D11 318897-2/2008/2Z
BESCHLUSS
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter DDr. Gerhold als Einzelrichter über die Beschwerde des A.M., geb. 00.00.1968, StA. Russland, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 02.08.2008, GZ. 08 06.157 - EASt-WEST, zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 37 Abs 1 AsylG 2005 idgF hinsichtlich Spruchpunkt II die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I.) Der Beschwerde liegt folgender Verfahrensgang zugrunde:
Der Beschwerdeführer, ein russischer Staatsbürger und Angehöriger der tschetschenischen Volksgruppe, brachte am 24.11.2007 beim Bundesaylamt einen Antrag auf internationalen Schutz unter der Zahl 07 10.910 ein. Mit Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Graz, vom 10.4.2008, wurde der Antrag gemäß § 5 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen, da für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz gemäß Art 14 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates Polen zuständig sei. Gemäß § 10 AsylG wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung für zulässig befunden.
Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 05.05.2008, Zahl 318.897-1/3E-XI/34/08, wurde die Berufung abgewiesen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 19.06.2008 der zur Zahl 2008/19/0832 protokollierten Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt. Mit Schreiben vom 17.07.2008 legte der (nunmehrige) Asylgerichtshof die Verwaltungsakte betreffend des bisherigen Verfahrens dem Verwaltungsgerichthof vor.
Am 15.07.2008 brachte der Beschwerdeführer einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz unter der Zahl 08 06.157 ein.
Im Rahmen seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 23.7.2008 führte der Beschwerdeführer sinngemäß aus, dass sein Leben in Polen in Gefahr sei. Man habe ihn inzwischen in Tschetschenien für die Tötung von Personen verantwortlich gemacht und zwischen dem ersten und dem zweiten Asylverfahren Blutrache geschworen und Verwandte des Opfers seien auch in Polen. Zudem habe er gehört, dass tschetschenische Mitarbeiter von Behörden nach Polen kämen und dort Menschen umbringen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der (zweite) Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen. Es seien nicht glaubwürdig weitere asylrelevante Gründe vorgebracht worden und habe sich kein neuer objektiver Sachverhalt ergeben. Es existierten keine Umstände, welche der Ausweisung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich entgegenstünden.
Der Bescheid des Bundesasylamts vom 2.8.2008 wurde dem Beschwerdeführer durch persönliche Ausfolgung am 3.8.2008 rechtswirksam zugestellt.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die am 14.8.2008 eingelangte vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer gibt sinngemäß an, er habe glaubhaft Neues vorgebracht. Österreich sei verpflichtet, von seinem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen. Zudem leide er unter einer posttraumatischen Belastungsstörung.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 73 Abs 1 Asylgesetz 2005 trat dieses Gesetz mit 1.1.2006 in Kraft, weshalb auf den gegenständlichen, nach diesem Datum gestellten Antrag auf internationalen Schutz die Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 anzuwenden sind.
Gemäß § 68 Abs 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen des §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs 2 bis 4 findet.
Über die mit einem rechtswirksamen Bescheid erledigte Sache darf somit nicht neuerlich entschieden werden. Nur eine wesentliche Änderung des Sachverhalts - nicht bloß von Nebenumständen - kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (vgl. VwGH 25.4.2007, 2004/20/0100; 30.6.2005, 2005/18/0197; 25.4.2002, 2000/07/0235) zu einer neuerlichen Entscheidung führen, etwa wenn in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist oder wenn das neue Parteibegehren von dem früheren abweicht. Darüber hinaus muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen, dem Entscheidungsrelevanz zukommt und an den eine positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann (vgl. VwGH 22.12.2005, 2005/20/0556; 26.7.2005, 2005/20/0343).
Der (letztinstanzliche) Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 5. Mai 2008 ist mit seiner Erlassung in Rechtskraft erwachsen, woran auch die Ergreifung des außerordentlichen Rechtsmittels der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof nichts ändert, selbst wenn der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde (vgl. Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), E46 zu § 68 AVG). Somit ist prinzipiell eine res iudicata im Sinne des § 68 Abs 1 AVG gegeben.
Es entspricht jedoch nicht den Grundsätzen der Verfahrensökonomie, das gegenständliche Verfahren nach § 68 Abs 1 AVG fortzuführen, solange die tatsächliche Durchsetzbarkeit des rechtkräftigen (ersten) Bescheides durch die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch den Verwaltungsgerichtshof gehindert ist. Zwecks Vermeidung von Bindungskonflikten und einer etwaigen Wiederaufnahme ist es somit bereits aus verfahrensrechtlicher Sicht geboten, der gegenständlichen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Dies entspricht auch der verfassungskonformen Interpretation des § 37 AsylG im Lichte des VfGH-Erkenntnisses VfSlg. 17.340/2004, wonach eine Interessensabwägung im Einzelfall geboten ist. Da der Beschwerde gegen den Bescheid das (damaligen) unabhängigen Bundesasylsenates durch den Verwaltungsgerichtshof aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde und zudem ausgesprochen wurde, dass "damit im Besonderen jede Zurück- oder Abschiebung (...) aus Österreich (...) unzulässig ist", entspricht auch die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich der Beschwerde gegen den gegenständlichen (zweiten) Bescheid des Bundesasylamtes genau der bisherigen rechtlichen Position des Beschwerdeführers.
Darüber hinaus konnte sich der Asylgerichtshof aufgrund der bereits erfolgten Vorlage der Akten an den Verwaltungsgerichtshof nur provisorisch mit der Frage der Glaubwürdigkeit des neuen Vorbringens des Beschwerdeführers auseinandersetzen. Diese provisorische Prüfung lässt jedoch eine Sachverhaltsänderung nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von vornherein als ausgeschlossen erscheinen.
Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 41 Abs. 4 AsylG entfallen.