TE AsylGH Erkenntnis 2008/08/25 S6 318880-2/2008

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Veröffentlicht am 25.08.2008
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Spruch

S6 318.880-2/2008/4E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. SINGER als Einzelrichter über die Beschwerde der C.S., geb. 1985, StA. Somalia, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.7.2008, GZ. 08 00.969 - BAT, zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 5, 10 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

1. Der Verfahrensgang vor der erstinstanzlichen Behörde ergibt sich aus dem erstinstanzlichen Verwaltungsakt.

 

Die nunmehrige Beschwerdeführerin hat am 26.01.2008 durch persönliches Erscheinen vor dem Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle Ost, den entscheidungsgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz eingebracht.

 

In der an demselben Tag durchgeführten Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab sie zu ihrem Reiseweg an, dass sie im August 2007 von der Türkei kommend mit einem Boot illegal nach Griechenland eingereist sei. Sie sei in Griechenland 17 Tage lang in einem Lager aufhältig gewesen. Nach 17 Tagen sei sie zum Verlassen des Lagers aufgefordert worden und habe dann in Athen auf der Straße gelebt. Am 25.01.2008 sei sie von Athen nach Mailand gereist und dann mit dem Zug nach Österreich gefahren. Am 26.01.2008 sei sie in Österreich angekommen.

 

Der EURODAC-Fingerabdruckvergleich ergab, dass die nunmehrige Beschwerdeführerin am 20.08.2007 in Mytilini/Griechenland erkennungsdienstlich behandelt wurde.

 

Am 28.01.2008 ersuchte das Bundesasylamt die griechische Dublin-Behörde auf elektronischem Weg - gestützt auf den EURODAC-Fingerabdruckvergleich - um Aufnahme der nunmehrigen Berufungswerberin, wobei das Aufnahmeersuchen auf Art. 10 Abs. 1 (illegale Einreise über die Außengrenze vor weniger als 12 Monaten) und auf Art. 17 Abs. 2 der Dublin II-Verordnung gestützt wurde.

 

Der nunmehrigen Beschwerdeführerin wurde die beabsichtigte Zurückweisung des Antrags auf internationalen Schutz am 29.01.2008 gemäß § 29 Abs. 3 AsylG 2005 mitgeteilt.

 

In der Folge langte keine Antwort der griechischen Behörden ein. Mit Schreiben vom 03.03.2008 (Seite 59 im Akt des Bundesasylamtes) forderte das Bundesasylamt die griechische Dublin-Behörde auf, wegen Fristablaufs (Verstreichen der einmonatigen Frist gemäß Art. 18 Abs. 6 der Dublin II-Verordnung) angemessene Vorkehrungen für die Ankunft der nunmehrigen Beschwerdeführerin zu treffen. Soweit ersichtlich blieb auch diese Aufforderung unbeantwortet.

 

In der vor dem Bundesasylamt am 31.03.2008 durchgeführten Einvernahme berief sich die Beschwerdeführerin im Wesentlichen darauf, dass sie in Griechenland keine Unterkunft gehabt habe und auf der Straße gelassen worden sei. Sie habe zu einer Kirche gehen müssen, um dort etwas zu Essen zu bekommen. Man habe ihr lediglich die Fingerabdrücke abgenommen und ein Schriftstück ausgefolgt, wonach sie das Land binnen 30 Tagen zu verlassen habe. Der Rechtsberater brachte gestützt auf eine Anfragebeantwortung des UNHCR Deutschland, einen Hintergrundbericht des UNHCR vom Jänner 2008 über die Asylsituation in Griechenland und Aussendungen des norwegischen Migrationsberufungssenates (Seiten 83 ff im Akt des Bundesasylamtes) vor, dass mehrere Länder aufgrund der in den Schriftstücken näher beschriebenen Zustände im griechischen Asylverfahren dazu übergegangen seien, Asylwerber, die zuvor in Griechenland waren, nicht mehr dorthin zu überstellen. Vielmehr werde im jeweiligen Land ein inhaltliches Asylverfahren durchgeführt. Einem der Berichte sei zu entnehmen, dass nach Griechenland zurücküberstellte Asylwerber die Gefahr eines nicht ordnungsgemäßen Asylverfahrens und damit einer Verletzung der ihnen durch die Dublin II-Verordnung zugestandenen Rechte drohe.

 

Mit dem angefochtenen Bescheid hat das Bundesasylamt den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Griechenland gemäß Art. 10 Abs. 1 der Dublin II-Verordnung zur Prüfung des Antrages zuständig ist. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 wurde die nunmehrige Berufungswerberin aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Griechenland ausgewiesen.

 

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die griechischen Asylbehörden gemäß Art. 10 Abs. 1 der Dublin II-Verordnung zur Durchführung des Asylverfahrens zuständig seien. Es liege eine Verfristung (Zustimmung Griechenlands durch Zeitablauf) gemäß Art. 18 Abs. 7 der Dublin II-Verordnung vor. Aus den Angaben der nunmehrigen Beschwerdeführerin zu ihrem Gesundheitszustand ergebe sich auch nicht, dass sie an einer schweren körperlichen oder ansteckenden Krankheit erkrankt sei oder an einer krankheitswertigen psychischen Störung leide. Nach den "amtlichen Feststellungen" habe sie in Griechenland das Recht zur Unterbringung in einem Aufnahmezentrum. Da sich die nunmehrige Berufungswerberin aufgrund der Zustimmungserklärung legal als Asylwerberin in Griechenland aufhalten könne, sei auch eine an sie ergangene fremdenrechtliche Ausreiseaufforderung, Griechenland zu verlassen, nicht von rechtlicher Bedeutung. Insoweit sich die nunmehrige Berufungswerberin auf mangelnde Versorgung (fehlende Unterkunft, Versorgung mit Essen nur durch die Kirche) stütze, sei ihr zu entgegnen, dass diese Angaben jedenfalls nicht geeignet seien, die Versorgung von Asylwerbern in Griechenland in ihrer Gesamtheit in Zweifel zu ziehen. Die nunmehrige Berufungswerberin habe sich offenbar nicht um die Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz bemüht. Was die vom Rechtsberater vorgelegten Berichte betreffe, sei zu entgegnen, dass gemäß einem von UNHCR im Juli 2007 veröffentlichten Bericht "abgebrochene" Verfahren von Asylwerbern nach der Rückübernahme in Griechenland fortgeführt würden. Sollte noch keine förmliche Benachrichtigung über die Ablehnung eines Asylantrags in erster Instanz ergangen sein, so werde dem Betroffenen die Entscheidung nach seiner Rückkehr (nach Griechenland) zugestellt. Der Asylsuchende habe sodann innerhalb der in einem Präsidialerlass vorgesehenen Fristen, die Möglichkeit ein Rechtsmittel einzubringen. Geringe Anerkennungsquoten in Griechenland seien für sich genommen keine ausreichende Grundlage dafür, dass österreichische Asylbehörden von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen müssten. Aus der Rechtssprechung des EGMR lasse sich keine systematische, notorische Verletzung fundamentaler Menschenrechte in Griechenland ableiten. Aufgrund des Amtswissens könne der Pressemitteilung des norwegischen "Immigration Appeal Boards", wonach bis auf weiteres keine Asylwerber im Rahmen von Dublin-Verfahren nach Griechenland überstellt würden, nicht gefolgt werden. Die Ausweisung gründe sich auf § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005. Es würden auch keine Hinweise vorliegen, die einen Schluss darauf zulassen würden, dass durch die Ausweisung in unzulässiger Weise in das Privatleben der nunmehrigen Berufungswerberin eingegriffen würde.

 

Mit der fristgerecht eingebrachten Berufung wurde beantragt, den angefochtenen Bescheid zu beheben und den Antrag an das Bundesasylamt zur Durchführung eines inhaltlichen Verfahrens zurückzuverweisen, den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass die Unzulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Griechenland ausgesprochen wird, in eventu den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass der Spruchpunkt betreffend die Ausweisung ersatzlos behoben wird. Zur Begründung wurde - kurz zusammengefasst - ausgeführt, dass die Auseinandersetzung mit den vom Rechtsberater vorgelegten Urkunden mangelhaft erfolgt sei. Durch die Vollziehung der Ausweisung und die Zurück- oder Abschiebung nach Griechenland bestehe im Falle der Berufungswerberin ein "real risk" einer Verletzung in den Grundrechten. Die Feststellungen im angefochtenen Bescheid über Griechenland würden nicht die tatsächliche Situation von Asylwerbern in Griechenland wiedergeben. Sie würden teilweise auf veralteten Quellen und Absichtserklärungen beruhen und stünden im Widerspruch mit zahlreichen übereinstimmenden Berichten von Menschenrechts- und internationalen Organisationen. In Griechenland gäbe es überdies einen Mangel an Unterbringungsplätzen für Asylwerber und sei psychologische Betreuung nicht gewährleistet. Es sei diesbezüglich auch auf weitere, der Berufungsschrift auszugsweise wiedergegebene Berichte zu verweisen. Österreich hätte von dem in Art. 3 Abs. 2 der Dublin II-Verordnung vorgesehenen Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen gehabt. Überdies sei davon auszugehen, dass die Berufungswerberin aufgrund der Ereignisse in ihrer Heimat unter einer posttraumatischen Belastungsstörung leide. Laut einer der Berufungsschrift angeschlossenen Bestätigung einer "Psychologin im Haus der Frauen" leide die Berufungswerberin unter Schlafstörungen und habe neben Einschlafschwierigkeiten auch Durchschlafschwierigkeiten, Alpträume und Angstzustände in der Nacht.

 

Der Unabhängige Bundesasylsenat hat mit Bescheid vom 23.04.2008 gem. § 41 Abs. 3 Asylgesetz 2005 der Berufung stattgegeben, das Verfahren zugelassen und den bekämpften Bescheid behoben.

 

Begründend wird ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin in der Berufungsschrift zu Recht darauf verweise, dass sich das Bundesasylamt mit den vom Rechtsberater vorgelegten aktuellen Berichten zu allgemeinen Mängeln des griechischen Asylverfahrens nicht in ausreichender Weise auseinandergesetzt hat. Sowohl in der Aussendung des UNHCR vom Jänner 2008 als auch in der Aussendung des norwegischen Immigrationsberufungssenates vom 25.01.2008 werden Mängel des griechischen Asylverfahrens behauptet, die zu einer ungeprüften Kettenabschiebung in die Herkunftsstaaten führen könnten. Das Bundesasylamt trete diesen aktuellen Berichten nicht in schlüssiger Weise entgegen. Insbesondere kann der aktuellen Aussendung des UNHCR vom Jänner 2008 nicht bloß durch einen Hinweis auf eine ältere Aussendung des UNHCR vom Juli 2007, wonach "abgebrochene" Verfahren von Asylwerbern nach der Rückkehr wieder fortgesetzt würden, entgegen getreten werden.

 

Da insbesondere keine weiteren aktuellen Berichte oder Auskünfte beigeschafft wurden, die als Entscheidungsgrundlage dienen können - erweise sich das dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Verfahren als qualifiziert mangelhaft.

 

Festgehalten wurde weiters, dass die in der Berufungsschrift behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Berufungswerberin kein Hindernis für eine Verbringung der Berufungswerberin nach Griechenland wären, sofern in Griechenland die medizinische Versorgung (allenfalls auch auf einem geringeren Niveau als in Österreich) gewährleistet wäre.

 

In der daraufhin erfolgten Einvernahme vom 25.7.2008 vor dem Bundesasylamt bekräftigte die nunmehrige Beschwerdeführerin ihre bisherigen Angaben, bezeichnet Griechenland als ein Land, in dem es keine Menschenrechte gäbe, sie wäre kein einziges Mal vernommen worden und hätte nicht gewusst, wo sie hätte einen Asylantrag stellen können. Sie musste auf der Strasse schlafen und betteln, Griechenland wäre schlimmer als Somalia.

 

Mit Bescheid vom 29.07.2008 hat das Bundesasylamt den Antrag auf internationalen Schutz abermals gemäß § 5 Abs. 1AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Griechenland gemäß Art. 10 Abs. 1 der Dublin II Verordnung zurPrüfung des Antrages zuständig ist.

 

Begründend führt das Bundesasylamt aus, dass Griechenland bereits auf Kritik des UNHCR reagierte und Maßnahmen zur Beseitigung der Probleme setzte. So sieht auch der belgische "Aliens Litigation Council" in den derzeitigen Bedingungen in Griechenland in ihrer Entscheidung Nr. 9796 vom 10.4.2008 keinen Grund, Dublin Verfahren mit und die Überstellung nach Griechenland auszusetzen. Auch Norwegen führe wieder Dublin Verfahren mit Griechenland durch. Weiters wird im abschließenden Bericht der Fact Finding Mission des Schwedischen Migrationsamtes festgestellt, dass sich keine ausreichenden Gründe ergeben, weder humanitärer noch sonstiger Art, bei Griechenland eine generelle Ausnahme vom Vollzug der Dublin II VO zu machen.

 

Die Beschwerdeführerin habe nicht zum Ausdruck gebracht, dass sie einen Asylantrag stellen wollte,weshalb sie nur als Fremde nach fremdenrechtlichen Gesichtspunkten behandelt wurde. Die Versorgung von Asylwerbern könne sie daher gar nicht beurteilen. Weiters hat sich das Bundesasylamt in dem angefochtenem Bescheid mit den jüngsten Entwicklungen in Griechenland auseinandergesetzt.

 

Gegen diesen Bescheid richtet sich die am 12.08.2008 fristgerecht eingebrachte Beschwerde, in der ausgeführt wird, dass sich die Erstinstanz noch immer nicht ausreichend mit den aktuellen Berichten zu allgemeinen Mängeln des griechischen Asylverfahrens auseinander gesetzt hätte, sie verwende veraltete Gutachten, die Richtlinien des Schwedischen Migrationsamtes beruhen auf den Fällen von 26 nach Griechenland überstellten Flüchtlingen und könne aufgrund so einer geringen Stichprobe keine allgemeinen Aussagen über das Asylverfahren in Griechenland gemacht werden.

 

Weiters sei die Beschwerdeführerin nicht gesund und würde in Griechenland keine ordnungsgemäße Behandlung erhalten.

 

Die gegenständliche Beschwerde samt erstinstanzlichem Verwaltungsakt langte der Aktenlage nach am 08.07.2008 beim Asylgerichtshof ein.

 

II. Der Asylgerichtshof hat durch den zuständigen Richter über die gegenständliche Beschwerde wie folgt erwogen:

 

1. Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt.

 

2. Rechtlich ergibt sich Folgendes:

 

Mit Datum 01.01.2006 ist das neue Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG idF BGBL. I Nr. 100/2005) und ist somit auf alle ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.

 

Gemäß § 23 AsylGHG sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

2.1. Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 AsylG erledigter Asylantrag als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom 18.02.2003 zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Asylbehörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Gemäß § 10 Abs 1 Z 1 AsylG ist die Zurückweisung eines Antrages nach Maßgabe der § 10 Abs 3 und Abs 4 AsylG mit einer Ausweisung zu verbinden. Die Dublin II VO ist eine Verordnung des Gemeinschaftsrechts im Anwendungsbereich der 1. Säule der Europäischen Union (vgl Art. 63 EGV), die Regelungen über die Zuständigkeit zur Prüfung von Asylanträgen von Drittstaatsangehörigen trifft. Sie gilt also nicht für mögliche Asylanträge von EU-Bürgern, ebenso wenig ist sie auf Personen anwendbar, denen bereits der Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde. Das wesentliche Grundprinzip ist jenes, dass den Drittstaatsangehörigen in einem der Mitgliedstaaten das Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Asylverfahren zukommt, jedoch nur ein Recht auf ein Verfahren in einem Mitgliedstaat, dessen Zuständigkeit sich primär nicht aufgrund des Wunsches des Asylwerbers, sondern aufgrund der in der Verordnung festgesetzten hierarchisch geordneten Zuständigkeitskriterien ergibt.

 

2.1.1. Es ist daher zunächst zu überprüfen, welcher Mitgliedstaat nach den hierarchisch aufgebauten (Art. 5 Abs 1 Dublin II VO) Kriterien der Art. 6-12 bzw 14 und Art. 15 Dublin II VO, beziehungsweise dem Auffangtatbestand des Art. 13 Dublin II VO zur inhaltlichen Prüfung zuständig ist.

 

2.1.1.1. Im vorliegenden Fall ist dem Bundesasylamt zuzustimmen, dass eine Zuständigkeit Griechenlands gemäß Art. 10 Abs 1 Dublin II VO kraft Ersteinreise in der Europäischen Union besteht. Die griechische Dublin-Behörde hat der Aufnahme der Beschwerdeführerin zwar nicht ausdrücklich zugestimmt, doch ist durch Verfristung die Zuständigkeit Griechenlands gem. Art 18 Abs. 6 und 7 Dublin II-VO rechtlich festgestellt. Die erste Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der getroffenen Unzuständigkeitsentscheidung ist somit gegeben und ist diese im Verfahren nicht bestritten worden.

 

Ebenso unbestritten ist, dass die Beschwerdeführerin in Griechenland noch keinen Asylantrag gestellt hat.

 

2.1.1.2. Es sind auch aus der Aktenlage keine Hinweise ersichtlich, wonach die Führung der Konsultationen im gegenständlichen Fall derart fehlerhaft erfolgt wäre, sodass von Willkür im Rechtssinn zu sprechen wäre und die Zuständigkeitserklärung des zuständigen Mitgliedstaates wegen Verletzung der gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgrundsätze aus diesem Grund ausnahmsweise keinen Bestand haben könnte (Filzwieser, Subjektiver Rechtsschutz und Vollziehung der Dublin II VO - Gemeinschaftsrecht und Menschenrechte, migraLex, 1/2007, 22ff; vgl auch das Gebot der Transparenz im "Dublin-Verfahren", VwGH 23.11.2006, Zl. 2005/20/0444). Das Konsultationsverfahren erfolgte mängelfrei.

 

2.1.2. Das Bundesasylamt hat ferner von der Möglichkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs 2 Dublin II VO keinen Gebrauch gemacht. Es war daher noch zu prüfen, ob von diesem Selbsteintrittsrecht im gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung der EMRK zwingend Gebrauch zu machen gewesen wäre.

 

Der VfGH hat mit Erkenntnis vom 17.06.2005, Zl. B 336/05-11 festgehalten, die Mitgliedstaaten hätten kraft Gemeinschaftsrecht nicht nachzuprüfen, ob ein anderer Mitgliedstaat generell sicher sei, da eine entsprechende normative Vergewisserung durch die Verabschiedung der Dublin II VO erfolgt sei, dabei aber gleichzeitig ebenso ausgeführt, dass eine Nachprüfung der grundrechtlichen Auswirkungen einer Überstellung im Einzelfall gemeinschaftsrechtlich zulässig und bejahendenfalls das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs 2 Dublin II VO zwingend geboten sei.

 

Die Judikatur des VwGH zu den Determinanten dieser Nachprüfung lehnt sich richtigerweise an die Rechtsprechung des EGMR an und lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigende notorische Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der EU in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, Zl. 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter auf den betreffenden Fremden bezogener Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall seiner Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 26.11.1999, Zl 96/21/0499, VwGH 09.05.2003, Zl. 98/18/0317; vgl auch VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059): "Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist." (VwGH 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949).

 

Die Vorlage allgemeiner Berichte ersetzt dieses Erfordernis in der Regel nicht (vgl VwGH 17.02.1998, Zl. 96/18/0379; EGMR Mamatkulov & Askarov v Türkei, Rs 46827, 46951/99, 71-77), eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle einer Überstellung ebenso eine allfällige Unterschreitung des verfahrensrechtlichen Standards des Art. 13 EMRK sind für sich genommen nicht ausreichend, die Wahrscheinlichkeit einer hier relevanten Menschenrechtsverletzung darzutun. Relevant wäre dagegen etwa das Vertreten von mit der GFK unvertretbaren rechtlichen Sonderpositionen in einem Mitgliedstaat oder das Vorliegen einer massiv rechtswidrigen Verfahrensgestaltung im individuellen Fall, wenn der Asylantrag im zuständigen Mitgliedstaat bereits abgewiesen wurde (Art. 16 Abs 1 lit. e Dublin II VO). Eine ausdrückliche Übernahmeerklärung des anderen Mitgliedstaates hat in die Abwägung einzufließen (VwGH 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582, VwGH 31.05.2005, Zl. 2005/20/0025, VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/19/0673), ebenso andere Zusicherungen der europäischen Partnerstaaten Österreichs (zur Bedeutung solcher Sachverhalte Filzwieser/Liebminger, Dublin II VO, K13. zu Art 19 Dublin II VO).

 

Weiterhin hatte der Asylgerichtshof folgende Umstände zu berücksichtigen:

 

Bei entsprechender Häufung von Fällen, in denen in Folge Ausübung des Selbsteintrittsrechts die gemeinschaftsrechtliche Zuständigkeit nicht effektuiert werden kann, kann eine Gefährdung des "effet utile" Grundsatzes des Gemeinschaftsrechts entstehen.

 

Zur effektiven Umsetzung des Gemeinschaftsrechts sind alle staatlichen Organe kraft Gemeinschaftsrechts verpflichtet.

 

Der Verordnungsgeber der Dublin II VO, offenbar im Glauben, dass sich alle Mitgliedstaaten untereinander als "sicher" ansehen können, wodurch auch eine Überstellung vom einen in den anderen Mitgliedstaat keine realen Risken von Menschenrechtsverletzungen bewirken könnte (vgl. insbesondere den 2. Erwägungsgrund der Präambel der Dublin II VO), hat keine eindeutigen verfahrens- oder materiellrechtlichen Vorgaben für solche Fälle getroffen hat, diesbezüglich lässt sich aber aus dem Gebot der menschenrechtskonformen Auslegung des Gemeinschaftsrechts und aus Beachtung der gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgrundrechte ableiten, dass bei ausnahmsweiser Verletzung der EMRK bei Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat eine Überstellung nicht stattfinden darf. Die Beachtung des Effizienzgebots (das etwa eine pauschale Anwendung des Selbsteintrittsrechts oder eine innerstaatliche Verfahrensgestaltung, die Verfahren nach der Dublin II VO umfangreicher gestaltet als materielle Verfahren verbietet) und die Einhaltung der Gebote der EMRK stehen daher bei richtiger Anwendung nicht in Widerspruch (Filzwieser, migraLex, 1/2007, 18ff, Filzwieser/Liebminger, Dublin II VO², K8-K13. zu Art. 19).

 

Die allfällige Rechtswidrigkeit von Gemeinschaftsrecht kann nur von den zuständigen gemeinschaftsrechtlichen Organen, nicht aber von Organen der Mitgliedstaaten rechtsgültig festgestellt werden. Der EGMR hat jüngst festgestellt, dass die Rechtsschutz des Gemeinschaftsrechts regelmäßig den Anforderungen der EMRK entspricht (30.06.2005, Bosphorus Airlines v Irland, Rs 45036/98).

 

Es bedarf sohin europarechtlich eines im besonderen Maße substantiierten Vorbringens und des Vorliegens besonderer vom Antragsteller bescheinigter außergewöhnlicher Umstände, um die grundsätzliche europarechtlich gebotene Annahme der "Sicherheit" der Partnerstaaten der Europäischen Union als einer Gemeinschaft des Rechts im individuellen Fall erschüttern zu können. Diesem Grundsatz entspricht auch die durch das AsylG 2005 eingeführte gesetzliche Klarstellung des § 5 Abs 3 AsylG, die Elemente einer Beweislastumkehr enthält. Es trifft zwar ohne Zweifel zu, dass Asylwerber in ihrer besonderen Situation häufig keine Möglichkeit haben, Beweismittel vorzulegen (wobei dem durch das Institut des Rechtsberaters begegnet werden kann), und dies mitzubeachten ist (VwGH, 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949), dies kann aber nicht pauschal dazu führen, die vom Gesetzgeber - im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht - vorgenommene Wertung des § 5 Abs 3 AsylG überhaupt für unbeachtlich zu erklären (dementsprechend in ihrer Undifferenziertheit verfehlt, Feßl/Holzschuster, AsylG 2005, 225ff). Eine Rechtsprechung, die in Bezug auf Mitgliedstaaten der EU faktisch höhere Anforderungen entwickelte, als jene des EGMR in Bezug auf Drittstaaten wäre jedenfalls gemeinschaftsrechtswidrig.

 

2.1.2.1. Mögliche Verletzung des Art. 8 EMRK

 

Familiäre Bezüge in Österreich im Verfahren sind nicht hervorgekommen, ebenso wenig - schon aufgrund der relativ kurzen Aufenthaltsdauer - schützenswerte Aspekte des Privatlebens.

 

2.1.2.2. Kritik am griechischen Asylwesen/der Situation in Griechenland

 

2.1.2.2.1. Im vorliegenden Fall beschränkt sich das Vorbringen der Beschwerdeführerin auf allgemeine Kritik an der Situation in Griechenland. Sie selbst hat dort unbestritten bei ihrem seinerzeitigen Aufenthalt keinen Asylantrag gestellt und wurde daher von den griechischen Behörden nicht einvernommen. Dass sie nach 17 Tagen das Flüchtlingslager verlassen musste und aufgrund fremdenrechtlicher Bestimmungen aus Griechenland ausgewiesen wurde, kann an dieser Beurteilung nichts Entscheidendes verändern. Die Beschwerdeführerin wurde auch nicht Opfer von Übergriffen, Hinweise auf besondere individuelle Vulnerabilität sind ebenso nicht hervorgekommen.

 

2.1.2.2.2. Zur allgemeinen Kritik des Beschwerdeführers an Griechenland ist unbestritten, dass UNHCR das Absehen von Überstellungen empfohlen hat und einige Berichte von NGO's ernste Kritik an verschiedenen Aspekten des griechischen Asylverfahrens und des Umgangs mit Asylwerbern üben. Dies hat auch zur Aufhebung des ursprünglichen Bescheides des BAA durch den UBAS geführt, da sich dieser Bescheid mit dieser Erkenntnislage nicht hinreichend auseinandergesetzt hat, da jedenfalls bei bestimmten Vorbringen von einer Erschütterung der Regelvermutung des § 5 Abs 3 AsylG auszugehen war.

 

Im vorliegenden Fall hat sich (neben anderen aktuellen Quellen) aber die Erstbehörde auf das Ergebnis einer Fact Finding Mission der schwedischen Asylbehörde aus April 2008 gestützt, der die Beschwerde nur pauschal, nicht aber im Einzelnen substantiiert entgegentritt.

 

Zentral folgt daraus, dass bei Überstellungen nach der Dublin II VO ein tatsächlicher Zugang zum Asylverfahren besteht. Probleme des Zugangs zum Asylverfahren, wie sie sich etwa in anderen Berichten bei der Ersteinreise von Personen aus der Türkei nach Griechenland widerspiegeln, sind daher nicht relevant.

 

Da im konkreten Fall ein Asylverfahren noch nicht begonnen wurde, verbieten sich auch spekulative Erwägungen über dessen Ausgang und die Erfolgsaussichten des Beschwerdeführers. Die Kritik von UNHCR an der fehlenden Praxis der Gewährung subsidiären Schutzes kann daher bei der gegenwärtigen Entscheidungsfindung beispielsweise keine Rolle spielen. Nichtsdestotrotz hat der Gerichtshof mitberücksichtigt, dass in keiner der Quellen des vorliegenden Verfahrens Fälle angeführt wurden, in denen Asylwerber tatsächlich in ihre Herkunftsländer aus Griechenland abgeschoben wurden. So hat der britische Court of Appeal in der zeitlich nach der Veröffentlichung der UNHCR-Position (und unter ausdrücklicher Auseinandersetzung mit derselbigen) ergangenen Berufungsentscheidung vom 14.05.2008 ([2008] EWCA Civ 464, Jawad NASSARI), in welcher eine Überstellung eines afghanischen Asylwerbers nach Griechenland im Einklang mit der im vorliegenden Erkenntnis des Asylgerichtshofes vertretenen Rechtsauffassung, abgewiesen wurde, ausgeführt: (Punkte 40-41, per Lord Justice Laws: "There are clearly concerns about the conditions in which asylum-seekers may be detained in Greece. It is not however shown that they give rise to systemic violations of Article 3. As regards refoulement, Mr Nicol in a note dated 2 May 2008 submits that the earlier evidence taken together with the new UNHCR material shows "at the very least, a serious cause for concern as to whether the Greek authorities would onwardly remove the respondent to Afghanistan in breach of Article 3. I certainly accept that such evidence as there is, and in particular the recent UNHCR Paper, shows that the relevant legal procedures are to say the least shaky, although there has been some improvement. I have considered whether the right course would be to send the case back to the High Court for a fuller examination of the factual position. But in truth there are currently no deportations or removals to Afghanistan, Iraq, Iran, Somalia or Sudan, and as I understand it no reports of unlawful refoulement to any destination. That seems to me to be critical. I would accordingly hold, on the evidence before us, that as matters stand Greece's continued presence on the list does not offend the United Kingdom's Convention obligations. It follows that there is no case for a limited declaration of incompatibility relating only to Greece (...)"

 

Auch der von der Erstinstanz herangezogene Bericht des Schwedischen Migrationsamtes bestätigt, dass das reale Risiko einer Verletzung des Art. 3 EMRK durch eine Kettenabschiebung infolge Verstoßes gegen das Non-Refoulement Gebot nicht besteht. Dass gerade der Beschwerdeführer - bei dem Faktoren einer besonderen Vulnerabilität nicht bestehen - bei einer Rückkehr in eine aussichtslose Situation wegen Verweigerung der Unterbringung kommen würde, lässt sich aus der allgemeinen Berichtslage, bei aller Kritik an Einzelfällen, nicht ableiten.

 

2.1.2.2.3. Im Ergebnis hat die vorgenommene Prüfung somit nicht ergeben, dass allgemein Überstellungen nach Griechenland nicht vorgenommen werden dürfen. Dies entspricht der Rechtsansicht der Europäischen Kommission (vgl Pressemitteilung vom 09.04.2008), ebenso wie der zitierten englischen Judikatur. Explizit gegenteilige Judikatur ist zum Entscheidungszeitpunkt aus keinem Mitgliedstaat bekannt (die norwegische Position beinhaltet ja lediglich eine Aussetzung von Entscheidungen im Zusammenhang mit einer näheren Prüfung der Berichtslage). Jüngst hat Griechenland sein nationales Recht an die Bestimmungen der RL 2005/85/EG vom 01.12.2005 betreffend Mindeststandards für das Verfahren, mit dem die EU-Mitgliedstaaten den Flüchtlingsstatus zu- oder aberkennen ("Asylverfahrensrichtlinie) angepasst (Präsidialdekret Nr. 90 im Regierungsanzeiger vom 11.07.2008) sowie eine Versicherung abgegeben, Minderjährige im Asylverfahren gut zu behandeln (Schreiben der griechischen Behörde vom 11.07.2008 an alle Dublinstaaten). In Ermangelung sonstiger individueller Gründe und individuellen Vorbringens des Beschwerdeführers erweist sich daher in diesem Fall das von der Erstbehörde beigeschaffte Tatsachensubstrat als ausreichend und die individuelle Beweiswürdigung als zutreffend. Ein zwingender Grund zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts besteht daher in diesem Zusammenhang nicht.

 

2.1.2.3. Medizinische Krankheitszustände; Behandlung in Griechenland

 

Unbestritten ist, dass nach der allgemeinen Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK und Krankheiten, die auch im vorliegenden Fall maßgeblich ist, eine Überstellung nach Griechenland nicht zulässig wäre, wenn durch den Überstellungsvorgang eine existenzbedrohende Situation drohte und diesfalls das Selbsteintrittsrecht der Dublin II VO zwingend auszuüben wäre.

 

In diesem Zusammenhang ist vorerst auf das jüngste diesbezügliche Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH vom 06.03.2008, Zl: B 2400/07-9) zu verweisen, welches die aktuelle Rechtsprechung des EGMR zur Frage der Vereinbarkeit der Abschiebung Kranker in einen anderen Staat mit Art. 3 EMRK festhält (D. v. the United Kingdom, EGMR 02.05.1997, Appl. 30.240/96, newsletter 1997,93; Bensaid, EGMR 06.02.2001, Appl. 44.599/98, newsletter 2001,26; Ndangoya, EGMR 22.06.2004, Appl. 17.868/03; Salkic and others, EGMR 29.06.2004, Appl. 7702/04; Ovdienko, EGMR 31.05.2005, Appl. 1383/04; Hukic, EGMR 29.09.2005, Appl. 17.416/05; EGMR Ayegh, 07.11.2006; Appl. 4701/05; EGMR Goncharova & Alekseytsev, 03.05.2007, Appl. 31.246/06).

 

Zusammenfassend führt der VfGH aus, das sich aus den erwähnten Entscheidungen des EGMR ergibt, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (Fall D. v. the United Kingdom).

 

Jüngste Rechtsprechung des EGMR (N vs UK, 27.05.2008) und Literaturmeinungen (Premiszl, Migralex 2/2008, 54ff, Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in "Dublin-Verfahren") bestätigen diese Einschätzung, wobei noch darauf hinzuweisen ist, dass EU-Staaten verpflichtet sind, die Aufnahmerichtlinie umzusetzen und sohin diesfalls jedenfalls eine begründete Vermutung des Bestehens einer medizinischen Versorgung besteht.

 

Aus diesen Judikaturlinien des EGMR ergibt sich jedenfalls der für das vorliegende Beschwerdeverfahren relevante Prüfungsmaßstab.

 

Akut existenzbedrohende Krankheitszustände oder Hinweise einer unzumutbaren Verschlechterung der Krankheitszustände im Falle einer Überstellung nach Griechenland sind der Aktenlage, auch wenn die Psychologin im Haus der Frauen, Traiskirchen, Kraftlosigkeit und Deprimiertheit feststellte und ein weiterführendes Gespräch mit einem Psychologen noch nicht stattfand, nicht zu entnehmen. Das Vorliegen einer im Sinne der zitierten Rechtsprechung des EGMR ausreichenden medizinischen Grundversorgung in Griechenland ist zu bejahen. Nach Ansicht des Asylgerichtshofes sind in dieser Frage aufgrund der Aktenlage weitere Beweisaufnahmen nicht erforderlich gewesen.

 

Zusammengefasst stellt daher eine Überstellung des Beschwerdeführers nach Griechenland keinesfalls eine Verletzung des Art. 3 EMRK und somit auch keinen Anlass zur Ausübung des Selbsteintrittsrechtes Österreichs nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO dar.

 

2.1.3. Spruchpunkt I der erstinstanzlichen Entscheidung war sohin bei Übernahme der Beweisergebnisse und rechtlichen Würdigung der Erstbehörde mit obiger näherer Begründung zu bestätigen.

 

2.2. Spruchpunkt II (des Bescheides des BAA):

 

Hinsichtlich der vom Beschwerdeführer bekämpften Ausweisung ist festzuhalten, dass das Bundesasylamt eine korrekte Überprüfung im Sinne der Rechtsprechung vorgenommen hat. Den Ausführungen zu Spruchpunkt II des erstinstanzlichen Bescheides ist seitens des Asylgerichtshofes für den konkreten Fall somit zuzustimmen.

 

2.3. Gemäß § 41 Abs 4 AsylG konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Eine gesonderte Erwägung bezüglich einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konnte angesichts des Spruchinhaltes entfallen.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Ausweisung, medizinische Versorgung, real risk, Rechtsschutzstandard
Zuletzt aktualisiert am
17.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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