen des Asylgerichtshofes und werden zum Gegenstand dieses Erkenntnisses erklärt.

 

II.2. Rechtliche Beurteilung und Beweiswürdigung:

 

II.2.1. Gemäß § 28 Abs. 1 AsylGHG, BGBl.I Nr. 2008/4 nimmt der Asylgerichtshof mit 01.07.2008 seine Tätigkeit auf. Das Bundesgesetz über den Unabhängigen Bundesasylsenat (UBASG), BGBl. I Nr. 77/1997, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2005, tritt mit 01.07.2008 außer Kraft.

 

II.2.2. Gemäß § 23 AsylGHG sind auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof, sofern sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005, BGBl. Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

II.2.3. Gemäß § 9 leg.cit. entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, sofern bundesgesetzlich nicht die Entscheidung durch Einzelrichter oder verstärkte Senate (Kammersenate) vorgesehen ist.

 

II.2.4. Gemäß § 61 Abs. 1 AsylG entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes. Gemäß Abs. 3 entscheidet der Asylgerichtshof durch Einzelrichter über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4, wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5 und wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG sowie über die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.

 

II.2.5. Gemäß § 75 Abs. 7 AsylG 2005 sind am 1.7.2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen weiterzuführen:

 

Mitglieder des Unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, sind von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat weiterzuführen.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, die von nicht zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannten Mitgliedern des Unabhängigen Bundesasylsenates geführt wurden, sind nach Maßgabe der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes vom zuständigen Senat weiterzuführen.

 

II.2.6. Gemäß § 41 Abs.7 AsylG 2005 kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 67d AVG.

 

II.2.7. Gemäß § 18 Abs. 1 AsylG 2005 haben das Bundesasylamt und der Asylgerichtshof in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amtswegen beizuschaffen. Gemäß Abs. 2 ist im Rahmen der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Vorbringens eines Asylwerbers auf die Mitwirkung im Verfahren Bedacht zu nehmen.

 

II.2.8. Gemäß § 15 AsylG 2005 hat ein Asylwerber am Verfahren nach diesem Bundesgesetz mitzuwirken; insbesondere hat er ohne unnötigen Aufschub seinen Antrag zu begründen und alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen. Weiters hat er bei Verfahrenshandlungen und Untersuchungen durch einen Sachverständigen persönlich und rechtzeitig zu erscheinen, und an diesen mitzuwirken sowie unter anderen auch dem Bundesasylamt oder dem Asylgerichtshof alle ihm zur Verfügung stehenden Dokumente und Gegenstände am Beginn des Verfahrens, oder soweit diese erst während des Verfahrens hervorkommen oder zugänglich werden, unverzüglich zu übergeben, soweit diese für das Verfahren relevant sind.

 

Im gegenständlichen Fall liegen die genannten Voraussetzungen des § 41 Abs.7 AsylG 2005 für den Entfall einer mündlichen Verhandlung vor.

 

Die belangte Behörde hat ein im beschriebenen Sinne ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und enthält der Beschwerdeschriftsatz zudem kein Vorbringen, das geeignet wäre, die in der schlüssigen Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheids zum Ausdruck kommende Beurteilung der belangten Behörde zu entkräften oder in Zweifel zu ziehen. Der verfahrensrelevante Sachverhalt ist daher nach dem Dafürhalten des Asylgerichtshofes als aus der Aktenlage als geklärt anzusehen.

 

Nach ständiger Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u. a. VwGH vom 23.1.2003, Zl. 2002/20/0533, VwGH vom 2.3.2006, Zl. 2003/20/0317, kann nur dann angenommen werden, dass ein Sachverhalt nicht aus der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung (nunmehr Beschwerde) als geklärt anzusehen ist, wenn die erstinstanzliche Beweiswürdigung in der Berufung substantiiert bekämpft wird oder der Berufungsbehörde ergänzungsbedürftig oder in einem entscheidenden Punkt nicht richtig erscheint, wenn rechtlich relevante Neuerungen vorgetragen werden oder wenn die Berufungsbehörde ihre Entscheidung auf zusätzliche Ermittlungsergebnisse stützen will.

 

Diese Voraussetzungen liegen im gegenständlichen Fall der Beschwerdeführerin nicht vor.

 

Der Asylgerichtshof erachtet es des Weiteren im gegenständlichen Fall nicht für notwendig, die Beweiswürdigung des Bundesasylamtes um zusätzliche (über bloße Zusatzbemerkungen oder Eventualausführungen hinausgehende) eigene Argumente zu ergänzen.

 

Nach der Rechtssprechung des VwGH widerspräche lediglich diese Notwendigkeit der Annahme eines hinreichend geklärten Sachverhaltes mit der Folge, dass von einer mündlichen Verhandlung nicht Abstand genommen werden dürfte (vgl. VwGH vom 30.9.2004, Zl. 2001/20/0140).

 

II.2.9. Gemäß § 66 Abs.4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

II.2.10. Auf die oben zitierte Bestimmung des § 23 AsylGHG, demzufolge die Bestimmungen des AVG mit der Maßgabe anzuwenden sind, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt, wird hingewiesen.

 

Gegenständlicher Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz wurde am 24.4.2008 gestellt, so dass die Bestimmungen des AsylG 2005 vollinhaltlich zur Anwendung gelangen.

 

Zu Spruchpunkt I

 

II.2.11. Gemäß § 3 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich eine Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatssicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist und glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

 

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK (idF des Art. 1 Abs.2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. z.B. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde.

 

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/011). Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.2.1997, 95/01/0454; 9.4. 1997, 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl VwGH 18.4.1996, 95/20/0239; vgl. auch VwGH 16.2.2000, 99/01/097), sondern erfordert eine Prognose.

 

Verfolgungshandlungen, die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. dazu VwGH 9.3.1999, 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99720/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorherigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.6.1994, 94/19/0183; 18.2.1999, 98/20/0468). Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 9.3.1999, 98/01/0318; 19.10.2000, 98/20/0233).

 

II.2.12. Der Asylgerichtshof schließt sich somit unter Abstandnahme einer mündlichen Verhandlung der Beurteilung der belangten Behörde an und kommt zum Ergebnis, dass dem Vorbringen der Beschwerdeführerin keine Asylrelevanz im oben beschriebenen Sinne zukommt.

 

Es ist der belangten Behörde darin beizupflichten, dass die Angaben der Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit den Folgen des Todes ihres vorgeblichen Freundes C.E. nicht nachvollziehbar und daher nicht glaubhaft sind. Vielmehr hat die Beschwerdeführerin durch ihre Rechtsberaterin zwar einige Artikel über den Tod des Genannten vorgelegt, konnte aber nicht beweisen, dass sie die Freundin dieses Mannes bzw. aufgrund seines Todes irgendwelchen Schwierigkeiten ausgesetzt gewesen ist.

 

Da sich die Angaben der Beschwerdeführerin zu C.E. exakt mit den aus den Berichten zu entnehmenden Sachverhaltselementen decken (Alter und Familienstand des Ermordeten, Ort des Mordes sowie Aufenthalt der Ehefrau im Ausland) und die Beschwerdeführerin diese auch erst bei der zweiten Einvernahme, gleichzeitig mit den Berichten, darlegte, kann nicht ausgeschlossen werden, dass sie diese allgemein bekannten Ereignisse in ihrer Heimat bloß dazu benutzt hat, daraus ihre eigene Fluchtgeschichte zu konstruieren.

 

Selbst aber wenn man davon ausgehen wollte, dass die Beschwerdeführerin tatsächlich die Geliebte des Ermordeten gewesen ist, lässt sich keine Asylrelevanz erkennen. So behauptete die Beschwerdeführerin zwar, die Polizei und PDP- Mitgliedern hätten in ihrem Haus nach Spuren gesucht, jedoch handelt es sich bei einer solchen Vorgehensweise für sich betrachtet nicht um Verfolgungshandlungen im Sinne der GFK. Weder wurde die Beschwerdeführerin polizeilich befragt oder festgenommen noch ergeben sich aus ihren Ausführungen Anhaltspunkte, die für eine Bedrohung ihrer Person, allenfalls durch Mitglieder der PDP, sprechen. Auch eine Schutzunwilligkeit oder Schutzunfähigkeit des nigerianischen Staates im Falle von Übergriffen durch Privatpersonen (PDP- Mitglieder) auf die Beschwerdeführerin konnte nicht festgestellt werden.

 

Tatsache ist weiters, dass allfällige polizeiliche Untersuchungen nach dem Verschwinden einer Person im potentiellen Umfeld des Opfers ebenso wenig als Verfolgungshandlungen zu qualifizieren sind wie entsprechende Einvernahmen nach dem Auffinden der Leiche. Die Beschwerdeführerin hat nicht einmal mit einem Wort von gegen ihre Person gerichtete polizeiliche Ermittlungen gesprochen und auch sonst während des gesamten Verfahrens keine asylrelevante Bedrohung ihrer Person glaubhaft machen können.

 

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid zu Recht auf das wenig nachvollziehbare Verhalten der Beschwerdeführerin nach dem Tod des Mannes hingewiesen und sich in schlüssiger Weise damit auseinandergesetzt, warum ihren diesbezüglichen Angaben kein Glauben zu schenken ist. Die Beschwerdeführerin ist diesen Ausführungen im Beschwerdeschriftsatz nicht substantiiert entgegen getreten.

 

Insgesamt sind daher - unabhängig von der Beurteilung des Wahrgehaltes der Angaben der Beschwerdeführerin - die Voraussetzungen für eine Asylgewährung im gegenständlichen Fall nicht erfüllt.

 

Zu Spruchpunkt II

 

II.2.13. Gemäß § 8 Abs.1 AsylG ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, wenn er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung oder Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

II.2.14. Der Asylgerichtshof hat somit zu klären, ob im Falle der Verbringung des Berufungswerbers in sein Heimatland Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 (Verbot der Folter) oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtssprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen Bedrohung der relevanten Rechtsgüter, hinsichtlich derer der Staat nicht willens oder nicht in der Lage ist, Schutz zu bieten, glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, 95/18/1291; 17.7.1997, 97/18/0336).

 

Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind, und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.9.1993, 93/18/0214).

 

Es ist während des gesamten Verfahrens kein Anhaltspunkt hervor gekommen, der die Rückführung der Beschwerdeführerin aus einem der genannten Gründe unzulässig erscheinen lässt.

 

Unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Beweisverfahrens kann somit nicht angenommen werden, dass die Beschwerdeführerin im Falle ihrer Rückkehr in ihr Herkunftsland einer existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein könnte, sodass die Abschiebung eine Verletzung des Art. 3 EMRK bedeuten würde. Die Deckung der existentiellen Grundbedürfnisse kann aus den Feststellungen als gesichert angenommen werden. Ebenso zeigen die Aussagen der Beschwerdeführerin, dass sie vor ihrer Ausreise einer Erwerbstätigkeit nach gegangen ist und kann daher von einer Fortsetzung derselben nach ihrer Rückkehr ausgegangen werden.

 

Die Beschwerdeführerin behauptet oder bescheinigt auch keinen sonstigen auf ihre Person bezogenen "außergewöhnlichen Umstand", der ein Abschiebungshindernis im Sinne von Art. 3 EMRK iVm § 8 Abs. 1 AsylG darstellen könnte.

 

Soweit von der Unglaubwürdigkeit der Angaben der Genannten auszugehen ist, ergibt sich für den Asylgerichtshof kein Anhaltspunkt, der gegen eine Rückkehr der Antragstellerin in ihren Familienverband spricht, so dass jedenfalls auch vom Bestehen eines sozialen Netzwerkes ausgegangen werden kann.

 

Zu Spruchpunkt III

 

II.2.16. Gemäß §10 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.

 

Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 sind Ausweisungen unzulässig, wenn dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden.

 

Es liegen keine Gründe im Sinne des § 10 Abs. 2 AsylG vor, die einer Ausweisung entgegenstehen. Weder verfügt die Beschwerdeführerin über einen nicht nach dem AsylG erteilten Aufenthaltstitel, noch gelten Umstände als verwirklicht, die auf eine Verletzung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK schließen lassen, dessen Voraussetzungen bereits durch die belangte Behörde geprüft und verneint wurden.

 

Im Zusammenhang mit der Interessenabwägung des Art. 8 EMRK ist weiters die kurze Aufenthaltsdauer der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet - sie reiste erst im April 2008 nach Österreich ein - zu beachten. Verfestigungs- oder Integrationstatbestände wurden seither erkennbar nicht verwirklicht.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Ausweisung, Familienverband, Glaubwürdigkeit, mangelnde Asylrelevanz, non refoulement, private Verfolgung, staatlicher Schutz
Zuletzt aktualisiert am
17.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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