TE AsylGH Erkenntnis 2008/08/25 232286-2-V/14/2007

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Veröffentlicht am 25.08.2008
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Spruch

232.286-2-V/14/2007/9E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richterin Mag. LAMMER als Einzelrichter über die Beschwerde des S. A., geb. 00.00.1981, StA. Kosovo, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.09.2007, FZ. 07 07.951-EAST West, zu Recht erkannt:

 

Gemäß § 66 Abs. 2 AVG 1991 BGBl. I Nr. 51 i.d.g.F. wird der Beschwerde von S. A. stattgegeben, der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung eines Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. 1. Der (nunmehrige) Beschwerdeführer, ein ehemaliger Staatsangehöriger Serbiens, Provinz Kosovo, gelangte am 28.06.2002 illegal in das Bundesgebiet und stellte am selben Tag einen Antrag auf Gewährung von Asyl. Er wurde hiezu am 13.10.2002 einvernommen. Das Bundesasylamt wies den Asylantrag mit dem angefochtenen Bescheid vom 13.10.2002 in Spruchteil I. unter Berufung auf § 7 AsylG ab; in Spruchteil II. stellte es fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Serbien und Montenegro - Provinz Kosovo - gemäß § 8 AsylG zulässig sei. Gegen diesen Bescheid erhob der im Betreff Genannte mit einem am 21.10.2002 zur Post gegebenen Schriftsatz fristgerecht Berufung.

 

2. Zur Begründung seines Asylantrages brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, er sei jugoslawischer Staatsangehöriger, gehöre der Ethnie der Albaner an und er sei mit seiner Familie wegen der Religion in Konflikt gekommen, seine Eltern seien streng gläubige Moslems. Er wolle jedoch ein modernes Leben führen. Seine Eltern hätten sicher für ihn eine Frau mit Kopftuch ausgesucht und er sei deshalb des Öfteren aus dem Hause verwiesen worden. Er hätte hier in Österreich eine Freundin namens S. gefunden, die er heiraten wolle.

 

3. Das Bundesasylamt kam nach umfangreicher Feststellung der allgemeinen Situation in der Provinz Kosovo zum Ergebnis, dass dem Antragsteller im Herkunftsstaat keine asylrelevante Verfolgung drohe und auch eine Gefährdung gemäß § 57 FrG nicht vorliege.

 

4. In der daraufhin erhobenen Berufung wurde auf die schwierige wirtschaftliche Situation im Kosovo hingewiesen und geltend gemacht, dass der im Betreff Genannte von seiner eigenen Familie nicht mehr ernährt werden könne und diese auch mit dem religiösen Lebenswandel des Asylwerbers nicht einverstanden wäre. Der Antragsteller hätte keine Existenzgrundlage im Kosovo.

 

5. Der Unabhängige Bundesasylsenat führte am 18.02.2004 eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung mit ergänzender Einvernahme des Berufungswerbers durch und verkündete mündlich die Abweisung der Berufung gemäß § 7 und § 8 AsylG 1997 idF 126/2002.

 

6. Gegen den mündlich verkündeten Bescheid erhob der im Betreff Genannte Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, der die aufschiebende Wirkung antragsgemäß zuerkannte.

 

7. In der Folge zog der Beschwerdeführer zunächst den Asylantrag zurück, in der Folge dann auch die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

 

8. Am 22.04.2004 erfolgte unter der Zl. 232.286/0-IX/25/02 die schriftliche Ausfertigung des am 18.02.2004 mündlich verkündeten und in weiterer Folge in Rechtskraft erwachsenen Bescheides durch das zuständige Mitglied des Unabhängigen Bundesasylsenats.

 

9. Mit Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 06.07.2007, wurde der im Betreff Genannte gemäß §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Abs. 1 und 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten, davon sieben Monate bedingt, rechtskräftig verurteilt.

 

10. In weiterer Folge wurde mit Bescheid der Sicherheitsdirektion Salzburg vom 19.09.2007, ein auf 10 Jahre befristetes Aufenthaltsrespektive Rückkehrverbot verhängt.

 

11. Am 29.08.2007 stellte der Beschwerdeführer aus dem Stande der Schubhaft einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz. Begründet wurde dieser Schritt vom Antragsteller sowohl vor einem Organ des Stadtpolizeikommandos Salzburg im Zuge seiner Einvernahme am 30.08.2007 als auch vor der erstinstanzlichen Behörde am 04.09. und am 11.09.2007 im Wesentlichen damit, dass "ich mir in Österreich meine Zukunft aufgebaut habe" und "zu Hause obdachlos wäre (Seite 11 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes)." Die Fluchtgründe hätten sich seit seiner Erstantragstellung im Jahr 2002 jedoch nicht geändert: "Ich habe dieselben Gründe wie damals, als ich nach Österreich gekommen bin (Seite 99 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes)." Lediglich sein Vater, welcher hauptausschlaggebend für das Verlassen seiner Heimat gewesen sei, wäre zwischenzeitlich verstorben. Der Bruder des Antragstellers habe dessen Haus geerbt, weshalb der im Betreff Genannte nunmehr im Falle seiner Heimkehr in den Kosovo befürchte, in die Obdachlosigkeit zu geraten. "Ich habe auch gehört, dass es im Kosovo keine Arbeit gibt (Seite 99 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes)." Zudem hätten zwei Unbekannte versucht, den Bruder des Asylwerbers zu berauben und wäre dies neben mehreren Zeitungsartikeln aus der Heimat ein Indiz dafür, dass "es im Kosovo keine Sicherheit gibt (Seite 121 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes)."

 

12. Der neuerliche Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.09.2007, Zl. 07 07.951 - EWEST, gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und wurde der Antragsteller gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Serbien, in die Provinz Kosovo, ausgewiesen.

 

13. Gegen diesen Bescheid wurde seitens des Antragstellers mit Schriftsatz seiner rechtsfreundlichen Vertreter vom 01.10.2007 fristgerecht berufen und darin neuerlich auf das bisherige Vorbringen verwiesen. Zudem sei die wirtschaftliche Lage ebenso wie auch die aktuelle Arbeitsmarktsituation im Kosovo schlecht und habe der im Betreff Genannte "geradezu panische Angst vor seiner Rückkehr in den Kosovo (Seite 222 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes)."

Da sich der Asylwerber mittlerweile bereits seit mehr als fünf Jahren in Österreich befinde und in dieser Zeit regelmäßig einer Beschäftigung nachgegangen sei, wäre dieser "sozial bestens integriert (Seite 223 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes)." Zwar habe sich der im Betreff Genannte nach zweijähriger Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin "aufgrund diverser Uneinigkeiten (Seite 223 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes)" scheiden lassen, jedoch hätte sich in der jüngeren Vergangenheit das Verhältnis zwischen dem Antragsteller und seiner ehemaligen Gattin zusehends gebessert, sodass mittlerweile "über eine abermalige Heirat" nachgedacht würde. Daraus resultierend wäre eine Ausweisung des Beschwerdeführers als unrechtmäßiger Eingriff in das Grundrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art. 8 EMRK zu qualifizieren.

 

14. Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 07.12.2007, Zl. 232.286-2/2E-V/14/07, wurde die Berufung gemäß § 68 Abs. 1 AVG und § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG abgewiesen.

 

15. Der gegen diese Entscheidung fristgerecht erhobenen Beschwerde wurde, soweit sie sich gegen Spruchpunkt II. betreffend der Ausweisung gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 richtete, seitens des Verwaltungsgerichtshofes mit Erkenntnis vom 20.06.2008, Zl. 2008/01/0060-7, stattgegeben und der Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 07.12.2007, Zl. 232.286-2/2E-V/14/07, in eben genanntem Umfang wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, wonach zwar die ursprünglich dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 Z 4 NAG, BGBl. I Nr. 100/2005 aufgrund seiner Heirat mit einer österreichischen Staatsbürgerin verliehene Niederlassungsbewilligung durch das von der Sicherheitsdirektion Salzburg mit Bescheid vom 19. September 2007 verhängte Rückkehrverbot entzogen worden sei, jedoch habe der im Betreff Genannte gegen diese Entscheidung eine Verwaltungsgerichtshofbeschwerde erhoben.

 

"Mit hg. Beschluss vom 22. Oktober 2007, Zl. AW 2007/18/0497, wurde dieser Beschwerde gemäß § 30 Abs. 2 VwGG die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Das verwaltungsgerichtliche Verfahren war zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch anhängig, sodass der zitierte hg. Beschluss bewirkte, dass die unter 3.3. dargestellte rechtsgestaltende Wirkung des Rückkehrverbotes vorerst nicht eingetreten ist (vgl. auch die bei Mayer, B-VG4 (2007), 813, wiedergegebene hg. Rechtsprechung und idS den hg. Beschluss vom 1. Oktober 2007, Zl. AW 2007/10/0043, mit weiteren Nachweisen).

 

3.5. Da die belangte Behörde die unter 3.2 bis 3.4. angeführte Rechtslage samt den dazugehörigen Sachverhaltselementen bei der Bestätigung der erstinstanzlichen Ausweisung nicht berücksichtigte, war der angefochtene Bescheid in dem im Spruch angeführten Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltesaufzuheben."

 

Demgegenüber lehnte der Verwaltungsgerichthof mit selbigem Erkenntnis die Behandlung der Beschwerde in Bezug auf Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ab.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Mit 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (AsylG 2005, BGBL. I Nr. 100 i. d. g. F. BGBl. I Nr. 4/2008) in Kraft getreten und ist auf alle ab diesem Zeitpunkt gestellten Asylanträge anzuwenden.

 

Gemäß § 61 Abs. 1 AsylG entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter (1.) über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und (2.) Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.

 

Soweit sich aus dem B-VG, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, sind gemäß § 22 Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

2. Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen. Gemäß Abs. 3 leg. cit. kann die Berufungsbehörde jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.

 

Der Gesetzgeber hat in Asylsachen ein Verfahren vor dem Bundesasylamt mit nachgeordneter Kontrolle durch den Asylgerichtshof eingerichtet. In diesem Verfahren hat bereits das Bundesasylamt den gesamten für die Entscheidung über den Asylantrag relevanten Sachverhalt zu ermitteln, und es ist gemäß § 19 Abs. 2 AsylG grundsätzlich verpflichtet, den Asylwerber dazu persönlich zu vernehmen. Diese Anordnungen würden aber unterlaufen, wenn ein Ermittlungsverfahren vor dem Bundesasylamt unterbliebe und somit nahezu das gesamte Verfahren vor den Asylgerichtshof verlagert würde, sodass die Einrichtung von zwei Entscheidungsinstanzen zur bloßen Formsache würde. Das wäre etwa der Fall, wenn es das Bundesasylamt ablehnte, auf das Vorbringen des Asylwerbers sachgerecht einzugehen und brauchbare Ermittlungsergebnisse in Bezug auf die Verhältnisse im Herkunftsstaat in das Verfahren einzuführen. Es liegt nicht im Sinne des Gesetzes, wenn es das Kontrollorgan ist, das erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und beurteilt, sodass es die umfassende Kontrollbefugnis nicht wahrnehmen kann. Dies spricht auch bei Bedachtnahme auf eine mögliche Verlängerung des Gesamtverfahrens dafür, nach § 66 Abs. 2 AVG vorzugehen. Der Verwaltungsgerichtshof hat zudem in ständiger Rechtsprechung, etwa in den Erkenntnissen vom 21.11.2002, Zahlen 2000/20/0084 und 2002/20/0315 Kriterien für die Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG im Asylberufungsverfahren vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat aufgestellt, wonach die verfassungsrechtliche Funktion des damaligen Unabhängigen Bundesasylsenats als einer obersten Berufungsbehörde ausgehöhlt würde und die Einräumung eines Instanzenzuges zur bloßen Formsache degradiert würde, "wenn sich das Asylverfahren einem erstinstanzlichen Verfahren vor der Berufungsbehörde nähert, weil es das Bundesasylamt ablehnt, auf das Vorbringen sachgerecht einzugehen und brauchbare Ermittlungsergebnisse in Bezug auf das Verfahren einzuführen."

Gleiches muss für den nunmehr als Nachfolgebehörde des Unabhängigen Bundesasylsenates eingerichteten Asylgerichtshof gelten, der über Bescheide der Verwaltungsbehörden in Asylsachen erkennt und somit eine überprüfende Funktion einnimmt.

 

3. Im vorliegenden Fall hat es das Bundesasylamt im Zusammenhang mit seiner unter Spruchpunkt II. ausgesprochenen Ausweisungsentscheidung verabsäumt, sich in ausreichendem Maße über den (rechtskräftigen) höchstgerichtlichen Verfahrensausgang in Bezug auf das im September 2007 von der Sicherheitsdirektion Salzburg bescheidmäßig verhängte Rückkehrverbot zu informieren. Da das Ergebnis der allenfalls noch beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Berufungsbescheidbeschwerde die unabdingbare Basis für eine Ausweisungsentscheidung gemäß § 10 AsylG 2005 darstellt, wird selbiges einer neuerlichen inhaltlichen Auseinandersetzung seitens der erstinstanzlichen Behörde zugrundezulegen sein.

 

4. Im vorliegenden Fall ist somit das erstinstanzliche Verfahren mit erheblichen Rechtswidrigkeiten behaftet. Der Asylgerichtshof macht im gegenständlichen Fall von der ihm in § 66 Abs. 3 AVG eingeräumten Möglichkeit der unmittelbaren Beweisaufnahme nicht Gebrauch, da hierdurch keine Ersparnis an Zeit und Kosten zu erwarten ist. Hierbei wird das Bundesasylamt angewiesen, entsprechende Erhebungen in Bezug auf den Ausgang der höchstgerichtlichen Beschwerde zu pflegen und seiner neuerlichen Ausweisungsentscheidung zugrundezulegen.

 

5. Da auf Grund der unter Punkt II.4. angestellten Erwägungen auch nicht gesagt werden kann, dass die unmittelbare Beweisaufnahme durch den Asylgerichtshof bei einer Gesamtbetrachtung zu einer Ersparnis an Zeit und Kosten führen würde, war spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Ermittlungspflicht, Kassation
Zuletzt aktualisiert am
20.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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