TE AsylGH Erkenntnis 2008/08/26 B6 253599-0/2008

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Veröffentlicht am 26.08.2008
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Spruch

B6 253.599-0/2008/3E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Gregor MORAWETZ als Vorsitzender und den Richter Dr. Elmar SAMSINGER als Beisitzer über die Beschwerde von N.S., geb. am 00.00.1969, StA. Serbien, vom 1. Oktober 2004 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 15. September 2004, FZ. 04 16.533-EAST Ost, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Der angefochtene Bescheid wird gem. § 66 Abs. 2 AVG 1991 BGBl. I Nr. 51 i.d.g.F. behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. 1. Die beschwerdeführende Partei führt nach eigenen Angaben den im Spruch genannten Namen, ist serbische Staatsangehörige, gehört der Volksgruppe der Roma an, ist orthodoxen Bekenntnisses, war im Heimatstaat zuletzt wohnhaft in L., reiste im Dezember 2001 in das Bundesgebiet ein und stellte am 17. August 2004 einen Antrag auf internationalen Schutz. Vom Bundesasylamt, Außenstelle Traiskirchen, im Beisein eines Dolmetschers der serbischen Sprache einvernommen, wurde als Fluchtgrund im Wesentlichen angegeben, dass ihr damaliger Ehemann bis zum Jahre 1999 mit der im Herkunftsland bestehenden Polizei zusammen gearbeitet hätte und sie weiters gegen die Regierung von Slobodan Milosevic Stellung bezogen hätte. Aus diesem Grunde befürchte die beschwerdeführende Partei Racheakte der dortigen Mafia.

 

2. Mit dem nunmehr angefochtenen, oben angeführten Bescheid des Bundesasylamtes wurde der Asylantrag im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass die beschwerdeführende Partei nicht dartun habe können, dass ihr im Herkunftsstaat asylrelevante Verfolgung droht.

 

3. Dagegen wurde innerhalb offener Frist im Wesentlichen mit der Begründung Beschwerde (bis 1.7.2008 Berufung) erhoben, dass das Bundesasylamt bei richtiger Würdigung des Vorbringens zum Ergebnis hätte kommen müssen, dass der beschwerdeführenden Partei die Flüchtlingseigenschaft zukomme, sie ihren Unterhalt in Österreich sehr wohl bestreiten könne und mit einem Österreicher verheiratet sei. Demgemäß sei von einer bestehenden Kernfamilie auszugehen. Aufgrund ihrer Nationalität und ihrer ethnischen Zugehörigkeit sei ein Leben im Herkunftsstaat unmöglich.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Mit 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (AsylG 2005, BGBL. I Nr. 100 i.d.g.F. BGBl. I Nr. 4/2008) in Kraft getreten und ist auf alle ab diesem Zeitpunkt gestellten Asylanträge anzuwenden.

 

Gemäß § 61 Abs. 1 AsylG entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter (1.) über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und (2.) Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.

 

Gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005 sind alle am 31.12.2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt. Die beschwerdeführende Partei hat ihren Asylantrag nach dem 30.04.2004 gestellt; das Verfahren war am 31.12.2005 anhängig; das Berufungsverfahren ist daher nach dem AsylG i. d.F. der AsylGNov. 2003 - zu führen. Gemäß § 23 Abs. 1 AsylG 1997 i. d.F. BGBl. I Nr. 101/2003 findet auf Verfahren nach diesem Bundesgesetz, soweit nichts anderes bestimmt wird, das AVG Anwendung.

 

Soweit sich aus dem B-VG, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, sind gemäß § 22 Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

2. Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen. Gemäß Abs. 3 leg. cit. kann die Berufungsbehörde jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.

 

Der Gesetzgeber hat in Asylsachen ein Verfahren vor dem Bundesasylamt mit nachgeordneter Kontrolle durch den Asylgerichtshof eingerichtet. In diesem Verfahren hat bereits das Bundesasylamt den gesamten für die Entscheidung über den Asylantrag relevanten Sachverhalt zu ermitteln, und es ist gemäß § 19 Abs. 2 AsylG grundsätzlich verpflichtet, den Asylwerber dazu persönlich zu vernehmen. Diese Anordnungen würden aber unterlaufen, wenn ein Ermittlungsverfahren vor dem Bundesasylamt unterbliebe und somit nahezu das gesamte Verfahren vor den Asylgerichtshof verlagert würde, sodass die Einrichtung von zwei Entscheidungsinstanzen zur bloßen Formsache würde. Das wäre etwa der Fall, wenn es das Bundesasylamt ablehnte, auf das Vorbringen des Asylwerbers sachgerecht einzugehen und brauchbare Ermittlungsergebnisse in Bezug auf die Verhältnisse im Herkunftsstaat in das Verfahren einzuführen. Es liegt nicht im Sinne des Gesetzes, wenn es das Kontrollorgan ist, das erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und beurteilt, sodass es die umfassende Kontrollbefugnis nicht wahrnehmen kann. Dies spricht auch bei Bedachtnahme auf eine mögliche Verlängerung des Gesamtverfahrens dafür, nach § 66 Abs. 2 AVG vorzugehen. Der Verwaltungsgerichtshof hat zudem in ständiger Rechtsprechung, etwa in den Erkenntnissen vom 21.11.2002, Zahlen 2000/20/0084 und 2002/20/0315 Kriterien für die Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG im Asylberufungsverfahren vor dem unabhängigen Bundesasylsenat (UBAS) aufgestellt, wonach die verfassungsrechtliche Funktion des damaligen unabhängigen Bundesasylsenats als einer obersten Berufungsbehörde ausgehöhlt würde und die Einräumung eines Instanzenzuges zur bloßen Formsache degradiert würde, "wenn sich das Asylverfahren einem erstinstanzlichen Verfahren vor der Berufungsbehörde nähert, weil es das Bundesasylamt ablehnt, auf das Vorbringen sachgerecht einzugehen und brauchbare Ermittlungsergebnisse in Bezug auf das Verfahren einzuführen."

Gleiches muss für den nunmehr als Nachfolgebehörde des UBAS eingerichteten Asylgerichtshof gelten, der über Bescheide der Verwaltungsbehörden in Asylsachen erkennt und somit eine überprüfende Funktion einnimmt.

 

3. Im vorliegenden Fall umfasst der festgestellte Sachverhalt (Bescheid Seite 7) nicht sämtliche asylrelevante und notwendige Elemente. Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat fehlen gänzlich.

 

Weiters lässt sich der erstbehördlichen Beweiswürdigung (ebenso Bescheid Seite 7) keine, bzw. keine ausreichend konkretisierte Begründung hinsichtlich der Glaubwürdigkeit der Angaben der beschwerdeführenden Partei entnehmen. Die beschwerdeführende Partei hat in ihrer Zweiteinvernahme vor dem Bundesasylamt am 30.8.2004 (AS 61) angegeben: "Ich habe Angst in mein Land zurückzukehren. Weil meine Familie gegen die Partei von Milosevic ist."

 

Wenn die Erstbehörde daher auf Bescheid Seite 7 (AS 77) vermeint, auf die Glaubwürdigkeit der Angaben der beschwerdeführenden Partei mangels Asylrelevanz nicht eingehen zu müssen, wird die Fehlbeurteilung bezüglich der Asylrelevanz der Angaben der beschwerdeführenden Partei offensichtlich. Hinsichtlich dieses Vorbringens wurde seitens der Erstbehörde jedoch kein Ermittlungsverfahren angestrengt und ist der angefochtene Bescheid des Bundesasylamtes daher in diesem Punkt mangelhaft. Eine eingehende Prüfung durch den Asylgerichtshof konnte daher nicht erfolgen.

 

Letztlich muss dazu aber noch angemerkt werden, dass das Bundesasylamt es auch verabsäumt hat, die beschwerdeführende Partei hinreichend detailliert zu befragen. So wäre gerade im Hinblick auf die Prüfung der Glaubwürdigkeit des Vorbringens der beschwerdeführenden Partei, eine eingehende Befragung hinsichtlich der Fluchtgründe und der näheren Umstände durchzuführen und sie mit der herrschenden Sicherheitslage im Herkunftsland zu konfrontieren gewesen.

 

4. Im vorliegenden Fall ist das erstinstanzliche Verfahren somit mit erheblichen Verfahrensmängeln behaftet. Wenn die beschwerdeführende Partei erneut nach Österreich einreisen und rechtzeitig eine Fortsetzung des Verfahrens beantragen sollte, so wird die Erstbehörde nicht umhin kommen, eine neuerlichen mündliche Verhandlung anzuberaumen. Der Asylgerichtshof macht im gegenständlichen Fall von der ihm in § 66 Abs. 3 AVG eingeräumten Möglichkeit der unmittelbaren Beweisaufnahme nicht Gebrauch, da hierdurch keine Ersparnis an Zeit und Kosten zu erwarten ist. Hierbei wird das Bundesasylamt angewiesen, entsprechende Erhebungen, wie oben angeführt, durchzuführen und in der Folge eine Entscheidung zu treffen.

 

5. Da auf Grund der unter Punkt II.4. angestellten Erwägungen auch nicht gesagt werden kann, dass die unmittelbare Beweisaufnahme durch den Asylgerichtshof bei einer Gesamtbetrachtung zu einer Ersparnis an Zeit und Kosten führen würde, war spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung, Sicherheitslage
Zuletzt aktualisiert am
20.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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