TE AsylGH Erkenntnis 2008/08/20 E2 221812-9/2008

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Veröffentlicht am 20.08.2008
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Spruch

E2 221.812-9/2008-16E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. HUBER-HUBER als Vorsitzenden und die Richterin Mag. HERZOG-LIEBMINGER als Beisitzerin im Beisein der Schriftführerin Fr. BIRNGRUBER über die Beschwerde des A.M., geb. 00.00.1977, StA. Türkei, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 19.07.2006, FZ. 00 15.198-BAL, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

I. Die Beschwerde wird gemäß §§ 7, 8 Abs. 1 AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF BGBl. I Nr. 4/2008 hinsichtlich Spruchpunkt I. und II. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen.

 

II. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt III. stattgegeben und dieser ersatzlos behoben.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

 

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: "BF"), ein türkischer Staatsangehöriger, kurdischer Volksgruppenzugehörigkeit und moslemischen Glaubens, stellte schriftlich über seinen Rechtsanwalt, Dr. H.B., am 31.10.2000, einen Antrag auf Gewährung von Asyl. Der Asylantrag langte am 02.11.2000 beim Bundesasylamt ein.

 

2. Das Bundesasylamt wies den Antrag nach Einvernahme des BF am 09.01.2001 mit Bescheid vom 09.03.2001 gem. § 6 Z 2 AsylG 1997 als offensichtlich unbegründet ab und erklärte gem. § 8 AsylG 1997 die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Antragstellers in die Türkei für zulässig. Die gegen diesen Bescheid eingebrachte Berufung wurde mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 13.02.2002, GZ 221.812/0-II/39/01, gem. § 6 Z 1 und 2 AsylG 1997 abgewiesen und gem. § 8 AsylG in Verbindung mit § 57 FrG, BGBl. I 75/1997 festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Antragstellers in die Türkei zulässig ist. Der Verwaltungsgerichthof hat der Beschwerde gegen den zuletzt genannten Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates statt gegeben und den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Mit Ersatzbescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 17.11.2003 (GZ: 221.812/7-II/39/03 wurde der Berufung des BF vom 22.03.2001 stattgegeben, der bekämpfte Bescheid des Bundesasylamtes vom 09.03.2001 gem. § 32 Abs. 2 AsylG 1997 (BGBl. I Nr. 75/1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002) behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung eines Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen. Im neuerlichen erstinstanzlichen Verfahren wurde der BF über seinen Vertreter zur Abgabe einer Stellungnahme aufgefordert. Der BF hat durch seinen Vertreter eine Stellungnahme abgegeben. In weiterer Folge wurde der BF am 14.10.2005 im Beisein seiner rechtlichen Vertreterin beim Bundesasylamt einvernommen. Nach Durchführung weiterer Ermittlungen wies das Bundesasylamt den Asylantrag des BF mit Bescheid vom 19.07.2006, Zahl: 00 15.198-BAL; gem. § 7 AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 (AsylG) idgF ab, erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF in die Türkei gem. § 8 Abs. 1 AsylG für zulässig und wies den Antragsteller gem. § 8 Abs. 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei aus.

 

3. Gegen diesen Bescheid wurde durch seinen nunmehr seit 03.07.2006 bevollmächtigten Vertreter, Rechtsanwalt Mag. Dr. M.E., rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde (vormals: "Berufung") eingebracht. (Das Vollmachtsverhältnis zu Dr. H.B. wurde mit Mitteilung vom 27.06.2006 aufgelöst.) Mit der Beschwerde wird der Bescheid in allen Spruchpunkten bekämpft und Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens:

 

1.1. Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens wurde Beweis erhoben durch:

 

Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verfahrensakt;

 

Einsichtnahme in die vom BF im Beschwerdeverfahren vorgelegte Heiratsurkunde, ausgestellt vom Magistrat L. am 00.00.2006

 

Beschaffung eines Auszuges aus der Fremdenpolizeilichen Information beinhaltend den Niederlassungsnachweis der Ehegattin des BF

 

2. Der Asylgerichtshof geht aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem Sachverhalt aus:

 

2.1. Zur Person des BF:

 

2.1.1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Türkei. Er reiste am 31.10.2000 illegal über einen unbekannten Grenzübergang per LKW nach Österreich ein und stellte noch am selben Tag schriftlich einen Asylantrag. Nach seinen Angaben bei der ersten Einvernahme lebte er bis zum 20.10.2000 bei seinen Eltern in K.. Danach sei er nach Istanbul gefahren und schon am 22.10.2000 aus der Türkei ausgereist. Die Reiseroute konnte der BF nicht angeben, zumal er den LKW, mit dem er gereist war, nicht verlassen durfte.

 

Der BF lebt in Österreich mit seiner Ehefrau, A.S. türkische Staatsangehörige, und seiner am 00.00.2005 in Österreich geborenen Tochter, Y.D., im gemeinsamen Haushalt. Weiters leben drei Brüder, die alle österreichische Staatsbürger sind und eine Schwester des BF, welche die türkische Staatsbürgerschaft hat, in Österreich. Mit keinem der letztgenannten lebt der BF im gemeinsamen Haushalt. Die Ehe wurde am 00.00.2006 geschlossen. Die Ehegattin des BF ist im Besitze eines vom Magistrat bewilligten, unbefristeten Aufenthaltstitels.

 

2.2. Zum Asylvorbringen:

 

2.2.1. Der BF machte anlässlich der ersten Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 09.01.2001 zunächst geltend, in seiner Heimat keine Rechte gehabt zu haben. Wenn er sein Dorf besuchen wollte, sei es auf dem Weg dorthin zu 10 bis 15 Durchsuchungen gekommen. Er sei arbeitslos gewesen. Zuletzt habe er im Krankenhaus als Koch gearbeitet. Dort habe er keinen Versicherungsschutz gehabt und das Gehalt von 100.000.000 türkischen Lira sei nicht regelmäßig ausgezahlt worden. Mit umgerechnet 3.000 österreichischen Schilling würde man nicht leben können.

 

Im Jahr 1992 habe die PKK den Onkel und den Schwager des BF erschossen und die Familie habe zusammen mit anderen Dorfbewohnern das Dorf verlassen.

 

In einer weiteren schriftlichen Stellungnahme des BF wurde dann angeführt, dass der Versicherungsschutz aufgrund der Zugehörigkeit zur kurdischen Volksgruppe verweigert worden wäre. Bei einer Rückkehr befürchte der BF die Verhaftung wegen seiner illegalen Ausreise. Weiters befürchte er für sich dasselbe Schicksal, wie es seinem Onkel und Schwager widerfahren war; d.h. bei einer Weigerung der Zusammenarbeit mit der PKK würde ihn diese erschießen. Eine innerstaatliche Fluchtalternative sei nicht zur Verfügung gestanden.

 

2.2.2. Im weiteren Verlauf des an die erste Instanz zurückverwiesenen Verfahrens wurde ein Haftbefehl des Landgerichts K. vorgelegt, wonach der BF wegen "eindringlicher Handlung" und "Unterstützung einer illegalen Organisation" gesucht werde. Das Schreiben wurde über Auftrag des Bundesasylamtes von Vertrauensanwälten der österreichischen Botschaft in Ankara untersucht und als Fälschung bezeichnet.

 

2.3. Die Erstbehörde traf im angefochtenen Bescheid für den individuellen Fall, in welchem das Fluchtvorbringen als gänzlich unglaubwürdig erachtet wurde, hinreichend aktuelle Feststellungen mit nachvollziehbaren Quellenangaben zur politischen Lage, zu den Menschenrechten, zur Grundversorgung und zu Rückkehrfragen in die Türkei. Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass die Angaben des Antragstellers zu seinen Fluchtgründen nicht glaubwürdig seien und wurde die mangelnde Glaubwürdigkeit durch Darstellung der widersprüchlichen Angaben des Antragstellers seitens der Erstbehörde auch entsprechend ausführlich begründet.

 

2.4. Dagegen wurde am 28.07.2006 Berufung (nunmehr als Beschwerde zu werten) eingebracht. Diese beschränkt sich auf die Ausführung, dass sämtliche Fluchtgründe wiederholt werden und nichts Neues mehr vorzubringen sei. Auf die Beweiswürdigung und die festgestellte Unglaubwürdigkeit wurde nicht eingegangen.

 

4. Mit Einrichtung des Asylgerichtshofes wurde der gegenständliche Verfahrensakt der Gerichtsabteilung E2 zugeteilt.

 

5. Beweiswürdigung

 

5.1. Hinsichtlich der Beweiswürdigung wird im Ergebnis auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid verwiesen, zumal das Bundesasylamt ein mängelfreies und ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens sowie die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen klar und übersichtlich zusammengefasst hat (zur Zulässigkeit dieses Vorgehens vgl. VwGH 04.10.1995, Zahl 95/01/0045; VwGH 25.3.1999, Zahl 98/20/0559; VwGH 24.11.1999, Zahl 99/01/0280; VwGH 8.6.2000, Zahl 99/20/0366; VwGH 30.11.2000, Zahl 2000/20/0356; VwGH 22.2.2001, Zahl 2000/20/0557; VwGH 21.6.2001, Zahl 99/20/0460).

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Gemäß dem Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz, BGBl. I Nr. 4/2008, wurde der Asylgerichtshof - bei gleichzeitigem Außerkrafttreten des Bundesgesetzes über den unabhängigen Bundesasylsenat - eingerichtet und treten die dort getroffenen Änderungen des Asylgesetzes mit 01.07.2008 in Kraft; folglich ist das AsylG 2005 ab diesem Zeitpunkt in der Fassung BGBl. I Nr. 4/2008 anzuwenden.

 

Gemäß § 75 Abs 7 AsylG 2005 idF BGBl I Nr 4/2008 sind am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen weiterzuführen:

 

"[...]

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, sind von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat weiterzuführen.

 

[...]"

 

Im Rahmen der Interpretation des § 75 Abs 7 AsylG ist mit einer Anhängigkeit der Verfahren beim Unabhängigen Bundesasylsenat mit 30.6.2008 auszugehen (vgl. Art. 151 Abs 39 Z 1 B-VG). Der in dieser Übergangsbestimmung erwähnte 1. Juli 2008 ist im Sinne der genannten Bestimmung des B-VG zu lesen.

 

Gemäß § 9 Abs. 1 AsylGHG, BGBl. I Nr. 4/2008 in der geltenden Fassung entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, soweit eine Entscheidung durch einen Einzelrichter oder Kammersenat nicht bundesgesetzlich vorgesehen ist. Gemäß § 60 Abs. 3 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide nach den §§ 4 und 5 AsylG 2005 und nach § 68 AVG durch Einzelrichter. Gemäß § 42 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof bei Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung oder Rechtsfragen, die sich in einer erheblichen Anzahl von anhängigen oder in naher Zukunft zu erwartender Verfahren stellt, sowie gemäß § 11 Abs. 4 AsylGHG, wenn im zuständigen Senat kein Entscheidungsentwurf die Zustimmung des Senates findet durch einen Kammersenat.

 

Im vorliegenden Verfahren liegen weder die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch einen Einzelrichter noch die für eine Entscheidung durch den Kammersenat vor.

 

2. Gemäß § 23 Asylgerichtshofgesetz (Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz; Art. 1 BG BGBl. I 4/2008) sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt."

 

3. Gem. § 75 Abs. 1 AsylG 2005 sind alle am 31.12.2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des AsylG 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt.

 

Gemäß § 44 Absatz 1 Asylgesetz 1997 werden Verfahren zur Entscheidung über Asylanträge und Asylerstreckungsanträge, die bis zum 30. April 2004 gestellt wurden, nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl I Nr. 76/1997 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 126/2002 geführt.

 

Gem. § 44 Abs. 3 AsylG sind die §§ 8, 15, 22, 23 Abs. 3, 5 und 6, 36, 40 und 40a in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003 auch auf Verfahren gemäß Abs. 1 anzuwenden.

 

Gegenständliches Verfahren war bereits am 31.12.2005 anhängig, weshalb dieses nach den Bestimmungen des AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 geführt wird und § 8 AsylG idF BGBl. I Nr. 101/2003 zu Anwendung kommt .

 

4. Gemäß § 7 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 (im Folgenden: AsylG) hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention vom 28.07.1951, BGBL. Nr. 55/1955, iVm Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 31.01.1967, BGBl. Nr. 78/1974, ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und sich nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

5. Gem. § 8 Abs. 1 AsylG hat die Behörde von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist (§ 57 FrG), wenn ein Asylantrag abzuweisen ist; diese Entscheidung ist mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden. Wenn der Asylantrag abzuweisen ist und die Überprüfung gem. Abs. 1 ergeben hat, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist, hat die Behörde gem. Abs. 2 leg. cit. diesen Bescheid mit der Ausweisung zu verbinden.

 

Gem. § 124 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBL I Nr. 100/2005, treten, soweit in anderen Bundesgesetzen auf Bestimmungen des Fremdengesetzes 1997 verweisen wird, an deren Stelle die entsprechenden Bestimmungen dieses Bundesgesetzes. Im § 8 Abs. 1 AsylG 1997 wird auf die Bestimmungen des Fremdengesetzes 1997 verwiesen. Folglich ist hinsichtlich der Prüfung des Refoulements auf § 50 FPG abzustellen.

 

Gem. § 50 Abs. 1 FPG 2005 ist die Zurückweisung, die Hinderung an der Einreise, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

 

Gem. Abs. 2 leg. cit. ist die Zurückweisung oder Zurückschiebung Fremder in einen Staat oder die Hinderung an der Einreise aus einem Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

 

6. Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die erkennende Behörde, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, im Spruch und in der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Abweisung des Antrages auf Gewährung von Asyl:

 

1. Das Bundesasylamt hat ein mängelfreies ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst.

 

Der Asylgerichtshof schließt sich diesen Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid an und erhebt sie zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses.

 

2. Die Beschwerde hält der substantiierten Beweiswürdigung der Erstbehörde in Bezug auf die Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers nichts entgegen. In der Beschwerdeschrift wurde auf die konkreten vom Bundesasylamt angeführten Widersprüche und Implausibilitäten nicht eingegangen. Der Beschwerdeschriftsatz enthält somit keine konkreten Ausführungen, wie die schlüssige Beweiswürdigung der Erstbehörde entkräftet werden könnte und vermag daher den erkennenden Senat auch nicht zu weiteren Erhebungsschritten und insbesondere auch nicht zur Abhaltung einer mündlichen Verhandlung veranlassen; dies insbesondere auch unter dem Aspekt des im Wesentlichen mängelfreien Verfahrens des Bundesasylamtes und der Verwendung hinreichender Länderfeststellungen mit nachvollziehbaren Quellenangaben im Bescheid des Bundesasylamtes, denen ebenso in der Beschwerde überhaupt nicht entgegengetreten wurde.

 

In Folge der Unglaubwürdigkeit des ausreiserelevanten Sachvortrages des BF ist es diesem schon deshalb nicht gelungen, mit ausreichender Wahrscheinlichkeit das Vorliegen asylrelevanter Verfolgung iSd

Artikel 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) glaubhaft zu machen. In Ermangelung des Vorliegens dieser conditio sine qua non in Hinblick auf die Gewährung von Asyl iS des § 7 Asylgesetz kann daher der Asylantrag vom 31.10.2000 nicht positiv beschieden werden.

 

Zulässigerklärung der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Türkei:

 

1. Der Fremde hat glaubhaft zu machen, dass er im Sinne des § 50 Absatz 1 und Absatz 2 Fremdenpolizeigesetz (vormals § 57 Absatz 1 und 2 Fremdengesetz) aktuell bedroht ist, dass die Bedrohung also im Falle, dass er abgeschoben würde, in dem von seinem Antrag erfassten Staat gegeben wäre und durch staatliche Stellen zumindest gebilligt wird oder durch sie nicht abgewandt werden kann. Gesichtspunkte der Zurechnung der Bedrohung im Zielstaat zu einem bestimmten "Verfolgersubjekt" sind nicht von Bedeutung; auf die Quelle der Gefahr im Zielstaat kommt es nicht an (VwGH 21.8.2001, Zahl 2000/01/0443; VwGH 26.2.2002, Zahl 99/20/0509). Diese aktuelle Bedrohungssituation ist mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender Angaben darzutun, die durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert werden (VwGH 2.8.2000, Zahl 98/21/0461). Dies ist auch im Rahmen des § 8 Absatz 1 Asylgesetz zu beachten (VwGH 25.1.2001, Zahl 2001/20/0011, damals noch zu § 8 Asylgesetz vor der Novelle 2003). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in seiner Sphäre gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.9.1993, Zahl 93/18/0214). Der Prüfungsrahmen des § 50 Fremdenpolizeigesetz (vormals § 57 Fremdengesetz) ist durch § 8 (nunmehr: § 8 Absatz 1) Asylgesetz auf den Herkunftsstaat des Fremden beschränkt (VwGH 22.4.1999, Zahl 98/20/0561).

 

2. Zum Entscheidungszeitpunkt sind keine Umstände notorisch, aus denen sich eine ernste Verschlechterung der Lage in der Türkei ergeben würde.

 

3. Gemäß dem Amtswissen des erkennenden Senates gibt es in der Türkei auch keine systematische Diskriminierung oder Benachteiligung von Kurden und kann daher nicht angenommen werden, dass es dem Antragsteller allein wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit nicht möglich wäre eine entsprechende Arbeit zu finden. Überdies kommt Schwierigkeiten hinsichtlich der Arbeitsfindung nur dann Asylrelevanz zu, wenn es dadurch zu einem Entzug der Lebensgrundlage kommt (vgl das hg Erkenntnis vom 22. Mai 1996, Zl 95/01/0305, VwGH 24. 11. 1999, 98/01/0652; vgl auch VwGH 24. 3. 1999, 98/01/0380), was im gegenständlichen Fall - insbesondere auf Grund des Umstandes, dass es sich bei ihm weiters um einen gesunden arbeitsfähigen jungen Mann handelt - nicht gegeben ist.

 

4. Schließlich ist noch auszuführen, dass in der Türkei weder grobe, massenhafte Menschenrechtsverletzungen unsanktioniert erfolgen, noch nach den seitens der Erstbehörde getroffenen Feststellungen von einer völligen behördlichen Willkür auszugehen ist, ist auch kein "real Risk" (dazu jüngst VwGH vom 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582) einer unmenschlichen Behandlung festzustellen. Daher ist es auch dem Beschwerdeführer als jungen Mann zuzumuten zurückzukehren, ohne dass ein reales Risiko einer Verletzung von Art. 3 EMRK bestünde.

 

5. Besondere Umstände (zB schwere Krankheit, entsprechend der Judikatur des EGMR), die ausnahmsweise gegen eine Rückkehr sprechen würden, sind im vorliegenden Verfahren nicht hervorgekommen. Aus den vom BF vorgelegten Befunden der Landesnervenklinik (chronischer Spannungskopfschmerz und chronische Sinusitis ethmoidalis und Polyposis nasi) ergeben sich keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines lebensbedrohlichen Zustandes beim BF oder dass ein solcher im Falle der Abschiebung eintreten könnte. Wie das Bundesasylamt richtig feststellte, ist die medizinische Basisversorgung in der Türkei gegeben. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass dem Beschwerdeführer im Fall seiner Abschiebung in die Türkei dort die notdürftigste Lebensgrundlage fehlte. Aus den Länderfeststellungen des erstinstanzlichen Bescheides ergibt sich auch, dass die Grundversorgung der Bevölkerung in der Türkei sehr wohl gesichert ist. Es ist daher davon auszugehen, dass er ohne jedes substantiierte Vorbringen nicht als im Sinne der EMRK gefährdet anzusehen ist.

 

Ein Abschiebungshindernis im Sinne von Art. 3 EMRK iVm § 8 Abs. 1 AsylG liegt somit nicht vor.

 

Wiederum ist festzuhalten, dass zum Entscheidungszeitpunkt keine Umstände notorisch sind, aus denen sich eine ernste Verschlechterung der allgemeinen (alle unterschiedslos treffenden) Sicherheitslage oder der wirtschaftlich-sozialen Lage in der Türkei ergeben würde; auch hiezu ist seitens des Beschwerdeführers in der Beschwerde kein konkretes Vorbringen erfolgt.

 

Aufhebung der Ausweisungsentscheidung:

 

1. Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG hat die Behörde den Bescheid mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Asylantrag abgewiesen wird und die Überprüfung gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ergeben hat, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat zulässig ist. § 8 AsylG idF BGBl. I Nr. 101/2003 ist auch auf Verfahren anzuwenden, bei denen der Asylantrag vor dem 01.05.2004 gestellt wurde (§ 44 Abs. 3 AsylG)

 

Der gegenständliche Asylantrag ist abzuweisen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat für zulässig zu erklären. Es liegt daher bei Erlassung dieses Erkenntnisses kein rechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet mehr vor. Die Entscheidung wäre daher mit einer Ausweisung zu verbinden.

 

2. Bei Ausspruch der Ausweisung kann ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens vorliegen (Art. 8 Abs. 1 EMRK).

 

2.1. Unzweifelhaft ist für den vorliegenden Fall festzustellen, dass ein Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK gegeben ist. Der BF lebt mit seiner Ehegattin und seiner Tochter, die beide türkische Staatsangehörige sind, im gemeinsamen Haushalt. Die Ehegattin des BF ist überdies im Besitze einer unbefristeten Niederlassungsbewilligung. Insofern kommt es durch eine bloß auf den BF bezogene Ausweisungsverfügung zu einem beachtlichen Eingriff in das Recht auf Familienleben. Durch eine erzwungene Ausreise des BF in die Türkei käme es zu einer Trennung der Familie. Es ist daher im gegenständlichen Fall insbesondere zu prüfen, ob dieser Eingriff eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist (Artikel 8 Absatz 2 EMRK).

 

2.2. Auch das Bundesasylamt erkannte den Familienbezug des BF zu seinen in Österreich lebenden Verwandten, wobei für die Erstinstanz zum Entscheidungszeitpunkt noch von einer Lebensgemeinschaft des BF mit seiner nunmehrigen Ehefrau auszugehen war. Es hat auch richtig angenommen, dass dem Antragsteller bei der Antragstellung klar gewesen sein musste, dass der Aufenthalt nur ein vorübergehender sein kann. Das Bundesasylamt vertritt die Ansicht, der BF könne sich unter diesen Bedingungen nicht erfolgreich auf sein Privat- und Familienleben berufen, da in diesem Fall die Ziele eines geordneten Fremdenwesens verfehlt würden. Aufenthaltsrechtliche Vorschriften würden es verbieten, dass er seinen Aufenthalt jedenfalls vom Inland aus legalisiert. Bei einer Unterlassung der Ausweisungsentscheidung würde der BF damit die Möglichkeit haben, sich einen dauernden Aufenthalt im Wege des Asylrechts und unter Umgehung der fremden- und aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen zu verschaffen. Dies sei nicht die Intention eines geordneten Fremdenwesens. Die Familienzusammenführung mit in anderen Staaten lebenden "Gastarbeitern" sei nicht Zweck der Genfer Flüchtlingskonvention. Der BF sei überdies illegal unter Umgehung der Grenzkontrolle eingereist und die Asylantragstellung habe sich - ex post betrachtet - als rechtsmissbräuchlich herausgestellt. Unter Ausnützung der dadurch erlangten vorläufigen und aufgrund der negativen Asylentscheidung nicht mehr länger andauernden Aufenthaltsberechtigung sei es dem BF möglich gewesen, ein Familienleben zu begründen. Gem. § 21 Abs. 1 NAG seien Erstanträge vor der Einreise in das Bundesgebiet bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einzubringen und die Entscheidung im Ausland abzuwarten. Die Ausnahmen des § 21 Abs. 2 NAG lägen nicht vor. Das Bundesasylamt wertete daher das öffentliche Interesse eines geordneten Fremdenwesens höherwertig als das private Interesse des BF am Fortbestand der Lebensgemeinschaft mit seiner Frau und seinem Kind. Auch den Fortbestand des Familienverbandes mit dem in Österreich lebenden Bruder erachtete das Bundesasylamt nicht höherwertig als das öffentliche Interesse. Zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele sei daher die Ausweisung geboten und es könne nur mit der Ausweisung vorgegangen werden, da aus dem Verhalten des BF nicht erkennbar ist, dass er ausreisewillig wäre. Die Ausweisung stelle das gelindeste Mittel dar, um den illegalen Aufenthalt im Bundesgebiet zu beenden.

 

2.3. Der Verfassungsgerichtshof hat zu § 8 Abs. 2 AsylG festgehalten, dass der Gesetzgeber durch die - im Gegensatz zu den fremdenpolizeilichen Regelungen der §§ 33, 34 Fremdengesetz 1997 (FrG) - zwingend vorgesehene und eine Ermessensübung ausschließende Ausweisung von Asylwerbern eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung im Inland von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragstellung im Bundesgebiet aufhalten durften, verhindern will. Es könne dem Gesetzgeber nicht entgegen getreten werden, wenn er auf Grund dieser Besonderheit Asylwerber und andere Fremde unterschiedlich behandelt. Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 15. Oktober 2004, G 237/03 u.a. (VfSlg. 17 340), ausgesprochen hat, sei bei Entscheidungen über die Ausweisung von Asylwerbern deren grundrechtliche Position zu beachten. Demnach müsse bei einer Ausweisungsentscheidung nach § 8 Abs. 2 AsylG auch auf Art. 8 EMRK Bedacht genommen werden. § 37 FrG lege (für die fremdenpolizeiliche Ausweisung) Kriterien fest, die sich auch aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu Art. 8 EMRK in Fällen der Außerlandesschaffung eines Fremden ergeben und die bei Ausweisungen nach § 8 Abs. 2 AsylG, auch wenn sie dort nicht genannt sind, von den Asylbehörden beachtet werden müssten. Divergenzen zwischen einer Beurteilung der Interessenabwägung durch die Fremdenpolizei- und die Asylbehörden könnten sich allein deshalb ergeben, weil die Asylbehörden nur die Zulässigkeit der Ausweisung in den Herkunftsstaat zu beurteilen haben, während Fremdenpolizeibehörden bei der Interessenabwägung bezüglich des möglichen Aufenthaltes nach einer Ausweisung eine Vielzahl von Möglichkeiten in Betracht ziehen müssten. Auch möge das Gewicht der öffentlichen Interessen im Verhältnis zu den Interessen des Fremden bei der Ausweisung von Fremden, die sich etwa jahrelang legal in Österreich aufgehalten haben, und Asylwerbern, die an sich über keinen Aufenthaltstitel verfügen und denen bloß während des Verfahrens Abschiebeschutz zukomme, unterschiedlich zu beurteilen sein (vgl. zu allem das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 17. März 2005, Zl. G 78/04 u.a., VfSlg. 17 516).

 

2.4. Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen haben die Asylbehörden daher ihre den Asylantrag abweisende und Refoulementschutz verneinende Entscheidung im Regelfall mit einer Ausweisung des Asylwerbers in den Herkunftsstaat zu verbinden.

 

2.5. Eine solche hat jedoch nicht zu erfolgen, wenn dadurch in die grundrechtliche Position des Asylwerbers eingegriffen wird. Dabei ist auf das Recht auf Achtung seines Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK Bedacht zu nehmen.

 

Art. 8 Abs. 2 EMRK erlaubt derartige Eingriffe - so sie gesetzlich vorgesehen sind - nur soweit, als diese Maßnahmen in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig sind. Die Regelung erfordert daher eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen (vgl. Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention2, 194; und jüngst das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Juni 2007, B 2126/06, mit Verweis auf die vom EGMR entwickelten Kriterien). In diesem Sinne wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung. Bei dieser Abwägung sind insbesondere die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden und seiner Familienangehörigen sowie die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen zu berücksichtigen (VwGH 26.07.2007, 2007/01/0479).

 

2.6. Der Asylgerichtshof verkennt dabei ebenso wenig wie das Bundesasylamt die Wichtigkeit eines geordneten Fremdenwesens und des dahinter stehenden öffentlichen Interesses. Dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen kommt im Interesse des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) daher ein hoher Stellenwert zu. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat fallbezogen unterschiedliche Kriterien herausgearbeitet, die bei einer solchen Interessenabwägung zu beachten sind und als Ergebnis einer Gesamtbetrachtung dazu führen können, dass Art. 8 EMRK einer Ausweisung entgegensteht: Er hat etwa die Aufenthaltsdauer, die vom EGMR an keine fixen zeitlichen Vorgaben geknüpft wird (EGMR 31.1.2006, Fall Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Appl. 50.435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562;

16.9.2004, Fall Ghiban, Appl. 11.103/03, NVwZ 2005, 1046), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (EGMR 28.5.1985, Fall Abdulaziz ua., Appl. 9214/80, 9473/81, 9474/81, EuGRZ 1985, 567;

20.6.2002, Fall Al-Nashif, Appl. 50.963/99, ÖJZ 2003, 344;

22.4.1997, Fall X, Y und Z, Appl. 21.830/93, ÖJZ 1998, 271) und dessen Intensität (EGMR 2.8.2001, Fall Boultif, Appl. 54.273/00), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert (vgl. EGMR 4.10.2001, Fall Adam, Appl. 43.359/98, EuGRZ 2002, 582; 9.10.2003, Fall Slivenko, Appl. 48.321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.6.2005, Fall Sisojeva, Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554; vgl. auch VwGH 5.7.2005, 2004/21/0124;

11.10.2005, 2002/21/0124), die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung (vgl. zB EGMR 24.11.1998, Fall Mitchell, Appl. 40.447/98; 11.4.2006, Fall Useinov, Appl. 61.292/00) für maßgeblich erachtet (VfGH v. 29.09.2007, B 328/07-9).

 

2.7. Unter Bedachtnahme auf die angeführte Judikatur des EGMR gelangt der entscheidende Senat zur Ansicht, dass die vom Bundesasylamt vorgenommene Interessensabwägung nicht vollständig ist. Das Bundesasylamt hat mit keinem Wort die Dauer des Aufenthaltes des BF erwähnt. Immerhin war der BF zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung bereits fast 6 Jahre im Bundesgebiet aufhältig. Aber auch der Umstand, dass er zum damaligen Entscheidungszeitpunkt mit einer dauernd aufenthaltsberechtigten türkischen Staatsbürgerin eine Lebensgemeinschaft führte, aus der ein am 24.05.2005 geborenes Kind entstammt, wurde nicht ausreichend gewürdigt. Inzwischen hat der BF mit dieser Frau eine Ehe geschlossen. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass es sich dabei um eine bloße Scheinehe handelt.

 

Dadurch, dass die Behörde eine Reihe der im Erkenntnis des VfGH vom 29.09.2007, B 328/07-9 genannten Kriterien nicht in ihre Interessenabwägung einbezogen hat, würde der BF durch eine Ausweisung in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verletzt.

 

Angesichts der dargestellten Sachlage verliert auch der Umstand, dass die familiären Bindungen zu einem Zeitpunkt entstanden sind, in dem sich der Beschwerdeführer seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst war, insofern an Gewicht, als die Verfahrensdauer primär von den Behörden zu verantworten ist. So ist aktenkundig, dass schon der im ersten Verfahrensgang ergangene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 22.10.2003, Zl. 2002/20/0151 behoben wurde. Dieser Fehler ist dem BF nicht anzulasten. Im fortgesetzten Verfahren erfolgte zwar eine rasche Entscheidung der belangten Behörde gem. § 32 Abs. 2 AsylG am 17.11.2003. Die erstinstanzliche Behörde hat das Verfahren jedoch erst am 15.07.2004 mit Aufforderung des BF zur Stellungnahme fortgesetzt. Auf die fristgerecht eingebrachte Stellungnahme erfolgte wiederum die niederschriftliche Einvernahme des BF erst am 14.10.2005 (!). Zumindest diese Zeitspannen und die Zeit, die zur Verifizierung des angeblichen Haftbefehles erforderlich war (die Erstbehörde erstattete in regelmäßigen Abständen 4 Urgenzen an die österreichische Berufsvertretungsbehörde in Ankara - letztmals am 31.03.2006 - bis schließlich am 19.05.2006 das Erhebungsergebnis beim Bundesasylamt einlangte) kann dem BF im Hinblick auf die Verfahrensdauer nicht angelastet werden. Andererseits hat der BF den angeblichen Haftbefehl erst im zweiten Verfahrensgang beim Bundesasylamt vorgelegt, obwohl er bereits nach eigener Aussage 2 bis 2 1/2 Monate nach der Einvernahme beim Unabhängigen Bundesasylsenat (diese erfolgte am 10.07.2001) im Besitze des Schriftstückes war. Dieses habe er nach seinen Angaben bei seinem Rechtsanwalt hinterlegt. Letztgenannter Umstand geht zwar zu Lasten des BF, im Ergebnis ist die lange Verfahrensdauer jedoch überwiegend im Bereich der Behörde gelegen.

 

2.8. Nach der Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Erlassung einer Ausweisung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele "dringend geboten ist". Dies bedeutet, dass die Ausweisung zur Erreichung zumindest eines dieser Ziele ein "zwingendes soziales Bedürfnis" im Sinn der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte darstellen muss (vgl. dazu etwa VwGH 08.11.2001, Zl. 2000/21/0120 und VwGH 27.01.2004, Zl. 2002/21/0214).

 

Durch die abweisende Entscheidung des Asylgerichtshofes betreffend die Gewährung von Asyl und die Erklärung, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung zulässig ist, erlangt der BF keinen rechtmäßigen Aufenthaltstitel, d.h. der Aufenthalt bleibt trotz der Aufhebung der Ausweisungsentscheidung durch den Asylgerichtshof illegal und stellt eine Verwaltungsübertretung nach dem Fremdenpolizeigesetz dar (§ 120 FPG). Will der BF die Illegalität und damit auch eine Bestrafung durch die Verwaltungsbehörde nach dem Fremdenpolizeigesetz vermeiden, bleibt ihm lediglich die Möglichkeit auszureisen und seinen Aufenthalt durch den Erwerb einer Aufenthaltsberechtigung über die österreichischen Vertretungsbehörden zu legalisieren. Unter Bedachtnahme auf den schon bisher langjährigen Aufenthalt des BF hier in Österreich im Verband seiner (Kern)Familie und die dem BF offen stehende und zumutbare Möglichkeit der Legalisierung des Aufenthaltes, zu der der BF durch die o. g. Strafdrohung motiviert sein sollte, erweist sich eine unmittelbar durchsetzbare Ausweisungsentscheidung auch nicht als zur Erreichung des Zieles eines geordneten Fremdenwesens dringend geboten oder als zwingendes soziales Bedürfnis unbedingt notwendig.

 

Auf Grund dieser Erwägungen gelangt der Asylgerichtshof zu der Rechtsansicht, dass der Eingriff in das Familienleben des Berufungswerbers nicht gem. Art. 8 Abs. 2 EMRK gerechtfertigt ist, weil das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, insbesondere an der Einhaltung der Einreise- und Aufenthaltsregelungen, das private Interesse auf Achtung des Familienlebens nicht überwiegt und dieser Eingriff zur Erreichung dieses Zieles bei der hier vorliegenden Fallkonstellation unter Bedachtnahme auf die ohnehin drohende verwaltungsstrafrechtliche Sanktion des illegalen Aufenthaltes auch nicht notwendig ist.

 

Es war somit die Ausweisung des BF im angefochtenen Bescheid des Bundesasylamtes in die Türkei bei sonstiger Verletzung des Art. 8 EMRK ersatzlos zu beheben.

 

3. Der Sachverhalt ist zusammengefasst, wie dargestellt, aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde, geklärt (entspricht der bisherigen Judikatur zu § 67d AVG) und sind somit schon aus diesem Grund die Voraussetzungen des § 41 Abs 7 AsylG verwirklicht. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte daher abgesehen werden.

Schlagworte
Diskriminierung, EMRK, familiäre Situation, Glaubwürdigkeit, Intensität, Interessensabwägung, Lebensgrundlage, non refoulement, Volksgruppenzugehörigkeit
Zuletzt aktualisiert am
17.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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