TE AsylGH Erkenntnis 2008/08/19 S7 401018-1/2008

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.08.2008
beobachten
merken
Spruch

S7 401.018-1/2008/2E

 

S7 401.023-1/2008/2E

 

S7 401.017-1/2008/2E

 

S7 401.015-1/2008/2E

 

S7 401.014-1/2008/2E

 

S7 401.016-1/2008/2E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Lassmann als Einzelrichterin über die Beschwerden

 

1.) des H.W., 00.00.1963 geb., gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.07.2008, Zahl 08 02.301-EAST Ost,

 

2.) der S.A., 00.00.1969 geb., gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.07.2008, Zahl 08 02.302-EAST Ost,

 

3.) des mj. H.A., 00.00.1998 geb., vertreten durch die Kindesmutter S.A., gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.07.2008, Zahl 08 02.307-EAST Ost,

 

4.) des mj. H.T., 00.00.1996 geb., vertreten durch die Kindesmutter S.A., gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.07.2008, Zahl 08 02.306-EAST Ost,

 

5.) der mj. H.R., 00.00.2004 geb., vertreten durch die Kindesmutter S.A., gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.07.2008, Zahl 08 02.305-EAST Ost,

 

6.) des H.E., 00.00.1993 geb., vertreten durch die Kindesmutter S.A. gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.07.2008, Zahl 08 02.304-EAST Ost,

 

alle StA Russische Föderation, zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerden werden gemäß §§ 5 und 10 AsylG idF BGBL. I Nr 100/2005 als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

1. Der Verfahrensgang vor der erstinstanzlichen Behörde ergibt sich aus dem erstinstanzlichen Verwaltungsakt.

 

Die Beschwerdeführer H.W. und S.A., beide Staatsangehörige der Russischen Föderation, reisten nach eigenen Angaben gemeinsam mit ihren vier minderjährigen Kindern illegal über Brest nach Polen ein. Nach einem Aufenthalt in Polen bis 06.03.2008, reisten die sechs Beschwerdeführer mit Hilfe eines LKWs über unbekannte Länder weiter in das österreichische Bundesgebiet. Am 07.03.2008 stellten H.W. und S.A. und deren mj. Kinder, vertreten durch ihre Mutter, erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Als Fluchtgrund wurden seitens der Beschwerdeführer H.W. und S.A. die Probleme des H.W. in ihrer Heimat ins Treffen geführt. Dieser sei im Herbst 2006 von Maskierten von zu Hause mitgenommen und verhört worden. Man hätte ihn durch Zuhalten des Mundes ersticken wollen. Weiters sei er aufgrund einer Lähmung an der Hand verdächtigt worden, bei Kämpfen verletzt worden zu sein, seither traue sich H.W. nicht mehr, zu Hause zu schlafen. H.A. und die Kinder hätten keine eigenen Fluchtgründe, sie seien mit ihrem Gatten beziehungsweise Vater mitgekommen.

 

Nach Polen würden sie deshalb nicht wollen, da es dort für die Kinder keine Schule gäbe, außerdem hätte ein Sohn in Polen einen Arzt benötigt, es habe jedoch niemand die Rettung gerufen (Angaben des H.W., AS. 15 des erstinstanzlichen Aktes betreffend H.W.) bzw. habe man ihm keine Medikamente gegeben (Angaben der S.A., AS. 113 des erstinstanzlichen Aktes betreffend S.A.).

 

Das Bundesasylamt leitete daraufhin ein Konsultationsverfahren mit Polen ein und teilte dies den Beschwerdeführern am 12.03.2008 schriftlich mit, sohin innerhalb der 20-Tages Frist nach der Antragseinbringung.

 

Mit Erklärung vom 12.03.2008, beim Bundesasylamt eingelangt am 13.03.2008 erklärte sich Polen hinsichtlich H.W. gem. Art. 16 Abs. 1 lit. c der Dublin II-VO für zuständig.

 

Mit Verfristung vom 26.03.2008 wurde Polen gem. Art. 16 Abs. 1 lit. c iVm. Art. 20 Abs. 1 lit. c der Dublin II-VO für die Asylanträge von S.A., H.A., H.T., H.R. und H.E., zuständig. Weiters langte noch am 31.03.2008, wenn auch verspätet, die Zustimmung Polens als zuständiger Staat für die Verfahren betreffend S.A., H.A., H.T., H.R. und H.E. ein.

 

Jeweils mit Bescheid vom 29.07.2008, Zahl: 08 02.301-EAST Ost, betreffend H.W., Zahl: 08 02.302-EAST Ost, betreffend S.A., Zahl: 08 02.307-EAST Ost, betreffend H.A., Zahl: 08 02.306-EAST Ost, betreffend H.T., Zahl: 08 02.305-EAST Ost, betreffend H.R., Zahl: 08 02.304-EAST Ost, betreffend H.E., wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz gem. § 5 Abs. 1 AsylG ohne in die Sache einzutreten als unzulässig zurückgewiesen und wurde Polen betreffend H.W. gem. Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003, betreffend S.A., H.A., H.T., H.R. und H.E., gem. Art. 16 Abs. 1 lit. c jeweils in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates für zuständig erklärt. Gleichzeitig wurden die Beschwerdeführer gem. § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen und ihre Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in letztgenannten Mitgliedstaat gem. § 10 Abs. 4 AsylG für zulässig erklärt.

 

Beweiswürdigend wurde in dem H.W. betreffenden Bescheid hervorgehoben, dass hinsichtlich des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers H.W. aus den eingeholten Sachverständigengutachten von Dr. H. deutlich hervorgehe, dass lediglich eine Anpassungsstörung vorliege, jedoch keine traumatypischen Symptome zu beobachten seien. Es ergäben sich keine Überstellungshindernisse aufgrund des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers. Weiters wurde darauf verwiesen, dass Asylwerber in Polen das Recht auf einen verpflichtenden Schulbesuch im Alter von 7 bis 18 Jahren haben und wurde das Vorbringen, wonach dem Sohn A. medizinische Hilfe verweigert worden wäre, als unsubstantiiert und den Feststellungen und dem Amtswissen widersprechend erachtet.

 

In den Bescheiden betreffend S.A. und die Kinder H.A., H.T., H.R. und H.E. wurde in der Beweiswürdigung vom Bundesasylamt angeführt, dass sich die Feststellungen zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführer aus den niederschriftlichen Angaben ihres gesetzlichen Vertreters ergäben und seien im Verfahren keine einer Überstellung entgegenstehenden gesundheitlichen Probleme betreffend die Beschwerdeführer hervorgekommen.

 

Auch wird darauf verwiesen, dass das Vorbringen, dass den Kindern der Schulbesuch verweigert worden wäre, aufgrund des verpflichtenden Schulbesuches auch für Asylwerber in Polen eindeutig widerlegt sei.

 

II. Der Asylgerichtshof hat durch die zuständige Richterin über die gegenständliche Beschwerde wie folgt erwogen:

 

Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt.

 

2. Rechtlich ergibt sich Folgendes:

 

Mit Datum 01.01.2006 ist das neue Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (Asylgesetz in der Fassung BGBl. I Nr. 100/2005) und ist somit auf alle ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den Vorliegenden anzuwenden.

 

2.1. Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gem. § 4 AsylG erledigter Asylantrag als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der VO-Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom 18.02.2003 zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Asylbehörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist die Zurückweisung eines Antrages nach Maßgabe des § 10 Abs. 3 und Abs. 4 AsylG mit einer Ausweisung zu verbinden. Die Dublin II-VO ist eine Verordnung des Gemeinschaftsrechtes im Anwendungsbereich der ersten Säule der Europäischen Union (vgl. Art. 63 EGV), die Regelungen über die Zuständigkeit zur Prüfung von Asylanträgen von Drittstaatsangehörigen trifft. Sie gilt also nicht für mögliche Asylanträge von EU-Bürgern, ebenso wenig ist sie auf Personen anwendbar, denen bereits der Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde. Das wesentliche Grundprinzip ist jenes, dass den Drittstaatsangehörigen in einem der Mitgliedstaaten das Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Asylverfahren zukommt, wird doch nur ein Recht auf ein Verfahren in einem Mitgliedstaat, dessen Zuständigkeit sich primär nicht aufgrund des Wunsches des Asylwerbers, sondern aufgrund der in der Verordnung festgesetzten hierarchisch zugeordneten Zuständigkeitskriterien ergibt.

 

2.1.1. Es ist daher zunächst zu überprüfen, welcher Mitgliedstaat nach den hierarchisch aufgebauten (Art. 5 Abs. 1 Dublin II-VO), Kriterien der Art. 6 bis 12 bzw. 14 und 15 Dublin II-VO, bzw. dem Auffangtatbestand des Art. 13 Dublin II-VO zur inhaltlichen Prüfung zuständig ist.

 

2.1.1.1. Im vorliegenden Fall hat das Bundesasylamt das Konsultationsverfahren mit Polen aufgrund der plausiblen Angaben der Beschwerdeführer zu ihrem Reiseweg eingeleitet. Aufgrund der Eurodac-Treffer und der Mitteilungen der polnischen Behörden vom 12.03.2008 bzw. vom 31.03.2008 ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführer über Polen in die Europäische Union einreisten und dort um Asyl ansuchten.

 

In den Art. 5 ff der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates werden die Kriterien aufgezählt, nach denen der zuständige Mitgliedstaat bestimmt wird.

 

Gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates ist der Mitgliedstaat, der nach der vorliegenden Verordnung zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist, gehalten, einen Drittstaatsangehörigen, dessen Antrag sich noch im Prüfungsstadium befindet, und der sich unerlaubt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates aufhält, nach Maßgabe des Art. 20 wiederaufzunehmen.

 

Artikel 20 Abs. 1 der Dublin II-VO regelt die Modalitäten, nach denen ein Asylwerber gem. Art. 4 Abs. 5 und Art. 16 Abs. 1 c, d, und e wiederaufgenommen wird. Gemäß Art. 20 Abs. 1 lit. b) muss der Mitgliedstaat, der um Wiederaufnahme des Asylwerbers ersucht wird, die erforderlichen Überprüfungen vornehmen und den Antrag so rasch wie möglich und unter keinen Umständen später als einen Monat, nachdem er damit befasst wurde, beantworten. Stützt sich der Antrag auf Angaben aus dem Eurodac-System, verkürzt sich diese Frist auf zwei Wochen ;

 

Gemäß lit. c) leg.cit. wird davon ausgegangen, dass dann, wenn der ersuchte Mitgliedstaat innerhalb der Frist von einem Monat bzw. der Frist von zwei Wochen gem. b) keine Antwort erteilt, er die Wiederaufnahme des Asylwerbers akzeptiert.

 

Im vorliegenden Fall wurde die Erklärung Polens hinsichtlich H.W. fristgerecht abgegeben, hinsichtlich der restlichen Beschwerdeführer jedoch verspätet, sodass diesbezüglich die Zustimmungsfiktion des Art. 20 Abs. 1 lit. c) zum Tragen kommt.

 

Dem Bundesasylamt ist darin beizupflichten, dass die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz gem. § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückzuweisen sind.

 

2.1.2. Das Bundesasylamt hat ferner von der Möglichkeit der Aufhebung des Selbsteintrittsrechtes nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO keinen Gebrauch gemacht. Es war daher noch zu prüfen, ob von diesem Selbsteintrittsrecht im gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung der EMRK zwingend Gebrauch zu machen gewesen wäre.

 

Der VfGH hat mit Erkenntnis vom 17.06.2005, Zl. B 336/05-11 festgehalten, die Mitgliedstaaten hätten kraft Gemeinschaftsrecht nicht nachzuprüfen, ob ein anderer Mitgliedstaat generell sicher sei, da eine entsprechende normative Vergewisserung durch die Verabschiedung der Dublin II VO erfolgt sei, dabei aber gleichzeitig ebenso ausgeführt, dass eine Nachprüfung der grundrechtlichen Auswirkungen einer Überstellung im Einzelfall gemeinschaftsrechtlich zulässig und bejahendenfalls das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs 2 Dublin II VO zwingend geboten sei.

 

Die Judikatur des VwGH zu den Determinanten dieser Nachprüfung lehnt sich richtigerweise an die Rechtsprechung des EGMR an und lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigende notorische Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der EU in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, Zl. 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter auf den betreffenden Fremden bezogener Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall seiner Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 26.11.1999, Zl 96/21/0499, VwGH 09.05.2003, Zl. 98/18/0317; vgl auch VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059): "Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist." (VwGH 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949).

 

Die Vorlage allgemeiner Berichte ersetzt dieses Erfordernis in der Regel nicht (vgl VwGH 17.02.1998, Zl. 96/18/0379; EGMR Mamatkulov & Askarov v Türkei, Rs 46827, 46951/99, 71-77), eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle einer Überstellung ebenso eine allfällige Unterschreitung des verfahrensrechtlichen Standards des Art. 13 EMRK sind für sich genommen nicht ausreichend, die Wahrscheinlichkeit einer hier relevanten Menschenrechtsverletzung darzutun. Relevant wäre dagegen etwa das Vertreten von mit der GFK unvertretbaren rechtlichen Sonderpositionen in einem Mitgliedstaat oder das Vorliegen einer massiv rechtswidrigen Verfahrensgestaltung im individuellen Fall, wenn der Asylantrag im zuständigen Mitgliedstaat bereits abgewiesen wurde (Art. 16 Abs 1 lit. e Dublin II VO). Eine ausdrückliche Übernahmeerklärung des anderen Mitgliedstaates hat in die Abwägung einzufließen (VwGH 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582, VwGH 31.05.2005, Zl. 2005/20/0025, VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/19/0673), ebenso andere Zusicherungen der europäischen Partnerstaaten Österreichs (zur Bedeutung solcher Sachverhalte Filzwieser/Liebminger, Dublin II VO, K13. zu Art 19 Dublin II VO).

 

Weiterhin hatte der Asylgerichtshof folgende Umstände zu berücksichtigen:

 

Bei entsprechender Häufung von Fällen, in denen in Folge Ausübung des Selbsteintrittsrechts die gemeinschaftsrechtliche Zuständigkeit nicht effektuiert werden kann, kann eine Gefährdung des "effet utile" Grundsatzes des Gemeinschaftsrechts entstehen.

 

Zur effektiven Umsetzung des Gemeinschaftsrechts sind alle staatlichen Organe kraft Gemeinschaftsrechts verpflichtet.

 

Der Verordnungsgeber der Dublin II VO, offenbar im Glauben, dass sich alle Mitgliedstaaten untereinander als "sicher" ansehen können, wodurch auch eine Überstellung vom einen in den anderen Mitgliedstaat keine realen Risken von Menschenrechtsverletzungen bewirken könnte (vgl. insbesondere den 2. Erwägungsgrund der Präambel der Dublin II VO), hat keine eindeutigen verfahrens- oder materiellrechtlichen Vorgaben für solche Fälle getroffen hat, diesbezüglich lässt sich aber aus dem Gebot der menschenrechtskonformen Auslegung des Gemeinschaftsrechts und aus Beachtung der gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgrundrechte ableiten, dass bei ausnahmsweiser Verletzung der EMRK bei Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat eine Überstellung nicht stattfinden darf. Die Beachtung des Effizienzgebots (das etwa eine pauschale Anwendung des Selbsteintrittsrechts oder eine innerstaatliche Verfahrensgestaltung, die Verfahren nach der Dublin II VO umfangreicher gestaltet als materielle Verfahren verbietet)

 

und die Einhaltung der Gebote der EMRK stehen daher bei richtiger Anwendung nicht in Widerspruch (Filzwieser, migraLex, 1/2007, 18ff, Filzwieser/Liebminger, Dublin II VO², K8-K13. zu Art. 19).

 

Die allfällige Rechtswidrigkeit von Gemeinschaftsrecht kann nur von den zuständigen gemeinschaftsrechtlichen Organen, nicht aber von Organen der Mitgliedstaaten rechtsgültig festgestellt werden. Der EGMR hat jüngst festgestellt, dass der Rechtsschutz des Gemeinschaftsrechts regelmäßig den Anforderungen der EMRK entspricht (30.06.2005, Bosphorus Airlines v Irland, Rs 45036/98).

 

Es bedarf sohin europarechtlich eines im besonderen Maße substantiierten Vorbringens und des Vorliegens besonderer vom Antragsteller bescheinigter außergewöhnlicher Umstände, um die grundsätzliche europarechtlich gebotene Annahme der "Sicherheit" der Partnerstaaten der Europäischen Union als einer Gemeinschaft des Rechts im individuellen Fall erschüttern zu können. Diesem Grundsatz entspricht auch die durch das AsylG 2005 eingeführte gesetzliche Klarstellung des § 5 Abs 3 AsylG, die Elemente einer Beweislastumkehr enthält. Es trifft zwar ohne Zweifel zu, dass Asylwerber in ihrer besonderen Situation häufig keine Möglichkeit haben, Beweismittel vorzulegen (wobei dem durch das Institut des Rechtsberaters begegnet werden kann), und dies mitzubeachten ist (VwGH, 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949), dies kann aber nicht pauschal dazu führen, die vom Gesetzgeber - im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht - vorgenommene Wertung des § 5 Abs 3 AsylG überhaupt für unbeachtlich zu erklären (dementsprechend in ihrer Undifferenziertheit verfehlt, Feßl/Holzschuster, AsylG 2005, 225ff). Eine Rechtsprechung, die in Bezug auf Mitgliedstaaten der EU faktisch höhere Anforderungen entwickelte, als jene des EGMR in Bezug auf Drittstaaten wäre jedenfalls gemeinschaftsrechtswidrig.

 

2.1.2.1. Mögliche Verletzung des Art. 8 EMRK:

 

Der Beschwerdeführer H.W. gab bei seiner Erstbefragung an, in Österreich einen in Graz wohnhaften Cousin namens D.K. zu haben, der anerkannter Flüchtling sei. S.A. gab bei ihrer Erstbefragung an, in Österreich eine Nichte namens O.D., ca. 23 Jahre alt, wohnhaft in St. Pölten, zu haben, welche anerkannter Flüchtling sei. Beide Beschwerdeführer behaupteten jedoch, weder im erstinstanzlichen Verfahren, noch im Rechtsmittel, zu den genannten Personen enge familiäre Bindungen zu haben, mit diesen Personen in Kontakt zu stehen oder von ihnen in irgendeiner Weise wirtschaftlich oder finanziell abhängig zu sein.

 

Artikel 8 EMRK setzt das Bestehen einer Familie voraus und gelangt dann zur Anwendung, wenn im Zeitpunkt des Eingriffs ein reales Familienleben existiert. Das Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK reicht über den Kreis der Kernfamilie hinaus, und kann auch die Großfamilie einschließen, sofern die Beteiligten durch die Führung eines gemeinsamen Haushaltes, durch spezifische Abhängigkeitsverhältnisse oder durch andere tatsächlich gelebte Bande miteinander verbunden sind (vgl. EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458).

 

Auch zwischen Geschwistern, Onkeln/Tanten und Nichten/Neffen kann ein Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK vorliegen. In diesen Fällen muss allerdings auf das Bestehen eines tatsächlichen und hinreichend intensiven Familienlebens abgestellt werden. Ob das Familienleben tatsächlich besteht und hinreichend intensiv ist, wird vom EGMR anhand folgender Kriterien beurteilt:

 

Zusammenleben der betroffenen Personen,

 

und/oder Bestehen einer finanziellen oder sonstigen Abhängigkeit.

 

Im vorliegenden Fall kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Beschwerdeführer in Österreich Angehörige haben, zu denen ein Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK besteht.

 

2.1.2.2. Kritik am polnischen Asylwesen, mögliche Verletzung des Art. 3 EMRK:

 

Hiezu ist einleitend festzuhalten, dass die seinerzeitige Judikatur zu § 4 AsylG 1997 vor dem Beitritt einiger Nachbarstaaten Österreichs zur Europäischen Union am 01.05.2004 nicht mehr unmittelbar relevant ist (zuletzt VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/19/0673). Im Sinne der im Erkenntnis des VwGH vom 31.05.2005, Zl. 2005/20/0095, für Fälle des Art. 16 Abs. 1 lit. e VO-Nr. 343/2003 herausgearbeiteten Anforderungen ist klarzustellen, dass vom Beschwerdeführer im Verfahren keine konkreten Anhaltspunkte in Bezug auf die inhaltliche Bedenklichkeit eines in Polen zu führenden Asylverfahrens dargetan wurden.

 

Relevant wären im vorliegenden Zusammenhang schon bei einer Grobprüfung erkennbare grundsätzliche schwerwiegende Defizite im Asylverfahren des zuständigen Mitgliedstaates (also etwa:

grundsätzliche Ablehnung aller Asylanträge oder solcher bestimmter Staatsangehöriger oder Angehöriger bestimmter Ethnien; kein Schutz vor Verfolgung "Dritter", kein Rechtsmittelverfahren). Solche Mängel (die bei einem Mitgliedstaat der Europäischen Union nicht vorausgesetzt werden können, sondern zunächst einmal mit einer aktuellen individualisierten Darlegung des Antragstellers plausibel zu machen sind, dies im Sinne der Regelung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005), sind schon auf Basis der erstinstanzlichen Feststellungen nicht erkennbar und auch in der Beschwerde nicht substantiiert vorgebracht worden.

 

Im konkreten Fall läuft das Vorbringen des Beschwerdeführers darauf hinaus, dass von vorne herein und ohne jegliche konkrete Belege (die im Lichte des § 5 Abs. 3 AsylG und der zum Zeitpunkt des EU-Beitrittes erfolgten normativen Vergewisserung über die "Sicherheit" der neubeitretenden Mitgliedstaaten - wenn sie nicht notorisch sind - aber vom Asylwerber vorzulegen sind, und diesfalls nicht eine explorative Erhebungsverpflichtung der Asylbehörden im Sinne eines Erkundungsbeweises besteht), aus der aktuellen Asylpraxis in Polen vorweisen zu können, die Annahme gerechtfertigt wäre, dass alle Asylverfahren in Polen die europäischen Menschenrechtsstandards qualifiziert unterschreiten. Wäre dies aber der Fall, wären die gemeinschaftsrechtlich zuständigen europäischen Organe verpflichtet, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen einzuleiten, da Polen so nicht Mitglied der EU, als auch einer dem Menschenrechtsschutz verpflichteten Europäischen Wertgemeinschaft sein dürfte. Für eine derartige Sichtweise bestehen aus Sicht des Asylgerichtshofes aber keine Anhaltspunkte.

 

Erwähnenswert ist, dass die in der Beschwerde angeführten Berichte zum Aufenthaltsstatus und dem Asylverfahrensablauf in Polen teilweise bereits als veraltet anzusehen sind und eine Einschätzung der aktuellen Lage nicht vermögen.

 

Hingegen ergibt sich aus den weitaus zeitgemäßeren Feststellungen der Erstbehörde, dass selbst Ausländer mit "bloß" bewilligtem, toleriertem Aufenthalt, Familienleistungen wie Familienbeihilfen und Familienbeihilfezuschläge, einmaliges Mutterschaftsgeld oder Betreuungsleistungen, Pflegegeld und Pflegeleistungen beanspruchen können. Das polnische Fremden- und Asylrecht sieht neben der Asylgewährung auch die Zuerkennung eines "tolerated stay" vor, dies für den Fall, dass im Falle der Rückschiebung eine Verletzung der Art. 2, 3 und 5 EMRK drohen würde. Im Bereich der Bildung hat der Ausländer mit bewilligtem tolerierten Aufenthalt nach denselben Regeln wie der polnische Staatsbürger das Recht auf kostenlosen Schulunterricht in den öffentlichen Grundschulen, Gymnasien und Oberschulen, als auch in den öffentlichen Kunstschulen und öffentlichen Anstalten für Lehrausbildung. Die Ausländer mit bewilligtem, toleriertem Aufenthalt haben dieselben Berechtigungen im Bereich des Zugangs zum Arbeitsmarkt und zu den Gesundheitsleistungen wie die anerkannten Flüchtlinge. Sie haben unbegrenzten Zugang zum Arbeitsmarkt und werden in den Fragen der Arbeitsaufnahme und der Abwicklung der Zivilrechtsverträge in der Regel so wie die polnischen Staatsbürger behandelt. Auch eine wirtschaftliche Betätigung dürfen sie nach denselben Regeln wie polnische Staatsangehörige aufnehmen. Weiters sind Ausländer mit bewilligtem toleriertem Aufenthalt schutzberechtigt im Falle der Arbeitslosigkeit.

 

Dass die meisten tschetschenischen Asylwerber nicht als Flüchtlinge anerkannt werden, sondern eine "Duldung" erhalten, zeigt kein reales Risiko einer Art. 3 EMRK-Verletzung auf. Mit 29.04.2004 wurde die "Richtlinie über die Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (2004/83/EG) erlassen. Seitens der Europäischen Kommission sind keine rechtlichen Schritte gesetzt worden, wonach Polen die diesbezüglichen Bestimmungen nicht umgesetzt hätte. Dies betrifft auch die Aufnahmerichtlinie 2003/9/EG.

 

2.1.2.3. Medizinische Aspekte:

 

Unbestritten ist, dass nach der allgemeinen Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK und Krankheiten, die auch im vorliegenden Fall maßgeblich ist, eine Überstellung nach Polen nicht zulässig wäre, wenn dort wegen fehlender Behandlung schwerer Krankheiten eine existenzbedrohende Situation drohen und diesfalls das Selbsteintrittsrecht der Dublin II VO zwingend auszuüben wäre.

 

In diesem Zusammenhang ist vorerst auf die jüngste diesbezügliche Rechtsprechung des EGMR zur Frage einer ausreichenden medizinischen Behandlung in Zusammenhang mit Art. 3 EMRK zu verweisen:

 

GONCHAROVA & ALEKSEYTSEV gg. Schweden, 03.05.2007, Rs 31246/06

 

AYEGH gg. Schweden, 07.11.2006, Rs 4701/05

 

PARAMASOTHY gg. NIEDERLANDE, 10.11.2005, Rs 14492/03

 

RAMADAN & AHJREDINI gg. Niederlande, 10.11.2005, Rs 35989/03

 

HUKIC gg. Schweden, 27.09.2005, Rs 17416/05

 

OVDIENKO gg. Finnland, 31.05.2005, Rs 1383/04

 

AMEGNIGAN gg. Niederlande, 25.11.2004, Rs 25629/04

 

NDANGOYA gg. Schweden, 22.06.2004, Rs 17868/03

 

Aus dieser Rechtsprechung ergeben sich folgende Judikaturlinien:

 

Der Umstand, dass die medizinischen Behandlungsmöglichkeiten im Zielland schlechter sind als im Aufenthaltsland, und allfälligerweise "erhebliche Kosten" verursachen, ist nicht ausschlaggebend. In der Entscheidung HUKIC gg. Schweden, 27.09.2005, Rs 17416/05 wurde die Abschiebung des am Down-Syndrom leidenden Beschwerdeführers nach Bosnien-Herzegowina für zulässig erklärt und wurde ausgeführt, dass die Möglichkeit der medizinischen Versorgung in Bosnien-Herzegowina gegeben sei. Dass die Behandlung in Bosnien-Herzegowina nicht den gleichen Standard wie in Schweden aufweise und unter Umständen auch kostenintensiver sei, sei nicht relevant. Notwendige Behandlungsmöglichkeiten wären gegeben und dies sei jedenfalls ausreichend. Im Übrigen hielt der Gerichtshof fest, dass ungeachtet der Ernsthaftigkeit eines Down-Syndroms, diese Erkrankung nicht mit den letzten Stadien einer tödlich verlaufenden Krankheit zu vergleichen sei.

 

Dass sich der Gesundheitszustand durch die Abschiebung verschlechtert ("mentaler Stress" ist nicht entscheidend), ist vom Antragsteller konkret nachzuweisen, bloße Spekulationen über die Möglichkeit sind nicht ausreichend. In der Beschwerdesache OVDIENKO gg. Finnland vom 31.05.2005, Nr. 1383/04, wurde die Abschiebung des Beschwerdeführers, der seit 2002 in psychiatrischer Behandlung war und der selbstmordgefährdet ist, für zulässig erklärt; mentaler Stress durch eine Abschiebungsdrohung in die Ukraine ist kein ausreichendes "real risk".

 

Auch Abschiebungen psychisch kranker Personen nach mehreren Jahren des Aufenthalts im Aufenthaltsstaat können in Einzelfällen aus öffentlichen Interessen zulässig sein (vgl. PARAMSOTHY gg. Niederlande, 10.11.2005, Rs 14492/05; mit diesem Judikat des EGMR wurde präzisiert, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach neunjährigem Aufenthalt in den Niederlanden, welcher unter posttraumatischem Stresssyndrom leidet und bereits einen Selbstmordversuch hinter sich hat, zulässig ist, da spezielle Programme für Behandlungen von traumatisierten Personen und verschiedene therapeutische Medizin in Sri Lanka verfügbar sind, auch wenn sie nicht den selben Standard haben sollten wie in den Niederlanden).[...]

 

In besonderem Maße instruktiv für die Frage, ob eine posttraumatische Belastungsstörung oder andere schwere psychische Erkrankungen einer Abschiebung in den Herkunftsstaat entgegenstehen, sind die beiden erst jüngst ergangenen Entscheidungen AYEGH gg. Schweden, 07.11.2006, Rs 4701/05 und GONCHAROVA & ALEKSEYTSEV gg. Schweden, 03.05.2007, Rs 31246/06.

 

Im ersteren Fall ging es um eine iranische Asylwerberin, bei der von zwei psychiatrischen Gutachtern unabhängig von einander schwere psychische Störungen in Gestalt von schweren Depressionen, akuten Selbstmordgedanken und ein multikausales Trauma infolge diverser Erlebnisse diagnostiziert worden war. Ein Gutachter war zu dem Ergebnis gekommen, dass für die Beschwerdeführerin im Falle einer Abschiebung in den Iran ein reales Risiko eines Selbstmordes bestand [...] Die gegen die Abschiebung der Beschwerdeführerin in deren Herkunftsstaat Iran erhobenen Beschwerde mit der Begründung eine solche verstoße infolge des schlechten Gesundheitszustandes der BW gegen Art. 3 EMRK, wies der EGMR ab [...]

 

Der Entscheidung GONCHAROVA & ALEKSEYTSEV gg. Schweden, 03.05.2007, Rs 31246/06 lag ua. der Fall zugrunde, dass der Zweitbeschwerdeführer - ein russischer Asylwerber, der drei(!) Selbstmordversuche begangen bzw. mehrere Aufenthalte in der Psychiatrie hinter sich hatte und dem von Gutachern einhellig ein schwere psychische Erkrankung ua. in Gestalt einer posttraumatischen Belastungsstörung sowie eine akute Selbstmordgefährdung bescheinigt worden war - seine Abschiebung nach Russland mit dem Hinweis auf seinen schlechten und infolge aktueller Suizidgefahr lebensbedrohlichen Gesundheitszustand in Beschwerde zog. Auch diese Beschwerde wies der EGMR mit einer über weite Strecken identen Begründung wie in der Entscheidung AYEGH gg. Schweden ab. [...]

 

Die dargestellten Entscheidungen zeigen deutlich, dass bei Vorliegen von Erkrankungen im Allgemeinen nur solche relevant sind, die bekanntermaßen zu einem lebensbedrohlichen Zustand führen und grundsätzlich keine Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bestehen (siehe dazu nunmehr auch VfGH vom 06.03.2008, Zl: B 2400/07-9).

 

Aus diesen Judikaturlinien des EGMR leitet sich der für das vorliegende Beschwerdeverfahren relevante Prüfungsmaßstab ab. Maßgebliche Kriterien für die Beurteilung der Art. 3 EMRK-Relevanz einer psychischen Erkrankung angesichts einer Abschiebung sind Aufenthalte in geschlossenen Psychiatrien infolge von Einweisungen oder auch Freiwilligkeit, die Häufigkeit, Regelmäßigkeit und Intensität der Inanspruchnahme medizinisch-psychiatrischer Leistungen, die Möglichkeit einer wenn auch gemessen am Aufenthaltsstaat schlechteren medizinischen Versorgung im Zielstaat sowie die vom Abschiebestaat gewährleisteten Garantien in Hinblick auf eine möglichst schonende Verbringung. Rechtfertigen diese Kriterien eine Abschiebung, hat eine denkmögliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes oder ungünstige Entwicklung des Gesundheitszustands außer Betracht zu bleiben, geschweige denn vermag die Verursachung von überstellungsbedingtem mentalen Stress eine Abschiebung unzulässig zu machen.

 

Im vorliegenden Fall konnte von den Beschwerdeführern keine schwere psychische Krankheit belegt werden, respektive die Notwendigkeit weiterer Erhebungen seitens des Asylgerichtshofes. Aus der Aktenlage sind keine Hinweise auf einen existenzbedrohenden Zustand ersichtlich.

 

Dem Bundesasylamt lagen vor Bescheiderlassung Sachverständigengutachten Dris. H. zur Person von H.W., S.A. und H.A. vor, aus welchen sich ergibt, dass bei den untersuchten Personen keine schweren psychischen Störungen vorliegen, welche einer Überstellung entgegenstünden und eine unzumutbare Verschlechterung des Gesundheitszustandes aus ärztlicher Sicht bewirken würden (siehe hiezu AS 73ff, AS 69ff, AS 39ff des jeweiligen erstinstanzlichen Aktes). In den erstinstanzlichen Akten erliegen zu H.W., S.A., H.A. und H.E. noch weitere ärztliche Berichte und Befunde, aber auch daraus ist aktuell keine schwere Krankheit oder psychische Störung bei einem der Beschwerdeführer abzuleiten, welche unter Heranziehung der oben angeführten Rechtsprechung des EGMR einer Überstellung der Beschwerdeführer nach Polen entgegenstehen würden.

 

Erwähnenswert sind jedoch die Feststellungen der Erstbehörde zur medizinischen Versorgung in Polen. Asylwerber haben in Polen Zugang zu medizinischer Versorgung aufgrund einer Vereinbarung zwischen dem Amt für Repatriierung und Fremde (polnische Asylbehörde) und dem Zentralklinikum des Innenministeriums in Warschau. Diese Versorgung umfasst neben allen medizinischen Anwendungen und Untersuchungen, unter anderem auch psychologische Hilfe, die ein Fremder in den Aufnahmezentren beanspruchen kann.

 

In Polen werden Asylwerber über das Zentralkrankenhaus des Ministeriums für Inneres und Administration den für sie zuständigen Krankenhäusern zugeteilt. In Fällen dringender Behandlung ist jedes Krankenhaus in Polen zuständig. Die medizinische Versorgung von Asylwerbern entspricht in Polen derjenigen von polnischen Staatsbürger/Innen.

 

2.1.2.4. Zusammenfassend sieht der Asylgerichtshof in Einklang mit der diesbezüglichen Sichtweise der Erstbehörde keinen Anlass, Österreich zwingend zur Anwendung des Art. 3 Abs. 2 Verordnung 343/2003, infolge drohender Verletzung von Art. 3 und Art. 8 EMRK zu verpflichten.

 

Die Beschwerdeführer konnten dieser Ansicht des Asylgerichtshofes jedenfalls nicht durch ihre pauschalen und unbelegten Ausführungen in der Beschwerde entgegentreten.

 

2.1.3. Spruchpunkt I der erstinstanzlichen Entscheidung war sohin bei Übernahme der Beweisergebnisse und rechtlichen Würdigung der Erstbehörde mit obiger näherer Begründung zu bestätigen.

 

2.2. Die Erwägungen der Erstbehörde zu Spruchpunkt II waren vollinhaltlich zu übernehmen. Auch im Beschwerdeverfahren sind keine Hinweise hervorgekommen, die eine Aussetzung der Überstellung nach Polen in Vollzug der Ausweisung aus Österreich erforderlich erschienen ließen. Diese erweist sich daher bezogen auf den Entscheidungszeitpunkt als zulässig.

 

2.3. Gemäß § 41 Abs 4 AsylG konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Eine gesonderte Erwägung bezüglich einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konnte angesichts des Spruchinhaltes entfallen.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Ausweisung, Familienverfahren, gesundheitliche Beeinträchtigung, medizinische Versorgung, real risk, Überstellungsrisiko (ab 08.04.2008), Volksgruppenzugehörigkeit
Zuletzt aktualisiert am
15.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten