TE AsylGH Erkenntnis 2008/08/25 B1 246479-0/2008

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Veröffentlicht am 25.08.2008
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Spruch

B1 246.479-0/2008/12E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat gemäß §§ 75 Abs 1 und 7 Asylgesetz 2005 idF BGBl I 4/2008 iVm § 66 Abs 4 AVG 1991 durch den Richter Dr. Ruso als Einzelrichter über die Beschwerde des N.W., geb. 00.00.1973, Staatsangehörigkeit Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 15.01.2004, Zahl: 01 19.284-BAS zu Recht erkannt:

 

Der Beschwerde des N.W. vom 29.01.2004 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 15.01.2004, Zahl: 01 19.284-BAS wird stattgegeben und N.W. gemäß § 7 AsylG Asyl gewährt.

 

Gemäß § 12 leg. cit. wird festgestellt, dass N.W. damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I Gang des Verfahrens und Sachverhalt:

 

1.1 Der Beschwerdeführer ist am 23.08.2001 unter Umgehung der Grenzkontrollen ins Bundesgebiet eingereist und im Gemeindegebiet von Grub/March angehalten worden. Vor dem GÜP Marchegg hat er daraufhin unter dem Namen D.H., geboren im Jahre 1975, einen Asylantrag gestellt.

 

Aufgrund der Abwesenheit des Beschwerdeführers von der Außenstelle Traiskirchen wurde das Asylverfahren jedoch vom Bundesasylamt, Außenstelle Traiskirchen, mit Wirkung vom 30.08.2001 gemäß § 30 Abs. 1 AsylG 1997 eingestellt.

 

Der Beschwerdeführer wurde am 30.09.2003 aufgrund der Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18.02.2003, ABl L 50/1 (Dublin II-Verordnung) nach einem Zunächst erfolgten Aufenthalt in Dänemark, wo er seine Identität mit N.W., geboren 00.00.1973 angegeben hatte, aus Großbritannien nach Österreich überstellt und dem Bundesasylamt zur Prüfung des Asylantrags übergeben.

 

Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesasylamtes vom 15.01.2004 wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen (Spruchpunkt I). Dabei ging das Bundesasylamt davon aus, dass zwar die Schilderungen des Beschwerdeführers hinsichtlich Fluchtgrund und Fluchtweg glaubwürdig seien, jedoch aufgrund der geänderten politischen Lage in Afghanistan seit des Sturzes der Taliban und der Installierung einer demokratisch gewählten Regierung am 22.01.2001 die Bedrohungslage und Unterdrückung der Bevölkerung durch die Taliban nicht mehr gegeben ist und so auch hinsichtlich des Beschwerdeführers zum Entscheidungszeitpunkt keine asylrelevante Gefährdung mehr bestünde.

 

Gemäß § 8 AsylG wurde festgestellt, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt II). Diese Entscheidung gründe sich auf "die nicht feststellbare Identität des Beschwerdeführers" und darauf, dass er im Verfahren keine Verfolgung oder drohende Verfolgungshandlungen vorgebracht habe, die eine Unzulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Afghanistan erkennen ließen.

 

1.2 Gegen diesen Bescheid wurde binnen offener Frist mit Schriftsatz vom 29.01.2004 Berufung erhoben, worin der inhaltlichen Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften im angefochtenen Bescheid entgegengetreten und die Asylgewährung beantragt wird.

 

Zusammenfassend wird darin ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan aufgrund der aktuellen politischen Situation und Sicherheitslage nach wie vor Gefahr drohe, inhaftiert und Opfer von Folter und Misshandlungen, sowie unmenschlicher Behandlung oder Strafe unterworfen zu werden. Die intern zerstrittenen Mujaheddingruppen hätten in der Vergangenheit schwere Menschenrechtsverletzungen begannen und die derzeitige Regierung könne Sicherheit nicht gewährleisten. Weiters habe der Beschwerdeführer in seiner Einvernahme klar seine Bedrohung durch die Mujaheddin dargelegt. Das Bundesasylamt sei jedoch auf diese drohende Gefahr überhaupt nicht eingegangen und habe keinerlei Ermittlungstätigkeiten in Richtung einer allfälligen Bedrohung von Personen, die mit dem kommunistischen Regime in Verbindung gebracht werden, angestellt. Auch sei aus den Feststellungen der belangten Behörde über die Lage in Afghanistan für seinen Fall nichts zu gewinnen.

 

Mit diesem Schriftsatz legte der Beschwerdeführer als Beleg für seine Herkunft und Identität die Kopie seines Mitgliedsausweises zur Volksdemokratischen Partei Afghanistans VDPA und seiner Tazkira samt Begleitschreiben der dänischen Asylbehörde vor, der er die genannten Dokumente im Zuge seines Asylverfahrens in Dänemark übergeben hatte.

 

1.3 Am 06.04.2006 legte der Beschwerdeführer eine Beschwerdeergänzung vor, in der er seine Tätigkeiten für die VDPA sowie seine Fluchtgründe genau anführte und nochmals detailliert darlegte, warum ihm im Falle der Rückkehr nach Afghanistan Todesgefahr drohe.

 

1.4. Am 01.10.2007 fand vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat eine öffentliche mündliche Verhandlung statt. Im Zuge dessen machte der Beschwerdeführer ergänzende Angaben zu seiner Bedrohungssituation und es wurde auch über die Situation des Bruders des Beschwerdeführers und die Umstände von dessen Flucht erhoben, dem im Jahre 1998 im Königreich Dänemark der Status eines Flüchtlings iSd GFK zuerkannt worden ist. Bei dieser Gelegenheit legte der Beschwerdeführer auch die Originale seines Parteiausweises und seiner Geburtsurkunde vor.

 

1.5. Der Beschwerdeführer legte in der Folge mit Schriftsatz vom 19.10.2007 bzw. 22.10.2007 jeweils eine Kopie der dänischen Verständigung über die Asylgewährung an seinen Bruder sowie des Protokolls der Einvernahme des Bruders im Zuge von dessen Asylverfahren bei den dänischen Behörden vor.

 

1.6. Am 05.06.2008 fand eine weitere öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat statt, an welcher der Beschwerdeführer teilnahm und zu der das Bundesasylamt keinen Vertreter entsandt hat. Dabei wurde eine weitere Ergänzung des Ermittlungsverfahrens durchgeführt, wobei auch die Darstellungen des Bruders des Beschwerdeführers zu den Fluchtgründen in dessen Asylverfahren im Königreich Dänemark näher erörtert wurden.

 

2. Sachverhalt:

 

2.1 Zur Person des Beschwerdeführers wird festgestellt:

 

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan, gehört der paschtunischen Volksgruppe an und ist sunnitischen Glaubens. Sein Name ist N.W., geb. am 00.00.1973, und er stammt aus dem Distrikt P. in der Provinz Kabul.

 

Sein Vater und Bruder waren bis zur Machtergreifung durch die Mujaheddin politisch in der VDPA tätig und arbeiteten für die Regierung. Der Vater war in seiner Heimat sehr bekannt, er starb im Jahre 1996 in Afghanistan. Der Bruder des Beschwerdeführers war seit 1978 Mitglied der Jugendorganisation der VDPA und wurde 1983 vollwertiges Parteimitglied, wobei er während seines Medizinstudiums Leiter der Jugendorganisation der Partei im Ärzteinstitut und im Spital M. war. In dieser Funktion wurde er für ca. 8 Monate in P. bei politischen Aktivitäten eingesetzt. Seine politische Tätigkeit für die VDPA endete mit der Eroberung Kabuls durch die Mujaheddin am 27.04.1992. Er wurde aufgrund seines Naheverhältnisses zur kommunistischen Partei von Mujaheddin-Gruppen verfolgt und auch mehrmals inhaftiert. Vor seiner Flucht am 00.00.1998 musste er sich mit seiner Familie mehrere Jahre an verschiedenen Orten in der Provinz Kabul versteckt halten. Derzeit lebt er mit seiner Familie und seiner Mutter als anerkannter Flüchtling in Dänemark.

 

Der Beschwerdeführer selbst trat 1989 in die Jugendorganisation der VDPA ein. Nach Erreichen des 18. Lebensjahres wurde er ordentliches Mitglied und beteiligte sich nun noch stärker an verschiedenen Aktivitäten der Partei. So wurde er für die Propagandatätigkeit der Partei in seinem Heimatdistrikt P. eingesetzt, da er als "Einheimischer" im Auge der Partei bei der dort lebenden Bevölkerung als besonders glaubwürdig galt. In dieser Funktion trat er verschiedentlich öffentlich für die Interessen der Partei auf, gab Interviews in Radio, TV und Zeitungen und hielt auch Ansprachen unter anderem in Schulen und Moscheen.

 

Gleichzeitig beteiligte er sich als Vertreter der Partei an der Suche nach Munition und Waffen. Im Zuge dessen fanden gemeinsam mit Polizei und Khad Durchsuchungen von Häusern und Fahrzeugen statt, um die Aktivitäten gegen den Staat oder die Partei kontrollieren zu können. Der Beschwerdeführer trat auch öffentlich in Gerichtsverhandlungen gegen ihn persönlich bekannte Gegner der Partei aus seinem Heimatdistrikt auf. Zwei dieser Personen übergab er nach einer Hausdurchsuchung, bei der auch Waffen gefunden wurden, persönlich an den Khad.

 

Nach der Eroberung Kabuls am 27.04.1992 durch die Mujaheddin versteckte sich der Beschwerdeführer deshalb im Haus eines Cousins seines Vaters in Kabul, um danach aufgrund der Verschlechterung der Lage am 00.00.1992 nach Mazar-i Sharif zu flüchten. Der Beschwerdeführer eröffnete ein Geschäft und konnte dort bis zur Eroberung der Stadt durch die Taliban unbehelligt leben.

 

Nach der Eroberung von Mazar-i Sharif durch die Taliban am 08.08.1999 wurde er aufgrund seiner politischen Vergangenheit verhaftet und verbrachte die darauffolgende Zeit in einem Privatgefängnis der Taliban, wobei diese auch sein Geschäft und die dort lagernde Ware in Beschlag nahmen. Nach Zahlung eines "Lösegeldes" durch einen in Mazar-i Sharif lebenden Onkel wurde der Beschwerdeführer im Jahre 2001 aus der Haft entlassen und begab sich daraufhin wieder nach Kabul, von wo er im Sommer 2001 in Richtung Österreich ausreiste.

 

Nach seiner Aufgreifung am 23.08.2001 brachte er tags darauf einen Asylantrag beim Bundesasylamt ein, verließ aber danach das Bundesgebiet in Richtung Dänemark, um seine Familie (Mutter und Bruder) zu suchen. Sowohl dort als auch in Großbritannien stellte der Beschwerdeführer Asylanträge und wurde am 30.09.2003 zur Prüfung seines Asylantrages nach Österreich überstellt.

 

Im Falle der Rückkehr nach Afghanistan ist zu erwarten, dass der Beschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit wegen der Aktivitäten und von ihm selbst und seiner Familie während des kommunistischen Regimes mit einer Bedrohung seines Lebens zu rechnen hat, ohne durch die Behörden seines Heimatstaates davor wirksamen Schutz finden zu können.

 

2.2 Zur Lage in Afghanistan wird festgestellt:

 

Afghanistan befindet sich nach 23 Jahren Bürgerkrieg und kriegerischer Auseinandersetzungen in einem langwierigen Wiederaufbauprozess. Weitere Anstrengungen sind nötig, um die bisherigen Stabilisierungserfolge zu sichern und die Zukunftsperspektiven der afghanischen Bevölkerung nachhaltig zu verbessern.

 

Die Sicherheitslage stellt sich regional sehr unterschiedlich dar. Gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen unterschiedlichen Akteuren (staatliche Sicherheitskräfte und internationale Stabilisierungstruppe [ISAF], regierungsfeindliche Gruppen, rivalisierende Milizen, bewaffnete Stammesgruppen sowie organisierte Drogenbanden) dauern in etlichen Provinzen an oder können jederzeit wiederaufleben. Seit Frühjahr 2007 ist vor allem im Süden und Osten des Landes ein Anstieg gewaltsamer Übergriffe regruppierter Taliban und anderer regierungsfeindlicher Kräfte zu verzeichnen. Die Zahl der Selbstmordanschläge und Angriffe mit Sprengfallen von regierungsfeindlichen Kräften haben 2007 erheblich zugenommen.

 

Die Menschenrechtssituation verbessert sich nur langsam. Dies gilt auch für die Lage der Frauen in Afghanistan, selbst wenn die gegen sie gerichteten Verbote aus der Taliban-Zeit formal aufgehoben sind. Die größte Bedrohung der Menschenrechte geht von lokalen Machthabern und Kommandeuren ("warlords") aus. Die Zentralregierung kann diese Täter nur begrenzt kontrollieren bzw. ihre Taten untersuchen und sie vor Gericht bringen. Noch verfügt die Zentralregierung nicht über das Machtmonopol, um die Bürger ausreichend zu schützen.

 

Die Aufteilung staatlicher Macht zwischen Judikative, Exekutive und Legislative ist in der politischen Wirklichkeit nur in Ansätzen vorhanden. Das Parlament, das - nach vergleichsweise freien und weitgehend fairen Wahlen - im Dezember 2005 erstmals zusammentrat, hat sich bisher nicht als konstruktiver Machtfaktor im politischen Gefüge Afghanistans zu etablieren vermocht. Die Formulierung und Durchsetzung politischer Vorhaben liegt nach wie vor weitgehend in den Händen der Exekutive.

 

Ein funktionierendes Verwaltungs- und Justizwesen fehlt weitgehend. In der öffentlichen Verwaltung ist die Situation ähnlich prekär wie im Justizwesen. Weit verbreitete Korruption und mangelnde fachliche Qualifikation bis in die höchsten Ebenen der Verwaltung haben eine hohe Ineffizienz des Verwaltungsapparats zur Folge. Primäres Kriterium bei der Personalauswahl im öffentlichen Dienst ist häufig die Zugehörigkeit zur "richtigen" ethnischen Gruppe oder einem bestimmten Clan. Spitzenpositionen sind, v.a. in den Provinzen, oft käuflich oder Erbhöfe lokaler Machthaber, die ihre Vertrauensleute damit "belehnen". Strukturen bzw. Mechanismen, die Verstöße von Amtsträgern gegen Gesetze oder Unfähigkeit sanktionieren würden, sind innerhalb des Apparates praktisch nicht vorhanden.

 

In der Gerichtsbarkeit besteht keine Einigkeit über die Anwendung der verschiedenen Rechtsquellen (staatliche Gesetze, Scharia oder Gewohnheitsrecht). Rechtsstaatliche Verfahrensprinzipien werden häufig nicht eingehalten. Problematisch ist auch die mangelnde Zusammenarbeit zwischen Gerichten, Staatsanwaltschaft und Gefängnissen. Im Herbst 2007 kam es deswegen im Gefängnis Pul-e Charki bei Kabul sowie in Zaranj (Provinz Nimruz) zu Hungerstreiks von Gefangenen wegen überlanger Gerichtsverfahren. Die Proteste gingen v.a. von Kleinkriminellen aus, die nicht die Mittel haben, sich freizukaufen. Das Oberste Gericht ist bislang ebenfalls nicht als wirkungsvolle Kontrollinstanz in Erscheinung getreten. Aufgrund seiner langsamen Arbeitsweise hat es mit einem großen Rückstau noch nicht bearbeiteter Fälle zu kämpfen. Die Unabhängigkeit der Justiz und die Justizgrundrechte ("nulla poena sine lege", keine Sippenhaft, Unschuldsvermutung, etc.) sind zwar förmlich in der afghanischen Verfassung verankert. In der Rechtswirklichkeit ist das Justizsystem aber noch nicht funktionsfähig. Trotz bereits laufender Aus- und Fortbildungsmaßnahmen für Richter und Staatsanwälte wird es noch etliche Jahre dauern, bis das Gerichtssystem dem Anspruch der Verfassung genügen wird.

 

Neben dem formellen staatlichen Gerichtswesen besteht weiterhin die traditionelle Gerichtsbarkeit. Vor allem auf dem Land wird die Richterfunktion weitgehend von lokalen Räten (Schuras) übernommen. Nach Aussage des im November 2007 veröffentlichten "Afghan National Human Development Report" werden nach wie vor 80% aller Rechtsstreitigkeiten im Rahmen dieser informellen Strukturen geregelt. Bei Gericht sind oft nicht einmal Texte der wichtigsten afghanischen Gesetze vorhanden. Einigkeit über die Gültigkeit und Anwendbarkeit von kodifizierten Rechtssätzen besteht meist nicht. Mangelnde Rechtskenntnis und die mangelnde Fähigkeit zur Auslegung verschärfen die Situation. Grundsätze eines fairen Verfahrens nach rechtstaatlichen Prinzipien werden von Gerichten oftmals nicht beachtet. Tatsächlich nehmen Gerichte, soweit sie ihre Funktion ausüben, eher auf Gewohnheitsrecht, auf Vorschriften des islamischen Rechts (Scharia) und auf die (nicht selten willkürliche) Überzeugung des einzelnen Richters Bezug, denn auf staatliche, säkulare Gesetze. Viele Fälle werden schlicht durch das Recht des Stärkeren geregelt. Eine Strafverfolgung außerhalb Kabuls wegen mutmaßlicher Menschenrechtsverletzungen ist praktisch nicht möglich. Korruption wird allgemein als großes Problem im Justiz- und Verwaltungsbereich wahrgenommen.

 

Die afghanische Geschichte der letzten Jahrzehnte ist geprägt von der Besatzung durch die Sowjetunion, dem Bürgerkrieg zwischen den Mujaheddin-Gruppen und der Gewaltherrschaft der Taliban. Eine gewachsene Kultur des politischen Diskurses und der friedlichen Beilegung von Konflikten gibt es daher weder auf persönlicher noch auf politischer Ebene. Hinzu kommt, dass Blutrache und Fehden zwischen Familien, Clans und Stämmen, insbesondere in der paschtunischen Stammesgesellschaft des Südens und Ostens des Landes, seit jeher gängige Formen der Auseinandersetzung darstellen.

 

In weiten Teilen Afghanistans finden nach wie vor militärische Auseinandersetzungen zwischen regierungsfeindlichen Kräften einerseits sowie afghanischen und internationalen Truppen andererseits statt. Präsident Karzai hat wiederholt seinen Willen erklärt, Verhandlungen mit den aufständischen Kräften zu führen. Diese lassen bislang jedoch keine eindeutige Bereitschaft zu Gesprächen erkennen oder stellen Bedingungen, die für die Regierung unannehmbar sind (z.B. Abzug aller ausländischen Streitkräfte). Auch in jenen Teilen des Landes, in denen derzeit keine regierungsfeindlichen Kräfte operieren, kommt es regelmäßig zu politisch motivierter Gewaltanwendung. Nach wie beherrschen lokale Machthaber verschiedene Regionen v. a. im Norden des Landes. Diese bekämpfen die Regierung Karzai zwar nicht mit militärischen Mitteln, wahren aber ihren Macht und Einflussbereich vor Ort immer wieder gewaltsam gegenüber rivalisierenden Gruppen.

 

Wie insgesamt die staatlichen Strukturen befinden sich auch die Sicherheitskräfte im Wiederaufbau. Die Ausbildung polizeilicher Führungskräfte fand seit 2002 unter deutscher Federführung statt und ging im Juni 2007 auf die europäische EUPOL-Mission über. Die Anforderungen, welche an die Polizeikräfte in Afghanistan gestellt werden, unterscheiden sich zum Teil stark von den Aufgaben der Polizei in entwickelten Demokratien. Die Polizei trägt in Afghanistan neben der Armee die Hauptlast bei der Bekämpfung der Aufstandsbewegung im Süden und hat hohe Verluste zu beklagen (über 1.000 Tote im Jahr 2007). Die Afghanische Nationalpolizei (ANP) ist insofern eine primär paramilitärische Organisation. Bei der Durchsetzung von Recht und Gesetz wird die ANP ihrer Aufgabe nicht gerecht. Der Ausbildungsstand der Polizisten ist niedrig, das Ausmaß der Korruption ist hoch, was auch eine Folge der schlechten Bezahlung sein dürfte. Die Loyalität einzelner Polizeikommandeure gilt oftmals weniger dem Staat als lokalen bzw. regionalen Machthabern. In der öffentlichen Wahrnehmung ist die ANP daher kein Stabilitäts-, sondern vielmehr oft ein Unsicherheitsfaktor. Es wird noch erheblicher Anstrengungen seitens der internationalen Gemeinschaft bedürfen, bis ein Mindestmaß an professioneller Aufgabenwahrnehmung durch die afghanischen Polizeikräfte gewährleistet werden kann.

 

Gleiches gilt auch für die Afghanische Nationalarmee (ANA). Die Vereinigten Staaten von Amerika betreiben den Aufbau der ANA mit großem Mitteleinsatz. Es besteht Einigkeit, dass es noch weitere fünf bis zehn Jahre dauern wird, um die ANA in die Lage zu versetzen, selbständig (d.h. ohne unmittelbare Mitwirkung internationaler Streitkräfte) Operationen gegen Aufständische im eigenen Land erfolgreich durchzuführen. Traditionell verfügt die Armee in Afghanistan über ein höheres Ansehen als die Polizei. Auch die Besoldung der ANA-Angehörigen ist höher als die der Polizeikräfte. Internationale Ausbilder beklagen das geringe Bildungsniveau und die verbreitete Disziplinlosigkeit der Armeerekruten.

 

Die Machtstrukturen in Afghanistan sind vielschichtig und verwoben. Sie haben teilweise feudale Züge. Die Unterscheidung zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren ist vor diesem Hintergrund schwierig. Politische Rivalitäten beruhen in aller Regel nicht auf ideologisch-programmatischen Gegensätzen. Ihnen liegen vielmehr meist ethnische Konflikte oder Rivalitäten um Macht und wirtschaftliche Vorteile zu Grunde. Allianzen werden unter pragmatischen Gesichtspunkten geschmiedet. So kommt es für Außenstehende immer wieder zu überraschenden Koalitionswechseln, wenn dies aus Sicht der Beteiligten zur Erreichung ihrer Ziele opportun erscheint.

 

Es gibt Hinweise, dass einzelne Regierungsmitglieder und einflussreiche Parlamentsabgeordnete die Verfolgung, Repression und auch Tötung von politischen Gegnern billigen. Von einer organisierten, gezielten oder zentral gesteuerten Verfolgung kann gleichwohl nicht die Rede sein. Ehemalige Kommunisten können sich in Kabul dann gefahrlos aufhalten, wenn sie über schützende Netzwerke und Kontakte, auch zu Regierungsvertretern, verfügen. (Quelle:

Auswärtiges Amt Berlin, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan vom 07.03.2008, Abschnitt II.1.1)

 

Eine große Gefahr für die Menschenrechte geht von lokalen Machthabern und Kommandeuren aus. Es handelt sich hierbei meist um Anführer von Milizen, die nicht mit staatlichen Befugnissen ausgestattet sind. Diese lokalen Kommandeure und bewaffneten Gruppen sind oftmals in der Lage, ihren Einfluss über die lokalen Gebiete hinaus auszudehnen. Die Zentralregierung hat auf viele dieser Menschenrechtsverletzer praktisch keinen Einfluss. Sie kann diese Täter weder kontrollieren noch ihre Taten untersuchen oder sie verurteilen. Zudem seien staatliche Behörden größtenteils nicht in der Lage, effektiven Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu gewährleisten. So wird in einem Bericht des UNHCR Kabul von 25.02.2008 die Sicherheitslage insbesondere auch im Distrikt Paghman in der Hauptstadt Kabul als unsicher eingestuft.

 

Wegen des desolaten Zustands des Verwaltungs- und Rechtswesens bleiben Menschenrechtsverletzungen häufig ohne Sanktionen. "Warlords", Drogenbarone, Regionalkommandeure und Milizenführer unterdrücken in ihrem Machtbereich jegliche Opposition, oft mit harten Sanktionen. Lokale Machthaber (Clanchefs, Milizenführer) inhaftieren politisch Andersdenkende ohne förmliches Gerichtsverfahren und sollen geheime, ¿persönliche' Gefängnisse unterhalten, teilweise um politische Gegner einzuschüchtern, teilweise um Lösegelder zu erpressen. (Quelle: Auswärtiges Amt Berlin, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan vom 07.03.2008, Abschnitt II.2, Bericht des UNHCR Kabul vom 25.02.2008, UNHCR Einzelansicht bzgl die UNHCR Richtlinie ur Feststellung des internationalen Schutzes afghanischer Asylsuchender vom 20.03.2008)

 

Die Gefährdung des Einzelnen, zu einem Opfer von Gewalt oder einer Menschenrechtsverletzung zu werden, ist im gesamten Land gegeben. Die Sicherheitslage stellt sich regional sehr unterschiedlich dar und wirkt sich dementsprechend auf die Gefährdungssituation des Einzelnen aus. Ob eine Person sich einer möglichen Gefährdung durch ein Ausweichen im Land entziehen kann, hängt maßgeblich von dem Grad ihrer familiären, tribalen und sozialen Vernetzung ab. (Quelle:

Auswärtiges Amt Berlin, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan vom 07.03.2008, Abschnitt II.3)

 

Hinsichtlich der Verfolgung von Rückkehren wegen deren früherer Tätigkeit beim kommunistischen Staat wird festgestellt, dass derzeit niemand aufgrund seiner kommunistischen Vergangenheit und aufgrund seiner Tätigkeit bei den militärischen und zivilen Institutionen des kommunistischen Staates verfolgt wird, es sei denn z.B. ein Mitglied des Staatssicherheitsdienstes des kommunistischen Staates habe Menschen erniedrigt oder verhaftet und ihn dabei schwer geschädigt oder getötet. Wenn ein Asylwerber tatsächlich jemanden verhaftet hat und diese Person dabei Schaden erlitten hat, unabhängig davon, dass der Asylwerber in der weiteren Behandlung der verhafteten Person beteiligt gewesen ist oder nicht, kann das zu seiner Verfolgung seitens des Opfers führen, wenn diese Person den Asylwerber deutlich erkannt und seinen Namen und seine Herkunftsregion gekannt hat. Es geraten auch Personen in Verfolgung, nur seitens Privatpersonen, wenn ihre nahen Verwandten, wie Brüder oder Väter Privatpersonen schwer geschadet haben. (Quelle: Gutachten über die aktuelle politische Lage in Afghanistan des Sachverständigen Dr. Sarajuddin Rasuly vom 21.11.2006, Abschnitt 2)

 

"Significant number¿s of former PDPA members and former security officials, including the Intelligence Service (Khad), are working in the Government. (...) While many former PDPA members and officials of the communist Government, particularly those who enjoy the protection of and have strong links to influential factions and individuals, are not at threat, a risk of persecution may persist for some high-ranking members of the PDPA, if they were to return Kunar province and some districts of the eastern region. The exposure to risk depends on the individual¿s personal circumstances. Family background, professional profile, links, and whether he or she has been associated with the human rights violations of the communist regime in Afghanistan between 1979 an 1992. Those former PDPA high ranking members without factional protection from Islamic political parties or tribes, or influential personalities, who may be exposed to a risk of persecution, include the following:

 

(...)

 

Former security officials of the communist regime, including Khad, also continue to be at risk, in particular from the population - i. e. families of victims - given their association with human rights abuses during the communist regime.

 

(Quelle: UNHCR¿s Eligibility Guidelines for assesssing the international Protection Needs of afghan Asylum-Seekers vom Dezember 2007, Abschnitt III, B 12.)

 

Afghanistan gilt als das ärmste Land Asiens. Nach Angaben des "Center for Policy and Human Development" der Universität Kabul ("National Human Development Report 2007") kann fast ein Viertel aller Haushalte die Grundversorgung an Nahrungsmitteln nicht selbständig sichern. Die Vereinten Nationen versorgen Millionen von Afghanen mit Nahrungsmitteln und Hilfsgütern. Die Versorgungslage hat sich in Kabul und zunehmend auch in den anderen großen Städten zwar grundsätzlich verbessert, aber wegen mangelnder Kaufkraft profitieren längst nicht alle Bevölkerungsschichten davon. In vielen Gebieten Afghanistans ist die Versorgungslage mit Lebensmitteln weiterhin nicht zufrieden stellend, Hinzu kommt die Gefahr von kriminell motivierten Überfällen und Landminen (...) Das Angebot an Wohnraum ist knapp und er ist nur zu hohen Preisen erhältlich.

 

Staatliche soziale Sicherungssysteme sind nicht vorhanden. Renten-, Arbeitslosen- und Krankenversicherungen gibt es nicht. Familien und Stammesverbände übernehmen die soziale Absicherung. Rückkehrer, die außerhalb des Familienverbandes oder nach einer längeren Abwesenheit im westlich geprägten Ausland zurückkehren, stoßen auf größere Schwierigkeiten als Rückkehrer, die in Familienverbänden geflüchtet sind oder in einen solchen zurückkehren, wenn ihnen das notwendige soziale oder familiäre Netzwerk sowie die notwendigen Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse fehlen. Sie können auf übersteigerte Erwartungen hinsichtlich ihrer finanziellen Möglichkeiten treffen, so dass von ihnen überhöhte Preise gefordert werden. Von den "Zurückgebliebenen" werden sie häufig nicht als vollwertige Afghanen akzeptiert.

 

Die medizinische Versorgung ist in Afghanistan aufgrund fehlender Medikamente, Geräte und Ärzte und mangels ausgebildeten Hilfspersonals - trotz mancher Verbesserungen -völlig unzureichend. Afghanistan gehört zu den Ländern mit der höchsten Kindersterblichkeitsrate in der Welt. Die Lebenserwartung der afghanischen Bevölkerung lag 2006 bei etwa 43 Jahren. Auch in Kabul, wo mehr Krankenhäuser als im übrigen Afghanistan angesiedelt sind, ist für die afghanische Bevölkerung noch keine hinreichende medizinische Versorgung gegeben.

 

Hinsichltich der Behandlung von Rückkehrern ist nicht bekannt, dass eine Asylantragstellung zu Sanktionen seitens der afghanischen Regierung führt. Laut UNHCR wird die Rückführung von Flüchtlingen durch die schlechte Sicherheitslage, die mangelhaften Aussichten, eine wirtschaftliche Existenz aufzubauen, und die schwachen institutionellen Kapazitäten der afghanischen Behörden bei der Wiederaufnahme von Flüchtlingen beeinträchtigt. Freiwillig zurückkehrende Afghanen kamen in den ersten Jahren meist bei Familienangehörigen unter, was die in der Regel nur sehr knapp vorhandenen Ressourcen (Wohnraum, Versorgung) noch weiter strapaziert. Eine zunehmende Zahl von Rückkehrern verfügt aber nicht mehr über diese Anschlussmöglichkeiten.

 

Andererseits bringen Afghanen, die in den Kriegs- und Bürgerkriegsjahren im westlichen Ausland Zuflucht gesucht haben, von dort in der Mehrzahl der Fälle höhere Finanzmittel, eine qualifiziertere Ausbildung und umfangreichere Fremdsprachenkenntnisse mit als Afghanen, die in die Nachbarländer geflüchtet sind. Das verschafft ihnen bei der Reintegration einen deutlichen Vorteil. Die Mehrheit der "Intelligenzia" ist während der Kriegs- und Bürgerkriegsjahre nach Europa und Nordamerika geflüchtet. Prinzipiell könnten die Fähigkeiten dieser Personen eine erhebliche Ressource für das Land darstellen, denn es mangelt an ausgebildeten Facharbeitern und Akademikern.

 

Die Probleme, mit denen sich die Rückkehrer konfrontiert sehen, unterscheiden sich nach Einschätzung des UNHCR nicht von denen anderer Afghanen (insbesondere in den Provinzen), aber sie sind sehr viel prononcierter. In erster Linie sind in diesem Zusammenhang Land- und Grundsstückstreitigkeiten zu nennen, die bei der Zuweisung von Land durch die Regierung, Rückforderung ehemaligen Eigentums, illegale Besetzung von Land etc. offenbar werden. Daneben ist die Verwirklichung anderer grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Rechte, wie Zugang zu Arbeit, Wasser, Gesundheitsversorgung etc., mit Problemen behaftet. (Quelle: Auswärtiges Amt Berlin, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan vom 07.03.2008, Abschnitt IV 1.-2.)

 

Speziell in Kabul, dessen Bevölkerungszahl bis zum Ende der Taliban-Herrschaft von einst ca. drei auf eine Million Einwohner gesunken war, durch den Zustrom von Rückkehrern aus den Nachbarländern sowie den Binnenflüchtlingen in den letzten Jahren um mindestens 3,5 Millionen Menschen angewachsen. Aufgrund der geografischen Lage der Stadt in einem von hohen Bergen umgebenen Talkessel seien die Möglichkeiten zur räumlichen Ausdehnung beschränkt mit der Folge, dass sich auf engem Raum Millionen Menschen drängten. Das Verkehrschaos, die Luftverschmutzung und die Müllsituation seien unbeschreiblich. Erschwinglicher Wohnraum außerhalb der Flüchtlingslager existiere für Rückkehrer nicht. Tag für Tag verhungern in Kabul Menschen. Der Umstand, dass es keine breite Berichterstattung über Todesfälle unter der armen Bevölkerung von Kabul gebe, bedeute nicht, dass diese nicht geschehen würde. Menschen, die Mangelernährung und Krankheiten erlägen, würden ohne viele Umstände verscharrt. (Quelle: Gutachten des Dr. Mostafa Danesch vom 25.01.2006 an das VG Hamburg, zitiert in 1 K 229/07.KO des VG Koblenz)

 

Viele Rückkehrer, die nach dem Fall der Taliban nach Afghanistan, besonders nach Kabul, zurückgekehrt waren und keine wirtschaftliche Grundlage besaßen, verlassen allmählich Afghanistan Richtung Pakistan und Iran, weil die Arbeitsmarktlage in Afghanistan sehr schlecht ist und 70% der Menschen arbeitslos ist. Nur der Familienrückhalt sichert vielen Menschen das wirtschaftliche Überleben. Der Staat ist nicht in der Lage den Rückkehrern zu helfen, außer dass er einem geringen Teil der Flüchtlinge in ihren Heimatregionen Grundstücke zur Verfügung stellt ein kleines Haus zu bauen. (...) Diese Versprechen wurden aber bisher teilweise realisiert. Trotzdem sind die meisten Rückkehrer auf sich allein gestellt und sind von der wirtschaftlichen Situation schwer betroffen. (Quelle: Gutachten über die aktuelle politische Lage in Afghanistan des Sachverständigen Dr. Sarajuddin Rasuly vom 21.11.2006, Ab. 2, zu Verfahren vor dem UBAS unter 236.551/13-XIII/66/06)

 

3. Beweiswürdigung:

 

3.1 Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus der im Rechtsmittelverfahren vom Beschwerdeführer vorgelegten Geburtsurkunde, des Parteiausweises der VDPA sowie aus dessen Angaben im Verfahren. Aufgrund der Übereinstimmung dieser Angaben und jener zu seiner Person in der Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 11.12.2003 und im Berufungsverfahren sowie den diesbezüglichen Angaben des Bruders des Beschwerdeführers in dessen Asylverfahren vor den dänischen Asylbehörden erscheinen diese Angaben glaubhaft. Auch durch die Sprach- und Lokalkenntnisse des Beschwerdeführers wurden diese Angaben belegt.

 

Im angefochtenen Bescheid wurde den Angaben des Beschwerdeführers über seinen Fluchtgrund und Fluchtweg bereits vom Bundesasylamt Glaubwürdigkeit zugebilligt, die Abweisung seines Asylantrages aber - infolge einer eher kursorischen und sehr allgemein und verkürzenden Feststellung der zum Entscheidungszeitpunkt vorherrschenden Situation in Afghanistan, in der insbesondere auch auf Feststellungen über die Bedrohungslage von rückkehrenden ehemaligen Aktivisten der kommunistischen Partei VDPA verzichtet wurde, und infolge einer das Verfolgungsvorbringen des Beschwerdeführers auf eine ausschließliche Bedrohung seitens der Taliban reduzierenden Betrachtung - damit begründet, dass aufgrund der aktuellen allgemeinen und politischen Situation eine konkrete asylrelevante Gefährdung des Beschwerdeführers mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht anzunehmen ist.

 

Die im Berufungsverfahren erfolgten Ergänzungen des Vorbringens des Beschwerdeführers über seine Bedrohungssituation sowie die vom Beschwerdeführer vorgelegten Aussagen des Bruders des Beschwerdeführers im Zuge von dessen Asylverfahren in Dänemark sind der Beurteilung zugrunde zu legen.

 

Der Beschwerdeführer konnte den Sachverhalt, der schlussendlich zu seiner Flucht aus Afghanistan führte, im Verlauf des gesamten Verfahrens stringent und schlüssig darstellen und insbesondere auch genaue und im Laufe des Verfahrens übereinstimmende zeitliche Angaben über die vorgebrachten Ereignisse machen. Aus diesem Grund ist glaubhaft, dass er den von ihm behaupteten Sachverhalt in der vorgetragenen Form auch tatsächlich erlebt hat. Diese Beurteilung ist wesentlich auch dadurch gestützt, dass die Erzählungen des Beschwerdeführers im Verfahren in jenen Punkten, die sich auf seine politischen Aktivitäten und auf die Lebensumstände seiner Familie vor der Machtergreifung durch die Mujaheddin im Jahre 1992 beziehen, im Wesentlichen in den Aussagen des Bruders vor den dänischen Behörden Deckung finden.

 

Auch die Begründung für eine weiterhin bestehende Gefahr für sein Leben im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan wegen seiner damaligen politischen Tätigkeit für die VDPA wurde vom Beschwerdeführer nachvollziehbar und mit den im Berufungsverfahren dazu ergänzten Feststellungen zur Situation von rückkehrenden ehemaligen Aktivisten der VDPA in Einklang befindlich dargelegt.

 

Es ist zwar, wie vom Bundesasylamt ausgeführt, richtig, dass der Beschwerdeführer keine hochrangige Stellung innerhalb der VDPA innehatte; im Fall des Beschwerdeführers muss jedoch beachtet werden, dass er im Zuge seiner Tätigkeit auch persönlich bei der Verhaftung von ihm bekannten Personen mitgewirkt bzw. gegen solche Personen vor Gericht ausgesagt hatte. Es wurde in diesem Zusammenhang festgestellt, dass es, wenn ein Asylwerber tatsächlich jemanden verhaftet hat und diese Person dabei Schaden erlitten hat, unabhängig davon, ob der Asylwerber in dieser weiteren Behandlung der verhafteten Person beteiligt gewesen ist oder nicht, aktuell zu einer Verfolgung seitens des Opfers kommen kann, wenn diese Person den Asylwerber deutlich erkannt und seinen Namen und seine Herkunftsregion gekannt hat. Es geraten aber auch ehemalige VDPA-Aktivisten in Verfolgung seitens Privatpersonen, wenn ihre nahen Verwandten, wie etwa Brüder oder Väter, Privatpersonen in derselben Form schwer geschadet haben. Ein solcherart Beschuldigter kann aufgrund des durch Kriegswirren bedingten Verlustes entsprechender Akten nicht mehr objektiv nachweisen, dass solche Anschuldigungen gegen ihn im konkreten Einzelfall nicht zutreffen. Der Beschwerdeführer konnte weiters glaubhaft darlegen, dass er zwar von Taliban inhaftiert wurde, jedoch davor vor den Mujaheddin aus Kabul fliehen musste und von ihnen, im Gegensatz zu seinem Bruder, nur deshalb nicht festgenommen werde konnte, weil er sich in einem Gebiet (nämlich Mazar-i Sharif) aufhielt, über das die entsprechenden Mujaheddin-Gruppen damals keine Kontrolle ausüben konnten.

 

Dem festgestellten Sachverhalt zufolge hat die derzeitige Zentralregierung unter Präsident Karzai noch immer nicht das Machtmonopol in Afghanistan inne. So kann die Zentralregierung auch nicht wirksam den Menschenrechtsverletzungen durch lokale Mujaheddinführer entgegentreten. Die Sicherheit von zurückkehrenden Angehörigen der kommunistischen VDPA, die gegen ehemalige Gegner der kommunistischen Regierung vorgegangen sind, hängt in hohem Maße von aufrechten Kontakten zu ehemaligen Parteigenossen ab, die für die derzeitige Regierung arbeiten. Aufgrund seiner Flucht, des Todes seines Vaters und des damit einhergehenden Verlustes de persönlichen Kontakte des Beschwerdeführers zu anderen ehemaligen Parteigängern ist nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer über hinreichende Kontakte in der Regierung verfügt, um staatlichen Schutz vor einer möglichen Verfolgung zu finden.

 

3.2 Die Feststellungen zur Situation in Afghanistan stützen sich auf den Inhalt der genannten aktuellen Quellen. Angesichts der Seriosität der genannten Quellen und der Plausibilität der übereinstimmenden Aussagen, denen die Parteien des Verfahrens nicht entgegengetreten sind, besteht kein Grund, an der Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln.

 

II. Rechtliche Beurteilung:

 

1.1 Gemäß Art. 151 Abs. 39 Z 1 B-VG wird mit 1. Juli 2008 der bisherige unabhängige Bundesasylsenat zum Asylgerichtshof. Nach Art. 151 Abs. 39 Z 4 B-VG sind am 1. Juli "beim unabhängigen Bundesasylsenat" anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof weiterzuführen. Gemäß § 75 Abs. 7 Z 1 Asylgesetz 2005 idF Art. 2 BG BGBl. I 4/2008 sind Verfahren, die am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig sind, vom Asylgerichtshof weiterzuführen; Mitglieder des unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen. Da im vorliegenden Verfahren bereits vor dem 1. Juli 2008 eine mündliche Verhandlung vor dem nunmehr zuständigen Richter stattgefunden hat, ist von einer Einzelrichterzuständigkeit auszugehen.

 

1.2 Gemäß § 23 AsylGHG (Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz; Art. 1 BG BGBl. I 4/2008) sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Die mit Schreiben vom 29.01.2004 erhobene Berufung gegen den angefochtenen Bescheid gilt daher nunmehr als Beschwerde und es ist der Rechtmittelwerber als Beschwerdeführer zu bezeichnen.

 

1.3 Gemäß § 75 Abs. 1 erster und zweiter Satz AsylG 2005 sind alle am 31.12.2005 anhängigen Asylverfahren nach dem Asylgesetz 1997 (AsylG) zu Ende zu führen. § 44 AsylG gilt.

 

Gemäß § 44 Abs. 1 AsylG idF BGBl. I Nr. 101/2003 sind Verfahren über Asylanträge und Asylerstreckungsanträge, die - wie der vorliegende - bis zum 30.04.2004 gestellt wurden, nach den Bestimmungen des AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 zu führen. Nach § 44 Abs 3 sind die §§ 8, 15, 22, 23 Abs. 3, 5 und 6, 36, 40 und 40a idF BGBl. I Nr. 101/2003 auch auf Verfahren gemäß Absatz 1 anzuwenden.

 

Gemäß § 23 AsylG (bzw. § 23 Abs. 1 AsylG idF der AsylGNov. 2003) ist auf Verfahren nach dem AsylG, soweit nicht anderes bestimmt ist, das AVG anzuwenden.

 

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die Rechtsmittelinstanz, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

2.1 Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974, ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

 

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.2.1997, 95/01/0454; 9.4.1997, 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH 18.4.1996, 95/20/0239; vgl. auch VwGH 16.2.2000, 99/01/0397), sondern erfordert eine Prognose. Verfolgungshandlungen, die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. dazu VwGH 9.3.1999, 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.6.1994, 94/19/0183; 18.2.1999, 98/20/0468). Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 9.3.1999, 98/01/0318; 19.10.2000, 98/20/0233). Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine inländische Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt (vgl. VwGH 24.3.1999, 98/01/0352). Das einer "inländischen Fluchtalternative" innewohnende Zumutbarkeitskalkül setzt voraus, dass der Asylwerber im in Frage kommenden Gebiet nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal auch wirtschaftliche Benachteiligungen dann asylrelevant sein können, wenn sie jegliche Existenzgrundlage entziehen (VwGH 8.9.1999, 98/01/0614, 29.3.2001, 2000/20/0539).

 

2.2 Aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers, das hinsichtlich der Bedrohungssituation auch im Einklang mit den Feststellungen zur allgemeinen Sicherheitslage in Afghanistan steht, ergibt sich, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat aufgrund seiner ehemaligen politischen Tätigkeit für die kommunistische Regierung und die VDPA mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit konkrete Gefahr von Seiten einer lokalen Mujaheddin-Gruppe oder von Privatpersonen, die den Beschwerdeführer kennen und von diesem persönlich verhaftetet wurden, bzw. die durch die aktive Mitwirkung des Beschwerdeführers an politisch motivierten Aktionen gegen Gegner der kommunistischen Regierung zu Schaden gekommen sind, droht. Die vom Beschwerdeführer vorgebrachte Bedrohung seines Lebens weist unzweifelhaft asylrelevante Intensität auf.

 

2.3 Zwar stellen diese Umstände keine Eingriffe von "offizieller" Seite dar, sie sind von der gegenwärtigen afghanischen Regierung nicht angeordnet. Da das Asylrecht als Ausgleich für fehlenden staatlichen Schutz konzipiert ist (VwGH 13.11.2001, 2000/01/0098) kommt es aber nicht darauf an, ob die Verfolgungsgefahr vom Staat bzw. Trägern der Staatsgewalt oder von Privatpersonen (zB von lokalen Machthabern, die Machtbefugnisse missbrauchen) ausgeht, sondern vielmehr darauf, ob im Hinblick auf eine bestehende Verfolgungsgefahr ausreichender Schutz besteht (vgl. dazu VwGH 16.4.2002, 99/20/0483; 14.10.1998, 98/01/0262). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshof ist zur Feststellung, ob ein solcher ausreichender Schutz vorliegt - wie ganz allgemein bei der Prüfung des Vorliegens von wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung - ein "Wahrscheinlichkeitskalkül" heranzuziehen (zB VwGH 22.03.2000, 99/01/0256).

 

Im vorliegenden Fall ist daher zu prüfen, ob es dem Beschwerdeführer möglich ist, angesichts des ihn betreffenden Sicherheitsrisikos ausreichenden Schutz im Herkunftsstaat in Anspruch zu nehmen bzw. ob der Eintritt des zu befürchtenden Risikos - trotz Bestehens von Schutzmechanismen im Herkunftsstaat - wahrscheinlich ist. Es ist nicht hervorgekommen, dass es der afghanischen Zentralregierung möglich wäre, Verfolgungshandlungen durch lokale Machthaber oder Gewaltakte durch Angehörige von Mujaheddinfraktionen bzw. von oben beschrieben Privatpersonen zu unterbinden. Nach den getroffenen Feststellungen besteht in Afghanistan derzeit kein funktionierender Polizei- oder Justizapparat. Angesichts der dargestellten Umstände ist im Fall des Beschwerdeführers daher davon auszugehen, dass er im Falle einer von ihm vorgebrachten - asylrelevante Intensität erreichenden - Verfolgung in Afghanistan durch die mangelnde Schutzfähigkeit der staatlichen afghanischen Behörden mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine ernsthafte Bedrohung seines Lebens zu erwarten hat.

 

2.4 Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Artikel 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.

 

Im Fall des Beschwerdeführers geht das oben dargestellte Verfolgungsrisiko auf seine eigene politische Tätigkeit als Angehöriger der VDPA für die Kommunistische Regierung zurück, die auf seine (zumindest unterstellte) politische Gesinnung zurückzuführen ist.

 

2.5 Zu einer möglichen inländischen Fluchtalternative ist festzuhalten, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (vgl. VwGH vom 8.10.1980, Slg Nr 10.255/A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatlandes offen, in denen er frei vor Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht.

 

Solches ist aufgrund der ergänzenden Feststellungen zur allgemeinen Sicherheitslage in Afghanistan im Berufungsverfahren nicht hervorgekommen; sondern es ist im Gegenteil eine inländische Fluchtalternative für den Beschwerdeführer auf Grund der katastrophalen wirtschaftlichen und humanitären Situation im gesamten Herkunftsland sowie wegen der allgemeinen schlechten Sicherheitslage in Afghanistan nicht in Betracht zu ziehen. Daher besteht keine inländische Fluchtalternative.

Schlagworte
gesamte Staatsgebiet, politische Aktivität, private Verfolgung, Schutzunfähigkeit, Sicherheitslage, Volksgruppenzugehörigkeit
Zuletzt aktualisiert am
05.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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