TE AsylGH Erkenntnis 2008/08/21 S4 401068-1/2008

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Veröffentlicht am 21.08.2008
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Spruch

S4 401.068-1/2008/2E

 

S4 401.069-1/2008/2E

 

S4 401.070-1/2008/2E

 

S4 401.071-1/2008/2E

 

S4 401.072-1/2008/2E

 

Erkenntnis

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Andreas Huber als Einzelrichter über die Beschwerde 1. des A.A., geb. 00.00.1963, 2. der S.M., geb. 00.00.1970, 3. des A.J., geb. 00.00.1992, 4. derA.N., geb. 00.00.2001, 5. des A.S., geb. 00.00.2005, 1.-Beschwerdeführer und 2.-Beschwerdeführerin vertreten durch Dr. Klodner, p. A. SPRAKUIN Integrationsverein, Landstrasser Hauptstraße 173-175/15/2, 1030 Wien, 3.-, 4.- und 5.-Beschwerdeführer vertreten durch die 1.-Beschwerdeführerin als gesetzliche Vertreterin, alle StA. des Iran, gegen die Bescheide des Bundesasylamtes jeweils vom 29.7.2008,

Zahl: 08 03.526-EAST Ost (ad 1.), Zahl: 08 03.527-EAST Ost (ad 2.),

Zahl: 08 03.528-EAST Ost (ad 3.), Zahl: 08 03.529-EAST Ost (ad 4.),

Zahl: 08 03.530-EAST Ost (ad 5.), gem. § 66 Abs. 4 AVG iVm § 61 Abs. 3 Z 1 lit b des Asylgesetzes 2005 idgF (AsylG) zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 5 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 1 und Abs. 4 AsylG

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Der 1.-Beschwerdeführer ist Ehegatte der 2.-Beschwerdeführerin und Vater der mj.

 

3.-, 4.- und 5.- Beschwerdeführer, alle sind Staatsangehörige des Iran und sind mittels eines französischen Visums am 2.4.2008 nach Frankreich gereist, von wo aus sie sodann am 3.4.2008 illegal nach Österreich weiterreisten und im Bundesgebiet am 21.4.2008 Anträge auf internationalen Schutz stellten (vgl. Aktenseite 9 f. des Verwaltungsaktes des 1.-Beschwerdeführers sowie Aktenseite 9 f. des Verwaltungsaktes der 2.-Beschwerdeführerin).

 

Mit E-mail jeweils vom 23.4.2008 ersuchte Österreich Frankreich um Übernahme der Beschwerdeführer (Aktenseite 35 des Verwaltungsaktes des 1.-Beschwerdeführers u. Aktenseite 35 des Verwaltungsaktes der 2.-Beschwerdeführerin).

 

Frankreich hat sich mit Fax vom 21.5.2008 (Aktenseite 59 des Verwaltungsaktes des 1.-Beschwerdeführers u. Aktenseite 57 des Verwaltungsaktes der 2.-Beschwerdeführerin) bereit erklärt, diese auf der Grundlage des Art. 9 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) aufzunehmen und ihre Asylanträge zu prüfen.

 

Anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 30.5.2008 erklärte der 1.-Beschwerdeführer nach Vorhalt, dass Frankreich zur Prüfung seines Antrages auf internationalen Schutz zuständig sei, nicht nach Frankreich zu wollen, da die Beziehungen zwischen Frankreich und dem Iran nicht so gut wären und Frankreich ihn sicher in den Iran abschieben würde (Aktenseite 75 des Verwaltungsaktes des 1.-Beschwerdeführers).

 

Anlässlich ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am selben Tag gab die 2.-Beschwerdeführerin nach oben genanntem Vorhalt an, nicht nach Frankreich zu wollen, da ihr Bruder in Österreich lebe und sie und ihre Familie unterstützen würde. Ihre Angaben würden auch für ihre Kinder gelten (Aktenseite 69 des Verwaltungsaktes der 2.-Beschwerdeführerin).

 

Die Anträge auf internationalen Schutz der Beschwerdeführer wurden sodann mit Bescheiden des Bundesasylamtes jeweils vom 29.7.2008,

Zahl: 08 03.526-EAST Ost (ad 1.), Zahl: 08 03.527-EAST Ost (ad 2.),

Zahl: 08 03.528-EAST Ost (ad 3.), Zahl: 08 03.529-EAST Ost (ad 4.),

Zahl: 08 03.530-EAST Ost (ad 5.), gem. § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und die Antragsteller gem. § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Frankreich ausgewiesen.

 

Gegen diese Bescheide haben die Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde erhoben und hiebei im Wesentlichen geltend gemacht, dass die Erstbehörde verkannt hätte, dass zwischen dem in Österreich lebenden Bruder der 2.-Beschwerdeführerin und den Beschwerdeführern ein enges familiäres Band bestünde, die Beschwerdeführer sohin im Falle ihrer Ausweisung nach Frankreich in ihrem Recht auf Familienleben gemäß Art. 8 EMRK verletzt wären. Einige Mitglieder der Familie der 1.-Beschwerdeführerin gehörten zur Gruppe der Volksmodjahedin. Mitglieder der Volksmodjahedin hätten in Frankreich generell größte Schwierigkeiten, weshalb die Beschwerdeführer im Falle ihrer Ausweisung nach Frankreich in Gefahr wären, sofern das Naheverhältnis seitens der Beschwerdeführer zu dieser Gruppierung bekannt würde. Auch bestünde aus diesem Grund das Risiko einer Kettenabschiebung in den Iran. Der 1.-Beschwerdeführer sei überdies Mitglied der "Illegalen Sozialistischen Partei", was ein besonderes Gefahrenmoment für diesen darstelle. Weiters sei die psychische Konstitution des 1.-Beschwerdeführers insgesamt stark beeinträchtigt, er leide u. a. an Panikattacken, Selbstmordgedanken, Angstsyndromen und Schweißausbrüchen.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Mit 1.7.2008 ist das Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) in Kraft getreten.

 

Mit 1.1.2006 ist das Asylgesetz 2005 (AsylG) in Kraft getreten.

 

§ 61 AsylG 2005 lautet wie folgt:

 

(1) Der Asylgerichtshof entscheidet in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

 

Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.

 

(2) Beschwerden gemäß Abs. 1 Z 2 sind beim Asylgerichtshof einzubringen. Im Fall der Verletzung der Entscheidungspflicht geht die Entscheidung auf den Asylgerichtshof über. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden des Bundesasylamtes zurückzuführen ist.

 

(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen

 

1. zurückweisende Bescheide

 

a) wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4;

 

b) wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5

 

c) wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG, und

 

2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung

 

(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.

 

Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Dublin - Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist.

 

Gemäß § 5 Abs. 2 AsylG ist auch nach Abs. 1 vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

 

Gemäß § 5 Abs. 3 AsylG ist, sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesasylamt oder beim Asylgerichtshof offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird.

 

Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn 1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder 2. diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden.

 

Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG ist, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, gleichzeitig mit der Ausweisung auszusprechen, dass die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben ist.

 

Gemäß § 10 Abs. 4 AsylG gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.

 

§ 34 Abs. 1 AsylG lautet: "Stellt ein Familienangehöriger (§ 2 Z 22) von

 

1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

 

2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder

 

3. einem Asylwerber einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

 

Gemäß § 34 Abs. 4 AsylG hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen, und es erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid.

 

Familienangehörige sind gem. § 2 Z 22 AsylG, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung unverheiratetes minderjähriges Kind eines

 

Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Familiengemeinschaft bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.

 

Frankreich hat auf Grundlage des Art. 9 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) akzeptiert, die Asylwerber wieder aufzunehmen bzw. aufzunehmen.

 

Bereits das Bundesasylamt hat in der Begründung der angefochtenen Bescheide die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, darunter auch Feststellungen zum französischen Asylverfahren und dessen Praxis sowie zur Versorgungslage von Asylwerbern in Frankreich sowie die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage rechtsrichtig ausgeführt. Der Asylgerichtshof schließt sich den Ausführungen des Bundesasylamtes in den angefochtenen Bescheiden hinsichtlich beider Spruchpunkte vollinhaltlich an und erhebt diese zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses.

 

Lediglich sei der Vollständigkeit halber erwähnt, dass mangels einer entsprechenden Dokumentenvorlage seitens der französischen Behörden der exakte Ausstellungszeitpunkt bzw. auch die Gültigkeitsdauer der französischen Visa, mittels derer die Beschwerdeführer in Frankreich einreisten, nicht eruiert werden konnte, die Zustimmung der französischen Behörden zur Übernahme der Beschwerdeführer auf der Grundlage des Art. 9 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) allerdings indiziert, dass die erteilten Visa zum Zeitpunkt der Asylantragsstellungen in Österreich letztlich jedenfalls weniger als 6 Monate abgelaufen waren (vgl. Art. 9 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II)). In gleicher Weise ergibt sich aus den Angaben des 1.Beschwerdeführers vom 21.4.2008 im Rahmen seiner Erstbefragung, dass die Visa frühesten 2 Tage vor dem Abflug der Familie aus Teheran und spätestens am Tag des Abfluges (2.4.2008), somit entweder am 31.3., am 1.4. oder am 2.4.2008 ausgestellt worden sind, sodass die erteilten Visa zum Zeitpunkt der Asylantragsstellungen in Österreich letztlich jedenfalls weniger als 6 Monate abgelaufen waren und die Zuständigkeit Frankreichs zur Prüfung der vorliegenden Anträge auf internationalen Schutz sohin gegeben ist.

 

Soweit die Antragsteller in der Beschwerde geltend machen, im Falle ihrer Ausweisung nach Frankreich in ihrem Recht auf Familienleben gemäß Art. 8 EMRK verletzt zu werden, da der Bruder der 2.-Beschwerdeführerin die Beschwerdeführer finanziell und moralisch unterstützen würde, ist einzuwenden, dass das Vorliegen eines besonders intensiven familiären Bandes zwischen der Familie der 2.-Beschwerdeführerin und ihrem Bruder schon aufgrund der langen Zeitspanne, in welcher erstere von ihrem bereits seit 11 Jahren in Österreich lebenden Bruder (vgl. Aktenseite 67 des Verwaltungsaktes der 2.-Beschwerdeführerin) getrennt war und der Kürze des nunmehrigen Naheverhältnisses nicht erkannt werden kann, zumal auch den Angaben des 1.-Beschwerdeführers klar zu entnehmen ist, dass das eigentliche Ausreiseziel der Familie die USA gewesen sind (vgl. Aktenseite 13 u. 73 des Verwaltungsaktes des 1.-Beschwerdeführers) und schon deshalb eine mögliche Neubegründung eines Familienlebens iSd Art. 8 EMRK mit dem in Österreich lebenden Bruder der 2.-Beschwerdeführerin als Motiv der Beschwerdeführer für ihre Ausreise aus dem Iran auszuschließen ist. Es wird nicht verkannt, dass die 2.-Beschwerdeführerin in ihrem Bruder vor dessen Ausreise nach Österreich aufgrund des frühen Todes ihres Vaters einen Ersatzelternteil gesehen und ehemals finanzielle Zuwendungen in größerem Ausmaß von diesem erhalten haben mag (wie oben), jedoch reichen diese Umstände für sich genommen nicht aus, auch ein aktuelles Abhängigkeitsverhältnis seitens der Beschwerdeführer zum Bruder der 2.-Beschwerdeführerin zu begründen, ein solches wurde überdies vom

 

1.-Beschwerdeführer in seiner Einvernahme am 30.5.2008 auch ausdrücklich verneint (Aktenseite 73 des Verwaltungsaktes des 1.-Beschwerdeführers).

 

Soweit in der Beschwerde geltend gemacht wird, dass den Beschwerdeführern im Falle ihrer Überstellung nach Frankreich aufgrund eines möglichen Bekanntwerdens der Nahbeziehung der Familie zur Gruppe der Volksmodjahedin ihre Kettenabschiebung in den Iran drohen würde bzw. sie in Gefahr wären, da Angehörige der Volksmodjahedin in Frankreich allgemein massiven Schwierigkeiten ausgesetzt wären, ist einzuwenden, dass keinerlei Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass Asylverfahren in Frankreich die europäischen Menschenrechtsstandards qualifiziert unterschreiten würden und auch derartige wie von den Beschwerdeführern behauptete "Gruppenverfolgungen" in Frankreich nicht amtsbekannt sind, sodass sich die diesbezüglichen Angaben der Beschwerdeführer letztlich als zu viel zu unkonkret erweisen, um eine Gefährdung im Fall ihrer Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen zu lassen (vgl. hierzu auch VwGH 26.11.1999, Zl 96/21/0499, VwGH 09.05.2003, Zl. 98/18/0317; vgl auch VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059).

 

Zum Vorbringen in der Beschwerde, wonach die Zugehörigkeit des 1.-Beschwerdeführers zur "Illegalen Sozialistischen Partei" für diesen ein besonderes Gefahrenmoment darstellen würde, ist auszuführen, dass die Beurteilung dieser (asylrelevanten) Frage letztlich im vorliegenden Verfahren, welches allein die Frage der Zuständigkeit zur Prüfung der gegenständlichen Asylanträge auf der Grundlage der Dublin II VO zum Inhalt hat, außer acht zu bleiben hat. Wiederum ist in diesem Zusammenhang aber darauf zu verweisen, dass keine Hinweise dafür vorliegen, dass Frankreich als Mitgliedstaat der EU den Beschwerdeführern, sofern diese im Heimatland tatsächlich asylrelevante Verfolgung zu befürchten hätten, nicht den nötigen Schutz zuteil werden ließe.

 

Hinsichtlich der vom 1.-Beschwerdeführer in der Beschwerde geltend gemachten psychischen Probleme ist zunächst darauf zu verweisen, dass dieser während des gesamten erstinstanzlichen Verfahrens (!) nicht einmal ansatzweise derartige gesundheitliche Beeinträchtigungen ins Treffen geführt hat, sondern er vielmehr die Frage, ob er abseits des von ihm angeführten Nabelbruchs (welcher am 29.5.2008 erfolgreich operativ behandelt und der 1.-Beschwerdeführer sodann als gesund entlassen wurde; vgl. Arztbrief vom 29.5.2008 u. Aktenvermerk des Bundesasylamtes vom 14.7.2008, Aktenseite 81 u. 82 des Verwaltungsaktes des 1.-Beschwerdeführers) noch weitere gesundheitliche Beschwerden hätte, ausdrücklich verneinte (Aktenseite 73 des Verwaltungsaktes des 1.-Beschwerdeführers).

 

Weiters ist festzuhalten, dass nach der allgemeinen Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK und Krankheiten, die auch im vorliegenden Fall maßgeblich ist, eine Überstellung des 1.-Beschwerdeführers nach Frankreich in casu jedenfalls dann nicht zulässig wäre, wenn dort wegen fehlender Behandlung sehr schwerer Krankheiten eine existenzbedrohende Situation drohte und diesfalls das Selbsteintrittsrecht der Dublin II VO zwingend auszuüben wäre.

 

In diesem Zusammenhang ist vorerst auf das jüngste diesbezügliche Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH vom 06.03.2008, Zl: B 2400/07-9) zu verweisen, welches die aktuelle Rechtsprechung des EGMR zur Frage der Vereinbarkeit der Abschiebung Kranker in einen anderen Staat mit Art. 3 EMRK festhält (D. v. the United Kingdom, EGMR 02.05.1997, Appl. 30.240/96, newsletter 1997,93; Bensaid, EGMR 06.02.2001, Appl. 44.599/98, newsletter 2001,26; Ndangoya, EGMR 22.06.2004, Appl. 17.868/03; Salkic and others, EGMR 29.06.2004, Appl. 7702/04; Ovdienko, EGMR 31.05.2005, Appl. 1383/04; Hukic, EGMR 29.09.2005, Appl. 17.416/05; EGMR Ayegh, 07.11.2006; Appl. 4701/05; EGMR Goncharova & Alekseytsev, 03.05.2007, Appl. 31.246/06).

 

Zusammenfassend führt der VfGH aus, das sich aus den erwähnten Entscheidungen des EGMR ergibt, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (Fall D. v. the United Kingdom).

 

Aus diesen Judikaturlinien des EGMR ergibt sich jedenfalls der für das vorliegende Beschwerdeverfahren relevante Prüfungsmaßstab.

 

Nach der geltenden Rechtslage ist eine Überstellung dann unzulässig, wenn die Durchführung eine in den Bereich des Art 3 EMRK reichende Verschlechterung des Krankheitsverlaufs oder der Heilungsmöglichkeiten bewirken würde (siehe Feststellungen des Innenausschusses zu § 30 AsylG); dabei sind die von den Asylbehörden festzustellenden Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat als Hintergrundinformation beachtlich, sodass es sich quasi um eine "erweiterte Prüfung der Transportfähigkeit" handelt [...].

 

Maßgebliche Kriterien für die Beurteilung der Art. 3 EMRK-Relevanz einer psychischen Erkrankung angesichts einer Abschiebung sind Aufenthalte in geschlossenen Psychiatrien infolge von Einweisungen oder auch Freiwilligkeit, die Häufigkeit, Regelmäßigkeit und Intensität der Inanspruchnahme medizinisch-psychiatrischer Leistungen, die Möglichkeit einer wenn auch gemessen am Aufenthaltsstaat schlechteren medizinischen Versorgung im Zielstaat sowie die vom Abschiebestaat gewährleisteten Garantien in Hinblick auf eine möglichst schonende Verbringung. Rechtfertigen diese Kriterien eine Abschiebung, hat eine denkmögliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes oder ungünstige Entwicklung des Gesundheitszustands außer Betracht zu bleiben, geschweige denn vermag die Verursachung von überstellungsbedingtem mentalen Stress eine Abschiebung unzulässig machen.

 

Im vorliegenden Fall sind keine Hinweise auf einen aktuell existenzbedrohenden Zustand des 1.-Beschwerdeführers ersichtlich, zumal dieser auch keine medizinischen Belege für die nunmehr geltend gemachten psychischen Beschwerden vorgelegt hat und liegen weiters keine Anhaltspunkte dafür vor, dass Frankreich ihm nicht erforderlichenfalls medizinische Behandlungen gewähren würde, sodass seine Überstellung nach Frankreich keinesfalls eine Verletzung des Art. 3 EMRK und somit auch keinen Anlass zur Ausübung des Selbsteintrittsrechtes Österreichs nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO darstellen würde. Selbige Erwägungen geltend auch für die 2.-Beschwerdeführerin (aktuell gesundheitliche Probleme in Bezug auf die 3.-, 4.- und 5.-Beschwerdeführer wurden nicht behauptet), welche erstinstanzlich erklärt hat, "Frauenprobleme" und drei Geschwülste am Kopf haben, welche sie sich auch entfernen lassen wollte (Aktenseite 69 des Verwaltungsaktes der 2.-Beschwerdeführerin), da letztlich auch durch den Umstand, dass die 2.-Beschwerdeführerin bis zum heutigen Tag keinerlei medizinischen Unterlagen zur Untermauerung etwaiger gesundheitlicher Probleme in Vorlage gebracht hat, nicht auf einen aktuell existenzbedrohenden Zustand ihrer Person geschlossen werden kann.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Aufenthaltsrecht, Ausweisung, familiäre Situation, Familienverfahren
Zuletzt aktualisiert am
14.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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