TE AsylGH Erkenntnis 2008/08/19 S9 317899-3/2008

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Veröffentlicht am 19.08.2008
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Spruch

S9 317899-3/2008/4E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. DRAGONI als Einzelrichter über die Beschwerde des N.A., geb. 00.00.1986, StA. Russische Föderation, vertreten durch Rechtsanwältin Mag. Nadja LORENZ, 1070 Wien, Kirchengasse 19, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 02.07.2008, FZ. 08 04.849 EAST-Ost, zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 5, 10 AsylG 2005, BGBL. I Nr. 100/2005 als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

1. Der Beschwerdeführer stellte am 15.01.2008 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz, welcher am 07.02.2008 beim Bundesasylamt gemäß § 17 Abs. 2 AsylG eingebracht wurde.

 

Im Zuge der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 15.01.2008 gab der Beschwerdeführer an, er sei Anfang September 2007 mit der Bahn von U.M. legal nach Polen gereist und sei dort bis zum 14.01.2008 im Lager Belastok geblieben und dann illegal, versteckt auf einer Ladefläche eines LKWs nach Österreich gereist zu sein. Kurz vor Wien sei er ausgestiegen und dann mit dem Taxi nach Wien zur nächsten Polizeistation gefahren, um einen Asylantrag zu stellen.

 

Die Einreise in die EU sei Anfang September 2007 legal in Polen erfolgt. Dort seien im Asylverfahren noch keine Einvernahmen erfolgt, einen Bescheid habe er nicht erhalten. Er gab weiter an, nichts gegen Polen zu haben, es sei ihm von anderen Tschetschenen geraten worden Polen zu verlassen, Österreich wäre für ihn viel sicherer.

 

In seinem Heimatland befürchte er umgebracht zu werden, da er dort von unbekannten Leuten - nach seiner Rückkehr aus Russland - zuletzt Ende August 2007 geschlagen worden sei, weil sie Informationen über seine Schwester und deren Ehemann, welche bereits 2006 Tschetschenien verließen, hätten haben wollen und er die Zusammenarbeit mit diesen Leuten durch seine Flucht vereitelt habe. Er könne keine Angaben über diese Leute machen.

 

Laut EURODAC-Treffer stellte der Beschwerdeführer bereits am 06.09.2007 in Polen/Lublin einen diesbezüglichen Antrag.

 

Am 15.01.2008 richtete das Bundesasylamt hinsichtlich des Beschwerdeführers ein Aufnahmegesuch an die zuständige polnische Behörde

 

Am 17.01.2008 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass Konsultationen mit Polen geführt würden und beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen.

 

Anlässlich der ärztlichen Begutachtung im Zulassungsverfahren gemäß § 30 AsylG 2005 am 00.01.2008 legte der Beschwerdeführer einen Befund der Ambulanz des Klinikums B. vom 22.01.2008 vor, wonach beim Beschwerdeführer ein sichtbarer Leistenbruch ohne Inkarzerationstendenz diagnostiziert und ein Operationstermin für 00.00.2008 vereinbart wurde. Nach einer tel. Rücksprache mit dem gefertigten Arzt des Krankenhauses, OA Dr. B., am 11.02.2008 wäre unter Bedachtnahme auf die Diagnose eine Überstellung des Beschwerdeführers nach Polen möglich gewesen. Die Operation war demnach nicht dringlich, der Zeitpunkt der Operation auch nicht ausschlaggebend und hätte auch in Polen vorgenommen werden können.

 

Nach der gutachtlichen Stellungnahme im Zulassungsverfahren gemäß § 30 AsylG 2005 durch Dr. P. D., FA für Neurologie und Psychiatrie, vom 25.01.2008 lag beim Beschwerdeführer keine krankheitswertige psychische Störung vor. Dabei gab der Beschwerdeführer im Rahmen der Eigenanamnese ua. an, in Polen wäre eine Hepatitis C festgestellt worden, es bestehe ein Leistenbruch, wofür 2008 eine Operation vorgesehen sei und er werde derzeit nicht medikamentös behandelt.

 

Mit dem am 30.01.2008 beim Bundesasylamt eingelangten Schreiben teilte die polnische Behörde dem Bundesasylamt mit, dass dem Aufnahmegesuch gemäß Art. 16(1)c der Dublin II-Verordnung zugestimmt werde.

 

2. Mit angefochtenem Bescheid vom 12.02.2008 wies das Bundesasylamt den Asylantrag gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurück, stellte fest, dass für die Prüfung des Asylantrages gemäß Art. 13 iVm 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates Polen zuständig ist und wies den Beschwerdeführer zugleich gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen aus. Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Polen wurde gemäß § 10 Abs. 4 AsylG 2005 für zulässig erklärt.

 

3. Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer fristgerecht berufen. Die Berufung enthielt im Wesentlichen Folgendes:

 

Der Beschwerdeführer sei im September 2007 nach Polen geflüchtet, da er in Tschetschenien wiederholt von russischen und tschetschenischen Einheiten festgenommen und misshandelt worden sei. In Polen habe er gehört, dass in den Lagern Kadirov-Leute wären und sei von Personen, welche sich als solche ehemalige Mitarbeiter ausgegeben hätten, bedrängt worden, weshalb er aus Furcht vor weiteren Schritten gegen ihn nach Österreich geflüchtet sei.

 

Ein weiterer Grund warum er Polen verlassen habe, sei, dass er krank sei und medizinischer Versorgung bedürfe. Bei ihm bestehe ein Leistenbruch und obwohl bei der Untersuchung keine Inkarzerationstendez bestanden habe, sei eine baldige Operation notwendig, da die Gefahr einer Einklemmung bestehe, welche unweigerlich zu einer lebensgefährlichen Situation führe. Er habe sich wegen dieser Operation bereits in Polen erkundigt, es sei ihm jedoch mitgeteilt worden, er sei nicht ausreichend versichert. Zur wiedergegebenen medizinischen Beurteilung von OA Dr. B., dass die Operation auch in Polen erfolgen könne, wird vorgebracht, die Behörde wäre verpflichtet gewesen festzustellen, ob und wann der Beschwerdeführer genau diese Operation erhalten könne und ob dieser Termin auch aus medizinischer Sicht rechtzeitig wäre.

 

Ferner leide er an Hepatitis C und es sei auch diesbezüglich nicht überprüft worden, ob und in welchem Ausmaß in Polen hiefür eine medizinische Versorgung gewährleistet ist. Er befürchte, diese sehr kostenaufwändige Therapie stehe für Asylwerber in Polen nicht zur Verfügung. Zutreffend sei, dass er in Polen diesbezüglich untersucht worden sei, was aber nicht bedeute, dass er auch eine entsprechende Therapie als Asylwerber erhalten werde.

 

Seine Abschiebung nach Polen stelle das reale Risiko einer unmenschlichen Behandlung dar, und wäre daher unzulässig, weshalb der Berufung die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen sei.

 

4. Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 03.03.2008, GZ. 317.899-1/2E-XI/34/08, wurde die Berufung gemäß §§ 5 und 10 AsylG 2005 abgewiesen, weil der Beschwerdeführer - unter keiner Erkrankung leide, die einer Überstellung nach Polen entgegengestanden oder in Polen nicht behandelbar wäre oder der Beschwerdeführer in Polen in eine existenzbedrohende Situtation geraten würde und der Beschwerdeführer über kein gemäß Art. 8 EMRK relevantes Familienleben in Österreich verfügt.

 

Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 08.03.2008 zugestellt.

 

5. Am 10.03.2008 stellte der Beschwerdeführer - noch während der Schubhaft - den zweiten Asylantrag, welcher am 20.03.2008 gemäß § 17 Abs. 2 AsylG 2005 eingebracht wurde.

 

Im Zuge der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 10.03.2008 gab der Beschwerdeführer an, er stelle den (zweiten) Asylantrag, weil er sich in Österreich sicherer fühle, sein Leben sei hier nicht in Gefahr. Auch sei hier festgestellt worden, dass er an Hepatitis C leide und hier könne er richtig behandelt werden, nicht aber in Polen. Obwohl dort ein Test gemacht worden sei, hätte nicht sicher gesagt werden können, ob er krank sei. Er wolle nicht nach Polen aus Angst um sein Leben, dort bekomme er nicht die richtige Behandlung. Seine Eltern seien bereits verstorben, den Aufenthalt seines Bruders und seiner beiden Schwestern in Russland würde er nicht (genau) kennen. Zwei seiner Onkel wären in Österreich asylberechtigt und zwei Cousins wären Asylwerber in Österreich. Seit seiner ersten Antragstellung habe er Österreich nicht verlassen.

 

Anlässlich seiner Einvernahme im Fremdenpolizeilichen Büro am 10.03.2008 gab er an, mit der Entscheidung über seinen ersten Asylantrag nicht einverstanden zu sein, weil sein Leben als Tschetschene in Polen nicht gewährleistet sei und er habe deshalb am selben Tag einen neuen Asylantrag gestellt. Am 13.03.2008 habe er einen Termin für eine Leistenbruchoperation im Klinikum. Er habe in Österreich zwei Onkel und einen Cousin, deren Adresse er aber nicht kenne.

 

Nach dem neuerlich eingeholten EURODAC-Treffer vom 10.03.2008 hatte der Beschwerdeführer zuvor am 06.09.2007 in Polen und am 15.01.2008 in Österreich einen Asylantrag gestellt.

 

Mit Schreiben vom 11.03.2008 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 29 Abs. 3 AsylG 2005 mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, den Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da seit 30.01.2008 eine Zustimmung Polens zur Führung seines Asylverfahrens vorliege, sowie dass durch diese Mitteilung die 20-Tagesfrist gemäß § 28 Abs. 2 AsylG 2005 nicht gelte.

 

Nach dem Entlassungsbrief des Klinikums B. vom 16.03.2008 wurde der Beschwerdeführer am selben Tag nach Herniotomie und Bassiniplastik entlassen und ein Kontrolltermin für 23.03.2008 beim Lagerarzt vorgeschlagen.

 

6. Mit angefochtenem Bescheid vom 20.03.2008 wies das Bundesasylamt den Asylantrag gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurück und stellte fest, dass für die Prüfung des Asylantrages gemäß Art. 16 (1)c der Verordnung (EG) Nr.. 343/2003 des Rates Polen zuständig ist und wies den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen aus. Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Polen wurde gemäß § 10 Abs. 4 AsylG 2005 für zulässig erklärt.

 

7. Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer fristgerecht berufen. Die Berufung vom 27.03.2008 enthielt im Wesentlichen Folgendes:

 

Österreich hätte im Fall des Beschwerdeführers vom Selbsteintritt gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO zwingend Gebrauch zu machen gehabt, weil der Beschwerdeführer an einer Hepatitis C leide und Verwandte in Österreich habe. Die Hepatitis C sei in Polen nicht behandelt worden, obwohl der Verdacht bereits vorlag und der Beschwerdeführer sich vier Monate in Polen aufgehalten habe. Hingegen habe der Beschwerdeführer in Österreich bereits mit einer Therapie begonnen, was aus dem - nicht näher bezeichneten - medizinischen Akt des Beschwerdeführers hervorgehe. Es wäre Aufgabe der Erstbehörde gewesen, mit den behandelnden Ärzten in Österreich Kontakt aufzunehmen und nachzuforschen, ob der Beschwerdeführer in Polen wegen Hepatitis C bereits behandelt worden sei. Es werde erneut auf den - nicht näher bezeichneten - medizinischen Akt des Beschwerdeführers verwiesen und anbei Befundbestätigungen und eine Überweisung vorgelegt. Selbst wenn man davon ausginge, dass der Beschwerdeführer nicht in die russische Föderation abgeschoben würde und in Polen eine Art Duldung erhalten sollte, wäre er angesichts seines Krankheitsbildes in einer ausweglosen Situation und würde auch keine ausreichende medizinische Versorgung erhalten.

 

Unter Hinweis auf die Entscheidung des EGMR im Fall Bensaid v. The United Kingdom (44599/98), wo dezidiert darauf hingewiesen wurde, dass auch eine psychische Krankheit und die Gefahr eines Rückfalles grundsätzlich vom Schutzbereich des Art. 3 EMRK umfasst ist, sei das beim Beschwerdeführer diagnostizierte Krankheitsbild von der Schwere her daher jedenfalls geeignet in den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu fallen und bestünde ein reales Risiko einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes bei einer Überstellung nach Polen. Entgegen der Behauptung im angefochtenen Bescheid, dass auf Grund des psychischen und physischen Zustandes des Beschwerdeführers keine Hindernisse für eine Überstellung nach Polen bestünden und in Polen ausreichende Behandlungsmöglichkeiten vorhanden und die erforderliche medizinische Versorgung gewährleistet wäre, würden viele Asylwerber, welche von Polen nach Österreich gekommen sind, übereinstimmend berichten, dass es als Asylwerber in Polen kaum möglich sei, Überweisungen zu Fachärzten oder spezialisierten Behandlungen in Spitälern zu erhalten.

 

Falls fachärztliche Behandlungen aus Kostengründen in vielen Fällen verweigert würden, könne nicht von einer ausreichenden medizinischen Versorgung in Polen ausgegangen werden. Nach dem zitierten Bericht "Die Situtation tschetschenischer Asylwerber und Flüchtlinge in Polen und Auswirkungen der EU-Verordnung Dublin II" von Eßler/Gladysch/Suwelack gehe hervor, dass die medizinische Versorgung unter fehlenden medizinischen Mitteln für kostenintensive fachärztliche Behandlungen, chirurgische Eingriffe und Behandlung schwerwiegender Krankheiten leide. Auch eine dringend notwendige medizinische Behandlung sei nicht generell sichergestellt. Auch UNHCR Polen weise in seinem Bericht vom 11.1.2006 auf Personalmängel und Klagen über die unzureichende medizinische Versorgung in polnischen Flüchtlingszentren hin. Weiters werde auf Entscheidungen des UBAS verwiesen, wonach es notorisch sei, dass es sich bei der medizinischen Versorgung in Polen um eine Basisversorgung handelt und es erst ab 2005 Projekte einer verstärkten psychiatrischen Betreuung für Asylwerber in Polen gebe, woraus folge, dass bei sehr schweren Krankheiten oder auch bei in einer Gesamtschau sich insgesamt als komplex darstellenden Krankheitsbildern eine Überstellung unzulässig sein könne. Weitere Berichte betreffend Behandlungsmöglichkeiten von psychischen Erkrankungen in Polen wurden - jedoch ohne Bezug zum Beschwerdeführer - angeführt. Ferner der Fall des tschetschenischen Asylwerbers I.A., der im Juni 2006 im Rahmen eines Dublinverfahrens von Belgien nach Polen überstellt wurde und eine Hepatitis C und eine Gelbsucht (vermutlich als Folgeerkrankung der Hepatitis) nach seiner Rücküberstellung nach Polen im Anhaltezentrum L. nicht adäquat medizinisch behandelt worden sei und ihm in weiterer Folge nach seiner Entlassung von Ärzten nicht mehr geholfen habe werden können und er am 09.10.2006 verstorben sei. Ferner werde im jüngsten ICF-Newsletter vom Mai 2007 das Vorbringen "der Beschwerdeführerin" bestätigt, dort hieße es....."in den Flüchtlingslagern wären hohe Zahlen von epidemischen Krankheiten beobachtet worden, ua. sei Hepatitis steigend. Polen habe nicht die Mittel zur Behandlung der Krankheiten, an welchen die Asylwerber leiden...." Bei ausreichender Berücksichtigung der tatsächlich vorhandenen Behandlungsmöglichkeiten in Polen, die keineswegs den hohen Bedarf decken können, bestehe somit ein real risk, dass die benötigte Behandlung in Polen überhaupt nicht gesichert wäre.

 

Bei der Ausweisung wäre im Hinblick auf das Privatleben des Beschwerdeführers auch die medizinische und psychologische Behandlung in die Interessensabwägung einzubeziehen gewesen, da der EGMR wiederholt darauf hingewiesen habe, dass auch die Gesundheit, die psychische und körperliche Integrität einer Person vom Schutzbereich des Art. 8 EMRK (Privatleben) umfasst ist.

 

Ferner bestehe für "die Berufungswerberin" - unter Zitierung verschiedener Berichte - aufgrund der niedrigen Anerkennungsquoten für tschetschenische Asylwerber das "real risk" einer Schutzverweigerung. Ferner seien die Existenzgrundlage und Integrationsmöglichkeiten für Personen mit "pobyt tolerowany" in Polen nicht gesichert, wozu mehrere Berichte zitiert wurden.

 

Beigelegt wurden ein Laborbefund vom 26.03.2008 und eine Überweisung an "Interne Abt." vom 26.03.2008 durch Dr. N.B. samt Adresse von Dr. F.G..

 

Mit Schreiben der Diakonie-Evangelischer Flüchtlingsdienst- vom 09.04.2008 wurde ein Schreiben des Klinikums vom 07.04.2008 über die ambulante Untersuchung des Beschwerdeführers wegen Hepatitis C (akut?chronisch?) und die Wiederbestellung für 02.06.2008 zur Befundbesprechung nachgereicht.

 

8. Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 18.04.2008 wurde die Berufung vom 27.03.2008 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 20.03.2008, Zahl: 08 02.338-EAST Ost, gemäß §§ 5 und 10 AsylG abgewiesen. Die Begründung enthält nach Darstellung des maßgeblichen Sachverhaltes und der anzuwendenden Rechtslage sowie der diesbezüglich relevanten Judikatur folgende Ausführungen:

 

"...In der Zusammenschau bestehen letztlich für den Unabhängigen Bundesasylsenat keine Zweifel daran, dass der Berufungswerber, der - gemessen an der EGMR-Judiaktur - an keiner Erkrankung leidet, die bei einer Überstellung eine unzumutbare Verschlechterung erfahren würde, in Polen eine ausreichende finanzielle, medizinische und medizinisch-psychologische Basisversorgung erhalten wird, die weder zu einer im Lichte des Artikel 3 EMRK unzulässigen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes, noch zu einer Verelendung im Sinne einer existenzbedrohenden Notlage führen wird, zumal der Berufungswerber im ersten Verfahren selbst berichtete, dass in Polen eine Hepatitis C festgestellt wurde und er Tabletten für die Leber erhalten habe. Sofern speziellere Behandlungen hiefür erforderlich sind, stehen auch diese Asylwerbern - zu den gleichen Bedingungen wie den polnischen Staatsbürgern - zur Verfügung. Seine Behauptungen, dass der Chirurg in Polen keine Operation mangels Versicherung habe vornehmen wollen, ist in Anbetracht der fehlenden Dringlichkeit für die Leistenbruchoperation nachvollziehbar. Bei entsprechender Bezahlung hätte er Berufungswerber diese Operation vermutlich auch in Polen sofort erhalten können.

 

Der nationale Gesetzgeber normierte in § 5 Absatz 3 Asylgesetz eine Regelvermutung zu Gunsten der Nichtannahme einer realen Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung in einem Dublinstaat, die einerseits nur durch glaubhaftes Vorbringen besonderer Gründe seitens des Asylwerbers oder andererseits durch bestehendes Amtswissen über solch offenkundige, besondere Gründe widerlegt werden kann. .....

 

... Im Ergebnis werden daher allgemein gehaltene Informationen und Berichte, die Darstellungen über das Asylrecht, die Asylpolitik und den Vollzug in anderen Dublinstaaten vor dem 01.01.2006 zum Inhalt haben, nicht geeignet sein, die vom Gesetzgeber aufgestellte Regelvermutung in § 5 Absatz 3 Asylgesetz 2005, will man diese nicht ignorieren, zu widerlegen, da diese von der normativen Vergewisserung des Gesetzgebers umfasst scheinen. Folglich werden solche allgemein gehaltene Informationen und Berichte wohl auch keine amtswegige Prüfungspflicht auslösen können. Bringt hingegen der Asylwerber glaubhaft vor, dass exzeptionelle, sich auf seine persönliche Situation beziehende Gründe vorliegen, die eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für ihn selbst im Zielstaat als wahrscheinlich erscheinen lassen, wird die Regelvermutung des § 5 Absatz 3 Asylgesetz 2005 widerlegt werden können.

 

Im gegenständlichen Fall kann nun nicht gesagt werden, dass der Berufungswerber in der Berufung ausreichend substantiiert dargelegt hätte, dass ihm auf Grund der persönlichen Situation durch eine Rückverbringung nach Polen auch entgegen der Regelvermutung des § 5 Absatz 3 Asylgesetz 2005 die - über eine bloße Möglichkeit hinausgehende - Gefahr einer Artikel 3 EMRK widersprechenden Behandlung drohen würde. Wie vorstehend ausführlich dargestellt wurde, vermochte der Berufungswerber mit seinem Vorbringen das Bestehen eines "real risks" nicht aufzuzeigen.

 

... Was schließlich Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides anbelangt, so kann nicht gesagt werden, dass die Ausweisung des Berufungswerbers im Sinne des § 10 Abs. 2 AsylG unzulässig wäre: Zum einen ist kein nicht auf das AsylG gestütztes Aufenthaltsrecht des Berufungswerbers aktenkundig, zum anderen hat der Berufungswerber auch nicht vorgebracht, dass er in Österreich über Beziehungen verfügen würde, welche in den Schutzumfang des Art. 8 EMRK fielen.

..."

 

9. Am 08.05.2008 wurde die Ausweisung des Beschwerdeführers nach POLEN durchgeführt.

 

10. Nachdem der Beschwerdeführer nach eigenen Angaben am 28.05.2008 mit dem Zug wieder in Österreich eingereist war, stellte er am 03.06.2008 in Traiskirchen einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der noch am gleichen Tag von Organen der Polizei durchgeführten Erstbefragung gab er unter anderen zu seinen Aufenthalt in Polen an: "Ich leide an Hepatitis C und habe dort nicht die richtige medizinische Versorgung bekommen." sowie: "Ich bin nach Österreich geflüchtet, da ich in Polen nicht mehr bleiben konnte, da die medizinische Versorgung dort nicht gegeben ist. Außerdem habe ich in Österreich Verwandte, welche mich unterstützen können."

 

Einem vom Beschwerdeführer vorgelegten Schriftlichen Ansuchen vom 02.06.2008 ist darüber hinaus folgendes zu entnehmen: "Ich, N.A., geb. 00.00.1986 ersuche neuerlich um Politisches Asyl, aus Verfolgungs- und Gesundheitsgründen! Meine Eltern sind gestorben, die einzigen Verwandten die ich noch habe, die mich unterstützen, sind in Österreich, beide Onkels sind anerkannte Flüchtlinge, sie bürgen für mich. In Polen ist es gefährlich für mich! Ausdrücklich wurde mir in Polen mitgeteilt, dass ich demnächst keine medizinische Hilfe gegen Hepatitis C bekomme, was für mich lebenswichtig ist. Meine Mutter ist an Leberzehrrose gestorben und Vater an Lungenkrebs, siehe Notariellbeglaubigte Unterlagen."

 

11. Am 05.06.2008 übermittelte des Bundesasylamt den zuständigen Behörden in POLEN einen Antrag auf Wiederaufnahme des Beschwerdeführers nach Art 16 Abs. 1 lit. c der Dublin II VO.

 

12. Am 09.06.2008 wurde dem Beschwerdeführer eine Mitteilung gemäß § 29 Abs. 3 AsylG 2005 ausgehändigt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da mit Polen seit dem 05.06.2008 Dublin Konsultationen geführt würden. Durch diese Mitteilung gelte die Zwanzigtagesfrist des Zulassungsverfahrens nicht.

 

13. Am 10.06.2008 langte beim Bundesasylamt die schriftliche Mitteilung ein, dass Polen der Rücküberstellung des Beschwerdeführers gemäß Art 16 Abs. 1 lit. c Dublin II VO zustimme.

 

14. Am 17.06.2008 erschien der Beschwerdeführer entsprechend der Ladung des Bundesasylamtes zu einer Psychiatrischen Untersuchung durch Dr. R. Y. bei der Erstaufnahmestelle Ost in Traiskirchen. Dabei legte er auch einen Befund des Dr. J.W., FA für Psychiatrie vor, worin eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert und festgestellt wurde, dass der Patient medizinische Betreuung brauche, die wegen der Hepatitis C und der posttraumatischen Belastungsstörung am besten in Osterreich gemacht werden müsse. Deshalb sollte er aus ärztlicher Sicht nicht nach Polen abgeschoben werden.

 

15. In seiner gutachtlichen Stellungnahme, die am 18.06.2008 beim Bundesasylamt einlangte, kommt Dr. Y. dagegen zum Schluss, dass aus aktueller Sicht eine belastungsabhängige krankeitswertige psychische Störung nicht vorliege. Der diesbezüglichen Begründung ist zu entnehmen, dass der Patient vorwiegend somatische Beschwerden und die Angst, in Polen nicht gut behandelt zu werden, angegeben habe. Im Falle einer Überstellung nach Polen bestehe keine reale Gefahr, dass der Antragsteller aufgrund einer Psychischen Störung in einen lebensbedrohlichen Zustand geraten oder sich die Krankheit in einem lebensbedrohlichen Ausmaß verschlechtern würde.

 

16. Am 27.06.2008 wurde dem Beschwerdeführer vom Bundesasylamt in Anwesenheit seines Rechtsberaters Parteiengehör eingeräumt. Der Niederschrift sind im Wesentlichen folgende Aussagen des Beschwerdeführers zu entnehmen: Er sei von Polen nach Österreich geflohen, weil erstens die einzigen Verwandten, die er noch habe, hier in Österreich leben würden. Er habe eine sehr enge Beziehung zu seinen Onkeln. Er habe bei seinem älteren Onkel A. gelebt. Sie hätten ihm eine Familie ersetzt und ermöglicht, dass er in die Schule gehen konnte. Er habe von 1999 bis 2003 bei seinem Onkel A. gelebt. Sollte er Asyl bekommen, so werde sein Onkel ihn in seiner Firma einstellen. Zur Zeit sei er in Behandlung bei einem Psychologen. Da er aber nicht krankenversichert sei, zahle sein Onkel die Behandlung.

 

Auf den Hinweis, dass er bei seinem ersten Asylantrag angegeben habe, dass er von 1999 bis 2001 bei seinem Onkel A. gelebt habe, gab er an, dass dieser ihm von 2001 bis 2003 eine Wohnung gemietet und auch seinen gesamten Unterhalt finanziert habe.

 

Er habe große gesundheitliche Probleme, oft Leberschmerzen und Kopfschmerzen. Er habe in Polen seine Krankheit Hepatitis C behandeln wollen, aber man wollte ihn nicht behandeln. Man habe es damit begründet, dass er keine Krankenversicherung hätte und es eine sehr lange Warteliste gebe. Man habe ihn zwar auf diese Liste setzen wollen, aber er hätte 1 - 1,5 Jahre warten müssen.

 

Im Anschluss daran wurden dem Beschwerdeführer Feststellungen zur medizinischen Versorgung in Polen durch die Dolmetscherin zur Kenntnis gebracht. Daraufhin gab er folgendes an: "Als ich im September 2007 nach Polen kam, nahm man mir Blut ab. Eine Woche später bekam ich den Befund, worin stand, dass ich Hepatitis C habe. Mit dem Befund ging ich zum Arzt im Lager. Man sagte mir, ich würde auf diese Warteliste gesetzt werden. Ich wandte mich an einen Wahlarzt, welcher mir sagte, dass diese Krankheit jederzeit in Leberzirrhose oder Leberkrebs übergehen könnte. Er sagte, solange habe ich vielleicht nicht mehr Zeit."

 

Auf den Vorhalt, dass er im ersten Verfahren angegeben hätte, er hätte sich an keinen anderen Arzt gewandt entgegnete er: "Ich wandte mich nicht wegen einer Behandlung an einen Arzt, nur wegen einer Beratung." Auf die Frage, warum er nicht behandelt werden wollte, antwortete er: "Das wäre zu teuer geworden."

 

Er habe sich im Lager an das medizinische Personal gewandt; er habe jedoch keine Überweisung zu einem Vertragsarzt bekommen.

 

Auf den Vorhalt, dass laut Untersuchung aus aktueller Sicht keine belastungsabhängige krankheitswürdig psychische Störung vorliegen würde, antwortete er, dass dies ein Arzt im Lager festgestellt hätte, ein anderer Arzt aber zu einem anderen Befund gekommen wäre.

 

17. Mit dem nunmehr beschwerdegegenständlichen Bescheid des Bundesasylamtes vom 02.07.2008, FZ. 08 04.849 EAST-Ost, wurde der Antrag auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und festgestellt, dass für die Prüfung des Antrages gemäß Art 16 Abs. 1 lit. c Dublin II VO Polen zuständig ist. Mit Spruchpunkt II wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen und festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Polen gemäß § 10 Abs. 4 AsylG 2005 zulässig ist.

 

In der Begründung führte das Bundesasylamt aus, dass sich bis zur Bescheiderlassung weder eine schwere körperliche oder ansteckende Krankheit, noch eine schwere psychische Störung ergeben hätte, die bei einer Abschiebung nach Polen eine unzumutbare Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers bewirken würde. Weiters wurde festgestellt, dass keine für das Verfahren entscheidungsrelevanten familiären oder privaten Bindungen im Bundesgebiet festgestellt werden konnten. Schließlich würden keine Umstände vorliegen, welche der Ausweisung des Beschwerdeführers aus Österreich nach Polen entgegenstehen würden. Nach umfangreichen länderkundlichen Feststellungen zur Versorgung von Asylwerbern in Polen stellte das Bundesasylamt beweiswürdigend fest, dass die Ausführungen des Beschwerdeführers im Hinblick auf die angebliche Behandlungsverweigerung seiner Hepatitis C Erkrankung widersprüchlich und unglaubwürdig seien. Nach ausführlicher Darlegung der relevanten Rechtsnormen und der diese betreffenden Judikatur kam das Bundesasylamt schließlich zu dem Schluss, dass der Ausweisung des Beschwerdeführers nach Polen weder eine Verletzung des Art 3 noch des Art 8 EMRK entgegenstehen würde.

 

18. Dagegen brachte der Beschwerdeführer, vertreten durch RA Mag. Nadja LORENZ, 1070 Wien, mit Schreiben vom 17.07.2008 binnen offener Frist eine Beschwerde ein, mit welcher der Bescheid in seinem gesamten Umfang angefochten wird. In der Begründung der Beschwerde wird vorgebracht, dass der Beschwerdeführer Gefahr laufe, durch die Ausweisung nach Polen in seinem verfassungsgesetzlichen Rechten nach Art. 3 und Art. 8 EMRK verletzt zu werden. Er werde seit seiner ersten Ankunft in Österreich von seinen beiden Onkeln - mit einem habe er in seinem Heimatland von 1999 bis 2001 gemeinsam gelebt - finanziell und durch Beistellung der Rechtsvertreterin unterstützt. Auch eine Verpflichtungserklärung sei abgegeben worden. Beide Elternteile seien verstorben. Er sei an Hepatitis C erkrankt.

 

Das Bundesasylamt habe im Bescheid angeführt, die Angaben zum Naheverhältnis zu seinen Onkeln seien in der Niederschrift sehr widersprüchlich und verglichen mit den Niederschriften im Vorverfahren noch viel widersprüchlicher gewesen. Es sei jedoch mit keinem Wort darauf eingegangen worden, worin diese Widersprüche zu sehen seien und ergäben sich diese auch nicht aus den Akten. Es liege ein Verstoß gegen die Begründungspflicht und Pflicht zur Einräumung des Parteiengehörs vor, weil die vermeintlichen Widersprüche dem Beschwerdeführer auch nicht vorgehalten worden seien. Weder die Erkrankung noch die Tatsache, dass der Beschwerdeführer über keine weiteren Verwandten verfüge sei berücksichtigt worden, weshalb nicht von einer ganzheitlichen Betrachtung gesprochen werden könne. Im Hinblick auf seine Erkrankung komme der Unterstützung durch die beiden Familienangehörigen eine intensivere Bedeutung zu und sei auch sein psychischer Zustand in die Überlegungen hinsichtlich Art 8 EMRK einzubeziehen.

 

Hinsichtlich der gutachtlichen Stellungnahme im Zulassungsverfahren gehe die Behörde in nicht nachvollziehbarer Weise davon aus, dass diesem der Wert eines Sachverständigengutachtens zukäme und er überdies aktueller als der Befund von Dr. W. sei. Es sei aus dieser Stellungnahme nicht einmal ersichtlich, welche Methoden herangezogen worden seien. Nach Angaben des Beschwerdeführers habe die Untersuchung nur ganz kurz gedauert und wäre oberflächlich gewesen. Sollte in der Stellungnahme tatsächlich, wie von der erstinstanzlichen Behörde ausgeführt, der Befund von Dr. W. herangezogen worden sein, stelle sich die Frage, warum die dort angegebenen Beschwerden, wie Alpträume, Durchschlafstörungen sowie flash-backs in Befund Dr. Y. keinerlei Eingang gefunden hätten. Die Stellungnahme stehe im Widerspruch zum Befund eines gleichwertigen Facharztes und hätte zur Einholung eines Gutachtens im Hinblick auf den psychischen Zustand des BF führen müssen. Im Bewusstsein des in jüngerer Zeit überaus strengen Maßstabes bei Verletzungen von Art. 3 EMRK werde ausgeführt, dass die spezielle Situation des Beschwerdeführers (gesundheitlicher Zustand, finanzieller und moralischer Halt durch Familienmitglieder in Österreich) jedenfalls auch im Hinblick auf Art. 8 EMRK zu berücksichtigen sei.

 

Der Beschwerdeführer habe angegeben, nach seiner Rückschiebung nach Polen wäre er wegen seiner Hepatitis C Erkrankung nicht behandelt worden. Es sei ihm konkret gesagt worden, er käme auf eine Warteliste und könne erst in ein bis einenhalb Jahren mit einer Behandlung rechnen. Dieses neue Vorbringen, welches er in den vorhergehenden Verfahren gar nicht hätte erstatten können, wurde von der Behörde mit einer nicht nachvollziehbaren Begründung als jeder Grundlage entbehrend abgetan. Dem Beschwerdeführer sei aufgrund von angeblichen Widersprüchen die Glaubwürdigkeit abgesprochen worden. Diese seien nicht nachvollziehbar. Bei seiner Erstbefragung habe der Beschwerdeführer nicht wie behauptet angegeben, bei keinem Arzt gewesen zu sein. Vielmehr habe er angegeben, er leide an Hepatitis C und habe dort nicht die richtige medizinische Versorgung bekommen. Weiters habe er angegeben, er werde in Polen sterben, da die medizinische Versorgung dort nicht gegeben sei. Die vermeintlichen Widersprüche seien aktenwidrig. Es reiche im konkreten Fall nicht aus, auf generelle Behandlungsmöglichkeiten in Polen abzustellen, da der Beschwerdeführer konkret vorgebracht habe, die notwendige Behandlung sei ihm verweigert worden. Hepatitis C sei eine Infektionskrankheit, die in mehr als 70% der Fälle in eine chronische Verlaufsform übergehe. Es komme bei fehlender Behandlung zu einer ständigen Vermehrung des Virus und damit zu einer chronischen Infektion und schließlich bei ca. einem viertel der Patienten zur Leberzirrhose mit erhöhter Chance auf ein Leberkarzinom.

 

Warum die Behörde trotz Befund im Akt vom Nichtvorliegen einer schweren ansteckenden Krankheit ausgehe sei nicht nachvollziehbar. Sie hätte ein medizinisches Gutachten einholen müssen, in welchem Stadium der Erkrankung sich der BF befinde und ob in seinem konkreten Fall bei einer Rücküberstellung allenfalls notwendige lebenserhaltende Behandlungen auch tatsächlich verfügbar seien. Die Behörde hätte für die Lösung der Frage einer allfälligen Verletzung des Art. 3 EMRK gar keine ausreichende Entscheidungsgrundlage. Die Ausführungen der belangten Behörde zur Flüchtlingsaufnahmestelle in Deback seien im konkreten Fall irrelevant, da es sich beim Beschwerdeführer um einen Dublin II Rückkehrer handeln würde, in Debak jedoch Asylsuchende nach Antragstellung an der Grenze aufgenommen werden. Unter Hinweis auf Berichte des US State Department (05/08), des Report on the application of the Dublin-II-Regulations in Europe (March 2007) und des UNHCR vom 21.12.2007 wird auf bestehende Probleme bei der medizinischen Versorgung bzw. Behandlung von traumatisierten Personen in Polen verwiesen.

 

Im Zusammenhang mit seinem Vorbringen betreffend die angeblichen Probleme mit Kadyrov-Leuten in Polen verfüge der Beschwerdeführer nun über Beweismittel zur Tatsache, dass Mitarbeiter der tschetschenischen Regierung sehr genau die beschriebenen Aktivitäten in polnischen Flüchtlingslagern entfalten würden. Dieses Vorbringen unterliege nicht dem Neuerungsverbot, da es sich um ein erst kürzlich entstandenes Beweismittel handeln würde. Die nunmehrige Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers vertrete einen in Österreich anerkannten Flüchtling, der sogar in Österreich Opfer einer versuchten Nötigung durch einen direkten Mitarbeiter Ramsan Kadyrovs wurde. Der besagte Flüchtling sollte nach Bratislava gelockt werden, habe aber sofort das Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung eingeschaltet und Personenschutz beantragt. In diesem Zusammenhang sei bei der Staatsanwaltschaft Wien ein Ermittlungsverfahren anhängig. Im Zuge der Ermittlungen habe dieser Mitarbeiter angegeben, in einer Abteilung direkt für Kadyrov tätig zu sein, deren Aufgabe es sei, Auslandstschetschenen nach Hause zu bringen. Es gäbe eine Liste von ca. 5000 Namen; 300 davon würde Kadyrov wirklich hassen, diese müssten sterben. Auch stünden in der Slowakei zwei Mitarbeiter bereit, die auch bereit wären, Gewalt anzuwenden. Weiters habe er wörtlich gesagt: "Ich weis nur, dass einmal eine Person mit Gewalt aus Polen nach Tschetschenien verbracht wurde." In der Folge habe dieser Mitarbeiter verschlüsselt den Auftrag erhalten, diesen Flüchtling zu beseitigen, was er aber nicht tun wollte. Diese Person habe am 19.06.2008 eine später wieder zurückgezogenen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, in welchem er überdies angegeben habe, die Lage aller Flüchtlingslager in ganz Westeuropa genau zu kennen und dieses Jahr bereits dreimal in Polen und Deutschland gewesen zu sein.

 

Der Beschwerdeführer erstatte das Vorbringen im zweiten Antrag auf internationalen Schutz ausdrücklich neuerlich, dass Polen für ihn wegen der bereits aktenkundigen Bedrohung nicht sicher sei und beantrage die Einvernahmen in den vorangegangen Verfahren als Entscheidungsgrundlage heranzuziehen. Dass es in Polen keinerlei Kenntnisse über derartige Vorgänge gebe, lege den Schluss nahe, dass Polen nicht in der Lage sei, den Asylwerber zu schützen.

 

II. Der Asylgerichtshof hat durch den zuständigen Richter über die gegenständliche Beschwerde wie folgt erwogen:

 

1. Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus den Ausführungen zu Punkt I sowie aus den vorliegenden Verwaltungsakten.

 

2. Rechtlich ergibt sich Folgendes:

 

Mit Datum 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005, BGBL. I Nr. 100/2005) und ist auf alle ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, somit auch auf den vorliegenden, anzuwenden.

 

Gemäß § 23 AsylGHG sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

2.1. Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 ist ein nicht gemäß § 4 AsylG 2005 erledigter Asylantrag als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom 18.02.2003 (Dublin II VO) zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Asylbehörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist die Zurückweisung eines Antrages nach Maßgabe der § 10 Abs. 3 und Abs. 4 AsylG 2005 mit einer Ausweisung zu verbinden. Die Dublin II VO ist eine Verordnung des Gemeinschaftsrechts im Anwendungsbereich der 1. Säule der Europäischen Union (vgl. Art. 63 EGV), die Regelungen über die Zuständigkeit zur Prüfung von Asylanträgen von Drittstaatsangehörigen trifft. Sie gilt also nicht für mögliche Asylanträge von EU-Bürgern, ebenso wenig ist sie auf Personen anwendbar, denen bereits der Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde. Das wesentliche Grundprinzip ist jenes, dass den Drittstaatsangehörigen in einem der Mitgliedstaaten das Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Asylverfahren zukommt, jedoch nur ein Recht auf ein Verfahren in einem Mitgliedstaat, dessen Zuständigkeit sich primär nicht aufgrund des Wunsches des Asylwerbers, sondern aufgrund der in der Verordnung festgesetzten hierarchisch geordneten Zuständigkeitskriterien ergibt.

 

2.1.1. Es ist daher zunächst zu überprüfen, welcher Mitgliedstaat nach den hierarchisch aufgebauten (Art. 5 Abs 1 Dublin II VO) Kriterien der Art. 6-12 bzw. 14 und Art. 15 Dublin II VO, beziehungsweise dem Auffangtatbestand des Art. 13 Dublin II VO zur inhaltlichen Prüfung zuständig ist.

 

2.1.1.1. Im vorliegenden Fall ist dem Bundesasylamt zuzustimmen, dass eine Zuständigkeit der Republik POLEN gemäß Art. 16 Abs 1 lit. c Dublin II VO kraft vorangegangener erster Asylantragstellung in der Europäischen Union gemäß Art 13 Dublin II VO besteht. Die erste Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der getroffenen Unzuständigkeitsentscheidung ist somit gegeben und ist diese im Verfahren nicht bestritten worden.

 

Ebenso unbestritten ist im Asylverfahren des Beschwerdeführers noch keine Sachentscheidung in POLEN gefallen.

 

2.1.1.2. Es sind auch aus der Aktenlage keine Hinweise ersichtlich, wonach die Führung der Konsultationen im gegenständlichen Fall derart fehlerhaft erfolgt wäre, sodass von Willkür im Rechtssinn zu sprechen wäre und die Zuständigkeitserklärung des zuständigen Mitgliedstaates wegen Verletzung der gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgrundsätze aus diesem Grund ausnahmsweise keinen Bestand haben könnte (Filzwieser, Subjektiver Rechtsschutz und Vollziehung der Dublin II VO - Gemeinschaftsrecht und Menschenrechte, migraLex, 1/2007, 22ff; vgl auch das Gebot der Transparenz im "Dublin-Verfahren", VwGH 23.11.2006, Zl. 2005/20/0444). Das Konsultationsverfahren erfolgte mängelfrei.

 

2.1.2. Das Bundesasylamt hat ferner von der Möglichkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO keinen Gebrauch gemacht. Es war daher noch zu prüfen, ob von diesem Selbsteintrittsrecht im gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung der EMRK zwingend Gebrauch zu machen gewesen wäre.

 

Der VfGH hat mit Erkenntnis vom 17.06.2005, Zl. B 336/05-11 festgehalten, die Mitgliedstaaten hätten kraft Gemeinschaftsrecht nicht nachzuprüfen, ob ein anderer Mitgliedstaat generell sicher sei, da eine entsprechende normative Vergewisserung durch die Verabschiedung der Dublin II VO erfolgt sei, dabei aber gleichzeitig ebenso ausgeführt, dass eine Nachprüfung der grundrechtlichen Auswirkungen einer Überstellung im Einzelfall gemeinschaftsrechtlich zulässig und bejahendenfalls das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs 2 Dublin II VO zwingend geboten sei.

 

Die Judikatur des VwGH zu den Determinanten dieser Nachprüfung lehnt sich richtigerweise an die Rechtsprechung des EGMR an und lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigende notorische Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der EU in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, Zl. 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter auf den betreffenden Fremden bezogener Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall seiner Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 26.11.1999, Zl 96/21/0499, VwGH 09.05.2003, Zl. 98/18/0317; vgl. auch VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059): "Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist." (VwGH 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949).

 

Die Vorlage allgemeiner Berichte ersetzt dieses Erfordernis in der Regel nicht (vgl VwGH 17.02.1998, Zl. 96/18/0379; EGMR Mamatkulov & Askarov v Türkei, Rs 46827, 46951/99, 71-77), eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle einer Überstellung ebenso eine allfällige Unterschreitung des verfahrensrechtlichen Standards des Art. 13 EMRK sind für sich genommen nicht ausreichend, die Wahrscheinlichkeit einer hier relevanten Menschenrechtsverletzung darzutun. Relevant wäre dagegen etwa das Vertreten von mit der GFK unvertretbaren rechtlichen Sonderpositionen in einem Mitgliedstaat oder das Vorliegen einer massiv rechtswidrigen Verfahrensgestaltung im individuellen Fall, wenn der Asylantrag im zuständigen Mitgliedstaat bereits abgewiesen wurde (Art. 16 Abs. 1 lit. e Dublin II VO). Eine ausdrückliche Übernahmeerklärung des anderen Mitgliedstaates hat in die Abwägung einzufließen (VwGH 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582, VwGH 31.05.2005, Zl. 2005/20/0025, VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/19/0673), ebenso andere Zusicherungen der europäischen Partnerstaaten Österreichs (zur Bedeutung solcher Sachverhalte Filzwieser/Liebminger, Dublin II VO, K13. zu Art 19 Dublin II VO).

 

Weiterhin hatte der Asylgerichtshof folgende Umstände zu berücksichtigen:

 

Bei entsprechender Häufung von Fällen, in denen in Folge der Ausübung des Selbsteintrittsrechts die gemeinschaftsrechtliche Zuständigkeit nicht effektuiert werden kann, kann eine Gefährdung des "effet utile" Grundsatzes des Gemeinschaftsrechts entstehen.

 

Zur effektiven Umsetzung des Gemeinschaftsrechts sind alle staatlichen Organe kraft Gemeinschaftsrechts verpflichtet.

 

Der Verordnungsgeber der Dublin II VO, offenbar im Glauben, dass sich alle Mitgliedstaaten untereinander als "sicher" ansehen können, wodurch auch eine Überstellung von einem in den anderen Mitgliedstaat keine realen Risken von Menschenrechtsverletzungen bewirken könnte (vgl. insbesondere den 2. Erwägungsgrund der Präambel der Dublin II VO), hat keine eindeutigen verfahrens- oder materiellrechtlichen Vorgaben für solche Fälle getroffen, diesbezüglich lässt sich aber aus dem Gebot der menschenrechtskonformen Auslegung des Gemeinschaftsrechts und aus Beachtung der gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgrundrechte ableiten, dass bei ausnahmsweiser Verletzung der EMRK bei Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat eine Überstellung nicht stattfinden darf. Die Beachtung des Effizienzgebots (das etwa eine pauschale Anwendung des Selbsteintrittsrechts oder eine innerstaatliche Verfahrensgestaltung, die Verfahren nach der Dublin II VO umfangreicher gestaltet als materielle Verfahren, verbietet) und die Einhaltung der Gebote der EMRK stehen daher bei richtiger Anwendung nicht in Widerspruch (Filzwieser, migraLex, 1/2007, 18ff, Filzwieser/Liebminger, Dublin II VO, K8-K13. zu Art. 19).

 

Die allfällige Rechtswidrigkeit von Gemeinschaftsrecht kann nur von den zuständigen gemeinschaftsrechtlichen Organen, nicht aber von Organen der Mitgliedstaaten rechtsgültig festgestellt werden. Der EGMR hat jüngst festgestellt, dass die Rechtsschutz des Gemeinschaftsrechts regelmäßig den Anforderungen der EMRK entspricht (30.06.2005, Bosphorus Airlines v Irland, Rs 45036/98).

 

Es bedarf sohin europarechtlich eines im besonderen Maße substantiierten Vorbringens und des Vorliegens besonderer vom Antragsteller bescheinigter außergewöhnlicher Umstände, um die grundsätzliche europarechtlich gebotene Annahme der "Sicherheit" der Partnerstaaten der Europäischen Union als einer Gemeinschaft des Rechts im individuellen Fall erschüttern zu können. Diesem Grundsatz entspricht auch die durch das AsylG 2005 eingeführte gesetzliche Klarstellung des § 5 Abs. 3 AsylG, die Elemente einer Beweislastumkehr enthält. Es trifft zwar ohne Zweifel zu, dass Asylwerber in ihrer besonderen Situation häufig keine Möglichkeit haben, Beweismittel vorzulegen (wobei dem durch das Institut des Rechtsberaters begegnet werden kann), und dies mitzubeachten ist (VwGH, 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949), dies kann aber nicht pauschal dazu führen, die vom Gesetzgeber - im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht - vorgenommene Wertung des § 5 Abs 3 AsylG überhaupt für unbeachtlich zu erklären (dementsprechend in ihrer Undifferenziertheit verfehlt, Feßl/Holzschuster, AsylG 2005, 225ff). Eine Rechtsprechung, die in Bezug auf Mitgliedstaaten der EU faktisch höhere Anforderungen entwickelte, als jene des EGMR in Bezug auf Drittstaaten wäre jedenfalls gemeinschaftsrechtswidrig.

 

2.1.2.1. Mögliche Verletzung des Art. 8 EMRK

 

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in Ausübung dieses Rechts ist gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Der EGMR bzw. die EKMR verlangen zum Vorliegen des Art. 8 EMRK das Erfordernis eines "effektiven Familienlebens", das sich in der Führung eines gemeinsamen Haushaltes, dem Vorliegen eines Abhängigkeitsverhältnisses oder eines speziell engen, tatsächlich gelebten Bandes zu äußern hat (vgl. das Urteil Marckx [Ziffer 45] sowie Beschwerde Nr. 1240/86, V. Vereinigtes Königreich, DR 55, Seite 234; hierzu ausführlich: Kälin, "Die Bedeutung der EMRK für Asylsuchende und Flüchtlinge: Materialien und Hinweise", Mai 1997, Seite 46).

 

Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse gemeinsame Intensität erreichen. Als Kriterien hierfür kommen etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes oder die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht. In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (vgl. EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; siehe auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (vgl. EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311), und zwischen Onkel und Tante und Neffen bzw. Nichten (vgl. EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1989, 761; Rosenmayer ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (vgl. EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

 

Im vorliegenden Fall leben zwei Onkel des Beschwerdeführers in Österreich. Diesbezüglich ist zunächst auszuführen, dass die Beziehung zwischen Neffen und Onkel von der oben zitierten Judikatur des EGMR nicht grundsätzlich umfasst wird. Es ist daher zu prüfen, ob die vom EGMR geforderte Beziehungsintensität im gegenständlichen Fall vorliegt. Hierzu ist zunächst festzuhalten, dass der Beschwerdeführer vor seiner ersten Einreise in Österreich zu den beiden Onkeln seit 2003 keinen Kontakt mehr hatte. Davor hatte er von 1999 bis 2001 bei seinem Onkel A. gelebt. Seinen eigenen Angaben zufolge hatte ihm dieser Onkel dann bis 2003 eine Wohnung gemietet und sei für seinen Unterhalt aufgekommen. Zur Zeit unterstütze ihn dieser Onkel finanziell sowie durch Beistellung der Rechtsvertreterin.

 

Wie bereits in der Berufungsentscheidung des UBAS am 18.04.2008 zutreffend festgestellt, handelt es sich beim Beschwerdeführer um einen erwachsenen, arbeitsfähigen und unverheirateten Mann mit einer (noch) nicht abgeschlossenen Hochschulausbildung. Bei diesem Sachverhalt liegt ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis bzw. ein ausreichend intensives Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK in Österreich nicht vor. Es kann daher nicht erkannt werden, dass die Ausweisung des Berufungswerbers im Sinne des § 10 Abs. 2 AsylG unzulässig wäre.

 

Dem Vorbringen, dass aufgrund der Hepatitis C Erkrankung bzw. des vom Beschwerdeführer behaupteten psychischen Zustandes der Unterstützung des Beschwerdeführers durch seine Onkel eine intensivere Bedeutung zukomme und dies in die Überlegungen betreffend Art. 8 EMRK zu berücksichtigen sei, ist Folgendes entgegenzuhalten: Weder den Akten, noch den vom Beschwerdeführer beigebrachten Unterlagen ist eine besondere Pflegebedürftigkeit des Beschwerdeführers, die durch seine Onkel abgedeckt werden könnte, zu entnehmen. Auch die Behandlung der Hepatitis C Infektion könnte nur durch entsprechendes medizinisches Personal erfolgen. Einer fallweisen finanziellen Unterstützung des Beschwerdeführers durch seine Onkel würde auch eine Verbringung nach Polen nicht entgegenstehen.

 

Auf sein Privatleben im Sinne des Art. 8 EMRK kann sich der Berufungswerber ebenfalls nicht erfolgreich berufen, da er nach seiner illegalen Einreise seinen derzeitigen Aufenthalt lediglich auf den vorliegenden Asylantrag stützt, über welchen in diesem Verfahren zu entscheiden ist und er sich darüber im Klaren sein musste, dass sein Aufenthalt zunächst nur ein vorläufiger und - im Fall einer negativen Entscheidung - ein allenfalls auf die Dauer des Verfahrens befristeter sein werde (vgl. VfGH im Erk. vom 29.09.2007, B 1150/07 und VwGH vom 17.12.2007, Zl. 2006/01/0216-0219-6)". Dies gilt nun umso mehr als es sich im vorliegenden Fall bereits um seinen dritten Asylantrag handelt und er am 08.05.2008 - nach rechtskräftiger Zurückweisung der ersten beiden Anträge - nach Polen ausgewiesen wurde. Es liegen auch sonst keine Hinweise auf eine bereits erfolgte außergewöhnliche Integration in Österreich, etwa aufgrund sehr langer Verfahrensdauer, vor (vgl. VfGH 26.02.2007, Zl. 1802, 1803/06-11).

 

Es kann daher im gegenständlichen Fall nicht von der vom EGMR geforderten Beziehungsintensität gesprochen werden, weshalb eine Ausweisung keinesfalls einen Eingriff in das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Privat und Familienleben darstellen würde.

 

Dem Vorbringenden des Beschwerdeführers, dass ihm im Bescheid des Bundesasylamtes zu Unrecht widersprüchliche Angaben betreffend sein Naheverhältnis zu seinen Onkeln vorgeworfen worden wäre, ist entgegen zu halten, dass der Beschwerdeführer bei seiner Einvernahme am 07.02.2008 in diesem Zusammenhang ausdrücklich festgestellt hatte, dass er in Österreich von niemanden abhängig sei.

 

2.1.2.2. Kritik am polnischen Asylwesen

 

Konkretes Vorbringen, das geeignet wäre, anzunehmen, dass POLEN in Hinblick auf tschetschenische Asylwerber unzumutbare rechtliche Sonderpositionen vertreten würde, ist nicht erstattet worden. Der bloße Umstand, dass eine Reihe von Asylverfahren negativ endet (wobei in POLEN notorischerweise AntragstellerInnen aus Tschetschenien zumindest tolerierten Aufenthalt erhalten) ist mangels Bestehens eines allgemeinen Konsenses über eine Gruppenverfolgung von Tschetschenen in Russland (auch in Österreich wird eine solche in der Regel nicht bejaht) und mangels verifizierbarer Angaben über ein Fehlverhalten polnischer Behörden im vorliegenden Fall kein ausreichendes Argument die Regelvermutung des § 5 Abs 3 AsylG erschüttern zu können.

 

Die aktuellen auf Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation beruhenden Feststellungen des Bundesasylamtes zu POLEN, die in der erstinstanzlichen Einvernahme vorgehalten wurden, werden diesem Erkenntnis zugrunde gelegt. Hervorzuheben ist insbesondere, dass bei tschetschenischen Antragstellern aus POLEN praktisch keine Abschiebungen in die Russische Föderation erfolgen. Aus einer Mitteilung des Verbindungsbeamten des BMI in POLEN vom 23.08.2007 geht hervor, dass die jüngsten Änderungen in der polnischen Gesetzeslage für Fremde und Asylwerber insbesondere die Einführung des subsidiären Schutzes entsprechend gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben betreffen sollen. Die Einführung des "subsidiären Schutzstatus" neben Flüchtlingsstatus und "tolerated stay" lässt ebenso keine potentielle Gefährdung tschetschenischer Schutzsuchender erkennen, sodass auf die näheren Details des Inkrafttretens der jeweiligen Regelungen und des genauen Inhalts vorangegangener Gesetzesänderungen hier mangels Entscheidungsrelevanz nicht näher einzugehen war, da jedenfalls keine dieser Gesetzesänderungen Grund zur Annahme gibt, dass POLEN nunmehr allgemein oder im Besonderen gegenüber tschetschenischen Schutzsuchenden bedenkliche Sonderpositionen verträte.

 

Zur allgemeinen Versorgung von Asylwerbern in POLEN, denen "tolerated stay" zuerkannt wurde, steht unwidersprochen fest, dass solchen Personen die gleichen sozialen Rechte zuerkannt werden, wie polnischen Staatsbürgern. Der Verbleib in Flüchtlingslagern ist, wie nunmehr hervorgekommen ist, in Einzelfällen auch länger als 3 Monate nach Statuszuerkennung möglich. Das Ministerium für Arbeit und Sozialpolitik ist gesetzlich mit der Integration auch dieser Personengruppen betraut und diesbezüglich auch aktiv tätig. Die rasche Reaktion der polnischen Behörden auf den Zuwachs an Antragstellern in der 2. Jahreshälfte 2007 (Bau neuer Flüchtlingsunterbringungsstätten) zeigt, dass die entsprechenden Verpflichtungen tatsächlich ernst genommen werden.

 

2.1.2.3. Medizinische Krankheitszustände; Behandlung in POLEN

 

Unbestritten ist, dass nach der allgemeinen Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK und Krankheiten, die auch im vorliegenden Fall maßgeblich ist, eine Überstellung nach POLEN nicht zulässig wäre, wenn durch die Überstellung eine Existenzbedrohende Situation drohte und diesfalls das Selbsteintrittsrecht der Dublin II VO zwingend auszuüben wäre.

 

In diesem Zusammenhang ist vorerst auf das jüngste diesbezügliche Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH vom 06.03.2008, Zl: B 2400/07-9) zu verweisen, welches die aktuelle Rechtsprechung des EGMR zur Frage der Vereinbarkeit der Abschiebung Kranker in einen anderen Staat mit Art. 3 EMRK festhält (D. v. the United Kingdom, EGMR 02.05.1997, Appl. 30.240/96, newsletter 1997,93; Bensaid, EGMR 06.02.2001, Appl. 44.599/98, newsletter 2001,26; Ndangoya, EGMR 22.06.2004, Appl. 17.868/03; Salkic and others, EGMR 29.06.2004, Appl. 7702/04; Ovdienko, EGMR 31.05.2005, Appl. 1383/04; Hukic, EGMR 29.09.2005, Appl. 17.416/05; EGMR Ayegh, 07.11.2006; Appl. 4701/05; EGMR Goncharova & Alekseytsev, 03.05.2007, Appl. 31.246/06).

 

Zusammenfassend führt der VfGH aus, das sich aus den erwähnten Entscheidungen des EGMR ergibt, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem

Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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