S9 400.716-1/2008/7E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. DRAGONI als Einzelrichter über die Beschwerde des A. Z., geb. 00.00.1981, StA. Russische Föderation, vertreten durch M. G.,gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 01.07.2008, FZ. 08 04.681-EAST Ost, zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 41 Abs. 3 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1. Z. H., die Ehefrau des Beschwerdeführers, eine russische Staatsangehörige, reiste am 11.03.2008 mit ihrem minderjährigen Sohn, A. D., geb. am 00.00.2008, in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Sie wurde hierzu am Tag der Antragstellung durch einen Organwalter des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion Traiskirchen erstbefragt. Dabei gab sie an, M. J. am 03.03.2008 mit ihrem Sohn verlassen zu haben, mit dem Bus nach Grosny, weiter mit dem Zug nach Moskau, St Petersburg und Brest und am 09.03.2008 nach Polen gefahren zu sein, wo sie einen Asylantrag gestellt habe. Am 10.03.2008 habe sie an einem Taxistand einen PKW-Fahrer angesprochen, der sie um 400.- Euro nach Österreich gebracht habe. Zu ihren Fluchtgründen gab sie an, dass ihr Mann abgeholt worden sei. Sie brauche Hilfe von ihren Eltern. Sie und ihr Sohn seien in der Heimat bedroht worden. Bei einer Rückkehr habe sie Angst um ihr Leben.
2. Seit 18.10.2003 befinden sich ihre Eltern, sowie ein Bruder und vier Schwestern in Österreich. Ihnen wurde bereits 2004 die Asylberechtigung zuerkannt.
3. Eine Eurodac-Abfrage ergab, dass die Ehefrau am 08.03.2008 in POLEN einen Asylantrag gestellt hatte . Das Bundesasylamt richtete sodann am 13.03.2008 gestützt auf die Angaben des Eurodac-Systmes ein Wiederaufnahmeersuchen gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18.02.2003 (Dublin II-VO) an die zuständige polnische Behörde, welches am selben Tag elektronisch über DubliNET übermittelt wurde. Die entsprechende Mitteilung gemäß § 28 Abs. 2, 2. Satz AsylG 2005 über die Führung von Konsultationen mit POLEN erhielt die Ehefrau des Beschwerdeführers am 17.03.2008. Mit Schreiben vom 18.03.2008 (eingelangt am 20.03.2008) erklärte sich POLEN gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin II-VO für die Durchführung des Asylverfahrens der Ehefrau des Beschwerdeführers für zuständig.
4. Am 01.04.2008 brachte die Ehefrau des Beschwerdeführers im Landesklinikum ihre Tochter J. zur Welt
5. Am 28.05.2008 stellte der der Beschwerdeführer, A. Z., bei der Polizei in Traiskirchen einen Asylantrag. Im Zuge der Erstbefragung am 29.05.2008 gab er an, dass am 16.01.2008 Russen zu ihm nach Hause gekommen wären, da ihnen jemand verraten habe, dass er tschetschenischen Kämpfern geholfen hätte. Er habe noch aus dem Fenster flüchten wollen, was er jedoch nicht konnte, da die Russen Granaten geworfen hätten und er dabei verletzt worden sei. Er sei daraufhin festgenommen, verarztet und in ein Erdloch gesperrt worden. Nach einiger Zeit sei er freigelassen worden und die Russen hätten ihm gesagt, er solle davonlaufen, sonst werde er getötet. Er sei daraufhin nach Petergorsk gefahren (Ende Februar 2008), wo er einen Monat geblieben sei. Die dortigen Bewohner hätten ihm Lebensmittel gegeben und einen Schlepper gezeigt. Danach sei er mit dem Zug nach Kiev gefahren. Schließlich sei er auf der Ladefläche eines LKW versteckt bis nach Österreich gefahren, wo er am 28.05.2008 an einem Busbahnhof abgesetzt worden sei. Er fürchte um sein Leben, wenn er zurückkehre.
Eine noch am selben Tag durchgeführte Eurodac-Abfrage ergab keine Übereinstimmung.
6. Am 03.06.2008 übermittelte das Bundesasylamt an POLEN ein Ersuchen um Aufnahme des Beschwerdeführers nach Art. 14 Dublin II VO, mit der Begründung, dass seine Reiserute nach Österreich zwar unbekannt sei, seine Frau und seine Kinder jedoch bereits in POLEN einen Asylantrag gestellt hätten. Für die Familie liege bereits das Einverständnis POLENS für die Wiederaufnahme vor. Am selben Tag wurde dem Ehemann der Beschwerdeführerin eine Mitteilung gemäß § 29 Abs. 3 AsylG 2005 ausgehändigt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen und Konsultationen mit Polen aufgenommen wurden.
7. Am 04.06.2008 übermittelten die zuständigen Behörden in POLEN die Zustimmung zur Aufnahme des Ehemannes der Beschwerdeführerin gemäß Art. 14 Dublin II VO.
8. Eine am 17.06.2008 bei der EAST Ost durchgeführte Untersuchung des Bescherdeführers ergab, dass er zwei tiefe Narben im Bereich der Schulter aufweise und von immer wieder auftretenden paraxysmalen Juckreiz, vor allem den Stamm betreffend, berichten würde. Der gutachtlichen Stellungnahme ist zu entnehmen, dass der Überstellung nach POLEN keine schwere psychische Krankheit entgegenstehen würde, die bei einer Überstellung eine unzumutbare Verschlechterung des Gesundheitszustandes bewirken würde. Aus der Anamnese bzw. der Exploration zeige sich derzeit kein Hinweis auf eine krankheitswertige psychische Störung oder behandlungsbedürftige Traumatisierung.
9. Am 23.06.2008 wurde der Beschwerdeführer im Zuge des Parteiengehörs neuerlich vom Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle Ost, im Beisein eines Rechtsberaters niederschriftlich einvernommen. Dabei sagte er aus, dass er wegen der Behandlung seiner Schulter nach Österreich gekommen sei. Er wolle nicht nach Polen. Im Übrigen verweise er auf seine bisherigen Aussagen.
10. Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 01.07.2008, Zahl: 08 02.681 - EAST Ost, wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und festgestellt, dass für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz gemäß Art. 14 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18.02.2003 POLEN zuständig sei. Gleichzeitig wurde der nunmehrige Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach POLEN ausgewiesen und festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung und Abschiebung nach POLEN gemäß § 10 Abs. 4 AsylG 2005 zulässig sei. Das Bundesasylamt traf umfangreiche länderkundliche Feststellungen zu POLEN, insbesondere zum polnischen Asylwesen sowie zur medizinischen Versorgung. Beweiswürdigend hielt die Erstbehörde im Wesentlichen fest, dass der Beschwerdeführer keine stichhaltigen Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht habe, dass er konkret Gefahr liefe, in POLEN Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden oder dass ihm durch die Überstellung eine Verletzung der durch Art. 3 EMRK oder Art. 8 EMRK gewährleisteten Rechte drohen könnte. Der Bescheid wurde am 08.07.2008 vom Beschwerdeführer nachweislich übernommen.
11. Gegen den genannten Bescheid richtet sich die fristgerecht auf dem Faxewege am 21.07.2008 eingebrachte Beschwerde, in welcher im Wesentlichen die Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behauptet wurde. Als Beschwerdegründe wurden im Wesentlichen die Unsicherheit POLENS für Tschetschenen, humanitäre Gründe und ein Verstoß gegen Art 8 EMRK geltend gemacht.
12. Am 01.08.2008 langte die Übersetzung einer in russischer Sprache gehaltenen Bestätigung des ? Gesundheitsministerium der Tschetschenischen Republik, beim Asylgerichtshof ein. Diesem Schreiben ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer am 18.01.2008 wegen einer Durchschussverletzung am Schultergelenk, eines offenen Splitterbruchs des Schulterblattes und eines Traumaschocks in das Krankenhaus eingeliefert worden war. Der Beschwerdeführer sei in der Folge stationär und ambulant behandelt worden.
13. Mit Beschluss des Asylgerichtshofes vom 04.08.2008, Zahl: S9 400.716-1/2008/5Z, wurde der Beschwerde gemäß § 37 Abs. 1 AsylG 2005 die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
Das Verfahren wird gemeinsam mit jenen seiner Ehefrau und seiner Kinder als Familienverfahren gemäß § 34 AsylG 2005 geführt.
14. Der Beschwerde der Ehegattin des Beschwerdeführers, Z. H., wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom heutigen Tag,
GZ: S9 400.719-1/2008/8E, gemäß § 41 Abs. 3 AsylG stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
1.1. Gemäß § 73 Abs. 1 AsylG 2005 ist das AsylG 2005 mit 1. Jänner 2006 in Kraft getreten und gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005 auf alle Verfahren anzuwenden, die am 31.12.2005 noch nicht anhängig waren. Das vorliegende Verfahren ist daher nach dem AsylG 2005 zu führen.
1.2. Gemäß § 34 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 gilt der Antrag auf internationalen Schutz eines Familienangehörigen (§ 2 Z 22) eines Asylwerbers als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.
Gemäß § 34 Abs. 4 AsylG 2005 hat die Behörde Asylanträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen und es erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid.
Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung unverheiratetes minderjähriges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Familieneigenschaft bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.
1.3. Der Beschwerdeführer ist der Ehegatte der Z. H. und daher Familienangehörige im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005. Der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers gilt daher gemäß § 34 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes wie jener seiner Ehegattin.
Der Beschwerde der Ehegattin des Beschwerdeführers, Z. H., wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom heutigen Tag, GZ: S9 400.719-1/2008/8E, gemäß § 41 Abs. 3 AsylG 2005 stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Vorgängerbestimmung des § 34 Abs. 4 AsylG 2005 (§ 10 Abs. 5 AsylG 1997 idF. BGBl. I Nr. 101/2003) bedeutet dies, dass in dem Fall, wenn der Bescheid auch nur eines Familienangehörigen behoben und die Angelegenheit zur Durchführung des materiellen Verfahrens an das Bundesasylamt zurückverwiesen wurde, dies auch für die Verfahren aller anderen Familienangehörigen gilt (vgl. VwGH vom 18.10.2005, Zl. 2005/01/0402).
2. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3. Von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 41 Abs. 4 AsylG 2005 abgesehen werden.