TE AsylGH Bescheid 2008/08/25 C6 218743-0/2008

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.08.2008
beobachten
merken
Spruch

C6 218.743-0/2008/15E

 

D.A.

 

geb. 00.00.1977 StA: Türkei

 

SCHRIFTLICHE AUSFERTIGUNG

 

DES VOM UNABHÄNGIGEN BUNDESASYLSENAT IN DER MÜNDLICHEN VERHANDLUNG

AM 24.4.2008 VERKÜNDETEN BESCHEIDS

 

SPRUCH

 

Der unabhängige Bundesasylsenat hat durch das Mitglied Mag. Judith PUTZER gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 38 Abs 1 des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr 76/1997 idgF entschieden (Bescheiderlassung durch Verkündung in der Verhandlung am 24.4.2008)

 

Der Berufung von D.A. vom 6.9.2000 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 6.7.2000, Zahl: 00 04.742-BAW, wird stattgegeben und D.A. gemäß § 7 AsylG Asyl gewährt. Gemäß § 12 leg cit wird festgestellt, dass D.A. damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Text

BEGRÜNDUNG

 

I. Bisheriger Verfahrensgang:

 

Am 25.4.2000 stellte der Berufungswerber, seinen Angaben zu Folge türkischer Staatsbürger und Angehöriger der kurdischen Volksgruppe, in Österreich einen Asylantrag. Der Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 6.7.2000, Zahl: 00 04.742-BAW, gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen. Unter Spruchpunkt II dieses Bescheides wurde festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Berufungswerbers in die Türkei zulässig sei. Das Bundesasylamt beurteilte das Vorbringen des Berufungswerbers nicht als glaubwürdig und begründete dies näher. Weiters verneinte das Bundesasylamt, dass der Berufungswerber iSd § 8 AsylG iVm § 57 Abs 1 und 2 Fremdengesetz 1997 BGBl. I 75 (in der Folge: FrG) bedroht oder gefährdet sei, und begründete abschließend seine Ausweisungsentscheidung.

 

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Berufung.

 

Der unabhängige Bundesasylsenat erhob Beweis durch Einsicht in die folgenden Dokumente:

 

Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Türkei (Stand Jänner 2007);

 

Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Türkei (Stand September 2007);

 

Schweizerische Flüchtlingshilfe, Türkei. Zur aktuellen Situation - Mai 2006;

 

Home Office, Operational Guidance Note Turkey, 11 July 2006;

 

Schweizerisches Bundesamt für Migration, Focus Türkei - Folter und Misshandlung, 8. März 2007

 

und führte am 24.4.2008 eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung gemäß § 67d AVG unter Beiziehung eines Sachverständigen für die aktuelle politische Lage in der Türkei durch, an der das Bundesasylamt nicht teilgenommen hat.

 

II. Der unabhängige Bundesasylsenat hat erwogen:

 

1. Folgender Sachverhalt steht fest:

 

1.1. Zur Person des Berufungswerbers:

 

Der Berufungswerber ist türkischer Staatsangehöriger und Angehöriger der kurdischen Volksgruppe; er stammt aus dem Dorf S.. Er besuchte von 1984 bis 1989 die Volksschule. Danach arbeite er in der Landwirtschaft seiner Eltern; anschließend ein Jahr in einer Fabrik in der Provinz D.. Anschließend kehrte er wieder in sein Heimatdorf zurück. Die Familie des Berufungswerbers lebt nach wie vor in E.. Neben dem Berufungswerber sind bzw waren auch andere Familienmitglieder politisch tätig. Anfang 1992 verließ der Berufungswerber seine Heimat und stellte in Deutschland mehrere Asylanträge, welche abweisend entschieden wurden. In Deutschland kam er mit der ERNK (= Eniya Rizgariya Netewa Kurdistan), der politischen Frontorganisation der PKK, in Kontakt. 1994 wurde der Berufungswerber aktives Mitglied der ERNK. Er war in verschiedenen deutschen Bundesländern für die Organisation im kulturellen und sozialen Bereich tätig sowie für die Herausgabe von Zeitungen und Zeitschriften verantwortlich. Aufgrund von Meinungsverschiedenheiten zog man den Berufungswerber aus Deutschland ab und betraute ihn mit der Organisation der kurdischen Vereine in Österreich. Sein Aufgabengebiet umfasste ua die Organisation von Demonstrationen, Hungerstreiks und sonstige Veranstaltungen, sowie Öffentlichkeits- und Medienarbeit. Aufgrund divergierender politischer Ansichten verließ der Berufungswerber die ERNK; an militanten Operationen nahm er nicht teil.

 

1.2. Zum Herkunftsstaat des Berufungswerbers:

 

1.2.1. Exilpolitische Aktivitäten/Tätigkeiten in der Türkei verbotenen Vereinen:

 

1.2.1.1. Türkische Staatsangehörige, die im Ausland in herausgehobener oder erkennbar führender Position für eine in der Türkei verbotene Organisation tätig sind und sich nach türkischen Gesetzen strafbar gemacht haben, laufen Gefahr, dass sich die türkischen Sicherheitsbehörden und die Justiz mit ihnen befassen, wenn sie in die Türkei einreisen. Es ist davon auszugehen, dass sich eine mögliche strafrechtliche Verurteilung durch den türkischen Staat insbesondere auf Personen bezieht, die als Auslöser von als separatistisch oder terroristisch erachteten Aktivitäten und als Anstifter oder Aufwiegler angesehen werden (Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Türkei, 11. Jänner 2007, S 34).

 

1.2.1.2. "Das Wesentliche im Fall des BW ist, dass er als verantwortliche Person für ganz Österreich, für alle kurdischen Vereine tätig gewesen worden ist bzw. von Deutschland entsandt worden ist. Die Personen, die in dieser Position sind, werden besonders von türkischen Behörden aufmerksam beobachtet und sie beobachten auch die Personen, die mit solchen Leuten in Kontakt sind. Personen, die in gehobenen Positionen für kurdische Organisationen arbeiten, werden von türkischen Behörden nicht nur als Mitglied einer illegalen Organisation, sondern Mitgründer einer illegalen terroristischen Organisation bezeichnet und als solche werden diese Leute auch bei einer Festnahme aufgrund des Anti-Terrorgesetzes vor Gericht gestellt und erhalten das höchste Strafausmaß. Da der BW in Österreich in dieser Position jahrelang gearbeitet hat, gehe ich davon aus, dass die türkischen Behörden seinen politischen Werdegang bzw. Vergangenheit schon längst kennen und ihn wiederholte Male registriert haben und seine ganze Tätigkeit ist mit Sicherheit den türkischen Behörden bekannt. Im Falle der Rückkehr des BW in die Türkei, wird man ihn schon am Flughafen sofort der Anti-Terroreinheit übergeben, ohne vorherige Kontrollen oder Befragungen durchzuführen. Solche Personen bekommen ein Schnellverfahren und werden vor Gericht gestellt und verurteilt. Bei der Anti-Terroreinheit ist nicht auszuschließen, dass der BW aufs schwerste gefoltert wird und auch eine erpresste Aussage unterschreiben muss, die man vor Gericht als Beweis gegen ihn verwenden wird. Das Gericht erkennt solche Aussagen als Beweis an. Die Höchststrafe im Fall des BW würde 15 Jahre bis lebenslänglich betragen. Die Strafe wird in Einzelhaft verbracht unter totaler Isolation. Nach einigen Jahren, wenn er körperlich und geistig "erledigt" ist, wird er von der Isolationshaft entfernt, weil die Behörden davon ausgehen, dass er keine Widerstandskraft mehr hat. In dieser Isolationshaft besteht eine hohe Folterwahrscheinlichkeit. Der türkische Ministerpräsident hat vor Kurzem eingestanden, dass nach wie vor Fälle von Folter existieren und dass es nicht gelungen ist, die Folter ganz abzuschaffen.

 

Auch der Umstand, dass der BW sich von der Organisation abgewandt hat, ändert nichts, außer der BW stellt sich den türkischen Behörden, bittet seine Kooperation an und verrät seine damaligen Mitstreiter und gibt Informationen über die Partei preis. Unter anderem werden solche Personen auch nach Codenamen bzw. der dahinter stehenden Identität von Parteimitgliedern befragt.

 

ERNK ist eine Unterorganisation der PKK, die sich für Logistik, kulturelle- und soziale Tätigkeiten und Ausbildung der Guerilla verantwortlich ist. Diese Organisation heißt jetzt YDK (Einheit der Demokratie für Kurdistan), seit dem Jahr 2003 (Ausführungen des der mündlichen Verhandlung beigezogenen Sachverständigen)."

 

2. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus folgender Beweiswürdigung:

 

2.1. Die zur Person des Berufungswerbers getroffenen Feststellungen hinsichtlich seines politischen Hintergrundes basieren auf seinem Vorbringen im Asylverfahren, insbesondere in der mündlichen Berufungsverhandlung. Es gab für die Berufungsbehörde keine Anhaltspunkte, an der Glaubhaftigkeit des Vorbringens zu zweifeln.

 

2.2. Die zum Herkunftsstaat des Berufungswerbers getroffenen Feststellungen basieren auf den unter 1.2. jeweils genannten Quellen.

 

3. Rechtlich folgt:

 

3.1.1. Mit 1.7.2008 wurde der Asylgerichtshof als unabhängige Kontrollinstanz in Asylsachen eingerichtet. Die maßgeblichen verfassungsmäßigen Bestimmungen bezüglich der Einrichtung des Asylgerichtshofes befinden sich in den Art 129c ff B-VG.

 

Gemäß Art 151 Abs 39 Z 1 B-VG wird mit 1.7.2008 der bisherige unabhängige Bundesasylsenat zum Asylgerichtshof. Gemäß Z 4 leg cit sind am 1.7.2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof weiterzuführen.

 

Bereits aufgrund der genannten Bestimmungen und der in ihnen erkennbar vom Verfassungsgesetzgeber vorgesehenen Kontinuität ergibt sich, dass der Asylgerichtshof auch für die schriftliche Ausfertigung von mündlich verkündeten Bescheiden des unabhängigen Bundesasylsenates zuständig ist. Da die ausfertigende Richterin des Asylgerichtshofes dieselbe Person wie das für das Berufungsverfahren vor dem unabhängigen Bundesasylsenat zuständige Senatsmitglied ist, ergeben sich auch aus dem Grundsatz der richterlichen Unmittelbarkeit keine Bedenken. Im vorliegenden Fall wurde der Berufungsbescheid mit oa Spruch am 24.4.2008 und damit vor Einrichtung des Asylgerichtshofes beschlossen und öffentlich verkündet.

 

3.1.2. Gem § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Der verwiesene Art 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention lautet: Im Sinne dieses Abkommens findet der Ausdruck "Flüchtling" auf jede Person Anwendung, die ... aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Gesinnung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will; ...

 

3.2. Die Furcht des Berufungswerbers vor Verfolgung ist begründet:

 

In seinem Erkenntnis vom 8.4.2003, Zahl 2002/01/0078 hielt der Verwaltungsgerichtshof zur asylrechtlichen Relevanz exilpolitischer Aktivitäten fest: "... bei der Frage, ob der Asylwerber (ein Staatsangehöriger der Demokratischen Republik Kongo) infolge seiner exilpolitischen Tätigkeit ins Blickfeld der zuständigen kongolesischen Behörden geraten konnte, [ist] zunächst zu beurteilen, ob er so in Erscheinung getreten ist, dass er als auffällig regimekritisch identifizierbar war. ... Sollte sich dies herausstellen, wäre zu klären, ob damit zu rechnen ist, dass die kongolesischen Behörden von dem Auftreten des Asylwerbers Notiz genommen haben ..."

 

Im Fall des Berufungswerbers war daher zu prüfen, ob er als auffällig regimekritisch identifizierbar war/ist und ob der türkische Staat davon Kenntnis genommen hat.

 

Dazu ist Folgendes auszuführen:

 

Der Berufungswerber war mehrere Jahre in Deutschland und Österreich eponiert politisch tätig. Er war ua für die Organisation von Demonstrationen, Hungerstreiks und sonstigen Veranstaltungen sowie die Öffentlichkeits- und Medienarbeit verantwortlich. Diese Veranstaltungen hatten überwiegend Kritik an der Vorgangsweise des türkischen Staates - insbesondere Mitgliedern kurdischer Parteien - gegenüber politisch anders denkenden Personen zum Inhalt. Es ist den Ausführungen des Sachverständigen und dem Bericht des deutschen Auswärtigen Amtes zu entnehmen, dass vom türkischen Staat Informationen über die Teilnahme an solchen Veranstaltungen dann systematisch gesammelt und ausgewertet werden, wenn die betreffende Person in einer exponierten Weise daran teilnimmt. Darunter ist - in Abgrenzung zum bloßen "Mitläufertum" - die aktionistische Teilnahme als Organisator zu verstehen. Es ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass bei der der türkischen Polizei zur Verfügung stehenden Informationssammelstelle Daten über den Berufungswerber seit seiner aktiven und im eben geschilderten Sinn äußerst exponierten politischen Tätigkeit als Organisator diverser Veranstaltungen vorhanden sind. Mit beträchtlicher Wahrscheinlichkeit ist dies jedoch auch deshalb der Fall, weil der Berufungswerber jahrelang als führende Person für alle kurdischen Vereine zuständig war. Es ist den Ausführungen des Sachverständigen zu Folge davon auszugehen, dass Personen, die in gehobenen Positionen für kurdische Organisationen arbeiten, von türkischen Behörden nicht nur als Mitglied einer illegalen Organisation, sondern auch als Mitgründer einer illegalen Organisation angesehen werden (Feststellungen Punkt 1.2.1.2.). Bei einer Gesamtschau dieser Umstände ist davon auszugehen, dass der Berufungswerber als "auffällig regimekritisch" einzustufen ist und dass der türkische Staat davon Notiz genommen hat.

 

Im Fall seiner Rückkehr in die Türkei ist weiters davon auszugehen, dass über den Berufungswerber gesammelte Informationen auf Grund der routinemäßig durchgeführten Recherchen bei der Grenzkontrolle (Feststellungen Punkt 1.2.1.2.) bereits der Grenzpolizei bekannt würden. Der Berufungswerber hat bereits bei der Einreise in die Türkei mit seiner Anhaltung, Festnahme und Befragung bzw. Überstellung an der für die Staatssicherheit zuständigen Polizeieinheit zu rechnen. Im Rahmen einer daran anknüpfenden Überstellung an die Anti-Terroreinheit ist das Risiko einer Misshandlung gegeben; Eingriffe in die psychische oder physische Integrität sind nicht auszuschließen, was sich aus den Ausführungen des Sachverständigen ergibt, der davon spricht, dass es "zu Folterungen und erzwungenen Aussagen kommen wird".

 

3.3. Der hier in seiner Intensität zweifellos erhebliche Eingriff - Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit - in die vom Staat schützende Sphäre des Einzelnen ist dann asylrelevant, wenn er an einem in Artikel 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft. Unter politischer Gesinnung als Ursache eines drohenden Eingriffes ist alles zu verstehen, was auf die staatliche, gesellschaftliche, wirtschaftliche und kulturelle Ordnung und ihre konkrete sachliche und personelle Ausgestaltung bezogen ist, alles, was der Staat gegen sich, seine Ordnung, seinen Bestand, eventuell gegen seine Legitimität gerichtet erachtet. Im Fall des Berufungswerbers knüpft die Verfolgungsgefahr an seine politische Gesinnung an. Es ist davon auszugehen, dass seine Gesinnung vom türkischen Staat jedenfalls als eine gegen den Bestand des Staates gerichtete qualifiziert wird. Die unter 3.2. dargestellten spezifischen Gefährdungsrisiken stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit der Annahme einer bestimmten (staatsfeindlichen) politischen Gesinnung von Seiten des türkischen Staates. Die vom Berufungswerber zu befürchtende Verfolgungsgefährdung knüpft somit eindeutig an den Tatbestand der "politischen Gesinnung" an.

 

3.4. Eine inländische Fluchtalternative steht dem Berufungswerber aus folgenden Gründen nicht offen: Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes trägt der Begriff "inländische Fluchtalternative" dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss. Steht dem Asylwerber die gefahrlose Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht (VwGH 08.09.1999, 98/01/0503; 25.11.19999, 98/20/0523). Das einer "inländischen Fluchtalternative" innewohnende Zumutbarkeitskalkül setzt voraus, dass der Asylwerber im in Frage kommenden Gebiet nicht in eine ausweglose Lage gerät (VwGH 08.09.1999, 98/01/0614). Im konkreten Fall kann nicht angenommen werden, dass sich der Berufungswerber der dargestellten Bedrohung durch Ausweichen in einen anderen Teil seines Herkunftsstaates entziehen kann; dies schon deshalb, weil sich die Gebiets- und Hoheitsgewalt der türkischen Regierung auf das gesamte Gebiet erstreckt und Informationen über die im Ausland stattgefundenen politischen Tätigkeiten des Berufungswerbers den türkischen Behörden zur Verfügung stehen, so dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass es dem Berufungswerber möglich wäre, sich über einen längeren Zeitraum hindurch erfolgreich versteckt zu halten (vgl dazu auch Home Office, Operational Guidance Note Turkey, p. 3.10).

 

3.5. Zusammenfassend wird festgehalten, dass sich der Berufungswerber aus wohlbegründeter Furcht, wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb der Türkei befindet und im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren und auch keiner der in Artikel 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- und Ausschlussgründe vorliegt.

 

Gemäß § 12 AsylG war die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Dieser Beschied wurde in der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 24.4.2008 verkündet.

Schlagworte
exilpolitische Aktivität, gesamte Staatsgebiet, politische Aktivität, politische Gesinnung, strafrechtliche Verfolgung, Volksgruppenzugehörigkeit
Zuletzt aktualisiert am
31.12.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten