TE AsylGH Erkenntnis 2008/08/25 E1 254923-0/2008

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.08.2008
beobachten
merken
Spruch

E1 254.923-0/2008-32E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. FAHRNER als Einzelrichterin über die Beschwerde der K.A., geb. 00.00.1981, StA. Russische Förderation, vertreten durch Dr. Lennart Binder, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 28.10.2004, FZ. 04 05.528-BAT, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 06.03.2007 sowie 31.03.2008 zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird mit der Maßgabe gemäß § 7 AsylG 1997, BGBl I Nr. 76/1999 idF BGBl I 126/2002, und § 8 Abs. 1 und 2 AsylG 1997, BGBl I Nr. 76/1999 idF BGBl I 101/2003 als unbegründet abgewiesen, dass der Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides zu lauten hat:

 

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 1997 BGBl I Nr. 76/1999 idF BGBl I 101/2003, wird K.A. aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Förderation ausgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Der Beschwerdeführer (vormals Berufungswerber), ein Staatsangehöriger der Russischen Förderation, gehört der tschetschenischen Ethnie an und stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 24.03.2004 einen Asylantrag.

 

2. Im Zuge einer am selben Tag durchgeführten niederschriftlichen Einvernahme gab er an, gemeinsam mit seiner Gattin und seinem Kind seit "heute Früh" in Österreich zu sein. Im Oktober 2003 seien sie zunächst mit dem Kleinbus nach Inguschetien gefahren und dann mit dem Zug nach Brest (Weißrussland). Von dort aus, seien sie wiederum mit dem Zug nach Polen gefahren, wo sie zwei Wochen in einem Lager verbracht hätten. Nachdem sie das Asylverfahren dort "gestoppt" hätten, seien sie mit einem LKW weiter nach Tschechien gefahren, wo sie insgesamt vier Monate in verschiedenen Lagern verbracht hätten. Gestern seien sie mit dem Zug bis zur Grenze und dann zu Fuß über die Grenze nach Österreich gekommen.

 

Zur Begründung seines Asylantrages führte der Beschwerdeführer aus, nicht zurück nach Hause zu wollen, weil er Angst um sein Leben hätte. Er habe Angst, erschossen zu werden. Außerdem sollten seine Kinder ohne Krieg aufwachsen.

 

3. Am 07.04.2004 legte der Beschwerdeführer seine Heiratsurkunde in Kopie sowie in Übersetzung vor, wonach er am 00.00.2003 geheiratet habe.

 

4. Am 06.09.2004 wurde der Beschwerdeführer neuerlich niederschriftlich einvernommen, wobei er angab, im Gebiet R. geboren zu sein und dort bis 1993 gelebt zu haben. Von 1993 bis 2002 habe er in S. gelebt, seither in Grosny.

 

Er sei weder Mitglied einer politischen Partei noch Angehöriger einer bewaffneten Gruppierung gewesen, sei nicht vorbestraft, habe niemals strafbare Handlungen begangen und sei niemals in Haft gewesen, festgenommen oder angehalten worden. Er werde auch nicht von seinen heimatstaatlichen Behörden gesucht.

 

Befragt nach seinem konkreten Ausreisegrund, gab der Beschwerdeführer an, ausgereist zu sein, weil es in seiner Heimat unmöglich sei zu leben. Er sei ausgereist, weil noch immer Krieg sei. Wenn ihm Österreich nicht helfe, dass sein Sohn hier normal leben könne, dann wisse er nicht, was er machen solle.

 

Auf die Frage, ob er konkret bis zu seiner Ausreise persönlich Verfolgungshandlungen in seiner Heimat ausgesetzt gewesen sei, gab er wörtlich an: "Nein, niemals".

 

In einem anderen Landesteil habe er sich nicht niederlassen können, zumal die Russen die Tschetschenen hassten.

 

Befragt nach den Konsequenzen, mit welchen er bei seiner Rückkehr in seine Heimat zu rechnen hätte, gab der Beschwerdeführer an, genug vom schwierigen Leben dort zu haben. Man bekomme dort auch keine Arbeit. Der ausschlaggebende Grund, warum er seine Heimat verlassen habe, sei der, dass man dort nicht leben könne. Für die Jugend sei es eine Hölle. Er möchte, dass man ihn hier aufnehme, damit sein Sohn hier normal leben könne.

 

5. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 28.10.2004, FZ: 04 05.528-BAT, wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Weiters wurde die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Russland gemäß § 8 Abs 1 AsylG 1997 für zulässig erklärt (Spruchpunkt II.) und dieser gemäß § 8 Abs 2 AsylG 1997 "aus dem österreichischen Bundesgebiet" ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

 

Begründend führt die Erstbehörde aus, dass der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Sachverhalt zum Gegenstand dieses Bescheides erhoben worden sei, jener jedoch keine begründete Furcht vor einer asylrelevanten Verfolgungshandlung im Sinne der GFK haben müsste. Zumal keine aktuelle Gefährdungslage für den Beschwerdeführer zu erkennen gewesen sei, sei sein Asylantrag abzuweisen gewesen.

 

Spruchpunkt II. begründete die Erstbehörde damit, dass keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Gefahr liefe, in Russland einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden.

 

Zu Spruchpunkt III. führte die Erstbehörde aus, dass kein Familienbezug zu einem dauernd aufenthaltsberechtigten Fremden in Österreich vorliege und auch sonst keine sozialen Bindungen ersichtlich seien, weshalb die Ausweisung keinen Eingriff in Art 8 EMRK darstelle.

 

6. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 12.11.2004 fristgerecht Berufung.

 

7. Am 02.01.2006 erteilte der Beschwerdeführer Herrn Mojarrad NOVIN sowie Herrn Dr. KLODNER vom SPRAKUIN Integrationsverein eine Zustellvollmacht.

 

8. Der Unabhängige Bundesasylsenat führte am 06.03.2007 eine mündliche Berufungsverhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer, seine Gattin sowie seine (mittlerweile) drei minderjährigen Kinder samt ihrem Vertreter teilnahmen, sich das Bundesasylamt jedoch entschuldigen ließ.

 

Dabei wurden der Beschwerdeführer sowie seine Gattin einvernommen und die Verhandlung zur Einholung eines medizinischen Gutachtens erstreckt.

 

9. Am 04.07.2007 erstattete der mit Bescheid vom 25.04.2007 zum neurologisch-psychiatrischen Sachverständigen bestellte Primar Dr. W.S. sein psychiatrisches Sachverständigengutachten, in welchem eine Belastungsstörung im Sinne einer Anpassungsstörung mit überwiegender Beeinträchtigung sonstiger Gefühle festgestellt wurde.

 

10. Dieses Gutachten wurde an den Vertreter des Beschwerdeführers mit der Möglichkeit, eine Stellungnahme dazu abzugeben, übermittelt, welche Stellungnahme am 04.10.2007 erstattet wurde. Darin wird dem Gutachten nicht entgegengetreten, sondern darauf hingewiesen, dass die vom Sachverständigen diagnostizierte Belastungsstörung gut nachvollziehbar sei.

 

11. Am 07.01.2008 wurde bekanntgegeben, dass der Beschwerdeführer Herrn Rechtsanwalt Dr. Lennart Binder LL.M. mit seiner Vertretung beauftragt hat.

 

12. Am 31.03.2008 setzte der Unabhängige Bundesasylsenat die mündliche Verhandlung fort, an welcher der Beschwerdeführer alleine teilnahm und sich das Bundesasylamt wiederum entschuldigen ließ.

 

Nach Einvernahme des Beschwerdeführers verzichtete dieser auf die Darlegung der Länderberichte sowie auch darauf, dass diese seinem Vertreter geschickt werden. Weiters verzichtete der Beschwerdeführer teilweise auf die Rückübersetzung des Protokolls, dessen Unterfertigung er auch verweigerte.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Beweis wurde erhoben durch

 

Einsichtnahme in den vorliegenden Verwaltungsakt des Beschwerdeführers sowie in die Verwaltungsakte seiner Gattin U.M. (Zahl: 254.933) und seiner drei mj. Kinder K.Y., geb. 00.00.2003 (Zahl 314.401), K.O., geb. 00.00.2004 (Zahl: 254.931), sowie K.I., geb. 00.00.2006 (Zahl: 308.171), durch Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens des Primar Dr. W.S., durch die Einvernahme des Beschwerdeführers sowie seiner Gattin in der mündlichen Verhandlung vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat sowie durch Einsichtnahme in folgende Länderberichte, auf deren Erörterung der Beschwerdeführer - wie erwähnt - verzichtete:

 

Verfassung der Russischen Föderation vom 12.12.1999 (www.verfassungen.de/rus/russland93-index.htm);

 

Verfassung der Tschetschenischen Republik (Chechenya-Constiution) vom 27.03.2003 (www.servat.unibe.ch/law/icl/cc00000_.html);

 

(Deutsches) Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation vom 13.01.2008 (Stand Dezember 2007);

 

U.S. Department of State, Country Reports on Human Rights Practices 2007, Russia, vom 11.03.2008;

 

Bundesasylamt, Chechen Republic: Information about the country and situation of Chechens in the Russian Federation, Part I General Information, von Februar 2008;

 

Schweizer Flüchtlingshilfe (Klaus Ammann), Nordkaukasus, Entwicklungen in Tschetschenien sowie in Dagestan, Kabardino-Balkarien, Inguschetien und Nordossetien, von Jänner 2007.

 

2. Festgestellt wird nachstehender Sachverhalt:

 

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers und seinen Fluchtgründen:

 

Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen, ist am 00.00.1981 geboren und ein der tschetschenischen Ethnie angehöriger Staatsangehöriger der Russischen Förderation.

 

Er ist seit 00.00.2003 mit der am 00.00.1981 geborenen U.M. verheiratet, mit welcher er gemeinsam drei mj. Kinder hat, und zwar den am 00.00.2003 geborenen K.Y., die am 00.00.2004 in Österreich geborene K.O. sowie die am 00.00.2006 ebenfalls in Österreich geborene K.I..

 

Die Gattin des Beschwerdeführers ist am 16.06.2008 gemeinsam mit ihren drei mj. Kindern auf eigene Kosten aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Tschetschenien ausgereist und zwar mittels Flugzeug von Wien über Moskau nach Grosny.

 

Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat einer asylrelevanten Verfolgungsgefahr ausgesetzt war oder für den Fall seiner Rückkehr dorthin, einer solchen ausgesetzt sein wird.

 

Festgestellt wird, dass im Falle einer Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat keine relevante Rechtssphärenverletzung prognostiziert werden kann.

 

Der Beschwerdeführer leidet an einer Belastungsstörung im Sinne einer Anpassungsstörung mit vorwiegender Beeinträchtigung sonstiger Gefühle, steht jedoch diesbezüglich weder in einer neurologisch-psychiatrischen noch in einer psychotherapeutischen Behandlung. Eine tiefgreifende psychische Traumatisierung im Sinne einer tiefgreifenden Zerrüttung kann nicht festgestellt werden.

 

2.2. Zur Lage in Tschetschenien und zur Lage der Tschetschenen in der Russischen Förderation:

 

2.2.1. Allgemeine Entwicklung

 

Die Russische Föderation besteht nach Art. 5 Abs. 1 ihrer Verfassung (von 1993) aus Republiken, Regionen, Gebieten, bundesbedeutsamen Städten, einem autonomen Gebiet und autonomen Bezirken als den gleichberechtigten Subjekten der Russischen Föderation. Zu diesen Republiken gehört nach Art. 65 Abs. 1 dieser Verfassung die - im Nordkaukasus gelegene - Tschetschenische Republik, ebenso wie ihre Nachbarrepubliken Dagestan, Inguschetien und Nordossetien (seit 1996 "Republik Nordossetien und Alania").

 

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion erklärte sich Tschetschenien 1991 für unabhängig; das führte 1994 zum Ersten Tschetschenienkrieg, der 1996 mit der De-facto-Unabhängigkeit endete. Danach tobten in Tschetschenien heftige Machtkämpfe, die Kriminalität war hoch und strahlte über die Grenzen aus, und Banden aus Tschetschenien verübten Übergriffe auf Nachbarrepubliken. Gegen Ende 1999 begann der Zweite Tschetschenienkrieg, als - nach Bombenanschlägen in verschiedenen russischen Städten - russische Truppen (dh. föderale Truppen, also Truppen der Russischen Föderation) wieder in Tschetschenien einmarschierten. Russische und tschetschenische Sicherheitskräfte sowie tschetschenische Rebellen begehen schwere Menschenrechtsverletzungen. In jüngster Zeit ist im Nordkaukasus, vor allem in Tschetschenien, eine Verbesserung der Lage festzustellen (erhebliche Wiederaufbauerfolge, deutlicher Rückgang der Verschlepptenzahlen), der Konflikt bleibt jedoch insbesondere in Dagestan und Inguschetien virulent.

 

Am 23.3.2003 fand ein Verfassungsreferendum und am 29.8.2004 die Wahl des Präsidenten statt. Die neue tschetschenische Verfassung schreibt die Zugehörigkeit Tschetscheniens zur Russischen Föderation fest (Art. 1 Abs. 2); die vorgesehenen Autonomieregelungen sind eng begrenzt. Der russische Präsident Putin erklärte bei seiner Jahrespressekonferenz am 31.1.2006 die "antiterroristische Operation" (dh. den Krieg) zum wiederholten Male für beendet. Mit der Wahl eines tschetschenischen Parlaments am 27.11.2005 ist für Moskau der 2003 begonnene "politische Prozess" zur Beilegung des Tschetschenienkonflikts und damit die Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung in Tschetschenien abgeschlossen. Die Mehrheit der Sitze errang die kremlnahe Partei "Einiges Russland". Beobachter stellten zahlreiche Unregelmäßigkeiten fest, ua. die anhaltende Gewaltausübung und den Druck der "Kadyrowzy" gegen Wahlleiter und Wahlvolk.

 

Nach dem Rücktritt des tschetschenischen Ministerpräsidenten Sergej Abramow am 28.2.2006 ernannte der tschetschenische Präsident Alu Alchanow am 2.3.2006 den bisherigen stellvertretenden Ministerpräsidenten Ramsan Kadyrow zum neuen Regierungschef. Das Parlament bestätigte die Ernennung zwei Tage später. Nach längeren Spannungen zwischen Alchanow und Kadyrow ernannte Präsident Putin am 15.02.2007 Alchanow zum Stellvertretenden Justizminister der Russischen Föderation und Kadyrow zum geschäftsführenden Präsidenten Tschetscheniens.

 

Wenngleich seit der Regierung und Präsidentschaft Ramsan Kadyrows Zeichen der Normalisierung festzustellen sind, finden noch weiterhin kleinere Kämpfe zwischen Rebellen und regionalen sowie föderalen Sicherheitskräften statt. Die aktiven Rebellen weichen immer mehr in die Nachbarrepubliken, insbesondere Inguschetien und Dagestan aus. Hierzu schreibt der russische Menschenrechtsbeauftragte Wladimir Lukin in seinem Jahresbericht 2006: "Insgesamt bleibt die Lage im Nordkaukasus außerordentlich instabil."

 

Tschetschenen werden seit 2001 auf freiwilliger Basis in die russische Armee aufgenommen, wurden aber bislang nur in geringer Zahl und in Spezialfunktionen in Tschetschenien eingesetzt. Tschetschenische Wehrpflichtige werden auf Befehl des Verteidigungsministers aus dem Jahre 2005 nicht einberufen.

 

2.2.2. Sicherheitslage

 

Trotz der Tötung der Separatistenführer Aslan Maschadow im März 2005 und Abdelchalim Saidullajew im Juni 2006 sowie des "Top-Terroristen" Schamil Bassajew im Juli 2006 gibt es laut Schätzungen der lokalen tschetschenischen Sicherheitskräfte weiterhin einige hunderte Rebellen in den Bergregionen Tschetscheniens, die vor allem Anschläge auf Sicherheitskräfte verüben. Der russische Armeegeneral Krivonos nannte am 11.05.2007 eine Zahl von noch 300 aktiven Kämpfern. Eine dauerhafte Befriedung der Lage in Tschetschenien ist somit noch nicht eingetreten. Die Aktivitäten der tschetschenischen und föderalen Sicherheitskräfte gegen die Rebellen, insbesondere in den tschetschenischen Grenzgebieten zu den nordkaukasischen Nachbarrepubliken, wurden auch 2007 fortgesetzt. Seit 1999 forderte der Konflikt erhebliche Opfer: 10.000-20.000 getötete Zivilisten (Angaben der russischen Menschenrechtsorganisation "Memorial"), 5.000 bis 7.000 getötete und ca. 18.000 verletzte Angehörige der Sicherheitskräfte (Zahlen des Verteidigungsministeriums, die teilweise widersprüchlich sind).

 

In Tschetschenien finden die schwersten Menschenrechtsverletzungen in der Russischen Föderation statt. Nichtregierungsorganisationen, internationale Organisationen und Presse berichten, dass sich auch nach Beginn des von offizieller Seite festgestellten "politischen Prozesses" erhebliche Menschenrechtsverletzungen durch russische und pro-russische tschetschenische Sicherheitskräfte gegenüber der tschetschenischen Zivilbevölkerung fortgesetzt haben. Dies sei häufig darauf zurückzuführen, dass reales Ziel der in Tschetschenien eingesetzten Zeitsoldaten, Milizionäre und Geheimdienstangehörigen Geldbeschaffung und Karriere sei. Zwar hat sich die Sicherheit der Zivilbevölkerung in Tschetschenien mittlerweile stabilisiert. Razzien, "Säuberungsaktionen", Plünderungen und Übergriffe durch russische Soldaten und Angehörige der tschetschenischen Sicherheitskräfte, aber auch Guerilla-Aktivitäten und Geiselnahmen der Rebellen haben nach Einschätzung von Menschenrechtsorganisationen und internationalen Organisationen deutlich abgenommen. Doch weisen Nichtregierungsorganisationen zugleich darauf hin, dass es nach wie vor zu willkürlichen Überfällen bewaffneter, nicht zuzuordnender Kämpfer, Festnahmen und Bombenanschlägen kommt.

 

Seit Anfang 2007 hat sich laut Angaben der Menschenrechtsorganisation Memorial die Menschenrechtslage in Tschetschenien gebessert, insbesondere haben die Fälle des "Verschwindenlassens" erheblich abgenommen. Wurden 2006 noch 187 Entführungen von Memorial registriert, ist die Zahl seit Anfang 2007 bis Mitte September 2007 auf 25 Fälle zurückgegangen. Memorial erklärt diese Tatsache damit, dass Präsident Kadyrow seinen Sicherheitskräften, den "Kadyrowzy", die Anweisung gegeben habe, mit den Entführungen aufzuhören. Dies bestätigt die Annahme von Human Rights Watch, nach der seit 2004/2005 diese Gruppe die Hauptverantwortung für Verschleppungen trägt. Der tschetschenische Parlamentspräsident Abdurchachmanow bestätigte am 01.07.2007, dass die Zahl der verschwundenen Personen ursprünglich bei etwa 5.500 gelegen habe, doch habe nach erfolgten Überprüfungen das Schicksal von über 1.000 Personen geklärt werden können. Aktuell gelten 4.300 Personen als spurlos verschwunden. Man gehe davon aus, dass viele der vermissten Personen tot und in anonymen Gräbern bestattet worden seien. Um die Identität der Toten klären zu können, soll nach Angaben des tschetschenischen Ombudsmanns Nuchaschijew Präsident Kadyrow im Juli 2007 den Kauf eines Speziallabors angeordnet haben.

 

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg verurteilte Russland am 27.07.2006 zur Zahlung von 35.000 Euro an die Familie des im Februar 2000 spurlos verschwundenen Chadschi-Murat Jandijew wegen Verletzung des Rechts auf Leben. Das Gericht stellte fest, dass Russland das Verbot der willkürlichen Festnahme verletzt und dem Festgenommenen keinen ausreichenden Rechtsschutz gewährt hatte. Seitdem ist es zu weiteren ähnlichen Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gegen Russland wegen Entführungen und Tötungen in Tschetschenien gekommen.

 

Folter bleibt ein drängendes Problem. Sie erfolgt willkürlich und unvorhergesehen, ein Muster ist nicht erkennbar. Der Menschenrechtskommissar des Europarats Thomas Hammarberg kritisierte nach einem Besuch in Tschetschenien Ende Februar/Anfang März 2007 Folter im ORB-2 (Operatives Fahndungsbüro 2, Teil des Föderalen Innenministeriums). Auch Präsident Kadyrow gab Mitte März 2007 öffentlich Folter im ORB-2 zu. Memorial werden weiterhin aktuelle Fälle von Folter sowohl im ORB-2 als auch durch eine spezielle Einheit des tschetschenischen Innenministeriums gemeldet. Unter Folter unterschriebene Geständnisse werden nach Erkenntnissen von Memorial regelmäßig in Gerichtsverfahren als Grundlage von Verurteilungen genutzt.

 

Frauen berichteten gegenüber Vertreterinnen internationaler Hilfsorganisationen von Vergewaltigungen seitens russischer Soldaten bei der Eroberung von Ortschaften. Russische Menschenrechtsorganisationen berichten für 2007 weiterhin von extralegalen Tötungen der Zivilbevölkerung während Operationen der Sicherheitskräfte. So sollen nach Angaben von Memorial am 24.03.2007 Militärangehörige auf drei Frauen in Urduchaja, Gebiet Schatoi geschossen haben, von denen eine ums Leben gekommen sein soll, während die beiden anderen schwer verletzt worden seien.

 

Schwere Verbrechen und Vergehen werden auch von Seiten verschiedener Rebellengruppen begangen. Neben den Aufsehen erregenden Terroranschlägen gegen die Zivilbevölkerung (Beslan) werden bei vielen Aktionen gegen russische Sicherheitskräfte Opfer unter der Zivilbevölkerung bewusst in Kauf genommen. Auch werden den Rebellen Exekutionen und Geiselnahmen von Zivilisten in den von ihnen beherrschten Gebieten und Ortschaften vorgeworfen. Außerdem verüben die Rebellen gezielt Anschläge gegen Tschetschenen, die mit den russischen Behörden zusammenarbeiten.

 

Berichtet wurden Fälle von durch Sicherheitsbehörden organisierten Geiselnahmen von Familienangehörigen mutmaßlicher Rebellen, durch die diese zur Aufgabe gezwungen werden sollten.

 

Die strafrechtliche Verfolgung der Menschenrechtsverletzungen ist unzureichend, so dass nach Ansicht von Nichtregierungsorganisationen ein "Klima der Straflosigkeit" entstanden sei. Bisher gibt es nur sehr wenige Fälle von Verurteilungen. Im April 2006 verurteilte ein Gericht in Rostow den Vertragssoldaten Kriwoschenok zu 18 Jahren Haft wegen der Erschießung dreier tschetschenischer Zivilisten im November 2005. Im Juni 2007 verurteilte dasselbe Gericht vier Offiziere in der "Sache Ulman" zu 9, 11, 12 und 14 Jahren Haft wegen Erschießung von sechs tschetschenischen Zivilisten im Dezember 2002. Drei der Verurteilten sind allerdings untergetaucht.

 

Am 22.09.2006 beschloss die Duma eine neue Amnestieverordnung. Sie erfasst Vergehen, die zwischen dem 13.12.1999 und dem 23.09.2006 im Nordkaukasus (Dagestan, Inguschetien, Kabardino-Balkarien, Tschetschenien, Nordossetien, Karatschajewo- Tscherkessien, Gebiet Stawropol) begangen wurden. Die Amnestie gilt sowohl für Rebellen ("Mitglieder illegaler bewaffneter Formationen", sofern sie bis zum 15.01.2007 die Waffen niederlegen) als auch für Soldaten, erfasst aber keine schweren Verbrechen (u.a. nicht Mord, Vergewaltigung, Entführung, Geiselnahme, schwere Misshandlung, schwerer Raub; für Soldaten: Verkauf von Waffen an Rebellen). Nach Mitteilung des Nationalen Antiterror-Komitees haben sich bis zum Stichtag insgesamt 546 Rebellen gestellt. Etwa 200 Rebellen waren angeblich an Sabotage und Terroraktionen beteiligt, nahezu alle sollen einer illegalen bewaffneten Gruppe angehört haben.

 

2.2.3. Versorgungssituation

 

Die Lebensumstände für die Mehrheit der tschetschenischen Bevölkerung haben sich nach Angaben von internationalen Hilfsorganisationen in letzter Zeit deutlich verbessert. In den Nachbarrepubliken Dagestan, Inguschetien und Kabardino-Balkarien hat sich die Lage hingegen eher verschlechtert. Die ehemals zerstörte Hauptstadt Grosny ist inzwischen fast vollständig wieder aufgebaut - dort gibt es mittlerweile auch wieder einen Flughafen. Nach Angaben der EU Kommission (ECHO) findet der Wiederaufbau überall in der Republik, insbesondere in Gudermes, Argun und Schali statt. Mitarbeiter von Hilfsorganisationen melden, dass selbst in kleinen Dörfern Schulen und Krankenhäuser aufgebaut werden. Die Infrastruktur (Strom, Heizung, fließendes Wasser, etc.) und das Gesundheitssystem waren nahezu vollständig zusammengebrochen, doch zeigen Wiederaufbauprogramme und die Kompensationszahlungen Erfolge. Missmanagement, Kompetenzgemenge und Korruption verhindern jedoch in vielen Fällen, dass die Gelder für den Wiederaufbau sachgerecht verwendet werden. Die humanitären Organisationen reduzieren langsam ihre Hilfstätigkeiten, da sie keine humanitäre Notlage, dennoch aber erhebliche Entwicklungsprobleme sehen.

 

Wichtigstes soziales Problem ist die Arbeitslosigkeit und große Armut weiter Teile der Bevölkerung. Nach Schätzungen der UN sind 2007 ca. 80% der tschetschenischen Bevölkerung arbeitslos und verfügen über Einkünfte unterhalb der Armutsgrenze (in Höhe von 2,25 USD/Tag). Haupteinkommensquelle ist der Handel. Andere legale Einkommensmöglichkeiten gibt es kaum, weil die Industrie überwiegend zerstört ist. Minen verhindern die Entwicklung landwirtschaftlicher Aktivitäten. Geld wird mit illegalem Verkauf von Erdöl und Benzin verdient; zahlreiche Familien leben von Geldern, die ein Ernährer aus dem Ausland schickt.

 

Wohnraum bleibt weiterhin ein großes Problem. Nach Schätzungen der VN wurden während der kriegerischen Auseinandersetzungen ab 1994 über 150.000 private Häuser sowie ca. 73.000 Wohnungen zerstört. Die Auszahlung von Kompensationsleistungen für kriegszerstörtes Eigentum ist nach Angaben des damaligen tschetschenischen Präsidenten Alu Alchanow vom 19.10.2006 noch nicht abgeschlossen. Bisher seien an 40.000 Personen Zahlungen in Höhe von über zwei Milliarden Rubel erfolgt. Für das Jahr 2007 seien auf Grund der zugewiesenen Mittel Kompensationszahlungen an 10.000-15.000 Personen geplant. Nichtregierungsorganisationen berichten jedoch, dass nur rund ein Drittel der Vertriebenen eine Bestätigung der Kompensationsberechtigung erhalte. Viele Rückkehrer bekämen bei ihrer Ankunft in Grosny keine Entschädigung, weil die Behörden sich weigern würden, ihre Dokumente zu bearbeiten, oder weil ihre Namen von der Liste der Berechtigten verschwunden seien. Der russische Migrationsdienst gibt nach Angaben von Nichtregierungsorganisationen offen zu, dass von den Entschädigungszahlungen 15 % nach Moskau, 15 % an die lokalen Behörden, zehn Prozent an die zuständige Bank und ein gewisser Prozentsatz an den Migrationsdienst selbst gehen. Verschiedene Schätzungen, u.a. des ehemaligen Menschenrechtsbeauftragten des Europarates Gil Robles, gehen davon aus, dass 30-50% der Kompensationssummen als Schmiergelder gezahlt werden müssen.

 

Zur aktuellen Lage der medizinischen Versorgung liegen unterschiedliche Einschätzungen vor. Durch die Zerstörungen und Kämpfe - besonders in der Hauptstadt Grosny - waren medizinische Einrichtungen weitgehend nicht mehr funktionstüchtig. Nach Angaben von UNDP entspricht die Dichte der Polikliniken in einigen Bezirken nur 20 % des russischen Durchschnitts. Dabei sind einige Krankheiten laut tschetschenischem Gesundheitsministerium 10-15 mal häufiger als vor dem Krieg. Nach Angaben des IKRK soll die Situation der Krankenhäuser für die medizinische Grundversorgung dank internationaler Hilfe mittlerweile aber ein Niveau erreicht haben, das dem durchschnittlichen Standard in der Russischen Föderation entspricht. Das IKRK hat daher beschlossen, zum Jahresende 2007 sein Unterstützungsprogramm zum Auf- und Ausbau von Krankenhäusern einzustellen. Problematisch bleibt jedoch auch laut IKRK die Personallage im Gesundheitswesen, da viele Ärzte und medizinische Fachkräfte Tschetschenien während der beiden Kriege verlassen haben.

 

2.2.4. Rückkehrfragen:

 

Es liegen keine keine gesicherten Erkenntnisse darüber vor, ob Russen, die tschetschenischer Volkszugehörigkeit sind, nach ihrer Rückführung besonderen Repressionen ausgesetzt sind. Solange der Tschetschenien-Konflikt nicht endgültig gelöst ist, ist davon auszugehen, dass abgeschobenen Tschetschenen besondere Aufmerksamkeit durch russische Behörden erfahren. Dies gilt insbesondere für solche Personen, die sich in der Tschetschenienfrage engagiert haben bzw. denen die russischen Behörden ein solches Engagement unterstellen.

 

2.2.5. Situation von Tschetschenen in der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens

 

Fremdenfeindliche und rassistische Ressentiments haben in der Bevölkerung und in den Behörden in den letzten Jahren zugenommen und beschränken sich längst nicht mehr auf die ältere Generation und die weniger gebildeten Schichten. Sie richten sich insbesondere gegen Tschetschenen und andere Kaukasier, so genannte "Tschornyje" ("Schwarze"). Der Tschetschenienkonflikt und Berichte über Kontakte der tschetschenischen Rebellen zu den Taliban und Osama Bin Laden, die Geiselnahme 2002 in Moskau und die Geiselnahme in Beslan haben diese Tendenz verstärkt.

 

Der Kontrolldruck gegenüber kaukasisch aussehenden Personen hat etwas abgenommen, wenngleich russische Menschenrechtsorganisationen nach wie vor von einem willkürlichen Vorgehen der Miliz gegen Tschetschenen allein wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit berichten. Kaukasisch aussehende Personen stünden unter einer Art Generalverdacht. Personenkontrollen (Ausweis, Fingerabdrücke) auf der Straße, in der U-Bahn und Hausdurchsuchungen (häufig ohne Durchsuchungsbefehle) haben aber an Intensität abgenommen. Dem Auswärtigen Amt sind keine Anweisungen der russischen Innenbehörden zur spezifischen erkennungsdienstlichen Behandlung von Tschetschenen bekannt geworden. Kontrollen von kaukasisch aussehenden oder aus Zentralasien stammenden Personen erfolgen seit Jahresbeginn 2007 zumeist im Rahmen des verstärkten Kampfes der Behörden gegen illegale Migration und Schwarzarbeit.

 

Tschetschenen werden in Tschetschenien, aber auch in den übrigen Gebieten der Russischen Föderation Ziel benachteiligender Praktiken der Behörden. Menschenrechtsorganisationen berichten glaubwürdig über Personenkontrollen und Wohnungsdurchsuchungen, z.T. ohne rechtliche Begründung, Festnahmen, Strafverfahren aufgrund fingierter Beweise und Kündigungsdruck auf Arbeitgeber und Vermieter. Tschetschenen haben auch weiterhin Schwierigkeiten, eine Wohnortregistrierung auf legalem Wege zu erlangen. Offensichtliche Diskriminierungen, wie das Fälschen von Beweismitteln oder die Verfolgung durch die Miliz, werden jedoch immer seltener.

 

Tschetschenen steht wie allen russischen Staatsbürgern das Recht der freien Wahl des Wohnsitzes und des Aufenthalts in der Russischen Föderation zu. Diese Rechte sind in der Verfassung verankert. Jedoch wird in der Praxis an vielen Orten (u.a. in großen Städten, wie z.B. Moskau und St. Petersburg) der legale Zuzug von Personen aus den südlichen Republiken der Russischen Föderation durch Verwaltungsvorschriften stark erschwert. Diese Zuzugsbeschränkungen wirken sich im Zusammenhang mit anti-kaukasischer Stimmung besonders stark auf die Möglichkeit rückgeführter Tschetschenen aus, sich legal dort niederzulassen. Die Rücksiedlung nach Tschetschenien wird von Regierungsseite nahegelegt.

 

Mit dem Föderationsgesetz von 1993 wurde ein Registrierungssystem geschaffen, nach dem die Bürger den örtlichen Stellen des Innenministeriums ihren gegenwärtigen Aufenthaltsort ("vorübergehende Registrierung") und ihren Wohnsitz ("dauerhafte Registrierung") melden müssen. Die Registrierung legalisiert den Aufenthalt und ermöglicht den Zugang zu Sozialhilfe, staatlich geförderten Wohnungen und zum kostenlosen Gesundheitssystem sowie zum legalen Arbeitsmarkt. Voraussetzung für eine Registrierung ist die Vorlage des Inlandspasses (ein von russischen Auslandsvertretungen in Deutschland ausgestelltes Passersatzpapier reicht nicht aus) und nachweisbarer Wohnraum. Nur wer eine Bescheinigung seines Vermieters vorweist, kann sich registrieren lassen. Kaukasier haben laut Angaben von Menschenrechtsvertretern jedoch größere Probleme als Neuankömmlinge anderer Nationalität, überhaupt einen Vermieter zu finden. Viele Vermieter weigern sich zudem, entsprechende Vordrucke auszufüllen, u.a. weil sie ihre Mieteinnahmen nicht versteuern wollen.

 

Die Registrierungsregeln gelten einheitlich im ganzen Land. Die Praxis ist jedoch regional unterschiedlich. Viele Regionalbehörden der Russischen Föderation wenden örtliche Vorschriften oder Verwaltungspraktiken restriktiv an. Nach der Moskauer Geiselnahme im Oktober 2002 haben sich administrative Schwierigkeiten und Behördenwillkür gegenüber Tschetschenen im Allgemeinen und gegenüber Rückgeführten im Besonderen bei der Niederlassung verstärkt. Nichtregierungsinstitutionen berichten auch, dass vereinzelt Registrierungsbehörden kein Interesse haben, Tschetschenen in ihrem Kreis zu registrieren und wohnen zu lassen. Angesichts der Terrorgefahr dürfte sich an dieser Praxis der Behörden in absehbarer Zeit nichts ändern. Daher haben Tschetschenen erhebliche Schwierigkeiten, außerhalb Tschetscheniens eine offizielle Registrierung zu erhalten. Zahlreiche Nichtregierungsorganisationen berichten, dass vielen Tschetschenen, besonders in Moskau, die Registrierung verweigert werde.

 

Nichtregistrierte Tschetschenen können innerhalb Russlands allenfalls in der tschetschenischen Diaspora untertauchen und dort überleben. Wie ihre Lebensverhältnisse sind, hängt insbesondere davon ab, ob sie über Geld, Familienanschluss, Ausbildung und russische Sprachkenntnisse verfügen. Menschenrechtler beklagen eine Zunahme von Festnahmen wegen fehlender Registrierung oder aufgrund manipulierter Ermittlungsverfahren.

 

Tschetschenen leben außerhalb Tschetscheniens und Inguschetiens vor allem in den nordkaukasischen Nachbarrepubliken Dagestan und Kabardino-Balkarien sowie in Südrussland (Regionen Krasnodar, Stawropol, Rostow, Astrachan). Dort ist eine Registrierung auch grundsätzlich leichter möglich als in Moskau, unter anderem weil Wohnraum (Registrierungsvoraussetzung) dort erheblich billiger ist als in Moskau, wo die Preise auf dem freien Wohnungsmarkt ausgesprochen hoch sind. Eine Registrierung ist in vielen Landesteilen oft erst nach Intervention von Nichtregierungsorganisationen, Duma-Abgeordneten, anderen einflussreichen Persönlichkeiten, oder durch Bestechung möglich. Eine Registrierung als Binnenflüchtling (IDP, internally displaced person) und die damit verbundene Gewährung von Aufenthaltsrechten und Sozialleistungen (Wohnung, Schule, medizinische Fürsorge, Arbeitsmöglichkeit) wird in der Russischen Föderation laut Berichten von amnesty international und UNHCR regelmäßig verwehrt.

 

Es ist grundsätzlich möglich, von und nach Tschetschenien ein- und auszureisen und sich innerhalb der Republik zu bewegen. An den Grenzen zu den russischen Nachbarrepubliken befinden sich jedoch nach wie vor - wenn auch in stark verringerter Zahl - Kontrollposten der föderalen Truppen oder der sog "Kadyrowzy", die gewöhnlich eine "Ein- bzw. Ausreisegebühr" erheben. Sie beträgt für Bewohner Tschetscheniens in der Regel zehn Rubel, also ungefähr 30 Cent; für Auswärtige - auch Tschetschenen - liegt sie höher, z.B. an der inguschetisch-tschetschenischen Grenze bei 50 - 100 Rubel, etwa 1,50 - 3 Euro.

 

3. Beweiswürdigung:

 

3.1. Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus den von ihm bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Dokumenten, insbesondere seinem Personalausweis, seinem Führerschein, seinem Inlandspass sowie seiner Heiratsurkunde. Aus letzterer ergibt sich auch die Feststellung zur Ehe des Beschwerdeführers; die Feststellungen zu seinen mj. Kindern ergeben sich aus deren Verwaltungsakten.

 

Dass die Gattin und die mj. Kinder des Beschwerdeführers am 16.06.2008 auf eigenen Kosten mit dem Flugzeug aus Österreich ausgereist und über Moskau nach Grosny geflogen sind, ergibt sich aus deren Verwaltungsakten, in concreto den darin einliegenden Bestätigungen von IOM (International Organization for Migration).

 

Die Negativfeststellung hinsichtlich einer allfälligen Verfolgung des Beschwerdeführers bzw. einer ihm allen falls drohenden Verfolgungsgefahr, resultiert daraus, dass der Beschwerdeführer bereits im erstinstanzlichen Verfahren keine konkret ihm persönlich widerfahrene bzw. drohende Verfolgung geltend gemacht hat. So hat er bei Antragstellung am 24.03.2004 angegeben, aus Angst um sein Leben bzw. aus Angst davor erschossen zu werden, nicht nach Hause zurück zu wollen. Außerdem sollten seine Kinder ohne Krieg aufwachsen.

 

Anlässlich der niederschriftlichen Einvernahme am 06.09.2004 hat er angegeben, niemals in Haft gewesen, festgenommen oder angehalten worden zu sein und auch nicht behördlich gesucht zu werden. Er sei ausgereist, weil es unmöglich sei, in seiner Heimat zu leben und dort noch immer Krieg sei. Im Jahr 2003 sei ein Freund vom russischen Militär mitgenommen worden. Weiters habe er beobachtet, wie durch eine Explosion zwei Menschen in Stücke gerissen worden seien. Befragt, ob er konkret bis zu seiner Ausreise Verfolgungshandlungen ausgesetzt gewesen wäre, verneinte er dies. Es sei jedoch unmöglich, in seiner Heimat zu leben und bekomme man dort auch keine Arbeit. Er möchte, dass sein Sohn normal in Österreich leben könne.

 

Auch in seiner Berufungsschrift brachte der Beschwerdeführer keine gegen ihn persönlich gerichtete Verfolgung vor, sondern gab an, aus seiner Heimat geflüchtet zu sein, weil bei einer Säuberungsaktion der russischen Soldaten sein Nachbar mitgenommen worden und dessen Mutter erschossen worden sei. Weiters seien zwei Personen von der russischen Miliz aneinander gebunden und mit Sprengstoff, welcher zwischen ihnen befestigt worden sei, in die Luft gesprengt worden. Dies sei Alltag in Grosny und habe er Angst, dass seiner Familie und ihm bei anderen Säuberungsaktionen der Russen das Gleiche geschehe.

 

Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat vom 06.03.2007 gab der Beschwerdeführer als konkreten Grund für seine Flucht aus Tschetschenien an, einfach Angst zu haben, dort zu wohnen. Er möchte nicht, dass seine Kinder in so einer Situation aufwachsen müssten.

 

Erst anlässlich seiner Untersuchung beim neurologischen-psychiatrischen Sachverständigen 2004 gab der Beschwerdeführer erstmals an, dass auch er selbst Anfang 2003 von den Russen im Rahmen einer Säuberungsaktion verschleppt worden wäre. Er hätte von morgens bis 4 Uhr nachmittags in knieender Position ausharren müssen und wäre wiederholt auf die Füße geschlagen worden, ehe er wieder freigelassen worden wäre. Zuvor wäre eine seiner Schwestern 1999 am Markt in Grosny durch Raketeneinschläge verletzt worden.

 

Über Befragung in der mündlichen Verhandlung vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat vom 31.03.2008 gab der Beschwerdeführer dazu an, zuvor Angst gehabt zu haben darüber zu sprechen. Er hätte Angst gehabt, zurückgeschickt zu werden, wenn er davon spreche.

 

Dieses Rechtfertigungsmodell ist jedoch weder plausibel noch nachvollziehbar, zumal nach der allgemeinen Lebenserfahrung davon auszugehen ist, dass gravierende Ereignisse, sofern diese tatsächlich stattgefunden haben, bereits bei der ersten Einvernahme vorgebracht werden. Das Nachschieben bzw. Steigern von Fluchtgründen im Laufe des Verfahrens stellte jedenfalls ein gewichtiges Indiz für die Unglaubwürdigkeit dar.

 

Dazu kommt, dass der Beschwerdeführer beim Psychiater angegeben habe, dieser Vorfall hätte Anfang 2003 stattgefunden; in der mündlichen Verhandlung vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat datiert er den Vorfall hingegen mit Jahresmitte 2003, kann jedoch kein genaues Datum nennen. Auch sonnst kann der Beschwerdeführer kaum Details nennen, was nach der allgemeinen Lebenserfahrung so wie der Aussagepsychologie wiederum dagegen spricht, dass sich dieser Vorfall real ereignet habe.

 

Überdies ist es auch nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer in seinem erstinstanzlichen Verfahren einen Vorfall schildert, welcher nicht seine Person betroffen hat, sondern bei welchem ein Kollege vom Militär mitgenommen worden sowie zwei weitere Personen bei einer Explosion getötet worden seien, den ihn selbstbetreffenden Vorfall hingegen gänzlich unerwähnt lässt.

 

Aus all diesen Gründen konnte letztlich nur eine Negativfeststellung hinsichtlich einer allfälligen, dem Beschwerdeführer drohenden Verfolgungsgefahr getroffen werden.

 

Die Feststellungen zu den psychischen Leiden des Beschwerdeführers resultieren aus dem eingeholten psychischen Sachverständigengutachten, welchem auch vom Beschwerdeführer bzw. dessen Rechtsvertreter nichts entgegen getreten wurde. Dass der Beschwerdeführer nicht in Behandlung steht, ergibt sich aus seinen eigenen Aussagen vor dem Sachverständigen einerseits und vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat andererseits.

 

3.2. Die Feststellungen zur Allgemeinen Entwicklung in Tschetschenien ergeben sich zunächst aus den zitierten Verfassungen der Russischen Föderation und der Tschetschenischen Republik. Die Darstellung der Entwicklung in Tschetschenien seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion basiert vor allem auf dem Bericht des Bundesasylamtes von Februar 2008, die Feststellung der Lageverbesserung auf dem Bericht des Auswärtigen Amtes (Stand Dezember 2007), welcher auch durch das U.S. Department of States bestätigt wird.

 

Die Feststellungen zur Sicherheitslage gründen sich auf den Bericht des deutschen Auswärtigen Amtes und werden die darin enthaltenen Informationen, insbesondere zum Rückgang der Anzahl der Entführungen, auch durch den zwei Monate jüngeren Country Report des U.S. Department of States bestätigt.

 

Gleiches gilt für die übrigen Feststellungen zur Versorgungslage, zu den Rückkehrfragen und zur Situation von Tschetschenen in der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens.

 

Rechtliche Beurteilung:

 

4.1. Gemäß § 75 Abs 1 AsylG 2005 sind alle am 31.12.2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt. Die §§ 24, 26, 54 bis 57 und 60 dieses Bundesgesetzes (AsylG 2005) sind auf diese Verfahren anzuwenden. § 27 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Bundesasylamt oder der Asylgerichtshof zur Erlassung einer Ausweisung zuständig ist und der Sachverhalt, der zur Einleitung des Ausweisungsverfahrens führen würde, nach dem 31.12.2005 verwirklicht wurde. § 57 Abs 5 und 6 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass nur Sachverhalte, die nach dem 31.12.2005 verwirklicht wurden, zur Anwendung dieser Bestimmungen führen.

 

Gemäß § 44 Abs 1 AsylG 1997 werden Asylanträge, die bis zum 30.04.2004 gestellt wurden, nach den Bestimmungen des AsylG 1997 idF BGBl I Nr. 126/2002 geführt. Die §§ 8, 15, 22, 23 Abs 3, 5 und 6, 36, 40 und 40a sind gemäß § 44 Abs 3 leg cit idF BGBl I Nr. 101/2003 auch auf Verfahren gemäß Abs 1 anzuwenden.

 

Nachdem der gegenständliche Asylantrag vor dem 30.04.2004 gestellt wurde, ist zusammengefasst also das AsylG 1997 idF BGBl I Nr. 126/2002 mit den soeben genannten Maßgaben anzuwenden.

 

4.2. Gemäß § 38 Abs 1 AsylG 1997 entscheidet der unabhängige Bundesasylsenat über Rechtsmittel gegen Bescheide des Bundesasylamtes.

 

Gemäß § 75 Abs 7 AsylG 2005 idF BGBl I Nr 4/2008 sind am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen weiterzuführen:

 

Mitglieder des unabhängigen Bundesasylsenats, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, sind von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat weiterzuführen.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, die von nicht zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannten Mitgliedern des unabhängigen Bundesasylsenates geführt wurden, sind nach Maßgabe der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat weiterzuführen.

 

Im Rahmen einer verfassungskonformen Interpretation des § 75 Abs 7 AsylG 2005 ist iSd Art. 151 Abs. 39 Z.1 B-VG von einer Anhängigkeit der Verfahren beim Unabhängigen Bundesasylsenat mit 30.6.2008 auszugehen.

 

4.3. Das gegenständliche Verfahren war am 30.06. bzw. 01.07.2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig. Die erkennende Richterin des Asylgerichtshofes war Mitglied des unabhängigen Bundesasylsenats und haben am 06.03.2007 sowie am 31.03.2008 bereits mündliche Verhandlungen stattgefunden. Gemäß der zitierten Bestimmung des § 75 Abs 7 Z 1 ergibt sich daher die Zuständigkeit der erkennenden Richterin, das Verfahren als Einzelrichterin weiterzuführen.

 

4.4. Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention [GFK]) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

 

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. z.B. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011, VwGH 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131, VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334).

 

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011, VwGH 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131).

 

4.4. Aus dem oben festgestellten Sachverhalt ergibt sich, dass der Beschwerdeführer eine Verfolgung seiner Person nicht glaubhaft machen und diese daher auch nicht festgestellt werden konnte.

 

Erachtet die Behörde im Rahmen der Beweiswürdigung die fluchtkausalen Angaben des Asylwerbers - wie vorliegend - als nicht glaubhaft, dann können die von ihm behaupteten Fluchtgründe gar nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zu Grunde gelegt werden und ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung gar nicht näher zu beurteilen (VwGH, 09.05.1996, 95/20/0380).

 

Aus den getroffenen Feststellungen zu Tschetschenien ergibt sich weiters, dass dort keine Situation besteht, in der alle Einwohner dieser Republik oder alle Angehörigen der tschetschenischen Ethnie allein aufgrund dieses Umstandes mit Verfolgung rechnen müssten.

 

Obwohl die Sicherheitslage nach wie vor dürftig ist, hat sie sich doch so weit entspannt bzw. verbessert, dass nicht mehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von einer solchen Gefährdung auszugehen ist.

 

Es waren daher die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl nicht gegeben und war daher Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides zu bestätigen.

 

4.5. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG hat die Behörde im Fall der Abweisung eines Asylantrages von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist (§ 57 FrG); diese Entscheidung ist mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden.

 

Gemäß Art 5 § 1 des Fremdenrechtspaketes, BGBl I Nr. 100/2005, ist das Bundesgesetz über die Einreise, den Aufenthalt und die Niederlassung von Fremden (Fremdengesetz 1997), BGBl I Nr. 75/1997, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl I Nr. 151/2004, mit Ablauf des 31.12.2005 außer Kraft getreten. Gemäß § 126 Abs 1 und 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005, ist dieses mit 01.01.2006 in Kraft getreten.

 

Gemäß 124 Abs 2 FPG treten, soweit in anderen Bundesgesetzen auf Bestimmungen des FrG 1997 verwiesen wird, an deren Stelle die entsprechenden Bestimmungen des FPG. Demnach ist die Verweisung des § 8 Abs 1 AsylG 1997 auf § 57 FrG nunmehr auf § 50 FPG zu beziehen.

 

Gemäß § 50 Abs 1 FPG ist die Zurückweisung, Hinderung an der Einreise, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art 2 oder 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre.

 

Gemäß Abs.2 leg. cit. ist die Zurückweisung oder Zurückschiebung Fremder in einen Staat oder die Hinderung an der Einreise aus einem Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§11 AsylG 2005).

 

Gemäß Abs 4 leg. cit. ist die Abschiebung Fremder in einen Staat, in dem sie zwar im Sinne des Abs 2, jedoch nicht im Sinne des Abs. 1 bedroht sind, nur zulässig, wenn sie aus gewichtigen Gründen eine Gefahr für die Sicherheit der Republik darstellen oder wenn sie von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden sind und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeuten (Art 33 Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge).

 

Gemäß Abs 6 leg. cit. ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

 

Die Regelungsgehalte von § 57 FrG und § 50 FPG unterscheiden sich nicht in einer solchen Weise, dass es für den vorliegenden Fall von Bedeutung wäre. Die Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die sich - mittelbar oder unmittelbar - auf § 57 FrG bezieht, lässt sich daher auf § 50 FPG übertragen.

 

4.6. Wie bereits oben ausgeführt, ist eine an asylrechtlich relevante Merkmale im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK anknüpfende Verfolgung nicht anzunehmen, so dass die Anwendbarkeit des § 57 Abs 2 FrG ausscheidet.

 

Zu prüfen bleibt, ob es begründete Anhaltspunkte dafür gibt, dass durch die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat Art 2 oder 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würden oder für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre.

 

Nach dem festgestellten Sachverhalt besteht kein Hinweis auf solch "außergewöhnliche Umstände", welche eine Rückkehr des Beschwerdeführers in die Russische Föderation unzulässig machen könnten. Es besteht dort keine solch extreme Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne des Art 2 oder 3 EMRK ausgesetzt wäre.

 

Wie bereits ausgeführt, besteht in Tschetschenien keine Situation, in der alle Einwohner dieser Republik oder alle Angehörigen der tschetschenischen Ethnie allein aufgrund dieses Umstandes mit Verfolgung rechnen müssten. Obwohl die Sicherheitslage nach wie vor dürftig ist, hat sie sich doch so weit entspannt bzw. verbessert, dass nicht mehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von einer Gefährdung iSd Art 2 und 3 EMRK auszugehen ist.

 

Dies wird auch eindrucksvoll durch die freiwillige (und auf eigenen Kosten erfolgte) Rückkehr der Ehegattin des Beschwerdeführers samt ihren drei minderjährigen Kindern aufgezeigt, weiters dadurch, dass sowohl die Eltern des Beschwerdeführers - im eigenen Haus - sowie seine Schwestern in Grosny leben. Laut eigener Aussage des Beschwerdeführers ist auch deren Grundversorgung - insbesondere durch Gelegenheitsarbeiten - gegeben. Auch war der Beschwerdeführer selbst vor seiner Ausreise fähig, seinen Lebensunterhalt mittels Durchführung von Transporten mit seinem LKW zu bestreiten.

 

Was die psychischen Leiden des Beschwerdeführers betrifft, so steht dieser laut den getroffenen Feststellungen weder in einer neurologisch-psychiatrischen noch in einer psychotherapeutischen Behandlung.

 

In diesem Zusammenhang ist auf die Judikatur des EGMR zu verweisen, wonach sich ein Anspruch auf Verbleib im Aufenthaltsstaat prinzipiell nicht mit dem Hinweis begründen lässt, ein solcher sei notwendig, um weiterhin medizinische, soziale oder andere Formen von Unterstützung zu erhalten. Von diesem Grundsatz ist ausnahmsweise, wie im Fall D. vs. The United Kingdom, abzuweichen, wenn es sich um eine lebensbedrohende, bereits ein tödliches Stadium erreichende Erkrankung handelt und die Aussicht auf medizinische Hilfe oder familiäre Unterstützung im Herkunftsstaat fehlt.

 

Schwere psychische Erkrankungen erreichen solange nicht die Erheblichkeitsschwelle, als es nicht zumindest einmal zu einer Zwangseinweisung in eine geschlossene Anstalt gekommen ist. Die lediglich fallweise oder aber auch regelmäßige Inanspruchnahme von psychiatrischen oder psychotherapeutischen Leistungen einschließlich freiwilliger Aufenthalte in offenen Bereichen psychiatrischer Kliniken indizieren eine fehlende Gravität der Erkrankung.

 

(vgl. zu dieser Thematik Premissl, Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in "Dublin-Verfahren", migralex 2008, 54; EGMR 31.05.2005,Appl.1383/04, Ovdienko vs. Finland; EGMR 10.11.2005, Appl.35989/03 Ramadan vs. Netherlands; EGMR 07.11.2006, Appl.24171/05, Ayegh vs Sweden)

 

Da der Beschwerdeführer nicht in Behandlung steht, ist die Erheblichkeitsschwelle des Art 3 EMRK nicht erreicht und lässt sich aus dessen Krankheit daher kein Abschiebeschutz ableiten.

 

Demnach war auch die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides abzuweisen.

 

4.7. Ist ein Asylantrag abzuweisen und hat die Überprüfung gemäß § 8 Abs 1 AsylG ergeben, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist, hat die Behörde gemäß § 8 Abs 2 AsylG diesen Bescheid mit der Ausweisung zu verbinden.

 

Bei einer Ausweisungsentscheidung nach § 8 Abs 2 AsylG ist auf Art 8 EMRK Bedacht zu nehmen (VfGH vom 15.10.2004, G 237/03; VfGH vom 17.03.2005, G 78/04a.).

 

Gemäß Art 8 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art 8 Abs 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechtes nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Laut seinen eigenen Angaben ist (nach Rückreise seiner Gattin und seiner Kinder nach Tschetschenien) der einzige familiäre Anknüpfungspunkt des Beschwerdeführers in Österreich eine hier lebende Schwester ist.

 

Nach der Rechtsprechung sind verwandtschaftliche Beziehungen zwischen Erwachsenen (zB zwischen Enkel und Großeltern, erwachsenen Geschwistern [vgl. VwGH 22.08.2006, 2004/01/0220, mwN], Cousinen [VwGH 15.01.1999, 97/21/0778], Onkeln bzw. Tanten und Neffen bzw. Nichten) nur dann als Familienleben geschützt, wenn eine "hinreichend starke Nahebeziehung" besteht. Nach Ansicht der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ist für diese Wertung insb

Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten