TE AsylGH Erkenntnis 2008/08/21 C5 314023-2/2008

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Veröffentlicht am 21.08.2008
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Spruch

C5 314.023-2/2008/2E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. SCHADEN als Einzelrichter über die Beschwerde des Herrn S. K., geb. 20.9.1979 alias 00.00.1982 alias 26.9.1979, StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 30.7.2008, 08 05.940 EAST-Ost, zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß § 68 Abs. 1 AVG iVm § 23 AsylGHG und § 10 Abs. 1 Z 1 Asylgesetz 2005, Art. 2 BG BGBl. I Nr. 100/2005, abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

1.1.1. Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte am 28.7.2005 den Antrag, ihm Asyl zu gewähren. Begründend gab er dazu bei seinen Einvernahmen vor dem Bundesasylamt (Erstaufnahmestelle Ost in Traiskirchen und Außenstelle Wien) am 2.8.2005 und am 9.5.2007 - gerafft wiedergegeben - an, sein Vater sei Mitglied des Parteivorstandes der Akali Dal (Mann) und habe einige Demonstrationen gegen die Congress-Partei organisiert. Der Beschwerdeführer und sein Bruder hätten ihn dabei unterstützt. Im Jänner 2005 hätten Polizisten den Vater und den Bruder festgenommen und misshandelt. Nachdem der Bruder nach Singapur geflüchtet sei, habe die Polizei den Beschwerdeführer zwischen Feber und April dreimal festgenommen. Sein Vater habe jedes Mal für seine Freilassung bezahlt und ihm dann geraten wegzugehen. Nach der Verhaftung einiger Mitglieder des Parteivorstandes habe der Beschwerdeführer Indien verlassen. Bei der ersten Einvernahme gab der Beschwerdeführer an, sein Vater sei jetzt in Haft, bei der zweiten, er sei (inzwischen: am 28.3.2006) verstorben; bei einer Rückkehr befürchte der Beschwerdeführer, auch selbst eingesperrt zu werden. Er sei - so gab er bei der zweiten Einvernahme an - zwischen Jänner und April 2003 dreimal festgenommen worden und dann nach Delhi gegangen, wo er 2004 auch festgenommen worden sei.

 

1.1.2. Mit Bescheid vom 25.7.2007, 05 11.325-BAW, wies das Bundesasylamt den Asylantrag gemäß § 7 Asylgesetz 1997 BGBl. I 76 (in der Folge: AsylG 1997) idF der Asylgesetznovelle 2003 BGBl. I 101 (AsylGNov. 2003) ab (Spruchpunkt I); gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 erklärte es, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien sei zulässig (Spruchpunkt II); gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 1997 wies es den Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien aus (Spruchpunkt III). Das Bundesasylamt beurteilte das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht als glaubwürdig und begründete dies näher. Weiters verneinte es, dass der Beschwerdeführer iSd § 8 Abs. 1 AsylG 1997 iVm § 57 Abs. 1 und 2 Fremdengesetz 1997 BGBl. I 75 bzw. iVm § 50 Fremdenpolizeigesetz 2005 (Art. 3 BG BGBl. I 100/2005) bedroht oder gefährdet sei, und begründete abschließend seine Ausweisungsentscheidung.

 

Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 30.7.2007 durch Hinterlegung beim Postamt zugestellt. Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer eine Berufung an den unabhängigen Bundesasylsenat ein. Mit Bescheid vom 30.5.2008, 314.023-1/3E-X/47/07, wies die Berufungsbehörde die Berufung gemäß §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 AsylG 1997 ab. Begründend führte sie ua. aus, sie schließe sich den Feststellungen des erstinstanzlichen Bescheides zur Situation in Indien an, insbesondere zu den Möglichkeiten, sich an anderen Orten innerhalb Indiens niederzulassen (Hinweis auf VwGH 25.3.1999, 98/20/0559; 8.6.2000, 99/20/0366; 30.11.2000, 2000/20/0356; 22.2.2001, 2000/20/0557; 21.6.2001, 99/20/0460). Ob die Feststellungen und die Beweiswürdigung zu den Fluchtgründen zuträfen, könne letztlich dahinstehen, da man auch dann, wenn man die Angaben des Beschwerdeführers zugrundelege, in rechtlicher Hinsicht zu keinem anderen Ergebnis komme. Es sei dem Beschwerdeführer nicht gelungen, eine Verfolgung durch die Polizei auf dem ganzen Staatsgebiet Indiens glaubhaft zu machen, da er sich in Indien außerhalb seiner engeren Heimat niederlassen könne und ihm daher eine inländische Flucht- bzw. Schutzalternative offenstehe. Daher liege die Voraussetzung für die Gewährung von Asyl nicht vor, nämlich die Gefahr einer aktuellen Verfolgung aus einem der in der GFK genannten Gründe, die sich im gesamten Herkunftsstaat auswirken würde.

 

Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 4.6.2008 durch Hinterlegung beim Zustellpostamt zugestellt.

 

1.2.1. Am 9.7.2008 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf internationalen Schutz (in der Folge auch als Asylantrag bezeichnet). Bei seinen Einvernahmen vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes (Bundespolizeidirektion Wien, OEA-Polizeianhaltezentrum) am 9.7.2008 und vor dem Bundesasylamt (Erstaufnahmestelle Ost in Traiskirchen) am 22.7.2008 und am 29.7.2008 gab er an, er habe Österreich seit seinem letzten Asylantrag im Juli 2005 nicht verlassen. Er stelle einen neuerlichen Asylantrag, da sein letzter Antrag abgewiesen worden sei. Die damals angegebenen Fluchtgründe seien noch aufrecht; er habe aber neue Probleme, die erst in den letzten sechs Monaten entstanden seien. Ein Mann namens Ram Rahim habe eine eigene Religion gegründet; dies sei vor einem Jahr bzw. (wie der Beschwerdeführer unmittelbar danach angab) vor zwei Jahren (im Sommer 2006) geschehen. Die Congress-Partei unterstütze Ram Rahim. Es gebe ständig Auseinandersetzungen zwischen Sikhs und Anhängern Ram Rahims. Der Beschwerdeführer sei Sikh und Mitglied der Partei Shri Shronomi Akali Dal Mann. Sein Vater und er selbst hätten für die Sikh-Religion gepredigt und stünden deshalb auf der "aufrechten Parteimitgliederliste"; der Beschwerdeführer stehe nicht auf der Liste, obwohl er auch Mitglied sei. Bei einer Rückkehr nach Indien befürchte er, von der Polizei festgenommen zu werden, da er vor kurzem erfahren habe, dass die Polizei vor einem Monat bei ihm zu Hause gewesen sei. Die Anhänger Ram Rahims seien zu seinen Eltern gekommen und machten ihnen das Leben schwer. Der Beschwerdeführer habe erfahren, dass Personen nach Hause gekommen seien und randaliert sowie das Haus angezündet hätten. Ein Freund von ihm - so gab er bei seiner letzten Einvernahme zusätzlich an - sei auf offener Straße ermordet worden.

 

Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesasylamt diesen - zweiten - Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkt I) und wies den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 Asylgesetz 2005 (Art. 2 BG BGBl. I 100/2005 - in der Folge: AsylG) aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien aus (Spruchpunkt II). Begründend führte es aus, dem vorgebrachten zusätzlichen Sachverhalt werde - aus näher dargestellten Gründen - kein Glauben geschenkt. Der Beschwerdeführer habe im Zuge des Verfahrens keinen neuen Sachverhalt glaubhaft vorgebracht. Dem neuen Vorbringen könne "in keinster Weise ein glaubhafter Kern zugebilligt werden". Daher stehe die Rechtskraft des Bescheides vom 28.12.2007, 306.325-C1/7E-XIII/66/06 (gemeint des Bescheides vom 30.5.2008, 314.023-1/3E-X/47/07), dem neuerlichen Antrag entgegen. Abschließend begründete das Bundesasylamt seine Ausweisungsentscheidung.

 

Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 1.8.2008 persönlich ausgefolgt und damit zugestellt; am 5.8.2008 wurde er seinem rechtsfreundlichen Vertreter zugestellt.

 

1.2.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, fristgerechte Beschwerde vom 12.8.2008, in der vorgebracht wird, der Beschwerdeführer sei von der Polizei festgenommen und misshandelt worden; mittlerweile sei es zu Konflikten zwischen Sikhs und der Ram-Rahim-Sekte gekommen, die von der Congress-Partei unterstützt werde. Die Beschwerde bekämpft die Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides; wichtige Beweise seien nicht eingeholt worden.

 

2. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

2.1.1.1. Der Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 30.5.2008 wurde dem Beschwerdeführer am 4.6.2008 durch Hinterlegung zugestellt und damit rechtskräftig.

 

2.1.1.2. Gemäß § 73 Abs. 1 AsylG ist das AsylG am 1.1.2006 in Kraft getreten; es ist gemäß § 75 Abs. 1 AsylG auf alle Verfahren anzuwenden, die am 31.12.2005 noch nicht anhängig waren.

 

Das vorliegende Verfahren war am 31.12.2005 nicht anhängig; es ist daher nach dem AsylG zu führen.

 

2.1.2. Gemäß § 23 Asylgerichtshofgesetz (in der Folge: AsylGHG, Art. 1 Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz BGBl. I 4/2008) ist auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof grundsätzlich das AVG mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt. Gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 23 AsylGHG hat der Asylgerichtshof, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Er ist berechtigt, im Spruch und in der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener des Bundesasylamtes zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Die Zuständigkeit des Einzelrichters ergibt sich aus § 61 Abs. Abs. 3 Z 1 lit. C und Z 2 AsylG.

 

2.2.1.1. Gemäß § 68 Abs. 1 AVG iVm § 23 AsylGHG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Beschwerde nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (VwGH 30.9.1994, 94/08/0183; 30.5.1995, 93/08/0207; 9.9.1999, 97/21/0913; 7.6.2000, 99/01/0321).

 

"Entschiedene Sache" iSd § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 9.9.1999, 97/21/0913; 27.9.2000, 98/12/0057; 25.4.2002, 2000/07/0235). Werden nur Nebenumstände modifiziert, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind, so ändert dies nichts an der Identität der Sache. Nur eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes - nicht bloß von Nebenumständen - kann zu einer neuerlichen Entscheidung führen (vgl. zB VwGH 27.9.2000, 98/12/0057; 25.4.2007, 2004/20/0100). Liegt keine relevante Änderung der Rechtslage oder des Begehrens vor und hat sich der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt nicht geändert, so steht die Rechtskraft des Vorbescheides einer inhaltlichen Erledigung des neuerlichen Antrages entgegen. Stützt sich ein Asylantrag auf einen Sachverhalt, der verwirklicht worden ist, bevor das Verfahren über einen (früheren) Antrag beendet worden ist, so steht diesem (zweiten) Antrag die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (VwGH 10.6.1998, 96/20/0266).

 

Gegenüber neu entstandenen Tatsachen (novae causae supervenientes; vgl. VwGH 20.2.1992, 91/09/0196) fehlt es an der Identität der Sache; neu hervorgekommene Tatsachen (oder Beweismittel) rechtfertigen dagegen allenfalls eine Wiederaufnahme iSd § 69 Abs. 1 Z 2 AVG (wegen nova reperta; zur Abgrenzung vgl. zB VwGH 4.5.2000, 99/20/0192; 21.9.2000, 98/20/0564; 24.8.2004, 2003/01/0431; 4.11.2004, 2002/20/0391), bedeuten jedoch keine Änderung des Sachverhaltes iSd § 68 Abs. 1 AVG. Eine neue Sachentscheidung ist nicht nur bei identem Begehren auf Grund des selben Sachverhaltes ausgeschlossen, sondern auch dann, wenn das selbe Begehren auf Tatsachen und Beweismittel gestützt wird, die schon vor Abschluss des Vorverfahrens bestanden haben (VwGH 30.9.1994, 94/08/0183 mwN; 24.8.2004, 2003/01/0431).

 

Zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen iSd § 18 Abs. 1 AsylG - kann die Behörde jedoch nur durch eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes berechtigt und verpflichtet werden, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Dem neuen Tatsachenvorbringen muss eine Sachverhaltsänderung zu entnehmen sein, die - falls sie festgestellt werden kann - zu einem anderen Ergebnis als das erste Verfahren führen kann (VwGH 4.11.2004, 2002/20/0391, mwN zur gleichlautenden Vorgängerbestimmung des § 18 Abs. 1 AsylG, nämlich § 28 AsylG 1997). Darüber hinaus muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den diese positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann. Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung, ob der (neuerliche) Asylantrag zulässig ist, mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Antragstellers und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden auseinander zu setzen. Ergeben ihre Ermittlungen, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen (VwGH 21.10.1999, 98/20/0467; 24.2.2000, 99/20/0173; 19.7.2001, 99/20/0418; 21.11.2002, 2002/20/0315; vgl. auch VwGH 9.9.1999, 97/21/0913; 4.5.2000, 98/20/0578; 4.5.2000, 99/20/0193; 7.6.2000, 99/01/0321; 21.9.2000, 98/20/0564; 20.3.2003, 99/20/0480; 4.11.2004, 2002/20/0391; vgl. auch 19.10.2004, 2001/03/0329; 31.3.2005, 2003/20/0468; 30.6.2005, 2005/18/0197; 26.7.2005, 2005/20/0226; 29.9.2005, 2005/20/0365; 25.4.2007, 2004/20/0100). Wird in einem neuen Asylantrag eine Änderung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalts nicht einmal behauptet, geschweige denn nachgewiesen, so steht die Rechtskraft des Vorbescheides einer inhaltlichen Erledigung des neuerlichen Antrages entgegen und berechtigt die Behörde dazu, ihn zurückzuweisen (VwGH 4.5.2000, 99/20/0192).

 

Auch wenn das Vorbringen des Folgeantrages in einem inhaltlichen Zusammenhang mit den Behauptungen steht, die im vorangegangenen Verfahren nicht als glaubwürdig beurteilt worden sind, schließt dies nicht aus, dass es sich um ein asylrelevantes neues Vorbringen handelt, das auf seinen "glaubhaften Kern" zu beurteilen ist. Ein solcher Zusammenhang kann für die Beweiswürdigung der neu behaupteten Tatsachen von Bedeutung sein, macht eine neue Beweiswürdigung aber nicht von vornherein entbehrlich oder gar unzulässig, etwa in dem Sinn, mit der seinerzeitigen Beweiswürdigung unvereinbare neue Tatsachen dürften im Folgeverfahren nicht angenommen werden. "Könnten die behaupteten neuen Tatsachen, gemessen an der dem rechtskräftigen Bescheid zugrunde liegenden Rechtsanschauung, zu einem anderen Verfahrensergebnis führen, so bedarf es einer die gesamten bisherigen Ermittlungsergebnisse einbeziehenden Auseinandersetzung mit ihrer Glaubwürdigkeit" (VwGH 29.9.2005, 2005/20/0365; 22.11.2005, 2005/01/0626; 16.2.2006, 2006/19/0380; vgl. auch VwGH 4.11.2004, 2002/20/0391; 26.7.2005, 2005/20/0343; 27.9.2005, 2005/01/0363; 22.12.2005, 2005/20/0556; 22.6.2006, 2006/19/0245; 21.9.2006, 2006/19/0200; 25.4.2007, 2005/20/0300; vgl. weiters VwGH 26.9.2007, 2007/19/0342).

 

2.2.1.2. Aus § 68 AVG ergibt sich, dass Bescheide mit Eintritt ihrer Unanfechtbarkeit auch prinzipiell unwiderrufbar werden, sofern nicht anderes ausdrücklich normiert ist. Über die mit einem rechtskräftigen Bescheid erledigte Sache darf nicht neuerlich entschieden werden. Bei der Prüfung, ob Identität der Sache vorliegt, ist vom rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne seine sachliche Richtigkeit - nochmals - zu überprüfen; die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf (vgl. zB VwGH 15.10.1999, 96/21/0097; 25.4.2002, 2000/07/0235).

 

Ob ein neuerlicher Antrag wegen geänderten Sachverhaltes zulässig ist, darf nur anhand jener Gründe geprüft werden, welche die Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens geltend gemacht hat; in der Berufung (hier: Beschwerde) gegen den Zurückweisungsbescheid dürfen derartige Gründe nicht neu vorgetragen werden (vgl. zB VwSlg. 5642 A/1961; 23.5.1995, 94/04/0081; 15.10.1999, 96/21/0097; 4.4.2001, 98/09/0041; 25.4.2002, 2000/07/0235). Allgemein bekannte Tatsachen hat das Bundesasylamt jedoch als Spezialbehörde von Amts wegen zu berücksichtigen (vgl. VwGH 7.6.2000, 99/01/0321; 29.6.2000, 99/01/0400).

 

Aus dem Neuerungsverbot im Berufungsverfahren (hier: Beschwerdeverfahren) folgt, dass die Berufungsbehörde (hier: der Asylgerichtshof) den bekämpften Bescheid in sachverhaltsmäßiger Hinsicht bezogen auf den Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides des Bundesasylamtes zu kontrollieren hat.

 

2.2.1.3. "Sache" des Rechtsmittelverfahrens ist nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung, die Rechtsmittelbehörde darf demnach nur darüber entscheiden, ob die Vorinstanz den Antrag zu Recht zurückgewiesen hat oder nicht. Sie hat daher entweder - falls entschiedene Sache vorliegt - das Rechtsmittel abzuweisen oder - falls dies nicht zutrifft - den bekämpften Bescheid ersatzlos zu beheben, dies mit der Konsequenz, dass die erstinstanzliche Behörde, gebunden an die Auffassung der Rechtsmittelbehörde, den Antrag nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf. Die Rechtsmittelbehörde darf aber über den Antrag nicht selbst meritorisch entscheiden (VwGH 30.5.1995, 93/08/0207).

 

2.2.2.1. Sache des vorliegenden Beschwerdeverfahrens iSd § 66 Abs. 4 AVG iVm § 23 AsylGHG ist somit nur die Frage, ob das Bundesasylamt zu Recht den neuerlichen Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat.

 

2.2.2.2. Der unabhängige Bundesasylsenat hat seine Entscheidung vom 30.5.2008 tragend damit begründet, dass dem Beschwerdeführer in Indien außerhalb seiner engeren Heimat eine inländische Flucht- bzw. Schutzalternative offen stehe. (Soweit im angefochtenen Bescheid behauptet wird [Seite 11], der unabhängige Bundesasylsenat sei zum Ergebnis gekommen, dass der als Fluchtgrund vorgebrachte Sachverhalt nicht den Tatsachen entspreche, ist dies aktenwidrig, weil der unabhängige Bundesasylsenat diese Frage ausdrücklich offen gelassen hat.) Diese Begründung ist Maßstab dafür, ob der Beschwerdeführer neue asylrelevante Gründe vorgebracht hat. Er behauptet aber weder bei seinen Einvernahmen noch in der Beschwerde, dass ihm - etwa auf Grund der nunmehr behaupteten zusätzlichen Verfolgungsgründe - eine Niederlassung in Indien generell unmöglich sei. Sein Vorbringen bietet auch keinerlei Anlass für diese Annahme, zumal da dort von Auseinandersetzungen in zwei Bundesstaaten die Rede ist. Schon deshalb ist ein neuer asylrelevanter Sachverhalt nicht entstanden.

 

Anhaltspunkte für eine Änderung des Sachverhalts im Hinblick auf allgemein bekannte Tatsachen, die vom Bundesasylamt von Amts wegen zu berücksichtigen wären, liegen auch nicht vor, da sich die allgemeine Situation in Indien in der kurzen Zeit, bis der nunmehr angefochtene Bescheid erlassen wurde, nicht wesentlich geändert hat.

 

2.2.2.3. Somit hat sich weder im Hinblick auf jenen Sachverhalt, der in der Sphäre des Beschwerdeführers gelegen ist, noch im Hinblick auf jenen, der von Amts wegen aufzugreifen ist, die maßgebliche Sachlage geändert. Das neue Begehren zielt auf dasselbe wie das ursprüngliche, nämlich darauf, dem Beschwerdeführer Asyl zu gewähren. Auch die maßgebliche Rechtslage hat sich nicht geändert, da durch § 75 Abs. 4 AsylG klargestellt ist, dass ua. abweisende Bescheide auf Grund des AsylG 1997 in derselben Sache in Verfahren nach dem AsylG den Zurückweisungstatbestand der entschiedenen Sache iSd § 68 AVG begründen.

 

Mithin steht die Rechtskraft des Bescheides des unabhängigen Bundesasylsenates vom 30.5.2008 einer inhaltlichen Erledigung des neuerlichen Antrages entgegen. Das Bundesasylamt ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer mit seinem zweiten Asylantrag die Überprüfung eines der Beschwerde nicht mehr unterliegenden Bescheides begehrt hat. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I war daher abzuweisen.

 

2.3. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist eine zurückweisende Entscheidung nach dem AsylG mit einer Ausweisung zu verbinden; die Ausweisung gilt gemäß § 10 Abs. 4 AsylG stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG ist eine Ausweisung unzulässig, wenn sie Art. 8 MRK verletzen würde oder wenn dem Fremden ein nicht auf das AsylG gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt. Würde ihre Durchführung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen und nicht von Dauer sind, Art. 3 MRK verletzen, so ist gemäß § 10 Abs. 3 AsylG (idF der K BGBl. I 75/2007) die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.

 

Die Voraussetzungen einer Ausweisung liegen vor, wie das Bundesasylamt richtig erkannt hat. Es hat die durch § 10 Abs. 2 AsylG iVm Art. 8 Abs. 2 MRK vorgeschriebene Interessenabwägung mängelfrei vorgenommen.

 

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt II war daher gleichfalls abzuweisen.

 

2.4. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden. Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 41 Abs. 4 erster Satz AsylG entfallen. Bei diesem Verfahrensergebnis erübrigt es sich, über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung abzusprechen; die Frist dafür, die aufschiebende Wirkung von Amts wegen zuzuerkennen (§ 37 Abs. 1 AsylG), ist überdies noch nicht abgelaufen.

Schlagworte
Ausweisung, inländische Schutzalternative, Prozesshindernis der entschiedenen Sache
Zuletzt aktualisiert am
31.12.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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