TE AsylGH Erkenntnis 2008/08/21 E2 312185-1/2008

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Veröffentlicht am 21.08.2008
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Spruch

E2 312.185-1/2008-20E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. HUBER-HUBER als Einzelrichter über die Beschwerde des Z. S., geb. 00.00.1985, StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 23.04.2007, FZ. 07 01.834-BAT nach Durchführung von mündlichen Verhandlungen am 06.03.2008 und 27.05.2008 zu Recht erkannt:

 

Der Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 stattgegeben und der Status eines Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass Z. S. kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der usbekischen Volksgruppe, stellte erstmals am 12.04.2005 einen Asylantrag.

 

2. Dieser wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 23.08.2006, FZ. 05 05.241-BAT, gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen. Weiters wurde gemäß § 8 Abs. 1 leg. cit. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan als zulässig erklärt und dieser gemäß § 8 Abs. 2 leg. cit. aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen. Der Bescheid wurde durch Hinterlegung am 01.09.2006 rechtswirksam zugestellt und erwuchs mangels rechtzeitig eingebrachter Berufung mit 16.09.2006 in Rechtskraft.

 

3. Am 10.10.2006 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 Abs. 1 Z 1 AVG, welcher vom Bundesasylamt mit Bescheid vom 08.03.2007 abgewiesen wurde. Dieser Bescheid wurde der mit Vollmacht vom 03.10.2006 bevollmächtigten Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers, Mag. Gudrun DÜRNBERGER vom Evangelischen Flüchtlingsdienst, Steinergasse 3, 1170 Wien, am 09.03.2007 rechtswirksam zugestellt. Mangels Berufung gegen diesen Bescheid erwuchs dieser mit 24.03.2007 in Rechtskraft.

 

4. Am 06.02.2007 wurde der Beschwerdeführer aufgrund der Zuständigkeit Österreichs für die Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers nach der Dublin II-VO von Norwegen nach Österreich rücküberstellt.

 

5. Mit Schreiben vom 29.03.2007 legte og. Rechtsvertreterin die ihr vom Beschwerdeführer erteilte Vollmacht zur Gänze zurück.

 

6. Zwischenzeitlich brachte der Beschwerdeführer am 19.02.2007 neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz ein. Diesen begründete er bei seiner Erstbefragung am 19.02.2007 und bei seinen Einvernahmen am 06.03.2007, 07.03.2007 und 13.04.2007 zusammengefasst damit, dass er am 14.10.2006 Österreich verlassen habe und über Deutschland nach Schweden gereist sei, wo er am 16.10.2006 um Asyl angesucht habe. Aus Angst vor einer Rücküberstellung nach Österreich sei er nach Oslo/Norwegen gefahren und habe dort am 17.11.2006 ebenfalls einen Asylantrag gestellt. In Norwegen sei er vom Islam zum Christentum konvertiert. Er habe sich am 00.00.2007 in einer Kirche taufen lassen. Durch die bei der Taufe anwesenden Afghanen hätten seine Eltern erfahren, dass er konvertiert sei. Zum Beweis für seine Konversion legte der Beschwerdeführer ein Schriftstück in norwegischer Sprache vor, welches die Taufe des Beschwerdeführers in Norwegen am 14.01.2007 bestätigen würde.

 

7. Mit Bescheid vom 23.04.2007, FZ. 07 01.834-BAT, wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers vom 19.02.2007 gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ab und erkannte den Status des Asylberechtigten nicht zu (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 leg. cit. wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und gemäß § 8 Abs. 4 leg. cit. eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 23.04.2008 erteilt (Spruchpunkt III.).

 

Die Erstbehörde sprach dem Vorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich seiner Konvertierung zum Christentum die Glaubwürdigkeit ab. Es sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer lediglich zum Schein konvertiert sei, um sich einen Vorteil im zweiten Asylverfahren zu verschaffen, zumal es hinlänglich bekannt sei, dass Konvertiten mehr Chancen auf Asyl haben würden. Hinsichtlich der bereits im Erstverfahren vorgebrachten Fluchtgründe des Beschwerdeführers sprach das Bundesasylamt aus, dass diese bereits im ersten Asylverfahren als nicht glaubwürdig erachtet worden wären und dass der das Erstverfahren abschließende Bescheid am 16.09.2006 in Rechtskraft erwachsen sei. Aufgrund der aktuell vorliegenden Sicherheitslage in Afghanistan sei dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen gewesen, zumal eine reale Gefahr einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens nicht ausreichend ausgeschlossen werden könne.

 

8. Dieser Bescheid wurde vom Beschwerdeführer am 08.05.2007 persönlich übernommen und damit rechtswirksam zugestellt.

 

9. Mit Schriftsatz vom 15.05.2007 erhob der Beschwerdeführer binnen offener Frist Berufung (nunmehr als Beschwerde bezeichnet) gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesasylamtes vom 23.04.2007, FZ. 07 01.834-BAT.

 

10. Der Beschwerdeführer stellte am 13.07.2007 in Schweden und am 14.09.2007 in Norwegen abermals Asylanträge. Am 28.11.2007 wurde der Beschwerdeführer gemäß der Dublin II-VO erneut von Norwegen nach Österreich rücküberstellt.

 

11. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 03.04.2008 wurde die dem Beschwerdeführer befristet erteilte Aufenthaltsberechtigung auf dessen Antrag vom 31.03.2008 bis zum 23.04.2009 verlängert.

 

12. Der Unabhängige Bundesasylsenat führte im Verfahren des gegenständlichen Beschwerdeführers am 06.03.2008 eine mündliche Berufungsverhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer und seine Rechtsvertreterin, MMag. Elisabeth POHN von der Caritas, welcher der Beschwerdeführer die Vollmacht mündlich erteilte, teilnahmen, sich das Bundesasylamt Außenstelle Traiskirchen mit Schreiben vom 12.02.2008 jedoch entschuldigen ließ. Die Berufungsverhandlung wurde für weitere Beweiserhebungen vertagt und am 27.05.2008 fortgeführt. Im Zuge der Berufungsverhandlung am 27.05.2008 wurde N. M.als Zeuge einvernommen. Weiters legte der Beschwerdeführer ein Schreiben eines Vertreters des Vereins "Grace International Ministeries" (kurz: GIM), Verein zur Förderung kultureller und ethnischer Werte, 1120 Wien, Koppreitgasse 22, vor, in welchem bestätigt wird, dass der Beschwerdeführer am Gottesdienst und an der Lehre aus der Bibel teilnehme.

 

II. Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens:

 

1. Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens wurde Beweis erhoben durch:

 

Einsicht in den dem Asylgerichtshof vorliegenden Verwaltungsakt;

 

Einvernahme des Beschwerdeführers im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung;

 

Einvernahme des Zeugen N. M. im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung;

 

Einsichtnahme in folgende Länderdokumentationsquellen betreffend den Herkunftsstaat und die Herkunftsregion des Beschwerdeführers sowie deren Erörterung in der mündlichen Verhandlung:

 

Bericht des auswärtigen Amtes Deutschland über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Afghanistan vom 07.03.2008 mit Stand Februar 2008

 

Home Office COI Bericht vom 07.09.2007

 

Verwaltungsgericht Oldenburg, Az. 7 A 4142/03

 

III. Der Asylgerichtshof geht aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem Sachverhalt aus:

 

2.1. Zur Person der BF:

 

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan und zur Volksgruppe der Usbeken zugehörig. Er hat sein Heimatland im Jahr 2000 in den Iran verlassen. Im April 2005 reiste er nach Österreich und stellte erstmals einen Asylantrag. Am 14.10.2006 reiste der Beschwerdeführer zunächst nach Schweden und anschließend nach Norwegen und beantragte in beiden Ländern Asyl. Am 06.02.2007 wurde der Beschwerdeführer gemäß der Dublin II-VO von Norwegen nach Österreich rücküberstellt. Im Juli 2007 verließ der Beschwerdeführer Österreich und stellte am 13.07.2007 in Schweden und am 14.09.2007 in Norwegen abermals Asylanträge. Am 28.11.2007 wurde der Beschwerdeführer gemäß der Dublin II-VO erneut von Norwegen nach Österreich rücküberstellt.

 

2.2. Zum Asylvorbringen des Beschwerdeführers:

 

Der Beschwerdeführer kam, als er im Jahr 2005 nach Europa gekommen ist, mit dem Christentum in Kontakt. Der Beschwerdeführer nahm erstmals in K. an Gottesdiensten teil. Während seines Aufenthalts in Norwegen vom 17.11.2006 bis 06.02.2007 nahm der Beschwerdeführer an einer zweitägigen Taufvorbereitung teil und ließ sich am 00.00.2007 in einer lutheranischen Kirche taufen. Die Konversion des Beschwerdeführers vom Islam zum Christentum wurde in seinem Heimatland aufgrund von Erzählungen der bei der Taufe anwesenden und mittlerweile in den Heimatstaat abgeschobenen Afghanen bekannt. In Österreich nahm der Beschwerdeführer an Gottesdiensten und Bibellesungen eines christlichen Vereins teil.

 

Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer aus innerer Überzeugung und nicht bloß zum Schein zum Christentum konvertiert ist.

 

Weiters wird festgestellt, dass über das Vorbringen des Beschwerdeführers, er werde in Afghanistan aufgrund von Blutrache von einem Kommandanten verfolgt, bereits im Erstverfahren mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 23.08.2006 rechtskräftig abgesprochen worden ist.

 

2.3. Zu Lage in Afghanistan, insbesondere zur Lage von Konvertiten in Afghanistan, werden die o. a. Länderberichte herangezogen und der Entscheidung als Feststellungen zu Grunde gelegt, wobei sich folgendes ergibt:

 

Bericht des auswärtigen Amtes Deutschland über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Afghanistan vom 07.03.2008 mit Stand Februar 2008

 

Religionsfreiheit

 

Nach offiziellen Schätzungen sind etwa 84% der afghanischen Bevölkerung sunnitische Muslime, ca. 15% schiitische Muslime. Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften (wie z. B. Sikhs, Hindus, Christen) machen nicht mehr als 1% der Bevölkerung aus.

 

Artikel 2 der afghanischen Verfassung bestimmt in Absatz 1, dass der Islam Staatsreligion Afghanistans ist. Die in Artikel 2 Absatz 2 der Verfassung verankerte Glaubensfreiheit kommt nach dem Wortlaut allerdings nur für die "Anhänger anderer Religionen" (als dem Islam) und "im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen" zum Tragen. Demnach besteht Glaubensfreiheit, die auch die freie Religionswahl beinhaltet, nicht für Muslime. Laut Art. 3 der Verfassung "darf kein Gesetz dem Glauben und den Bestimmungen des Islam widersprechen".

 

Art. 7 der Verfassung schreibt die Gültigkeit der von Afghanistan ratifizierten internationalen

 

Verträge - wie der "Internationale Pakt für bürgerliche und politische Rechte" oder die "Allgemeine Menschenrechtserklärung" - fest. Auch Art. 7 ist im Lichte des Art. 3 (Vorbehalt des Islam) zu lesen. Ob die noch junge afghanische Rechtsprechung den völkerrechtlichen Verpflichtungen Afghanistans entspricht und somit auch vom Islam konvertierten Christen die Ausübung ihrer Religion gestattet, bleibt abzuwarten. Das im Frühjahr 2006 gegen einen afghanischen Konvertiten eingeleiteter Verfahren wegen Apostasie begründet jedoch Zweifel.

 

Am 17. September 2003 hat Präsident Karzai die Einsetzung eines zentralen islamischen religiösen Rates (Schura) per Dekret genehmigt. Die Schura, in der Religionsgelehrte aller Provinzen vertreten sein sollen, umfasst rund 2.600 Mitglieder. Die Religionsgelehrten sollen dafür Sorge tragen, dass die Gebote des Islam eingehalten werden.

 

Im Religionsministerium wurde eine Abteilung zur "Überwachung der Einhaltung religiöser Vorschriften" mit fünf Unterabteilungen (Ursprung islamischer Wissenschaften, Einladung zum Islam und Hinweisung, soziale Reformen, Erkennen von Unglauben sowie Einladung zum Islam und Hinweisung für Frauen) gegründet. Die Abteilung verfügt nicht über polizeiliche Befugnisse. Schwerpunkt ihrer Arbeit ist die Unterrichtung der Bürger über Fragen der Hygiene, des Umweltschutzes, des Zusammenlebens in der Familie sowie auch über die Rechte und Pflichten in der Gesellschaft auf der Grundlage des Islam. Als Leitlinie wurde zudem die Verhinderung der Diskriminierung von Frauen und Ermutigung zu ihrer Fortbildung und stärkerer Teilnahme an der Gesellschaft genannt. Über die Tätigkeit der Abteilung ist nichts bekannt.

 

Verwaltungsgericht Oldenburg, Az. 7 A 4142/03

 

Nach der Einschätzung des Dr. Danesch in seiner Stellungnahme vom 13. Mai 2004 an das VG Braunschweig gibt es in ganz Afghanistan keinerlei Landesteile und Städte, in denen eine Person, die vom Islam zum Christentum übergetreten ist, unbehelligt ihren Glauben ausüben könnte. Personen, die zum Christentum übergetreten sind, müssen mit Sanktionen sowohl von privater als auch von staatlicher Stelle rechnen. Denn in der traditionell-islamischen Gesellschaft räumt man der Familie weitgehende Sanktionsmöglichkeiten gegen Mitglieder ein, die "Schande" über sie gebracht haben. Dazu gehören harte Bestrafungen, Verstoßung und sogar die Tötung. Auch Übergriffe von staatlicher Stelle gegen Konvertiten sind denkbar. In Kabul und im ganzen Land wird heute praktisch wieder nach der Sharia geurteilt, nach der "Abtrünnige vom Islam" streng bestraft werden. Die Verhältnisse in den Provinzen sind nicht anders. Dabei ist es für den europäischen Beobachter wichtig zu verstehen, dass in einem Gemeinwesen, dessen Grundlage die Religion ist, "Ungläubige" und "Abtrünnige vom Islam" nicht nur ein religiöses Verbrechen, sondern Staatsverrat begehen. Danach müsste eine Person, die zum Christentum übergetreten ist, im ganzen Land auch mit Übergriffen durch den Staat und die Justiz rechnen (Seite 5). Der Abfall vom Islam ist das denkbar schwerste religiöse Verbrechen, dass in der Regel mit dem Tod geahndet wird.

 

3. Beweiswürdigung

 

3.1. Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen Angaben im Verfahren, welchen Glauben geschenkt wird, zumal sie sowohl im Erstverfahren als auch im gegenständlichen Verfahren gleichlautend waren sowie aus der im Erstverfahren vorgelegten amtlichen Abschrift eines Personalausweises des Beschwerdeführers.

 

3.2. Entgegen der Ansicht der Erstbehörde geht der erkennende Richter davon aus, dass der Beschwerdeführer nicht bloß zum Schein, sondern aus innerer Überzeugung vom Islam zum Christentum konvertiert ist. Das Bundesasylamt bewertete das vom Beschwerdeführer vorgelegte Schreiben einer norwegischen Pfarrgemeinde vom 00.00..2007 als Gefälligkeitsschreiben und begründete dies mit der mangelnden Kenntnis des Beschwerdeführers über das Christentum. Abgesehen davon, dass es fragwürdig erscheint, ein Schreiben ohne Kenntnis von seinem Inhalt als Gefälligkeitsschreiben zu bewerten, zumal die Erstbehörde keine Übersetzung des in norwegischer Sprache eingereichten Schriftstückes veranlasst hat, ist nicht nachvollziehbar, dass eine Pfarrgemeinde, insbesondere ein Pfarrer, der aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit dazu angehalten ist, die Wahrheit zu sagen, ein Gefälligkeitsschreiben abgibt, in dem er Vorgänge bestätigt, die tatsächlich nie passiert sind. Daher geht der erkennende Richter davon aus, dass der Beschwerdeführer an einer Konferenz einer Pfarrgemeinde teilgenommen, die Bibelschule besucht und sich 2007 taufen hat lassen.

 

Zwar ist es richtig, dass der Beschwerdeführer im erstinstanzlichen Verfahren noch erhebliche Wissenslücken hinsichtlich des christlichen Glaubens hatte, doch führte der Beschwerdeführer bei seinen Einvernahmen an, er sei noch beim Lernen und eigne sich alles nach und nach an. In den vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat abgehaltenen mündlichen Berufungsverhandlungen am 06.03.2008 und 27.05.2008 konnte der Beschwerdeführer umfangreiches Wissen über das Christentum darlegen. So war der Beschwerdeführer in der Lage die Unterscheidung in katholisches, protestantisches und orthodoxes Christentum wiederzugeben. Ebenso wusste er über die wesentlichen christlichen Feste Bescheid und konnte sogar die Zeitspanne zwischen Ostern und Pfingsten anführen. Dies deutet genauso wie das Wissen des Beschwerdeführers über die Kreuzzüge der Christen darauf hin, dass sich der Beschwerdeführer intensiv mit dem Christentum beschäftigt hat. Dieses intensive Auseinandersetzen mit dem christlichen Glauben zeigt wiederum, dass der Beschwerdeführer großes Interesse an den Lehren des Christentums hat. Es kann daher keinesfalls von einer bloßen Scheinkonversion gesprochen werden.

 

Auch die Teilnahme des Beschwerdeführers an religiösen Veranstaltungen des christlichen Vereins "Grace International Ministeries - Verein zur Förderung kultureller und ethnischer Werte" in Wien, welche der Beschwerdeführer durch eine Bestätigung des Vereins vom 26.05.2008 sowie durch Vorlage eines Programmheftes für die Veranstaltungen des Vereins belegen konnte, spricht für einen Übertritt des Beschwerdeführers zum Christentum aus innerer Überzeugung.

 

Der Beschwerdeführer vermittelte in den Berufungsverhandlungen glaubhaft den Eindruck, dass dieser aufgrund negativer Erfahrungen mit seiner ursprünglichen Religion nunmehr an den Werten des Christentums Gefallen gefunden hat und seinen neuen Glauben auch in Zukunft ausüben will.

 

Die Feststellung, dass die Konversion des Beschwerdeführers vom Islam zum Christentum in seinem Heimatland bekannt geworden ist, war aufgrund der Aussage des Zeugen N. M. in der mündlichen Berufungsverhandlung am 27.05.2008 zu treffen. Dieser bestätigte in seiner Aussage, dass der Bekanntheitsgrad der Familie des Beschwerdeführers im Heimatland sehr hoch ist. Unter dieser Prämisse ist es durchaus nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer als Angehöriger dieser Familie erkannt wurde und die Nachricht von seiner Konversion durch bei der Taufe anwesende und mittlerweile wieder ins Heimatland zurückgekehrte Landsleute an Familienangehörige des Beschwerdeführers im Heimatland weitergegeben wurde.

 

3.3. Die Feststellungen zur Situation in Afghanistan, insbesondere zur Lage von Konvertiten, stützen sich auf die zitierten aktuellen Quellen. Der Beschwerdeführer ist diesen in der mündlichen Verhandlung erörterten Feststellungen nicht entgegengetreten. Angesichts der Seriosität der genannten Quellen und der mit der internationalen Berichterstattung übereinstimmenden Inhalte besteht für den Asylgerichtshof kein Grund, die Richtigkeit der Länderfeststellungen in Zweifel zu ziehen.

 

In diesem Zusammenhang sei auch festgehalten, dass zwar mittlerweile ein aktuellerer Bericht des Home Office COI als der zitierte vom 07.09.2007 vorliegt, und zwar vom 02.04.2008, sich aus diesem jedoch keine relevanten Änderungen ergeben.

 

IV. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Gemäß dem Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz, BGBl. I Nr. 4/2008, wurde der Asylgerichtshof - bei gleichzeitigem Außerkrafttreten des Bundesgesetzes über den unabhängigen Bundesasylsenat - eingerichtet und treten die dort getroffenen Änderungen des Asylgesetzes mit 01.07.2008 in Kraft; folglich ist das AsylG 2005 ab diesem Zeitpunkt in der Fassung BGBl. I Nr. 4/2008 anzuwenden.

 

1. Zuständigkeit des erkennenden Einzelrichters

 

Gem. § 75 (7) Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 4/2008 sind am 1. Juli 2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof nach Maßgabe der geltenden Bestimmungen weiterzuführen:

 

1.1. Mitglieder des Unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern dies Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängige Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.

 

......

 

Im Rahmen der Interpretation des § 75 (7) ist mit einer Anhängigkeit der Verfahren beim Unabhängigen Bundesasylsenat mit 30.6.2008 auszugehen (vgl. Art. 151 Abs. 39 Z.1 B-VG). Der in der genannten Übergangsbestimmung genannte 1. Juli 2008 ist im Sinne der im oa. Klammerausdruck genannten Bestimmung des B-VG zu lesen.

 

Der erkennende Richter, welcher mit Beschluss der Bundesregierung vom 21.5.2007 mit Wirksamkeit vom 1.7.2008 zum Richter des Asylgerichtshofes ernannt wurde, führte im gegenständlichen Verfahren als Mitglied des Unabhängigen Bundesasylsenates am 06.03.2008 bzw. am 27.05.2008 eine öffentliche Berufungsverhandlung durch. Er hat daher das Verfahren, welches am 30.6.2008 bzw. 1.7.2008 noch anhängig ist, als Einzelrichter weiterzuführen.

 

2. Anzuwendendes Verfahrensrecht

 

Gem. § 23 des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof, BGBl. I, Nr. 4/2008 (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG) idgF sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr.51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt, weshalb im gegenständlichen Fall im hier ersichtlichen Umfang das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr.51 zur Anwendung gelangt.

 

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die erkennende Gericht, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, im Spruch und in der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Gem. § 75 (1) des Asylgesetzes 2005, BGBl I Nr. 4/2008 (AsylG 2005) sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt. Die §§ 24, 26, 54 bis 57 und 60 dieses Bundesgesetzes sind auf diese Verfahren anzuwenden. § 27 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Bundesasylamt oder der Asylgerichtshof zur Erlassung einer Ausweisung zuständig ist und der Sachverhalt, der zur Einleitung des Ausweisungsverfahrens führen würde, nach dem 31. Dezember 2005 verwirklicht wurde. § 57 Abs. 5 und 6 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass nur Sachverhalte, die nach dem 31. Dezember 2005 verwirklicht wurden, zur Anwendung dieser Bestimmungen führen.

 

Im gegenständlichen Fall wurde der Antrag auf internationalen Schutz am 19.02.2007 gestellt, weshalb das AsylG 2005 zur Anwendung gelangt.

 

3. Zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft

 

3.1. Gem. § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht. Der Antrag auf internationalen Schutz ist gem. Abs. 3 leg. cit. bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn

 

1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder

 

2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

 

3. Im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention vom 28.07.1951, BGBL. Nr. 55/1955, iVm Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 31.01.1967, BGBl. Nr. 78/1974, ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und sich nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Kann Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden, und kann ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden, so ist gem. § 11 Abs. 1 AsylG der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind. Bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, ist gem. Abs. 2 leg. cit. auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen.

 

Zentraler Aspekt des aus Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention übernommenen Flüchtlingsbegriffes ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Zu fragen ist daher nicht danach, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht. Zurechnungssubjekt der Verfolgungsgefahr ist der Heimatstaat bzw. bei Staatenlosen der Staat des vorherigen gewöhnlichen Aufenthaltes. Daher muss die Verfolgungsgefahr (bzw. die wohlbegründete Furcht davor) im gesamten Gebiet des Heimatstaates des Asylwerbers bestanden haben (VwGH 9.3.1999, 98/01/0370; VwGH 14.10.1998, 98/01/262).

 

3.2. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH vom 30.06.2005, Zahl: 2003/20/0544) ist zur Frage der Verfolgungsgefahr bei Iranern, die vom Islam zum Christentum konvertiert sind, maßgeblich, ob der Asylwerber bei weiterer Ausführung des behaupteten inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsse, aus diesem Grunde mit einer die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktion belegt zu werden (so schon im Erkenntnis des VwGH vom 24.10.2001, Zl. 99/20/0550, ebenfalls VwGH vom 17.10.2002, Zahl:

2000/20/0102). In gleichem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 31.05.2001, Zl. 2001/20/0054, im Zusammenhang mit einer noch nicht erfolgten, aber beabsichtigten Konversion zum Ausdruck gebracht, dass für die Beurteilung des Asylanspruches maßgeblich sei, ob der Asylwerber in seinem Heimatstaat in der Lage war, eine von ihm gewählte Religion frei auszuüben, oder ob er bei Ausführung seines inneren Entschlusses, vom Islam abzufallen und zum Christentum überzutreten, mit asylrelevanter Verfolgung rechnen müsse.

 

3.3. Im gegenständlichen Fall hat der Beschwerdeführer - wie aus den zu Afghanistan getroffenen Länderfeststellungen hervorgeht - aufgrund seiner aus innerer Überzeugung und nicht bloß zum Schein erfolgten Konversion vom Islam zum Christentum jedenfalls mit Sanktionen von staatlicher Stelle zu rechnen, da nach der in Afghanistan geltenden Sharia "Abtrünnige vom Islam" streng bestraft werden. Ein Übertritt zum Christentum wird nicht nur als religiöses Verbrechen, sondern als Staatsverrat angesehen und wird in der Regel mit dem Tod geahndet. Der Beschwerdeführer ist daher keinesfalls in der Lage, die von ihm gewählte Religion in seinem Herkunftsstaat frei auszuüben. Vielmehr würde ihm bei Ausübung seines inneren Entschlusses, zum Christentum überzutreten, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Todesstrafe und daher jedenfalls asylrelevante Verfolgung drohen.

 

Es gibt keine Hinweise darauf, dass einer der in Art. 1 Abschnitt C oder F GFK genannten Ausschlussgründe oder Endigungsgründe vorliegen würde.

 

Dem Beschwerdeführer war daher auf Grund des geltend gemachten Fluchtgrundes im Sinne der ständigen Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen.

 

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass den Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Schlagworte
Apostasie, Konversion, Religion
Zuletzt aktualisiert am
31.12.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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