GZ: S4 401.060-1/2008/3E 19.8.2008
Erkenntnis
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Huber als Einzelrichter über die Beschwerde der A.R., geb. 00.00.1992 alias 00.00.1991 alias 1988, StA. von Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 25.7.2008, Zahl: 08 04.944, gem. § 66 Abs. 4 AVG iVm § 61 Abs. 3 Z 1 lit b des Asylgesetzes 2005 idgF (AsylG) zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 41 Abs. 3 AsylG stattgegeben, der Asylantrag zugelassen und der bekämpfte Bescheid behoben.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Der Asylwerber ist Staatsangehöriger von Afghanistan und eigenen Angaben zufolge über den Iran, die Türkei, Griechenland und Italien kommend ins Bundesgebiet eingereist. Einen Eurodac-Treffer hinsichtlich seines Aufenthaltes in Griechenland gibt es nicht. Am 5.6.2008 stellte er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.
Mit E-mail vom 13.6.2008 ersuchte Österreich Griechenland um Aufnahme des Asylwerbers (vgl. Aktenseite 7 des Dublin-Aktes). Griechenland erstattete in der Folge keine (fristgerechte) Antwort und akzeptierte sohin die Aufnahme des Asylwerbers gem. Art. 18 Abs. 7 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II).
Anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahmen vor der BPD Wien am 5.6.2008 und dem Bundesasylamt am 11.6.2008 erklärte der Antragsteller bezüglich seines Alters divergierend, dass er am 00.00.1991 (AS 11, 17, 25 und 69), am 00.00.1991 (AS 21) bzw. am 00.00.1992 (AS 69) geboren worden sei. Weiters erklärte er am 11.6.2008, dass er (nun) 20 Jahre alt sei (AS 71). Hinsichtlich seines Reiseverlaufes behauptete der Asylwerber einerseits, dass er im Alter von 15 Jahren aus Afghanistan ausgereist sei, dies sei im Jahr 1990 oder 2000 gewesen (vgl. AS 71), andererseits jedoch, dass seine Ausreise vor etwa 2 Jahren erfolgt sei (AS 27).
Das Bundesasylamt ging in der Folge von der Volljährigkeit des Asylwerbers aus.
Der Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 25.7.2008, Zahl: 08 04.944, gem. § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und der Antragsteller gem. § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Griechenland ausgewiesen.
Gegen diesen Bescheid hat die Asylwerberin fristgerecht Beschwerde erhoben.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
Mit 1.7.2008 ist das Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) in Kraft getreten.
Mit 1.1.2006 ist das Asylgesetz 2005 (AsylG) in Kraft getreten.
§ 61 AsylG 2005 lautet wie folgt:
(1) Der Asylgerichtshof entscheidet in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über
Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und
Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.
(2) Beschwerden gemäß Abs. 1 Z 2 sind beim Asylgerichtshof einzubringen. Im Fall der Verletzung der Entscheidungspflicht geht die Entscheidung auf den Asylgerichtshof über. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden des Bundesasylamtes zurückzuführen ist.
(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen
1. zurückweisende Bescheide
a) wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4;
b) wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5
c) wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG, und
2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung
(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.
Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Dublin - Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist.
Gemäß § 5 Abs. 2 AsylG ist auch nach Abs. 1 vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.
Gemäß § 5 Abs. 3 AsylG ist, sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesasylamt oder beim Asylgerichtshof offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.
Gemäß § 41 (3) AsylG ist in einem Verfahren über eine Berufung gegen eine zurückweisende Entscheidung und die damit verbundene Ausweisung § 66 Abs. 2 AVG nicht anzuwenden. Ist der Berufung gegen die Entscheidung des Bundesasylamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben, ist das Verfahren zugelassen. Der Berufung gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.
Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) lautet wie folgt:
(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.
(2) Bei der Bestimmung des nach diesen Kriterien zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Asylbewerber seinen Antrag zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.
Art. 6 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) lautet wie folgt:
Handelt es sich bei dem Asylbewerber um einen unbegleiteten Minderjährigen, so ist der Mitgliedstaat, in dem sich ein Angehöriger seiner Familie rechtmäßig aufhält, für die Prüfung seines Antrags zuständig, sofern dies im Interesse des Minderjährigen liegt. Ist kein Familienangehöriger anwesend, so ist der Mitgliedstaat, in dem der Minderjährige seinen Asylantrag gestellt hat, zuständig.
Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) lautet wie folgt:
(1) Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 18 Absatz 3 genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach Kapitel III der Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 festgestellt, dass ein Asylbewerber aus einem Drittstaat kommend die Land-, See-, oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts.
Das Bundesasylamt hat die Zuständigkeit Griechenlands zur Prüfung des Asylantrages damit begründet, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 10 Abs. 1 Dublin II erfüllt seien. Damit geht das Bundesasylamt implizit davon aus, dass der Asylwerber, der erstmals in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, jedenfalls kein Minderjähriger ist, da diesfalls gem. Art 5 Abs. 1 leg.cit, die dem Art. 10 leg.cit vorangehenden Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates Anwendung zu finden hätten, in casu insbesondere Art. 6 letzter Satz.
Die Annahme des Bundesasylamtes, dass es sich beim Antragsteller um eine volljährige Person handelt, lässt sich aus dem Akteninhalt jedoch nicht schlüssig begründen:
Seine eigenen direkten Angaben zum Geburtsdatum (1991 bzw. 1992) sind widersprüchlich, deuten aber auf jedenfalls auf Minderjährigkeit hin. Auch die Behauptung, dass er im Alter von 15 Jahren seine Reise aus Afghanistan nach Österreich begonnen habe und dies vor 2 Jahren gewesen sei, indiziert seine Minderjährigkeit. Allein seine Aussage, dass er nun 20 Jahre alt sei, lässt den Antragsteller volljährig erscheinen, diese Aussage wurde jedoch im Zuge von mehreren Aussagen, wie etwa, dass er im Jahr 1990 oder im Jahr 2000 (10 Jahre Differenz!) 15 Jahre alt gewesen sei, getätigt. Aufgrund dieser ernormen Divergenz, wann er 15 Jahre alt gewesen sein will, erscheint klar, dass nicht auf die Richtigkeit seiner damaligen Angaben vertraut werden kann. Dies gilt notwendigerweise auch für die weitere in diesem Kontext getätigte Aussage, dass er nun 20 Jahre alt sei; - warum gerade diese Altersangabe zutreffend sein sollte, erscheint angesichts der zuvor getätigten Aussagen unerfindlich und ist nicht schlüssig begründbar.
Ausgehend von seinen Einvernahmen kann bei einer Gesamtbetrachtung aller unterschiedlichen Angaben des Asylwerbers zu seinem Alter somit nicht erkannt werden, ob und diesfalls welche Aussage mit der Wirklichkeit übereinstimmt.
Die vom Bundesasylamt getroffene Feststellung des Geburtsdatums des Asylwerbers mit dem Jahr 1988 - woraus sich dessen Volljährigkeit ergebe - lässt sich weiters auch nicht aufgrund seines (bzw. im Zusammenhalt mit seinem) äußeren Erscheinungsbild(es) treffen:
Zur Problematik der "Alterseinschätzung" vertritt der VwGH (zuletzt umfassend dargestellt in seinem Erkenntnis vom 16.4.2007, 2005/01/0463) die Ansicht, dass die Alterseinschätzung eines Asylwerbers in der Regel medizinisches Fachwissen voraussetzt, das durch bloßen "Umgang" mit Asylwerbern - im Rahmen von Einvernahmen oder Verhandlungen - nicht erlangt werden kann.
Dass der einvernehmende Referent des Bundesasylamtes im vorliegenden Fall über ein medizinisches Fachwissen zur Altersfeststellung verfügt hätte, ist dem Akteninhalt nicht zu entnehmen.
Es können somit ohne weitergehende Ermittlungen keine schlüssig begründeten Feststellungen zum tatsächlichen Alter des Asylwerbers getroffen werden. Die Feststellung, ob es sich beim Antragsteller um eine (unbegleitete) minderjährige Person handelt (hinsichtlich derer Art. 6 letzter Satz der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates anwendbar wäre) oder aber um eine volljährige Person (hinsichtlich derer Art. 10 Abs. 1 leg.cit. zur Anwendung käme) ist zur Lösung der Rechtsfrage, welcher Mitgliedstaat der Dublin II-VO zur Prüfung seines Asylantrages zuständig ist, unabdingbar.
Der vorliegende Sachverhalt ist somit so mangelhaft, dass weitere Ermittlungen zum Alter des Antragstellers und folglich im Sinne des § 41 (3) AsylG die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheinen, sodass der Berufung gegen die erstinstanzliche Entscheidung im Zulassungsverfahren stattzugeben ist.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.