TE AsylGH Erkenntnis 2008/08/25 S4 401084-1/2008

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Veröffentlicht am 25.08.2008
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Spruch

S4 401.084-1/2008/2E 25.8.2008

 

S4 401.085-1/2008/2E

 

Erkenntnis

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Huber als Einzelrichter über die Beschwerde 1. der A. A., 00.00.1982 geb., und

2. des B. J., 00.00.1979 geb., beide StA. von Iran, beide vertreten durch RA Dr. W. V., gegen die Bescheide des Bundesasylamtes jeweils vom 30.7.2008, Zahlen 08 03.988 und 08 03.987, gem. § 66 Abs. 4 AVG iVm § 61 Abs. 3 Z 1 lit b des Asylgesetzes 2005 idgF (AsylG) zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerden werden gemäß §§ 5 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 1 und Abs. 4 AsylG abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Die 1.-Beschwerdeführerin ist Ehegattin des 2.-Beschwerdeführers, beide sind Staatsangehörige des Iran und sind mittels eines französischen Visums am 8.4.2008 nach Frankreich gereist, von wo aus sie sodann am 11.4.2008 über Deutschland weiter nach Österreich gereist sind und im Bundesgebiet am 5.5.2008 Anträge auf internationalen Schutz gestellt haben (vgl. jeweils Aktenseite 15f der Verwaltungsakten der Beschwerdeführer).

 

Mit e-mail jeweils vom 6.5.2008 ersuchte Österreich Frankreich um Übernahme der Beschwerdeführer (jeweils Aktenseite 7 des Dublin-Verwaltungsaktes der Beschwerdeführer). Frankreich hat sich mit Fax vom 19.5.2008 (jeweils Aktenseite 15 ebendort) bereit erklärt, diese auf der Grundlage des Art. 9 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) aufzunehmen und ihre Asylanträge zu prüfen.

 

Anlässlich ihrer niederschriftlichen Einvernahmen vor dem Bundesasylamt und dem Vorhalt, dass Frankreich zur Prüfung ihrer Asylanträge zuständig sei, erklärte die Erstbeschwerdeführerin, dass sie durch Frankreich nur durchgereist sei, sie wolle hierbleiben, ihre gesamte Familie (Eltern und Geschwister) seien hier, in Frankreich sei sie alleine. Ihre Schwester C. sei seit dem Jahr 2004 österr. Staatsbürgerin, davor sei sie Asylwerberin gewesen. Sie sei seit drei Jahren mit dem 2.-Beschwerdeführer verheiratet und lebe seither mit diesem zusammen. Unmittelbar nach ihrer Ankunft habe sie ihre Eltern und Geschwister getroffen und telefoniere auch täglich mit diesen.

 

Der 2.-Beschwerdeführer machte geltend, dass er in Frankreich keine, hier aber Unterstützung durch die Verwandten seiner Frau habe. Er habe den Asylantrag gestellt, da er mit seiner Frau bei deren Verwandten in Österreich leben wolle.

 

Die Asylanträge wurden mit Bescheiden des Bundesasylamtes jeweils vom 30.7.2008, Zlen: 08 03.988 und 08 03.987, gem. § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und die Antragsteller gem. § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Frankreich ausgewiesen.

 

Gegen diesen Bescheid haben die Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde erhoben und hiebei im Wesentlichen geltend gemacht, dass ihre Abschiebung nach Frankreich aufgrund der in Österreich aufhältigen Familie der 1.-Beschwerdeführerin eine Verletzung ihrer Rechte gem. Art. 8 EMRK bedeuten würde, sodass Art. 3 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Selbsteintritt Österreichs zur Prüfung der Asylanträge) zwingen anzuwenden sei. Weiters habe das Bundesasylamt in der Begründung der angefochtenen Bescheide lediglich Textbausteine verwendet, ohne auf die individuelle Situation der Beschwerdeführer einzugehen, und sei dadurch keine ordnungsgemäße Interessensabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse und den Interessen der Beschwerdeführer am weiteren Verbleib in Österreich vorgenommen worden. Schließlich sei auch die humanitäre Klausel des Art. 15 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates nicht geprüft worden.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Mit 1.7.2008 ist das Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) in Kraft getreten.

 

Mit 1.1.2006 ist das Asylgesetz 2005 (AsylG) in Kraft getreten.

 

§ 61 AsylG 2005 lautet wie folgt:

 

(1) Der Asylgerichtshof entscheidet in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

 

Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.

 

(2) Beschwerden gemäß Abs. 1 Z 2 sind beim Asylgerichtshof einzubringen. Im Fall der Verletzung der Entscheidungspflicht geht die Entscheidung auf den Asylgerichtshof über. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden des Bundesasylamtes zurückzuführen ist.

 

(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen

 

1. zurückweisende Bescheide

 

a) wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4;

 

b) wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5

 

c) wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG, und

 

2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung

 

(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.

 

Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Dublin - Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist.

 

Gemäß § 5 Abs. 2 AsylG ist auch nach Abs. 1 vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

 

Gemäß § 5 Abs. 3 AsylG ist, sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesasylamt oder beim Asylgerichtshof offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird.

 

Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn 1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder 2. diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden.

 

Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG ist, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, gleichzeitig mit der Ausweisung auszusprechen, dass die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben ist.

 

Gemäß § 10 Abs. 4 AsylG gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.

 

Frankreich hat auf Grundlage des Art. 9 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) akzeptiert, die Beschwerdeführer aufzunehmen und ihre Asylanträge zu prüfen.

 

Bereits das Bundesasylamt hat in der Begründung der angefochtenen Bescheide die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, darunter auch Feststellungen zum französischen Asylverfahren und dessen Praxis sowie zur Versorgungslage von Asylwerbern in Frankreich sowie die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage rechtsrichtig ausgeführt. Der Asylgerichtshof schließt sich den Ausführungen des Bundesasylamtes in den angefochtenen Bescheiden hinsichtlich beider Spruchpunkte vollinhaltlich an und erhebt diese zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses.

 

Die Beschwerdeausführungen waren nicht geeignet, den Standpunkt der Beschwerdeführer zu stützen:

 

Um eine Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern als Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK qualifizieren zu können, ist es - so wie bei anderen verwandtschaftlichen Beziehungen (etwa auch zwischen erwachsenen Geschwistern) - notwendig, dass eine "hinreichend starke Nahebeziehung" besteht. Nach Ansicht der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes ist für diese Wertung insbesondere die Dauer und Intensität des Zusammenlebens von Bedeutung. In casu sind die Beschwerdeführer seit drei Jahren verheiratet und leben auch seither gemeinsam, sodass sie zweifellos miteinander ein Familienleben führen. Dadurch, dass beide in gleicher Weise von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme betroffen sind, wird aber nicht in ihr Familienleben eingegriffen.

 

Die 1.-Beschwerdeführerin lebte hingegen (jedenfalls zuletzt) schon vor ihrer Ausreise (im April 2008) aus dem Iran nicht mit ihren Eltern, die sich - nach den Angaben der 1.-Beschwerdeführerin - seit bereits seit 1 1/2 Jahren in Österreich befinden, zusammen und kann auch schon aufgrund der Kürze ihres Aufenthaltes in Österreich (ca. 4 Monate) im Zusammenhalt mit dem Umstand, dass (ihren Angaben zufolge) ihre Eltern in Graz wohnen, sie hingegen de facto in der Betreuungsstelle B. K. Aufenthalt genommen hat, nicht erkannt werden, dass zwischenzeitig ein besonders enges familiäres Band entstanden wäre. Vielweniger noch kann dies hinsichtlich ihrer Beziehung zu ihren Geschwistern, die sich bereits seit nahezu 10 Jahren in Österreich befinden und sohin deren persönlicher Kontakt zur 1.-Beschwerdeführerin seit vielen Jahren nicht mehr bestanden hat, erkannt werden.

 

Dies hat auch bereits das Bundesasylamt unter Darlegung näherer Erwägungen zur Intensität der familiären Beziehung angesichts der individuell geltend gemachten familiären Umstände (Seiten 17, 18 des angefochtenen Bescheides bez. der 1.-Beschwerdeführerin, bzw. Seite 16 des angefochtenen Bescheides bez. des 2.-Beschwerdeführers) im Ergebnis zutreffend ausgeführt, sodass die in der Beschwerde erhobene Rüge, dass sich die Bescheidbegründungen in bloßen Textbausteinen erschöpften, nicht gerechtfertigt erscheint.

 

Letztlich ist dem Einwand, dass der Sachverhalt auch zwingend einer Prüfung der sogenannten humanitären Klausel (Art. 15 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates) hätte unterzogen werden müssen, entgegenzuhalten, dass die Beschwerdeführer hiebei übersehen, dass Art. 15 leg.cit. nur auf Ersuchen eines anderen Mitgliedstaates Anwendung finden kann. Art. 15 leg.cit. spricht jenen Fall an, in dem Antragsteller sich gerade in dem für die Prüfung des Asylantrages gem. Art. 6 bis 14 Dublin II zuständigen Mitgliedstaat aufhalten. In casu halten sich die Beschwerdeführer jedoch weder im zuständigen Mitgliedstaat (im vorerwähnten Sinne) auf, noch hat Frankreich ein auf Art. 15 gestütztes Ersuchen an Österreich gestellt.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Ausweisung, bestehendes Familienleben, familiäre Situation, Intensität, real risk
Zuletzt aktualisiert am
20.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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