S8 400.055-1/2008/3E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Büchele als Einzelrichter über die Beschwerde des K.S., geb. 00.00.1972, StA. Russland, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 05.06.2008, FZ. 08 02.807-EAST Ost, zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 mit der Maßgabe abgewiesen, dass Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides zu lauten hat wie folgt:
"Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG wird K.S. aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen; demzufolge ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung von K.S. nach Polen gemäß § 10 Abs. 4 AsylG 2005 zulässig."
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1. Der Beschwerdeführer, ein russischer Staatsangehöriger tschetschenischer Volksgruppenzugehörigkeit, ist am 26.03.2008 illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist und hat am selben Tag den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz (in der Folge: Asylantrag) gestellt.
2. Bei der Erstbefragung am Tag der Antragstellung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion Traiskirchen in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Russisch gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, er sei gemeinsam mit seiner Gattin mit der Bahn über Rostof nach Brest gefahren. Von dort aus seien sie am 05.03.2008 bei Terespol nach Polen eingereist. Sie seien im Zug kontrolliert worden und hätten aussteigen müssen. Man habe ihnen die Reisepässe und die Fingerabdrücke abgenommen. Er habe in Polen einen Asylantrag gestellt. In welchem Stadium sich das Asylverfahren in Polen befunden habe, wisse er nicht. Sie hätten einen Bekannten getroffen, der sie von Terespol nach Warschau gebracht hätte, da er gemeint habe, dass es in den Flüchtlingslagern in Polen zu gefährlich sei. Nach einigen Tagen habe er in Warschau einen LKW-Fahrer kennengelernt. Mit diesem sei er mit seiner Gattin versteckt auf der Ladefläche illegal nach Österreich eingereist. Sie seien in Wien an einem unbekannten Ort angekommen und seien von dort aus mit dem Taxi nach Traiskirchen gekommen.
3. Eine Eurodac-Abfrage vom selben Tag ergab, dass der Beschwerdeführer am 05.03.2008 in Polen einen Asylantrag gestellt hatte. Am 01.04.2008 richtete das Bundesasylamt auf der Grundlage des Eurodac-Treffers ein Wiederaufnahmeersuchen gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18.02.2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (kurz: Dublin-Verordnung) an die zuständige polnische Behörde. Am 02.04.2008 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 29 Abs. 3 AsylG 2005 mitgeteilt, dass mit Polen Konsultationen geführt werden und aus diesem Grund die im § 28 Abs. 2 zweiter Satz AsylG 2005 normierte 20-Tages-Frist nicht gelte; es sei beabsichtigt, seinen Asylantrag wegen Unzuständigkeit Österreichs zurückzuweisen. Am 04.04.2008 langte ein Schreiben der polnischen Behörden vom 02.04.2008 beim Bundesasylamt ein, worin die Zuständigkeit Polens gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin-Verordnung bestätigt wurde.
4. Bei der am 09.05.2008 stattgefundenen ärztlichen Untersuchung durch eine Ärztin für Allgemeinmedizin und psychotherapeutische Medizin, wurde keine krankheitswertige psychische Störung festgestellt. Einer Überstellung nach Polen sei aus medizinischer Sicht möglich.
5. Am 13.05.2008 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle Ost, nach erfolgter Rechtsberatung in Anwesenheit eines Rechtsberaters sowie eines geeigneten Dolmetschers für die Sprache Russisch niederschriftlich einvernommen. Er gab dabei im Wesentlichen an, dass er körperlich und geistig in der Lage sei, die Einvernahme durchzuführen. Verwandtschaftliche Beziehung habe er - außer der mit ihm reisenden Ehegattin - keine.
Zur geplanten Ausweisung nach Polen gab der Beschwerdeführer an, er würde lieber in Österreich sterben als nach Polen zurückzugehen. Er habe erfahren, dass in Polen alle Flüchtlinge den "Kadirov-Leuten" übergeben werden. Dies würde sich im Geheimen abspielen. Konkretes könne er dazu aber nicht sagen, er habe davon nur gehört. Es habe in Polen bereits eine Einvernahme stattgefunden. Er habe allerdings noch keine Entscheidung erhalten. In Polen habe er nicht in einem Flüchtlingslager gelebt, sondern er sei bei einem Bekannten privat untergebracht worden. Zur gutachterlichen Stellungnahme im Zulassungsverfahren auf der Grundlage der am 09.05.2008 stattgefundenen ärztlichen Untersuchung brachte der Beschwerdeführer vor, er sei in Tschetschenien gefoltert worden und habe sich den Bauch selbst aufgeschlitzt. Er sei auch im Gefängnis gewesen.
6. Mit dem beim Asylgerichtshof angefochtenen Bescheid hat das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers vom 26.03.2008 ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und festgestellt, dass für die Prüfung des Asylantrag gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin-Verordnung Polen zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen und festgestellt, dass demzufolge die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung von I.M. (in der Übersetzung in das Russische hingegen mit dem Namen des Beschwerdeführers) nach Polen gemäß § 10 Abs. 4 AsylG 2005 zulässig sei (Spruchpunkt II.). Das Bundesasylamt traf umfangreiche länderkundliche Feststellungen zu Polen, insbesondere zum polnischen Asylverfahren. Beweiswürdigend hielt die Erstbehörde im Wesentlichen fest, dass aus den Angaben des Asylwerbers keine stichhaltigen Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht worden seien, dass dieser konkret Gefahr liefe, in Polen verfolgt zu werden. Es drohe ihm keine Verletzung der durch Art. 3 und Art. 8 EMRK gewährleisteten Rechte.
7. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde beim Asylgerichtshof wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und Rechtswidrigkeit des Inhalts. Die Behörde habe es unterlassen, abzuklären, wie der Stand seines Asylverfahrens in Polen sei. Durch diese Vorgehensweise habe das Bundesasylamt gegen elementare Verfahrensgrundsätze verstoßen, weil keine Prüfung und Auseinandersetzung mit dem Risiko einer Verletzung des Art. 3 EMRK stattgefunden habe. Weiters habe sich das Bundesasylamt nicht ausreichend mit dem Risiko einer Kettenabschiebung durch Polen beschäftigt und nur pauschal dieses Risiko verneint. Überdies würde eine Abschiebung gegen das Recht auf Familien- und Privatleben nach Art. 8 EMRK verstoßen, da die Schwester seiner Gattin in Österreich seit 2004 als anerkannter Flüchtling aufhältig sei. Nachdem dies die Behörde in ihrem Ermittlungsverfahren unterlassen habe, stelle dies einen Verfahrensmangel dar.
II. Der Asylgerichtshof hat durch den zuständigen Richter über die Beschwerde wie folgt erwogen:
1. Folgender Sachverhalt wird der Entscheidung zugrunde gelegt:
1.1. Der Beschwerdeführer, ein der tschetschenischen Volksgruppe angehörender Staatsangehöriger der Russischen Föderation, hat sein Heimatland verlassen und ist am 26.03.2008 illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist und hat am selben Tag den gegenständlichen Asylantrag gestellt. Der Beschwerdeführer ist gemeinsam mit seiner Ehegattin nach Österreich gereist. Weitere Familienangehörige oder Personen, mit denen er in einer familienähnlichen Gemeinschaft lebt, hat der Beschwerdeführer in Österreich, im Gebiet der EU, in Norwegen oder in Island nicht.
1.2. Polen hat sich mit Schreiben vom 02.04.2008 (beim Bundesasylamt eingetroffen am 04.04.2008) gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin-Verordnung ausdrücklich für die Wiederaufnahme des Asylwerbers für zuständig erklärt.
Die in § 28 Abs. 2 AsylG 2005 festgelegte zwanzigtägige Frist zur Erlassung eines zurückweisenden Bescheides nach § 5 AsylG 2005 ist nicht anwendbar, weil dem Beschwerdeführer das Führen von Konsultationen gemäß Dublin-Verordnung binnen Frist mitgeteilt wurde; es ist somit zu keinem Zuständigkeitsübergang an Österreich wegen Fristüberschreitung gekommen.
2. Der festgestellte Sachverhalt gründet sich auf folgende Beweiswürdigung:
Die oben angeführten Feststellungen ergeben sich aus dem erstinstanzlichen Verwaltungsakt, insbesondere aus den Angaben des Beschwerdeführers bei der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 26.03.2008 (Aktenseiten 15 - 23), aus der ärztlichen Untersuchung durch eine Ärztin für Allgemeinmedizin und psychotherapeutische Medizin (Aktenseiten 71 - 75), aus der niederschriftlichen Einvernahme des Beschwerdeführers vom 13.05.2008 (Aktenseiten 83 - 87) sowie aus der Zuständigkeitserklärung Polens vom 02.04.2008 (Aktenseite 15/Unterlagen zu den Dublin-Konsultationen).
3. Rechtlich ergibt sich Folgendes:
3.1. Gemäß § 5 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005 - AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 4/2008, (in der Folge: AsylG 2005) ist ein nicht gemäß § 4 AsylG 2005 erledigter Asylantrag als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Antrages zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Behörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist.
§ 5 Abs. 3 AsylG 2005 lautet:
"(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesasylamt oder beim Asylgerichtshof offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet."
Mit dieser Regelung wurde eine teilweise Beweislastumkehr geschaffen. Es trifft zwar ohne Zweifel zu, dass Asylwerber in ihrer besonderen Situation häufig keine Möglichkeit haben, ihr Beschwerdevorbringen zu untermauern (wobei dem auch durch das Institut des Rechtsberaters begegnet werden kann), und dies mitzubeachten ist (VwGH, 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949); dies kann aber nicht pauschal dazu führen, die vom Gesetzgeber - im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht - vorgenommene Wertung in dieser Bestimmung überhaupt für unbeachtlich zu erklären.
Die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates nach der Dublin-Verordnung ist als negative Prozessvoraussetzung hinsichtlich des Asylverfahrens in Österreich konstruiert. Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens ist somit die Frage der Zurückweisung des Asylantrages wegen Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates.
Nach Art. 3 Abs. 1 Dublin-Verordnung prüfen die Mitgliedstaaten jeden Asylantrag, den ein Drittstaatsangehöriger (eine Person, die nicht Bürgerin oder Bürger der Europäischen Union ist) an der Grenze oder im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin-Verordnung als zuständiger Staat bestimmt wird. Kapitel III enthält in den Artikeln 6 bis 13 die Zuständigkeitskriterien, die nach Art. 5 Abs. 1 "in der in diesem Kapitel genannten Reihenfolge" Anwendung finden.
3.2. Gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin-Verordnung ist der Mitgliedstaat, der nach der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist, gehalten, einen Antragsteller, der sich während der Prüfung seines Antrages unerlaubt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe des Art. 20 wieder aufzunehmen.
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach dem AsylG 2005 mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Asylantrag zurückgewiesen wird. Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn dem Fremden entweder im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden. Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 ist, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, gleichzeitig mit der Ausweisung auszusprechen, dass die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben ist. Gemäß § 10 Abs. 4 AsylG 2005 gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.
Gemäß § 28 Abs. 2 AsylG 2005 ist der Antrag zuzulassen, wenn das Bundesasylamt nicht binnen zwanzig Tagen nach seiner Einbringung entscheidet, dass er zurückzuweisen ist, es sei denn, es werden Konsultationen gemäß der Dublin-Verordnung oder einem entsprechenden Vertrag geführt. Dass solche Verhandlungen geführt werden, ist dem Asylwerber innerhalb der 20-Tages-Frist mitzuteilen.
3.3. Im gegenständlichen Fall ist das Bundesasylamt ausgehend davon, dass der Beschwerdeführer bereits in Polen einen Asylantrag gestellt hat und, dass Polen einer Übernahme des Beschwerdeführers auf Grundlage des Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin-Verordnung am 02.04.2008 zustimmte, zu Recht von einer Zuständigkeit Polens zur Prüfung des Asylantrages ausgegangen.
Festzuhalten ist auch, dass die in § 28 Abs. 2 AsylG 2005 normierte 20-tägige Frist im gegenständlichen Fall eingehalten worden ist.
3.4. Zu prüfen bleibt daher, ob Österreich im gegenständlichen Fall verpflichtet wäre, im Hinblick auf Art. 3 EMRK oder Art. 8 EMRK von seinem Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin-Verordnung Gebrauch zu machen.
3.4.1. Zur möglichen Verletzung des Art. 3 EMRK:
Der Verfassungsgerichtshof sprach - noch zur Vorläuferbestimmung im AsylG 1997 - in seinem Erkenntnis VfSlg 16.122/2001, aus, dass § 5 AsylG 1997 nicht isoliert zu sehen sei; das im Dubliner Übereinkommen festgelegte Selbsteintrittsrecht Österreichs verpflichte - als Teil der österreichischen Rechtsordnung - die Asylbehörde unter bestimmten Voraussetzungen zur Sachentscheidung in der Asylsache und damit mittelbar dazu, keine Zuständigkeitsbestimmung im Sinne des § 5 leg.cit. vorzunehmen. Eine strikte, zu einer Grundrechtswidrigkeit führende Auslegung (und somit Handhabung) des § 5 Abs. 1 AsylG 1997 sei durch die Heranziehung des Selbsteintrittsrechtes zu vermeiden (diese Ausführungen wurden mit VfSlg. 17.340/2004 auf das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-Verordnung übertragen). Der Verwaltungsgerichtshof schloss sich mit Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 23.01.2003, Zl. 2000/01/0498, der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes an.
Der Verfassungsgerichtshof ergänzte mit VfSlg. 17.586/2005 zur oben wiedergegebene Rechtsprechung, dass die Mitgliedstaaten nicht nachzuprüfen haben, ob ein bestimmter Mitgliedstaat generell sicher sei, da die "entsprechende Vergewisserung" nicht durch die Mitgliedstaaten, sondern durch die Organe der Europäischen Union, im konkreten Fall durch den Rat bei der Erlassung der Dublin-Verordnung erfolgt sei. Die einzelnen Mitgliedstaaten hätten daher nicht nachzuprüfen, ob ein anderer generell sicher ist. Insofern sei auch der Verfassungsgerichtshof an die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben gebunden. Eine Nachprüfung der grundrechtlichen Auswirkungen einer Überstellung eines Asylwerbers in einen anderen Mitgliedstaat im Einzelfall sei jedoch gemeinschaftsrechtlich zulässig. Sollte diese Überprüfung ergeben, dass Grundrechte des betreffenden Asylwerbers etwa durch eine Kettenabschiebung bedroht sind, sei aus verfassungsrechtlichen Gründen das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-Verordnung zwingend auszuüben.
In seinem Erkenntnis vom 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582 (das einen Bescheid zur Zuständigkeit Italiens auf der Grundlage des Dubliner Übereinkommen zum Gegenstand hatte) sowie in dem (bereits zur Dublin-Verordnung) Erkenntnis vom 31.05.2005, Zl. 2005/20/0095, führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass in Zuständigkeitsverfahren wie dem gegenständlichen eine Gefahrenprognose zu treffen ist. Dabei sei zu prüfen, ob eine - über die bloße Möglichkeit hinausgehendes - ausreichend substantiierte reale Gefahr ("real risk") besteht, dass ein aufgrund der Dublin-Verordnung in den zuständigen Mitgliedstaat ausgewiesener Asylwerber trotz berechtigtem Schutzbegehren, also auch im Falle der Glaubhaftmachung des von ihm behaupteten Bedrohungsbildes, im Zielstaat der Gefahr einer - direkten oder indirekten - Abschiebung in den Herkunftsstaat ausgesetzt ist. Dabei sei insbesondere zu prüfen, ob der Zielstaat rechtliche Sonderpositionen vertritt, nach denen auch bei der Zugrundelegung der Behauptungen des Asylwerbers eine Schutzverweigerung zu erwarten wäre. Weiters wurde ausgesprochen, dass geringe Asylanerkennungsquoten im Zielstaat für sich allein genommen keine ausreichende Grundlage dafür sind, um vom Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen.
Nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (kurz: EGMR) muss der Betroffene die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr schlüssig darstellen (vgl. EGMR, Entsch. vom 07.07.1987 Nr. 12877/87 [Kalema gegen Frankreich], DR 53, S. 254 [264]; zum Maßstab des "real risk" siehe auch die Nachweise in VwGH 31.03.2005, 2002/20/0582).
Zur Behauptung einer möglichen Bedrohung des Beschwerdeführers:
Im gegenständlichen Fall kann nun nicht gesagt werden, dass der Beschwerdeführer ausreichend substantiiert und glaubhaft dargelegt hätte, dass ihm durch eine Rückverbringung nach Polen die - über eine bloße Möglichkeit hinausgehende - Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung drohen würde. Vielmehr bezieht sich dieser bei seiner Kritik an Polen darauf, dass er gehört habe, dass in Polen alle tschetschenischen Flüchtlinge an die "Kadirov-Leute" übergeben werden.
Zu möglichen Bedrohungen des Beschwerdeführers in Polen ist weiters auszuführen:
Polen ist ein Rechtstaat mit funktionierender Staatsgewalt. Der Beschwerdeführer kann sich im Falle eventueller Übergriffe gegen seine Person bzw. seine Familie - welche im Übrigen in jedem Land möglich wären - an die polnischen Behörden wenden und von diesen Schutz erwarten. Der Beschwerdeführer wäre daher allfälligen Übergriffen nicht schutzlos ausgeliefert. Er hat es aber vielmehr unterlassen, sich an die polnischen Behörden mit der Bitte um Schutz zu wenden. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte, dass sich der Beschwerdeführer nicht an die polnischen Behörden hätte wenden können bzw. dass die polnischen Behörden nicht willens oder nicht in der Lage gewesen wären, Schutz zu gewähren.
Zur mangelnden Gesundheitsversorgung des Beschwerdeführers:
Unbestritten ist, dass nach der allgemeinen Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK und Krankheiten, die auch im vorliegenden Fall maßgeblich ist, eine Überstellung nach Polen nicht zulässig wäre, wenn durch die Überstellung eine existenzbedrohende Situation drohte und in diesem Fall das Selbsteintrittsrecht nach der Dublin-Verordnung zwingend auszuüben wäre.
In diesem Zusammenhang ist vorerst auf das diesbezügliche Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH vom 06.03.2008, B 2400/07) und die dort wiedergegebene aktuelle Rechtsprechung des EGMR zur Frage der Vereinbarkeit der Abschiebung Kranker in einen anderen Staat mit Art. 3 EMRK zu verweisen. Zusammenfassend führt der Verfassungsgerichtshof aus, dass sich aus den Entscheidungen des EGMR ergäbe, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (D. v. the United Kingdom, EGMR 02.05.1997, Appl. 30.240/96).
Die jüngste Rechtsprechung des EGMR (N. v. UK, 27.05.2008, Appl. 26.565/05) und Literaturmeinungen (Premissl, migraLex 2/2008, 54ff, Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in "Dublin-Verfahren") bestätigen diese Einschätzung, wobei noch darauf hinzuweisen ist, dass EU-Staaten verpflichtet sind, die RL 2003/9/EG vom 27.1.2003 (die sogenannte Aufnahme-RL) umzusetzen und sohin jedenfalls eine begründete Vermutung des Bestehens einer medizinischen Versorgung besteht.
Im vorliegenden Fall konnte der Beschwerdeführer keine akut existenzbedrohende Krankheitszustände belegen, respektive die Notwendigkeit weitere Erhebungen seitens des Asylgerichtshofes. Aus der Aktenlage sind keine Hinweise auf einen aktuellen existenzbedrohenden Zustand ersichtlich. Es sind somit nach Ansicht des Asylgerichtshofes zu dieser Frage weitere Beweisaufnahmen nicht erforderlich.
Des Weiteren ist auf die Feststellungen der Erstbehörde zur medizinischen Versorgung in Polen zu verweisen. Der Asylgerichtshof verkennt dabei nicht, dass es in der medizinischen Versorgung in Polen (wie in vielen anderen Staaten) Verbesserungsbedarf gibt. Ein außergewöhnlicher komplexer Krankheitszustand, der möglicherweise im Einzelfall eine andere Beurteilung angezeigt erscheinen ließe (vgl. die Entscheidung des UBAS vom 09.07.2007, Zl. 308.595-3/2E-XV/53/07), liegt hier jedenfalls nicht vor. In der Beschwerdeschrift wurde den Feststellungen des Bundesasylamtes zur medizinischen Versorgung in Polen auch nicht entgegen getreten.
Zusammengefasst stellt daher eine Überstellung der Beschwerdeführerin nach Polen keinesfalls eine Verletzung des Art. 3 EMRK und somit auch keinen Anlass zur Ausübung des Selbsteintrittsrechtes Österreichs nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-Verordnung dar.
3.4.2. Zur möglichen Verletzung nach Art. 8 EMRK
Es leben keine Angehörigen der Kernfamilie der Beschwerdeführerin in Österreich. Die diesbezüglichen Ausführungen der belangten Behörde treffen zu; diesen ist in der Beschwerde auch nicht entgegengetreten worden. Es liegen auch sonst keine Hinweise auf eine bereits erfolgte außergewöhnliche Integration in Österreich, etwa aufgrund sehr langer Verfahrensdauer, vor (vgl. VfGH 26.02.2007, Zl. B 1802, 1803/06).
Das Beschwerdeverfahren, welches die Ehegattin des Beschwerdeführers (vgl. dazu das Erkenntnis des Asylgerichtshof vom heutigen Tag zur Zahl: S8 319.900-1/2008/2E), hat nicht ergeben, dass sein Verfahren zuzulassen wären. Daher ergibt sich auch daraus nicht, dass das Verfahren des Beschwerdeführers gemäß § 34 Abs. 4 AsylG 2005 zuzulassen wäre.
3.4.3. Zusammenfassend kann daher gesagt werden, dass kein Anlass für einen Selbsteintritt Österreichs gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin-Verordnung aufgrund einer drohenden Verletzung der durch Art. 3 und Art. 8 EMRK gewährleisteten Rechte besteht.
3.5. Hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides ist noch auszuführen, dass keine Hinweise für eine Unzulässigkeit der Ausweisung im Sinne des § 10 Abs. 2 AsylG 2005 ersichtlich sind, da weder ein nicht auf das AsylG 2005 gestütztes Aufenthaltsrecht aktenkundig ist noch der Beschwerdeführer in Österreich über Angehörige im Sinne des Art. 8 EMRK verfügt. Darüber hinaus sind auch keine Gründe für einen Durchführungsaufschub gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 ersichtlich.
Was schließlich den seitens des Bundesasylamtes in dem Bescheidspruch aufgenommenen Ausspruch über die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Polen anbelangt, so ist darauf hinzuweisen, dass die getroffene Ausweisung, da diese mit einer Entscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 verbunden ist, gemäß § 10 Abs. 4 erster Satz AsylG 2005 schon von Gesetzes wegen als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat gilt.
Das Bundesasylamt hat im deutschsprachigen Teil zu Spruchpunkt II. irrtümlich festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung von "I.M." nach Polen gemäß § 10 Abs. 4 AsylG 2005 zulässig sei. Ein Berichtigungsbescheid wegen eines offensichtlichen Schreibfehlers liegt dem Asylgerichtshof nicht vor. Die Ausweisungsentscheidung war daher in der Maßgabe zu bestätigen, dass sie auf den Namen des Beschwerdeführers zu lauten hat.
3.6. Von der Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung konnte gemäß § 41 Abs. 4 AsylG 2005 abgesehen werden.