TE AsylGH Erkenntnis 2008/08/19 A5 311877-1/2008

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.08.2008
beobachten
merken
Spruch

A5 311.877-1/2008/8E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. SCHREFLER-KÖNIG als Vorsitzende und die Richterin Mag. HÖLLER als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin VB Wilhelm über die Beschwerde des J. B., geb. 00.00.1989, StA Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.04. 2007, FZ. 07 01.186-BAT, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

I. Die Beschwerde des J. B.g wird gemäß § 3 Abs .1 AsylG 2005 abgewiesen.

 

II. Gemäß § 8 Abs.1 .Z. 1 AsylG 2005 wird J. B. der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria nicht zuerkannt.

 

III. Gemäß § 10 Abs.1 Z. 2 AsylG 2005 wird J. B. aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe

 

Verfahrensgang

 

I.1. Mit dem angefochtenen Bescheid hat das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung von internationalem Schutz vom 2.2.2007 abgewiesen, ihm den Status des Asylberechtigten und den Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria nicht zuerkannt und diese Entscheidung mit einer Ausweisung verbunden.

 

I.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde. Mit 1.7. 2008 wurde gegenständliche Beschwerdeangelegenheit dem nunmehr erkennenden Senat des Asylgerichtshofes zur Entscheidung zugewiesen.

 

I.3. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 41 Abs.7 AsylG 2005 aufgrund des aus der Aktenlage als geklärt an zu sehender Sachverhalt Abstand genommen.

 

Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

II.1. Folgender Sachverhalt wird der Entscheidung zugrunde gelegt:

 

II.1.1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Nigeria. Seine Identität konnte nicht festgestellt werden.

 

II.1.2. Er reiste am 2.2.2007 illegal nach Österreich ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz.

 

II.1.3. Am Tag der Antragstellung fand die niederschriftliche Erstbefragung des nunmehrigen Beschwerdeführers durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt. Dabei gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen an, er habe für die Studenten in der Nähe des Colleges Besorgungen erledigt. Er habe von einem der Studenten den Auftrag bekommen, einen Mann von seinem Haus abzuholen und ihn zum College zu begleiten. Plötzlich seien vor dem Eingang des Colleges Schüsse gefallen, jeder habe die Flucht ergriffen, er aber sei von der Polizei verhaftet worden. Ein Mann im Gefängnis habe ihm zur Flucht verholfen.

 

II.1.4. Die belangte Behörde führte am 8.2.2007 eine niederschriftliche Einvernahme mit dem nunmehrigen Beschwerdeführer durch. Zu seinen persönlichen Verhältnissen führte der Genannte aus, sein Vater sei 1993 verstorben und seine Mutter rund 40 Jahre alt. Er habe mehrere Geschwister, wisse aber bis auf einen Bruder deren genaues Alter nicht. Er habe keine Dokumente, die Aufschluss über sein eigenes Alter geben würden, lediglich seine Mutter habe ihm gesagt, wie alt er sei. Der Beschwerdeführer behauptete, vor seiner Ausreise in A. in Delta State gelebt zu haben und im Oktober 2006 20 Tage im Gefängnis gewesen zu sein. Die lokale Polizei von A. suche nach ihm, da sie ihn eines Mordes verdächtige. T., ein Nachbar des Beschwerdeführers sei erschossen worden, dessen Familie habe ihn verdächtigt, den Genannten umgebracht zu haben. Nachdem es sich um eine reiche und einflussreiche Familie gehandelt habe, habe die Polizei ihn nicht geschützt, sondern ihn festgenommen. T. sei Lehrer am College in A. gewesen, welches sich rund 45 Minuten vom Wohnhaus des Beschwerdeführers entfernt befände. Im Fall seiner Rückkehr befürchte der Beschwerdeführer von T.¿ Familie umgebracht zu werden. Diese würde ihn aufgrund ihres Einflusses in ganz Nigeria, auch etwa in Lagos, finden.

 

II.1.5. Am 10.4.2007 fand eine weitere niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde statt. Er sei bis Ende September 2006 in A. aufhältig gewesen und Nigeria endgültig im Oktober oder November 2006 verlassen. Zwischen Ende September 2006 und seiner Ausreise sei der Beschwerdeführer 20 Tage in Haft gewesen. Das genaue Datum sei ihm nicht bekannt, das Gefängnis habe sich in seiner Heimatstadt A. befunden. Er sei von einem Polizisten befreit worden, der einfach zu ihm gekommen sei und ihm erzählt habe, dass das Haus des Beschwerdeführers niedergebrannt worden sei. Den Namen des Polizisten, der ihn freigelassen habe, kenne der Beschwerdeführer nicht. Zum Grund seiner Inhaftierung führte der Genannte aus, er habe T. (Anmerkung: Schreibweise des Beschwerdeführers) eine Nachricht überbringen sollen und sei dieser in dem Moment, als er aus dem Haus herausgekommen sei, erschossen worden. Über die Hintergründe des Mordes könne der Beschwerdeführer nichts sagen; T. sei jedenfalls von einem Studenten, einem Burschen vom College, erschossen worden.

 

Über Nachfrage der belangten Behörde gab der nunmehrige Beschwerdeführer zu Protokoll, er hätte T. sagen sollen, dass er aus dem Haus herauskommen solle, damit die Burschen vom College ihm eine Nachricht überbringen könnten. Der Vorfall habe sich in der Nähe des Colleges ereignet; der Beschwerdeführer sei dort gerade spaziert, als ihn diese Burschen angesprochen hätten. Sie hätten ihm gesagt, der Mann sei Lektor und der Beschwerdeführer habe gedacht, dass die Burschen mit ihm vielleicht etwas besprechen wollten.

 

Der Beschwerdeführer sei deshalb im Auftrag der ihm unbekannten Burschen zum Haus des Lektors gegangen. Dieser sei heraus gekommen und dem Beschwerdeführer gefolgt. Dann sei es zu dem tödlichen Schuss gekommen, der den Mann auf der Stirn getroffen habe. Die drei Burschen, von denen einer geschossen habe, seien davon gelaufen, nur der Beschwerdeführer sei am Tatort geblieben. Zeugen habe es ursprünglich keine gegeben, erst als er zu schreien begonnen habe, seien einige Leute gekommen. Er sei dann geschlagen und von der Polizei verhaftet worden.

 

Er habe den Ermordeten gekannt, da einer von dessen Söhnen im selben Alter wie der Beschwerdeführer gewesen sei und sie gelegentlich gemeinsam Fußball gespielt hätten. Der Polizist, der ihn freigelassen habe, habe ihm gesagt, dass sein Haus niedergebrannt worden sei und außerdem alle Leute davon ausgingen, der Beschwerdeführer habe Geld genommen und dafür den Ermordeten aus dem Haus gelockt. Deshalb seien alle hinter ihm her und würden ihn überall finden. Nachdem der Ermordete Moslem gewesen sei, seien Moslems hinter ihm her.

 

II.1.6. Die belangte Behörde wies den Antrag des nunmehrigen Beschwerdeführers auf Gewährung von internationalem Schutz ab und begründete ihre Entscheidung zusammengefasst mit der fehlenden Glaubwürdigkeit der Angaben.

 

Die Fluchtgründe seien insofern unglaubwürdig, als der Beschwerdeführer nicht imstande gewesen sei, nähere Ausführungen zu seiner Haft und den Umständen des Mordes zu machen. Es sei insbesondere nicht glaubwürdig, dass der Beschwerdeführer zwar einerseits behauptet habe, die Mörder seien Burschen vom College gewesen, gleichzeitig aber betont habe, diese Leute nicht gekannt zu haben. Es sei nicht nachvollziehbar, warum der Genannte den Burschen helfen sollte, den Mann aus dem Haus zu locken.

 

II.1.7. Der Beschwerdeführer bekämpfte, vertreten durch die Diakonie- Evangelischer Flüchtlingsdienst Österreich, die Entscheidung der belangten Behörde fristgerecht mittels Berufung (ab 1.7.2008: Beschwerde) und monierte die inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides und dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

 

II.2. Zur Lage in Nigeria

 

Die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zu Nigeria werden zum Gegenstand des Erkenntnisses des Asylgerichtshofes erhoben.

 

II.3. Rechtliche Beurteilung und Beweiswürdigung

 

II.3.1. Gemäß § 28 Abs. 1 AsylGHG, BGBl. I Nr. 2008/4, nimmt der Asylgerichtshof mit 1.7.2008 seine Tätigkeit auf. Das Bundesgesetz über den Unabhängigen Bundesasylsenat (UBASG), BGBl. Nr. 77/1997, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2005, tritt mit 1.7.2008 außer Kraft.

 

II.3.2.Gemäß § 23 AsylGHG sind auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof, sofern sich aus dem Bundes- Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. I/1930, dem Asylgesetz 2005, AsylG 2005, BGBl. Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985- VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991- AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs " Berufung" der Begriff " Beschwerde" tritt.

 

II.3.3.Gemäß § 9 leg.cit. entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, sofern bundesgesetzlich nicht die Entscheidung durch Einzelrichter oder verstärkte Senate (Kammersenate) vorgesehen ist.

 

II.3.4. Gemäß § 61 Abs. 1 AsylG entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes. Gemäß Abs. 3 entscheidet der Asylgerichtshof durch Einzelrichter über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4, wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5 und wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG sowie über die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.

 

II.3.5. Gemäß § 75 Abs. 7 AsylG 2005 sind am 1.7.2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren sind vom Asylgerichtshof nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen weiterzuführen:

 

Mitglieder des Unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, sind von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat weiterzuführen.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, die von nicht zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannten Mitgliedern des Unabhängigen Bundesasylsenates geführt wurden, sind nach Maßgabe der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes vom zuständigen Senat weiterzuführen.

 

II.3.6. Gemäß § 41 Abs.7 AsylG 2005 kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 67d AVG.

 

II.3.7. Gemäß § 18 Abs. 1 AsylG 2005 haben das Bundesasylamt und der Asylgerichtshof in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amtswegen beizuschaffen. Gemäß Abs. 2 ist im Rahmen der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Vorbringens eines Asylwerbers auf die Mitwirkung im Verfahren Bedacht zu nehmen.

 

II.3.8. Gemäß § 15 AsylG 2005 hat ein Asylwerber am Verfahren nach diesem Bundesgesetz mitzuwirken; insbesondere hat er ohne unnötigen Aufschub seinen Antrag zu begründen und alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen. Weiters hat er bei Verfahrenshandlungen und Untersuchungen durch einen Sachverständigen persönlich und rechtzeitig zu erscheinen, und an diesen mitzuwirken sowie unter anderen auch dem Bundesasylamt oder dem Asylgerichtshof alle ihm zur Verfügung stehenden Dokumente und Gegenstände am Beginn des Verfahrens, oder soweit diese erst während des Verfahrens hervorkommen oder zugänglich werden, unverzüglich zu übergeben, soweit diese für das Verfahren relevant sind.

 

Im gegenständlichen Fall liegen die genannten Voraussetzungen des § 41 Abs.7 AsylG 2005 für den Entfall einer mündlichen Verhandlung vor.

 

Die belangte Behörde hat ein im beschriebenen Sinne ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und enthält der Beschwerdeschriftsatz zudem kein Vorbringen, das geeignet wäre, die in der schlüssigen Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheids zum Ausdruck kommende Beurteilung der belangten Behörde zu entkräften oder in Zweifel zu ziehen. Der verfahrensrelevante Sachverhalt ist daher nach dem Dafürhalten des Asylgerichtshofes als aus der Aktenlage als geklärt anzusehen.

 

Nach ständiger Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u. a. VwGH vom 23.1.2003, Zl. 2002/20/0533, VwGH vom 2.3.2006, Zl. 2003/20/0317, kann nur dann angenommen werden, dass ein Sachverhalt nicht aus der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung (nunmehr Beschwerde) als geklärt anzusehen ist, wenn die erstinstanzliche Beweiswürdigung in der Berufung substantiiert bekämpft wird oder der Berufungsbehörde ergänzungsbedürftig oder in einem entscheidenden Punkt nicht richtig erscheint, wenn rechtlich relevante Neuerungen vorgetragen werden oder wenn die Berufungsbehörde ihre Entscheidung auf zusätzliche Ermittlungsergebnisse stützen will.

 

Diese Voraussetzungen liegen im gegenständlichen Fall des Beschwerdeführers nicht vor.

 

Der Asylgerichtshof erachtet es des Weiteren im gegenständlichen Fall nicht für notwendig, die Beweiswürdigung des Bundesasylamtes um zusätzliche (über bloße Zusatzbemerkungen oder Eventualausführungen hinausgehende) eigene Argumente zu ergänzen. Nach der Rechtssprechung des VwGH widerspräche lediglich diese Notwendigkeit der Annahme eines hinreichend geklärten Sachverhaltes mit der Folge, dass von einer mündlichen Verhandlung nicht Abstand genommen werden dürfte (vgl. VwGH vom 30.9.2004, Zl. 2001/20/0140).

 

II.3.9. Gemäß § 66 Abs.4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Auf die oben zitierte Bestimmung des § 23 AsylGHG, demzufolge die Bestimmungen des AVG mit der Maßgabe anzuwenden sind, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt, wird hingewiesen.

 

II.3.10. Der Beschwerdeführer hat den Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz am 2.2. 2007 gestellt. Daher gelangen im gegenständlichen Verfahren die Bestimmungen des AsylG 2005 vollumfänglich zur Anwendung.

 

II.3.11. Zu Spruchpunkt I

 

Gemäß § 3 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich eine Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatssicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist und glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

 

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK (idF des Art. 1 Abs.2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. z.B. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde.

 

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/011). Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.2.1997, 95/01/0454; 9.4. 1997, 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr -Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl VwGH 18.4.1996, 95/20/0239; vgl. auch VwGH 16.2.2000, 99/01/097), sondern erfordert eine Prognose.

 

Verfolgungshandlungen, die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. dazu VwGH 9.3.1999, 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99720/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorherigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.6.1994, 94/19/0183; 18.2.1999, 98/20/0468). Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 9.3.1999, 98/01/0318; 19.10.2000, 98/20/0233).

 

Der Asylgerichtshof teilt die Auffassung der belangten Behörde, wonach dem Vorbringen des Beschwerdeführers die Asylrelevanz aufgrund fehlender Glaubwürdigkeit zu versagen ist.

 

Ein Vergleich der Angaben des Genannten, die dieser während des Verfahrens vor der belangten Behörde getätigt hat, zeigt, dass er nicht imstande war, den Flucht auslösenden Sachverhalt gleich lautend darzustellen. Alleine deshalb ist es völlig unwahrscheinlich, dass der Betreffende das Geschilderte tatsächlich erlebt hat.

 

So hatte der Beschwerdeführer etwa bei der niederschriftlichen Erstbefragung durch das Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes noch zu Protokoll gegeben, er habe für Studenten Besorgungen erledigt und den Auftrag erhalten, einen Mann von zu Hause abzuholen und zum College zu begleiten. Dort seien dann Schüsse gefallen.

 

Bei der ersten niederschriftlichen Einvernahme durch die belangte Behörde hat der Beschwerdeführer in Abweichung davon angegeben, einer seiner Nachbarn namens T., der als Lehrer am 45 Minuten entfernten College von A. arbeite, ermordet worden sei und der Beschwerdeführer von dessen Familie, welche reich und einflussreich sei, nun verdächtigt werde, den Mord begangen zu haben. Die Familie würde ihn in ganz Nigeria deshalb verfolgen.

 

Bei der zweiten Einvernahme vor der belangten Behörde führte der Beschwerdeführer dann letztlich aus, er sei von ihm unbekannten Burschen auf der Straße angesprochen und aufgefordert worden, einem Mann namens T. eine Nachricht zu überbringen. In dem Moment, als dieser dann aus dem Haus gekommen sei, sei er erschossen worden.

 

Zunächst ist es völlig unplausibel, dass der Beschwerdeführer einerseits zwar behauptet, die Burschen seien ihm unbekannt gewesen, andererseits aber angibt, dass es sich um Studenten des Colleges gehandelt habe. Ebenso erscheint das Verhalten des Beschwerdeführers nicht nachvollziehbar, dass er sich von ihm Unbekannten auf der Straße ansprechen lässt und ohne weiteres bereit ist, "einen Auftrag" für diese Leute durchzuführen. Wenn er begründend meinte, er habe gedacht, die Studenten wollten mit dem Lehrer vielleicht etwas besprechen, so ist dies eine reine Schutzbehauptung, da wohl kein Vernunft begabter Mensch mit Unbekannten grundlos eine Person aufsuchen würde, um dieser die Mitteilung zu überbringen, dass hier Menschen wären, die mit ihm sprechen wollten. Darauf hat bereits die belangte Behörde völlig zu Recht hingewiesen.

 

Da der Beschwerdeführer aber darüber hinaus nicht einmal imstande war, die näheren Abläufe präzise und widerspruchsfrei darzustellen, können seine Ausführungen nicht als glaubwürdig eingestuft werden.

 

So bezeichnete er etwa einmal als Tatort den Eingangsbereich des Colleges, ein anderes Mal betonte er, das College habe sich rund 45 Minuten vom Haus des späteren Opfers entfernt befunden und seien die Schüsse gefallen, als der Mann aus dem Haus herausgekommen sei.

 

Ebenso divergierend waren die Angaben im Zusammenhang mit dem konkreten "Auftrag". So hatte der Beschwerdeführer einmal angegeben, er habe den Auftrag gehabt, einen Mann abzuholen und zum College zu begleiten, wo dann die Schüsse gefallen seien. Später aber behauptete er in Abweichung davon, die "Auftraggeber" seien mit ihm gemeinsam zum Haus des Opfers gegangen und habe er den Auftrag gehabt, dem Mann mitzuteilen, er solle heraus kommen, damit ihm die Burschen eine Nachricht überbringen könnten. Dann seien die Schüsse gefallen.

 

Dass sich der Beschwerdeführer somit in den Kernsachverhaltselementen dermaßen gravierend widersprach, bestätigt somit den von der belangten Behörde gezogenen Schluss, dass er die Unwahrheit gesagt hat. Dass die behaupteten Folgen einer Inhaftierung und der völlig unplausibel erscheinenden "Befreiungsaktion" durch einen Polizisten somit ebenso als unglaubwürdig zu qualifizieren sind, ist die logische Konsequenz oben dargelegter Beurteilung.

 

Im Beschwerdeschriftsatz ist der Genannte, vertreten durch eine Hilfsorganisation, dieser Annahme nicht entgegen getreten, sondern hat lediglich allgemeine Berichte über Nigeria zitiert, ohne in einem einzigen Satz einen konkreten Bezug dieser Feststellungen zu seinem Vorbringen herzustellen. Wenn er etwa pauschal vermeint, die belangte Behörde habe es verabsäumt, Feststellungen zur als besonders gefährlich einzustufenden Region von Delta State zu treffen, so ist auch für den Asylgerichtshof in Würdigung des geschilderten Sachverhaltes nicht erkennbar, worin der Sinn solcher Feststellungen in Bezug auf das Vorbringen des Beschwerdeführers bestehen sollte oder inwieweit sie (abändernden) Einfluss auf die Entscheidung haben sollten. Völlig zusammenhanglos finden sich im Beschwerdeschriftsatz abschließend Textpassagen eines Interviews mit Prof. N. zum Fall des gambischen Staatsangehörigen B. J., der in Österreich von Polizeibeamten misshandelt wurde.

 

Insgesamt vermag der Asylgerichtshof aus dem Beschwerdeschriftsatz nichts herauszulesen, was eine ergänzende Befragung des Beschwerdeführers im Rahmen einer mündlichen Verhandlung angezeigt erscheinen ließe.

 

Die Voraussetzungen für eine Asylgewährung sind im Fall des Beschwerdeführers somit aufgrund der festgestellten Unglaubwürdigkeit von dessen Angaben als nicht erfüllt anzusehen.

 

II.3. 12. Zu Spruchpunkt II

 

Gemäß § 8 Abs.1 AsylG ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, wenn er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung oder Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Der Asylgerichtshof hat somit zu klären, ob im Falle der Verbringung des Berufungswerbers in sein Heimatland Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 (Verbot der Folter) oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtssprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen Bedrohung der relevanten Rechtsgüter, hinsichtlich derer der Staat nicht willens oder nicht in der Lage ist, Schutz zu bieten, glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, 95/18/1291; 17.7.1997, 97/18/0336).

 

Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind, und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.9.1993, 93/18/0214).

 

Im Sinne der Judikatur des EGMR und des darauf in seiner Rechtssprechung Bezug nehmenden VwGH - vgl. etwa VwGH vom 23.9.2004, Zl. 2004/21/0134 mit weiteren Nachweisen - hat die entsprechende Prüfung von Refoulementschutz dahin gehend zu erfolgen, ob im Herkunftsstaat des Antragstellers eine derart extreme Gefahrenlage herrscht, dass praktisch jedem, der in diesen Staat abgeschoben wird, Gefahr für Leib und Leben in einem Maße droht, dass die Abschiebung im Lichte des Art. 3 EMRK unzulässig erschiene.

 

Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den der Fremde abgeschoben werden soll, genügt nach der ständigen Rechtssprechung des VwGH (vgl. E vom 1.7.1999, Zl. 97/21/0804, E. vom 9.5.2003, Zl. 1998/18/0317), nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde.

 

Im Fall des Beschwerdeführers konnten keine derart exzeptionellen Umstände festgestellt werden, die der Gefahr der Verletzung des Art. 3 EMRK gleichzuhalten wären. Auf die zutreffenden Ausführungen in der Begründung des bekämpften Bescheides wird verwiesen.

 

Der Beschwerdeführer selbst hat auch von sich aus während des gesamten Verfahrens keine Angaben getätigt, die einen Hinweis auf eine solche Verletzung geben würden.

 

Im Lichte der angenommenen Unglaubwürdigkeit seiner Ausführungen (siehe die diesbezügliche Begründung unter Spruchpunkt I) ist auf die Situation in nigerianischen Gefängnissen unter dem Aspekt einer Verletzung des Art. 3 EMRK nicht näher einzugehen.

 

II.3.13. Zu Spruchpunkt III

 

Gemäß §10 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.

 

Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 sind Ausweisungen unzulässig, wenn dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden.

 

Im konkreten Fall kommt dem Beschwerdeführer weder ein solches Aufenthaltsrecht zu noch konnte festgestellt werden, dass der Genannte im Fall seiner Ausweisung in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Privat- und Familienleben verletzt würde.

 

In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu beachten, dass der Beschwerdeführer erst seit Februar 2007 in Österreich aufhältig ist und während Aufenthalts in Österreich keine Verfestigungs - oder Integrationstatbestände verwirklicht wurden. Solche wurden auch vom Beschwerdeführer selbst nicht behauptet. Vielmehr befand sich der Genannte während seines Aufenthalts bereits wegen Verdachts des Verstoßes gegen das Suchtmittelgesetz in Untersuchungshaft.

 

Ein in Österreich bestehendes Familienleben konnte vom Asylgerichtshof weder festgestellt werden noch wurde das Bestehen eines solchen vom Beschwerdeführer selbst im Beschwerdeschriftsatz behauptet.

 

Die Ausweisungsentscheidung der belangten Behörde steht somit im Einklang mit den gesetzlichen Voraussetzungen und war daher zu bestätigen.

Schlagworte
Ausweisung, Glaubwürdigkeit, non refoulement, Straftatbestand
Zuletzt aktualisiert am
31.12.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten