TE AsylGH Beschluss 2008/08/25 B6 401064-1/2008

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Veröffentlicht am 25.08.2008
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Spruch

B6 401.064-0/2008/2E

 

BESCHLUSS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Gregor MORAWETZ als Vorsitzender und den Richter Dr. Elmar SAMSINGER als Beisitzer über die Beschwerde von S. I., geb. am 00.00.2002, StA. Kosovo, vom 07.08.2008 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 21.07.2008, FZ. 02 25.521-BAT, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. des bekämpften Bescheids gemäß § 69 Abs. 2 AVG 1991 BGBl. I Nr. 51 i.d.g.F. als unbegründet abgewiesen.

 

II. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt II. des bekämpften Bescheids gemäß § 68 Abs. 7 AVG 1991 BGBl. I Nr. 51 i.d.g.F. als unzulässig zurückgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

 

1. Die unmündige minderjährige beschwerdeführende Partei führt laut Geburtsurkunde den im Spruch genannten Namen und wurde am 00.00.2002 im Bundesgebiet geboren (vgl. As 7). Am 11.09.2002 stellte sie in gesetzlicher Vertretung durch ihre Mutter gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 1997 i.d.F. BGBl. I Nr. 126/2002 einen Antrag auf Erstreckung aufgrund eines Asylantrages der Mutter. Dieser Erstreckungsantrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 22.05.2003, FZ. 02 25.521-BAT, abgewiesen. Der Bescheid wurde am 27.05.2003 persönlich von der gesetzlichen Vertreterin der beschwerdeführenden Partei übernommen und mit 11.06.2003 rechtskräftig.

 

2. Am 05.06.2003 stellte die beschwerdeführende Partei durch ihre Mutter neuerlich einen Asylerstreckungsantrag, welcher mit Bescheid des Bundesasylamts vom 16.10.2003, FZ. 03 16.656-BAT gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde. Der Bescheid wurde gleichfalls rechtskräftig.

 

3. Mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenats vom 27.03.2008, GZ. 214.371/0/10E-II/04/99, wurde der Berufung der Mutter der beschwerdeführenden Partei gegen den sie betreffenden abweisenden Bescheid des Bundesasylamts vom 25.11.1999, FZ. 99 10.981-BAT, stattgegeben, der bekämpfte Bescheid gemäß § 66 Abs. 2 AVG behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

 

4. Am 30.5.2008 stellte die Mutter der beschwerdeführenden Partei für diese bei einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion Traiskirchen einen Antrag auf internationalen Schutz. In der niederschriftlichen Einvernahme beim Bundesasylamt am 15.07.2008 wurde seitens des nunmehr bevollmächtigten Vertreters der beschwerdeführenden Partei vorgebracht, dass die Mutter und gesetzliche Vertreterin der beschwerdeführenden Partei am 30.05.2008 im Zuge der Asylantragstellung bei der Polizeiinspektion falsch belehrt worden sei und es sich bei dem damaligen Antrag der beschwerdeführenden Partei um einen Antrag auf Wiederaufnahme für das Verfahren zur FZ. 02 25.521-BAT handle. Trotz Belehrung seitens des Bundesasylamts, dass im konkreten Fall nach Ablauf von drei Jahren gemäß § 69 Abs. 2 AVG die Voraussetzungen für einen Wiederaufnahmeantrag nicht mehr beständen, wurde der Antrag auf Wiederaufnahme vom bevollmächtigten Vertreter aufrecht erhalten und gleichzeitig ein Antrag gemäß § 68 Abs. 4 Z 3 und Z 4 gestellt, damit "das Verfahren zu Zahl 02 25.521-BAT wieder aufgenommen wird".

 

5. Der Antrag auf Wiederaufnahme wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesasylamtes im Wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, dass dieser gemäß § 69 Abs. 2 AVG verspätet sei (Spruchpunkt I.). Der Antrag auf Nichtigerklärung des Bescheides vom 22.05.2003, FZ. 02 25.521-BAT wurde gemäß § 68 Abs. 4 AVG als unzulässig zurückgewiesen (Spruchpunkt II.).

 

6. Dagegen wurde innerhalb offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde (bis 30.06.2008 Berufung) erhoben. Weiters wurde der Antrag gestellt, "festzustellen, dass das Asylerstreckungsverfahren gem. §§ 10 und 11 AsylG 1997 durch die Behebung des Bescheides im Asylverfahren der Mutter durch den UBAS wieder offen ist". In Eventu wurde weiter angeregt, dass der Bescheid vom 22.05.2003, FZ. 02 25.521-BAT, von Amts wegen behoben werde, bzw. der Bescheid des Bundesasylamts vom 16.10.2003, FZ. 03 16.656-BAT als von einer unzuständigen Behörde erlassen aufgehoben werde bzw. bezüglich letzteren in Eventu die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt werde.

 

6. Der festgestellte entscheidungswesentliche Sachverhalt ergibt sich aus den Verwaltungsakten sowie dem Antrag auf Wiederaufnahme der antragsstellenden Partei, die Aufnahme weiterer Beweise war wegen Entscheidungsreife der Sache nicht erforderlich.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Mit 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (AsylG 2005, BGBL. I Nr. 100 i.d.g.F. BGBl. I Nr. 4/2008) in Kraft getreten und ist auf alle ab diesem Zeitpunkt gestellten Asylanträge anzuwenden.

 

Gemäß § 61 Abs. 1 AsylG entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter (1.) über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und (2.) Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.

 

Soweit sich aus dem B-VG, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, sind gemäß § 22 Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

2. Zu Spruchpunkt I.:

 

Gem. § 69 Abs. 2 3. Satz AVG kann ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides nicht mehr gestellt werden. Das dem gegenständlichen Wiederaufnahmeantrag zugrundeliegende Verfahren wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 22.05.2003, FZ. 02 25.521-BAT, rechtskräftig beendet, wobei der Bescheid der beschwerdeführenden Partei am 27.05.2003 zugestellt wurde. Somit mangelte es an der Rechtzeitigkeit des Antrages, weshalb vom Bundesasylamt zu Recht die Zurückweisung des Antrages auf Wiederaufnahme ausgesprochen wurde.

 

Hinzu kommt, dass vom bevollmächtigten Vertreter nicht einmal ein konkreter Wiederaufnahmegrund angeführt wurde und ein solcher auch nicht erkennbar ist. Weder die Behebung des abweisenden Bescheides der Mutter der beschwerdeführenden Partei durch den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenats vom 27.03.2008 und die Zurückverweisung der Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt gemäß § 66 Abs. 2 AVG, noch der Umstand, dass über den Erstreckungsantrag vor rechtskräftiger Erledigung des Hauptantrages abgesprochen wurde, stellt einen Wiederaufnahmetatbestand im Sinne des § 69 AVG dar (vgl. VwGH vom 20.04.1995, 92/13/0076; VwGH vom 29.09.1993, 93/02/0173).

 

3. Zu Spruchpunkt II.:

 

Bescheide "können" gemäß § 68 Abs. 4 AVG nur "von Amts wegen" in Ausübung des Aufsichtsrechts von der "sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde" für nichtig erklärt werden. § 68 Abs. 7 AVG sieht ausdrücklich vor, dass niemandem ein Anspruch auf die Ausübung des der Behörde gemäß den Abs. 2 bis 4 zustehenden Änderungs- und Behebungsrecht zusteht. Somit fehlt der Partei aber diesbezüglich auch eine Beschwerdelegitimation. Beschwerden gegen die Ablehnung einer aufsichtsbehördlichen Verfügung gemäß § 68 Abs. 7 AVG sind ohne Rücksicht auf die Form der Erledigung zurückzuweisen (VfSlg 9555/1982).

 

4. Es kann im gegenständlichen Fall auch kein Grund erkannt werden, wie in der Berufungsschrift "angeregt", selbst vom Behebungsrecht i. S.d. § 68 Abs. 4 Z. 3 und Z. 4 AVG Gebrauch zu machen. Ob eine Behörde von den Abänderungs- und Behebungsrecht nach § 68 Abs. 2 bis 4 AVG Gebrauch machen will, ist in ihr freies Ermessen erstellt. Wie sich aus § 68 Abs. 7 AVG ergibt, besteht kein Anspruch auf die Ausübung des Behebungsrechts nach § 68 Abs. 1 bis 4 leg. cit., somit war über die Nichtausübung auch nicht abzusprechen.

 

Zur ebenfalls in der Beschwerdeschrift ausgeführten Anregung, den die beschwerdeführende Partei betreffenden Bescheid des Bundesasylamts vom 16.10.2003, FZ. 03 16.656-BAT, "als von einer unzuständigen Behörde erlassen aufzuheben", gilt das bereits oben Ausgeführte. Die in der Beschwerdeschrift von der beschwerdeführenden Partei aufgestellte Behauptung, wonach im ausgefertigten Bescheid zu FZ. 03 16.656-BAT kein in Albanisch abgefasster Spruch enthalten gewesen wäre, ist darüber hinaus aktenwidrig (vgl. As 29 zu 03 16.656-BAT). Der Umstand, dass hingegen der gegenständliche der Beschwerde unterliegende Bescheid des Bundesasylamts vom 21.07.2008 keinen albanischen Spruchteil aufwies, hatte auf die vorliegende Entscheidung keine Auswirkung (vgl. VwGH vom 17.09.2003, 2003/20/0073).

 

5. Den in der Beschwerdeschrift weiters enthaltenen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat in weiterer Folge das Bundesasylamt zu behandeln (§ 71 Abs. 4 AVG). Gleiches gilt für den Feststellungsantrag. Abschließend wird festgehalten, dass die Belehrung der gesetzlichen Vertreterin der beschwerdeführenden Partei bei der Polizeiinspektion Traiskirchen am 30.05.2008 entgegen der Ansicht des bevollmächtigten Vertreters richtig war und die Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz im Namen der beschwerdeführenden Partei die gewünschten Rechtswirkungen vorerst entfaltet hätte. Stattdessen wurde aber durch den bevollmächtigten Vertreter der beschwerdeführenden Partei ein erheblicher Verfahrensaufwand durch die Stellung untauglicher Anträge und Anregungen erzwungen, deren Erfolglosigkeit vorhersehbar war. Das Bundesasylamt hat die beschwerdeführende Partei im Zuge der am 30.05.2008 erteilten rechtlichen Belehrung (vgl As 65) unmissverständlich darauf aufmerksam gemacht, dass eine Wiederaufnahme gemäß § 69 Abs. 3 AVG nicht mehr erfolgversprechend sein wird.

 

6. Eine mündliche Verhandlung kann gemäß § 41 Abs. 7 AsylG 2005 unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 67d AVG. Von der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden.

 

Sohin war spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Abänderung, Wiederaufnahme
Zuletzt aktualisiert am
31.12.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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