TE AsylGH Erkenntnis 2008/08/26 D7 237721-0/2008

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Veröffentlicht am 26.08.2008
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Spruch

D7 237721-0/2008/13E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Mag. Loitsch als Einzelrichterin über die Beschwerde der C.M., geb. 00.00.1967, Staatsangehörigkeit Armenien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 15.05.2003, Zahl 02 28.174-BAE, nach Durchführung mündlicher Verhandlungen am 23.06.2006, 28.06.2007 und 08.04.2008 zu Recht erkannt:

 

Der Beschwerde wird stattgegeben und C.M. gemäß

 

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991 (AVG), in Verbindung mit § 7 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 (AsylG 1997), Asyl gewährt. Gemäß § 12 AsylG 1997 wird festgestellt, dass C.M. damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

 

I.1. Die (nunmehrige) Beschwerdeführerin reiste zusammen mit ihrer Mutter und ihrem Bruder unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet und brachte am 26.09.2002 beim Bundesasylamt einen Asylantrag ein (erstinstanzlicher Verwaltungsakt, Seiten 5 bis 17).

 

Die Asylwerberin wurde am 03.12.2002 beim Bundesasylamt niederschriftlich zu ihrer Person, ihrem Reiseweg und ihren Asylgründen befragt (erstinstanzlicher Verwaltungsakt, Seiten 23 bis 49).

 

Der zuständige Referent des Bundesasylamtes stellte mit Schreiben vom 06.12.2002 eine Anfrage bei der österreichischen Botschaft in Erewan (erstinstanzlicher Verwaltungsakt Seiten 59 bis 63).

 

Am 17.12.2002 langte ein Schreiben der Österreichischen Botschaft in Moskau beim Bundesasylamt ein (erstinstanzlicher Verwaltungsakt, Seite 65).

 

Mit Schreiben vom 24.01.2003 langte ein Schreiben der Österreichischen Botschaft für Armenien beim Bundesasylamt ein (erstinstanzlicher Verwaltungsakt, Seite 69).

 

Mit Schreiben vom 29.01.2003 übermittelte das Bundesasylamt eine Übersetzung der Anfrage vom 06.12.2002 an die Österreichische Botschaft in Erewan (erstinstanzlicher Verwaltungsakt, Seiten 71 bis 77).

 

Am 19.02.2003 langte ein Antwortschreiben der Österreichischen Botschaft für Armenien beim Bundesasylamt ein (erstinstanzlicher Verwaltungsakt, Seiten 79 bis 93).

 

Am 28.04.2003 langte eine Bestätigung einer Klinischen- und Gesundheitspsychologin vom 25.04.2003 beim Bundesasylamt ein, wonach sich die Asylwerberin in psychotherapeutischer Behandlung befinde. Der Grund der Psychotherapie seien starke Depressionen. Die Asylwerberin leide seit September 2002 unter "Antriebslosigkeit, Schlaflosigkeit und Angstzustände". Die Asylwerberin sei massiv traumatisiert, traurig und habe ständig Angst und leide unter Verfolgungsideen (erstinstanzlicher Verwaltungsakt, Seite 99).

 

Am 28.04.2003 wurde die Beschwerdeführerin beim Bundesasylamt in Anwesenheit eines Dolmetschers der Sprache Armenisch ein weiteres Mal zu ihren Ausreisegründen befragt (erstinstanzlicher Verwaltungsakt, Seiten 101 bis 107).

 

Der Asylantrag der Beschwerdeführerin wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 15.05.2003, Zahl 02 28.174-BAE, in Spruchpunkt I. gemäß § 7 AsylG 1997, BGBl I Nr. 76/1997 idgF abgewiesen. In Spruchpunkt II. des Bescheides wurde ausgesprochen, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Asylwerberin gemäß § 8 leg. cit. zulässig ist (erstinstanzlicher Verwaltungsakt, Seiten 109 bis 153).

 

I.2. Gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 15.05.2003, Zahl 02 28.174-BAE, zugestellt am 16.05.2003, richtet sich gegenständliche fristgerecht am 26.05.2003 eingebrachte Berufung (nunmehr Beschwerde, erstinstanzlicher Verwaltungsakt, Seiten 159 bis 171).

 

Am 15.03.2006 langte ein Schreiben der Vertreterin der Beschwerdeführerin beim Unabhängigen Bundesasylsenat ein, mit dem eine Zuweisung der Beschwerdeführerin an das psychosoziale Zentrum ESRA vom 00.00.2003, eine psychotherapeutische Stellungnahme vom 00.00.2006, ein Befund vom 00.00.2005, ein Arztbrief vom 00.00.2005, ein Röntgenbefund vom 00.00.2004 sowie ein Densitometrie Befund vom 00.00.2003 in Vorlage gebracht wurden.

 

Für den 23.06.2006 wurde zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes vom damals zur Entscheidung berufenen Mitglied des Unabhängigen Bundesasylsenates eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat anberaumt, an welcher die Beschwerdeführerin, ihre Mutter, ihr Bruder und eine Vertreterin teilnahmen. Das Bundesasylamt wurde ordnungsgemäß geladen, teilte jedoch mit Schreiben vom 22.03.2006 mit, dass die Teilnahme eines Vertreters aus dienstlichen und personellen Gründen nicht möglich sei und beantragte zugleich gegenständliche Beschwerden abzuweisen. Die Verhandlung wurde auf Grund der fortgeschrittenen Zeit auf unbestimmte Zeit vertagt.

 

Die Verhandlungsschrift vom 23.06.2006 wurde dem Bundesasylamt am 23.06.2006 per Telefax übermittelt.

 

Mit Schreiben vom 25.09.2006 wurden eine Vollmachtsanzeige und ein Antrag auf Akteneinsicht übermittelt.

 

Mit Email vom 12.10.2006 übermittelte ein Länderreferent des Unabhängigen Bundesasylsenates eine Anfrage an die Österreichische Botschaft für Armenien.

 

Mit Email des Länderreferenten des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 12.01.2007 wurde bezüglich des Emails vom 12.10.2006 bei der Österreichischen Botschaft für Armenien urgiert.

 

Die Emails des Länderreferenten wurden mit Email der Österreichischen Botschaft für Armenien vom 22.01.2007 beantwortet.

 

Die am 23.06.2006 vertagte Berufungsverhandlung wurde am 28.06.2007 fortgesetzt. Das Bundesasylamt wurde ordnungsgemäß geladen, teilte jedoch mit Schreiben vom 05.03.2007 mit, dass die Teilnahme eines Vertreters aus dienstlichen und personellen Gründen nicht möglich sei und beantragte zugleich gegenständliche Beschwerden abzuweisen. 25 Stunden vor der Verhandlung langte ein Telefax des Vertreters der Beschwerdeführerin beim Unabhängigen Bundesasylsenat ein, in dem dieser die Einvernahme eines Zeugen beantragte. Das Telefax wurde zwar noch am 27.06.2007 in der Kanzlei registriert, an das zur Entscheidung berufene Mitglied des Unabhängigen Bundesasylsenates jedoch erst am Tag der Verhandlung weitergeleitet. In der Verhandlung wurde vom Vertreter die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens beantragt. Die Verhandlungsleiterin erklärte, dass die Verhandlung zwecks der erst am Vortag beantragten Zeugenladung und Einholung eines Gutachtens auf unbestimmte Zeit vertagt werden müsse.

 

Die Verhandlungsschrift vom 28.06.2007 wurde dem Bundesasylamt am selben Tag per Telefax übermittelt.

 

Schließlich wurde für den 08.04.2008 die Fortsetzung der am 28.06.2007 vertagten Verhandlung anberaumt. Das Bundesasylamt wurde wieder ordnungsgemäß geladen, teilte jedoch mit Schreiben vom 22.11.2007 mit, dass die Teilnahme eines Vertreters aus dienstlichen und personellen Gründen nicht möglich sei und beantragte zugleich gegenständliche Beschwerden abzuweisen. In der Verhandlung wurden nach Befragung des Zeugen und ausführlicher Erörterung des Vorbringens der Beschwerdeführerin die im Verfahren herangezogenen Erkenntnisquellen zur Kenntnis gebracht und nach Gewährung des Parteiengehörs die Beweisaufnahme geschlossen. Danach wurde die Verhandlung geschlossen. Die Verkündung des Bescheides entfiel und es wurde angekündigt, dass den Parteien eine schriftliche Ausfertigung des Bescheides zugestellt werden würde.

 

Am 25.04.2008 langte eine Äußerung des Vertreters der Beschwerdeführerin beim Unabhängigen Bundesasylsenat ein.

 

I.3. Mit 01.07.2008 wurde die ursprünglich zuständige Berufungsbehörde, der Unabhängige Bundesasylsenat, aufgelöst und an seine Stelle trat der neu eingerichtete Asylgerichtshof. Nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes wurde gegenständlicher Verwaltungsakt der nunmehr zuständigen Richterin zur Weiterzuführung des Beschwerdeverfahrens zugewiesen.

 

II. Der Asylgerichtshof hat über die zulässige Beschwerde erwogen:

 

II.1. Gemäß § 28 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG), Art. 1 Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz, BGBl. I Nr. 4/2008, tritt dieses Bundesgesetz mit 1. Juli 2008 in Kraft. Gleichzeitig tritt das Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat - UBASG, BGBl. I Nr. 77/1997, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 100/2005, außer Kraft.

 

Gemäß § 22 Abs. 1 Asylgesetz 2005, Art. 2 Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG 2005), in der Fassung BGBl. I Nr. 4/2008, ergehen Entscheidungen des Asylgerichtshofes in der Sache selbst in Form eines Erkenntnisses, alle anderen in Form eines Beschlusses. Die Entscheidungen des Bundesasylamtes und des Asylgerichtshofes haben den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung auch in einer dem Asylwerber verständlichen Sprache zu enthalten.

 

Gemäß § 75 Abs. 7 AsylG 2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 4/2008, sind am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen weiterzuführen:

 

Mitglieder des unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängige Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, sind von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat weiterzuführen.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, die von nicht zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannten Mitgliedern des unabhängigen Bundesasylsenates geführt wurden, sind nach Maßgabe der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes vom zuständigen Senat weiterzuführen.

 

Gegenständliches Verfahren war am 30.06.2008 bzw. 01.07.2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängig und ist daher vom Asylgerichtshof weiterzuführen. Es handelt sich um ein Beschwerdeverfahren gegen einen abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes, in dem drei mündliche Verhandlungen vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat stattgefunden haben. Das ursprünglich zur Entscheidung berufene Mitglied des Unabhängigen Bundesasylsenates wurde zur Richterin des Asylgerichtshofes ernannt, ihr wurde nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes das Beschwerdeverfahren zugeteilt und sie hat daher dieses Verfahren gemäß § 75 Abs. 7 Z 1 AsylG 2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 4/2008, als Einzelrichter weiterzuführen.

 

II.2. Gemäß § 23 AsylGHG sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 73 Abs. 1 AsylG 2005 tritt dieses Bundesgesetz mit 1. Jänner 2006 in Kraft.

 

Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 1997 - AsylG), BGBl. I. Nr. 76/1997 tritt mit Ausnahme des § 42 Abs. 1 mit Ablauf des 31. Dezember 2005 außer Kraft

 

(§ 73 Abs. 2 AsylG 2005).

 

Gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 4/2008, sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt. Die §§ 24, 26, 54 bis 57 und 60 dieses Bundesgesetzes sind auf diese Verfahren anzuwenden. § 27 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Bundesasylamt oder der Asylgerichtshof zur Erlassung einer Ausweisung zuständig ist und der Sachverhalt, der zur Einleitung des Ausweisungsverfahrens führen würde, nach dem 31. Dezember 2005 verwirklicht wurde. § 57 Abs. 5 und 6 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass nur Sachverhalte, die nach dem 31. Dezember 2005 verwirklicht wurden, zur Anwendung dieser Bestimmungen führen.

 

Gemäß § 44 Abs. 1 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76/1997, in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003, werden Verfahren zur Entscheidung über Asylanträge und Asylerstreckungsanträge, die bis zum 30. April 2004 gestellt wurden, nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 126/2002 geführt.

 

Gemäß § 44 Abs. 2 AsylG 1997, in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003, werden Asylanträge, die ab dem 1. Mai 2004 gestellt werden, nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 in der jeweils geltenden Fassung geführt.

 

Gegenständlicher Asylantrag wurde am 26.09.2002 gestellt, weshalb dieses Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 (AsylG 1997), in der Fassung BGBl. I Nr. 126/2002, zu führen ist.

 

II.3.1. Es wird festgestellt, dass die Beschwerdeführerin Staatsangehörige von Armenien ist. Die Identität der Beschwerdeführerin konnte nicht festgestellt werden. Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin der Volksgruppe der Kurden angehört.

 

II.3.2. Es wird festgestellt, dass es in den Jahren 1999 und 2001 in G. zwischen Georgien und Armenien einen Grenzübergang gab. Der Vater der Beschwerdeführerin arbeitete an diesem Grenzübergang als Bewacher und ließ auf Grund eines Befehls Autos, mit denen angeblich Waffen transportiert wurden, ohne Kontrolle den Grenzübergang passieren, wurde deswegen jedoch am 00.00.2001 verhaftet und 2002 von Mitarbeitern des Geheimdienstes ermordet. Die Beschwerdeführerin wurde wegen des Versuchs, die Umstände des Todes ihres Vaters aufzuklären, von mehreren Geheimdienstmitarbeitern vergewaltigt. Der Bruder der Beschwerdeführerin wurde einige Tage nach der Vergewaltigung der Beschwerdeführerin von uniformierten Polizisten zusammengeschlagen. Die Mutter der Beschwerdeführerin wurde mehrfach von Mitarbeiten des Geheimdienstes bedroht und fürchtet, ebenso wie der Vater der Beschwerdeführerin in Armenien ermordet zu werden. Deshalb verließ die Beschwerdeführerin Jerewan und ging nach M., im September 2002 verließ sie Armenien.

 

Beim Bruder der Beschwerdeführerin finden sich vereinzelt Symptome, die auch einer posttraumatischen Belastungsstörung (ICD-10: F43.1) zuzuschreiben wären. Es werden Albträume und ein sehr bedrohliches Ereignis angeführt. Nachdem bereits eine länger dauernde Psychotherapie besteht, kann dies als eine eventuell abgelaufene posttraumatische Belastungsstörung gesehen werden, wobei die Therapie eine gewisse Besserung gebracht hat.

 

II.3.3. Zur aktuellen Lage in Armenien wird festgestellt:

 

Der zukünftige armenische Präsident Sergej (Serzh) Sarkisian (53) stammt wie sein gleichaltriger Vorgänger Robert Kotscharian aus der Region Berg-Karabach. Beide Politiker verdanken ihren Aufstieg dem Karabach-Krieg gegen den Nachbarn Aserbaidschan während des Zerfalls der Sowjetunion vor zwanzig Jahren. Sarkisian gilt als prorussisch. Er hat sich als Regierungschef aber auch für eine Annäherung an die Europäische Union eingesetzt.

 

Das Führungsduo Kotscharian - Sarkisian hat in den vergangenen Jahren einen bescheidenen Aufschwung in der kleinen Kaukasusrepublik bewerkstelligt. Regierungskritiker werfen Sarkisian und Kotscharian aber auch vor, sich an großen Investitionsvorhaben bereichert zu haben. Die Politiker bestreiten dies. Der zukünftige Präsident will Medienberichten zufolge nach russischem Vorbild Kotscharian als untergeordneten Regierungschef weiter mitregieren lassen.

 

Der studierte Philologe Sarkisian ist Vater zweier Töchter. Seit 1993 arbeitete er abwechselnd als Innen- und Verteidigungsminister, vor einem Jahr übernahm er den Posten des Regierungschefs. Dabei profilierte er sich als Hardliner im Dauerkonflikt mit Aserbaidschan um die noch immer ungelöste Karabach-Frage. Mit russischer Unterstützung kann sich Armenien in der Exklave behaupten, die völkerrechtlich zu Aserbaidschan gehört (APA 0607 5 AA 0191 vom 20.02.2008).

 

Bei der Präsidentenwahl in Armenien hat sich der Favorit und derzeitige Regierungschef Serzh (Sergej) Sarkisian (53) schon in der ersten Runde durchgesetzt. Nach der Auszählung von 85 Prozent der Stimmen komme Sarkisian auf 56 Prozent, sagte eine Sprecherin der Wahlkommission am Mittwoch. Auf seinen schärfsten Rivalen, den früheren Präsidenten Levon Ter-Petrossian (63), entfielen 22 Prozent. Sollte sich das bestätigen, wäre keine Stichwahl der beiden führenden Bewerber nötig.

 

Sarkisian gilt als Wunschnachfolger des scheidenden Präsidenten Robert Kotscharian und dürfte dessen Politik ohne große Änderungen fortsetzen. Kotscharian darf nach zwei Amtsperioden nicht mehr antreten. Armenien liegt zwischen Aserbaidschan und der Türkei und hat als Transitland für Öllieferungen vom Kaspischen Meer nach Europa eine wachsende Bedeutung.

 

Die Opposition hat schon vor Bekanntgabe des Wahlergebnisses für Mittwoch Proteste wegen angeblicher Wahlmanipulationen angekündigt. "Es hat ernste Verstöße bei der Abstimmung gegeben", sagte ein Sprecher des Wahlkampf-Teams von Ter-Petrossian. Dieser rief zu Demonstrationen in Eriwan auf. Die Wahl wurde von Beobachtern der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) begleitet, die am (heutigen) Mittwoch ihren Bericht vorlegen wollen.

 

Im Blickpunkt der Wahl standen die wirtschaftliche Lage und der Status der Region Nagorny-Karabach im benachbarten Aserbaidschan. In Anlehnung an die Unabhängigkeitserklärung des Kosovos fordert die Regierung die gleiche Entscheidung für das mehrheitlich armenisch besiedelte Nagorny-Karabach, was von Aserbaidschan entschieden abgelehnt wird.

 

Ter-Petrossian wurde 1998 wegen seiner Kompromissbereitschaft gegenüber Aserbaidschan zum Rücktritt gezwungen. Der 1994 beendete Krieg um Nagorny-Karabach kostete 30.000 Menschen das Leben und trieb mehr als eine Million in die Flucht (APA 0040 5 AA 0265 vom 20.02.2008).

 

Die äußerst homogene Bevölkerung der Republik Armenien setzt sich aus 96% armenischen Volkszugehörigen und 4% Minderheiten (vor allem Jesiden, aber auch Russen, Kurden, Griechen, Juden, Deutschen, Georgiern, Ukrainern, Assyrern u. a.) zusammen.

 

Die Verfassung garantiert nationalen Minderheiten das Recht, ihre kulturellen Traditionen und ihre Sprache zu bewahren. Sie dürfen in der eigenen Sprache studieren und veröffentlichen. Zugleich verpflichtet ein Gesetz alle Kinder zu einer Schulausbildung in armenischer Sprache. Schulen in Orten mit griechischen und jesidischen Minderheiten bieten Fächer in Minderheitensprachen an.

 

Es gibt zwar immer wieder Berichte von Angehörigen der jesidischen Minderheit über Diskriminierungen, nach Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes sind aber weder Jesiden noch andere Minderheiten Ziel systematischer und zielgerichteter staatlicher Repressionen. Im Falle von Straftaten gegen Angehörige von Minderheiten sind die Behörden schutzbereit. Strafanzeigen werden aufgenommen. Die Ermittlungen dauern zwar häufig sehr lange; dies ist aber grundsätzlich oft der Fall, auch bei Verfahren, die nur armenische Volkszugehörige betreffen.

 

Nach gewaltsamen Ausschreitungen gegen Armenier in Aserbaidschan im zeitlichen Zusammenhang mit dem Berg-Karabach-Konflikt und dem Zerfall der Sowjetunion flüchteten fast alle armenischen Volkszugehörigen aus Aserbaidschan. Die in Armenien lebenden Aserbaidschaner flüchteten ebenfalls aus ihrem Geburtsland. Heute leben nur wenige Hundert aserbaidschanische Volkszugehörige in Armenien, meist Ehepartner von Armeniern oder Abkömmlinge gemischter Ehen. Glaubhafte Berichte über staatliche Repressionen liegen nicht vor, es ist jedoch wahrscheinlich, dass auf privater Ebene Diskriminierungen auftreten.

 

Die Volkszugehörigkeit wird in armenischen Reisepässen nur eingetragen, wenn der Passinhaber dies von sich aus beantragt (Auswärtiges Amt vom 20.03.2007, Seite 7).

 

Die International Helsinki Federation for Human Rights (IHF) gibt in ihrem Bericht vom Juni 2006 die Ergebnisse der Volkszählung von 2001 wieder. Diese habe ergeben, dass der Anteil von Minderheitenangehörigen an der armenischen Bevölkerung 2,2% betrage.

Diese Zahl umfasse 11 ethnische Gemeinschaften: Assyrer, Jesiden, Kurden, Russen, Griechen, Molokan, Juden, Polen, Ukrainer, Georgier und Deutsche. Die Jesiden stellten mit 40.620 Personen die größte Gruppe dar. Die Anzahl der Kurden betrage 1.519. Alle ethnischen Gruppen seien im gesamten Land verstreut, es gebe jedoch einige Dörfer, in denen Minderheitenangehörige einen beachtlichen Anteil bzw. die Mehrheit der Bevölkerung stellen würden:

 

"According to the 2001 census, ethnic minorities constituted 2.2% of the country's population. This figure encompasses 11 ethnic communities: the Assyrians, Yezidis, Kurds, Russians, Greeks, Molokans, Jews, Poles, Ukrainians, Georgians and Germans. The largest groups are Yezidis (40,620), Russians (14,660), Assyrians (3,409), and Kurds (1,519). All ethnic groups are scattered throughout the country but there are some villages in which minorities constitute a significant part or the majority of an ethnically mixed population."

 

Der International Religious Freedom Report des US Department of State (USDOS) vom November 2005 spricht davon, dass rund 90 Prozent der Bevölkerung AnhängerInnen der Armenisch Apostolischen Kirche seien. Zur Zahl der Mitglieder anderer religiöser Gruppierungen gebe es laut USDOS keine verlässlichen Zahlen, die einzelnen Glaubensgemeinschaften hätten jedoch folgende unbestätigte Schätzungen zur Verfügung gestellt:

 

"Catholic, both Roman and Mekhitarist (Armenian Uniate) (120,000);

Yezidi, an ethnically Kurdish cultural group whose religion includes elements derived from Zoroastrianism, Islam, and animism (40,000 nominal adherents); unspecified "charismatic" Christian (10,000);

Jehovah's Witnesses (8,750); Armenian Evangelical Church (8,000);

Molokan, an ethnically Russian pacifist Christian group that split from the Russian Orthodox Church in the 17th century (5,000);

Baptist (2,000); the Church of Jesus Christ of Latter-day Saints (Mormons) (2,000); Greek Orthodox (1,200); Seventh-day Adventist (950); Pentecostal (700); Jewish (600); and Baha'i (200). There was no estimate of the number of atheists." (USDOS, 15. September 2006, Section I)

 

Das US Department of State (USDOS) beschreibt im International Religious Freedom Report vom 15. September 2006 das Verhältnis zwischen den Religionsgemeinschaften in Armenien als generell freundlich, jedoch werden die gesellschaftlichen Einstellungen gegenüber einigen minoritären Religionsgemeinschaften als ambivalent bezeichnet:

 

"The generally amicable relationship among religious groups in society contributed to religious freedom; however, societal attitudes toward some minority religious groups were ambivalent.

[...]

 

Societal attitudes toward most minority religious groups were ambivalent. Many citizens were not religiously observant, but the link between religion and Armenian ethnicity is strong." (USDOS, 15. September 2006, Abschnitt 3)

 

Freedom House (FH) stellt in seinem Bericht Freedom in the World 2006 vom September 2006 fest, dass die Religionsfreiheit in Armenien im Großen und Ganzen respektiert werde:

 

"Freedom of religion is somewhat respected. The constitution provides for freedom of religion, but the law specifies some restrictions on the religious freedom of adherents of minority faiths. The Armenian Apostolic Church, to which 90 percent of Armenians formally belong, enjoys some privileges not afforded to other faiths." (FH, September 2006, Abschnitt "Political Rights and Civil Liberties")

 

Über die rechtliche Situation sowie Lebenssituation ethnischer Minoritäten, die in Armenien nur drei Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachen würden, berichtet Freedom House (FH) in "Countries at the Crossroads" vom Juli 2006:

 

"The constitution gives equal rights and protection to ethnic minorities (mostly Yezidi Kurds, Russians, and Assyrians), which make up less than 3 percent of the country's population. Even though the minorities rarely report instances of overt discrimination, they often complain about difficulties with receiving education in their native languages, partially due to financial constraints, including the lack of textbooks and resources for teacher training." (FH, Juli 2006, Abschnitt "Civil Liberties - 3.81" (IHF, 5. April 2006, S. 14 (Accord Anfragenbeantwortung 13.12.2006, Seite 1f)).

 

Die Religionsfreiheit ist in Artikel 23 der armenischen Verfassung festgeschrieben und darf gemäß Artikel 44 nur durch Gesetz und nur soweit eingeschränkt werden, wie dies für den Schutz der staatlichen und öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral notwendig ist. Die Armenische Apostolische Kirche hat den formalen juristischen Status der Nationalkirche und genießt mehr Privilegien als andere anerkannte Glaubensgemeinschaften.

 

Religiöse Organisationen mit mindestens 200 Anhängern können sich amtlich registrieren lassen und dürfen dann Zeitungen und Zeitschriften veröffentlichen, regierungseigene Gelände (z.B. "Platz der Republik" in Eriwan) mieten, Fernseh- oder Radioprogramme senden und als Organisation Besucher aus dem Ausland einladen. Das Gesetz verbietet zwar Bekehrungen durch religiöse Minderheiten; missionarisch aktive Glaubensgemeinschaften wie die Zeugen Jehovas oder die Mormonen sind jedoch auch in Armenien tätig und werden nicht staatlich behindert.

 

Etwa 1.000 der nach dem Berg-Karabach Konflikt in Armenien verbliebenen Muslime haben ihren Wohnsitz in Eriwan. Sie können frei ihrem Glauben nachgehen. In Eriwan existiert eine Moschee, die 1998 mit aus dem Iran stammenden Geldern renoviert wurde (Auswärtiges Amt vom 20.03.2007, Seite 7f).

 

The country has an area of 11,500 square miles and a population of 3 million. Approximately 98 percent of the population is ethnic Armenian. As a result of Sovietera policies, the number of active religious practitioners is relatively low, but the link between Armenian ethnicity and the Armenian Church is strong. An estimated 90 percent of citizens nominally belong to the Armenian Church, an independent Eastern Christian denomination with its spiritual center at the Etchmiadzin cathedral and monastery. The head of the church is Catholicos Garegin (Karekin) II.

 

There are small communities of other religious groups. There was no reliable census data on religious minorities, and estimates from congregants varied significantly. The Catholic Church, both Roman and Mekhitarist (Armenian Uniate), estimated 120,000 followers. The Jehovah's Witnesses estimated their membership at 9,000. Groups that constitute less than 5 percent of the population include Yezidis, an ethnic Kurd cultural group whose religion includes elements derived from Zoroastrianism, Islam, and animism; unspecified "charismatic" Christians; the Armenian Evangelical Church; Molokans, an ethnic Russian pacifist Christian group that split from the Russian Orthodox Church in the 17thcentury; Baptists; the Church of Jesus Christ of Latter-day Saints (Mormons); Orthodox Christians; Seventh-day Adventists; Pentecostals; Jews; and Baha'is. Levels of membership in minority religious groups remained relatively unchanged. There was no estimate of the number of atheists.

 

Yezidis are concentrated primarily in agricultural areas around Mount Aragats, northwest of the capital Yerevan. Armenian Catholics live mainly in the northern region, while most Jews, Mormons, Baha'is, and Orthodox Christians reside in Yerevan. In Yerevan there is also a small community of Muslims, including Kurds, Iranians, and temporary residents from the Middle East.

 

Foreign missionary groups are active in the country.

 

The Constitution as amended in 2005 provides for freedom of religion and the right to practice, choose, or change religious belief. It recognizes "the exclusive mission of the Armenian Church as a national church in the spiritual life, development of the national culture, and preservation of the national identity of the people of Armenia." The law places some restrictions on the religious freedom of religious groups other than the Armenian Church. The Law on Freedom of Conscience establishes the separation of church and state but grants the Armenian Church official status as the national church.

 

Extended negotiations between the Government and the Armenian Church resulted in a 2000 framework for the two sides to negotiate a concordat. The negotiations resulted in the signing of a law March 14, 2007, that codified the church's role.

 

The law establishes confessor-penitent confidentiality, makes the church's marriage rite legally binding, and assigns the church and the state joint responsibility to preserve national historic churches. The law does not grant the church tax-exempt status or establish any state funding for the church. The law formally recognizes the role that the Armenian Church already plays in society, since most citizens see the church as an integral part of national identity, history, and cultural heritage. January 6, the day on which the Armenian Church celebrates Christmas, is a national holiday.

 

The law does not mandate registration of nongovernmental organizations (NGOs), including religious groups; however, only registered organizations have legal status. Only registered groups may publish newspapers or magazines, rent meeting places, broadcast programs on television or radio, or officially sponsor the visas of visitors, although there is no prohibition on individual members doing so. There were no reports of the Government refusing registration to religious groups that qualified for registration under the law. To qualify for registration, religious organizations must "be free from materialism and of a purely spiritual nature," and must subscribe to a doctrine based on "historically recognized holy scriptures." The Office of the State Registrar registers religious entities. The Department of Religious Affairs and National Minorities oversees religious affairs and performs a consultative role in the registration process. A religious organization must have at least 200 adult members to register. By the end of the reporting period, the Government had registered 63 religious organizations, including individual congregations within the same denomination.

 

According to the Department of Religious Affairs and National Minorities, some minority religious groups, including the Molokans and some Yezidi groups, have not sought registration. Although it was not registered as a religious facility, Yerevan's sole mosque was open for regular Friday prayers, and the Government did not restrict Muslims from praying there.

 

The Law on Education mandates that public schools offer a secular education but does not prohibit religious education in state schools. Only personnel authorized and trained by the Government may teach in public schools. Classes in religious history are part of the public school curriculum and are taught by teachers. The history of the Armenian Church is the basis of this curriculum; many schools teach about world religions in elementary school and the history of the Armenian Church in middle school. Religious groups may not provide religious instruction in schools, although registered groups may do so in private homes to children of their members. The use of public school buildings for religious "indoctrination" is illegal.

 

The law on alternative military service allows conscientious objectors, subject to government panel approval, to perform either noncombatant military or civilian service duties rather than serve as combat-trained military personnel.

 

The law took effect in 2004 and applied to subsequent draftees and those serving prison terms for draft evasion. An amendment to the law on military service that took effect in January 2006 criminalizes evasion of alternative labor service. Conscientious objectors maintained, however, that military control of the alternative labor service amounted to unacceptable military service.

 

The military employs Armenian Church chaplains for each division, but no other religious groups are represented in the military chaplaincy. The Armenian Church runs a prison ministry program but does not have permanent representatives in prisons. The Armenian Evangelical Church has chaplains in seven prisons.

 

The Government's human rights ombudsman and the head of the Department of Religious Affairs and National Minorities met with minority religious organizations during the reporting period (U.S. Departement of State, September 14, 2007, page 1f).

 

Viele Internationale Organisationen und NGOs stimmen überein, dass trotz aller strukturellen Probleme im Polizei- und Justizbereich die Menschenrechtssituation in Armenien grundlegend keine gravierenden Probleme aufweist. Dies betrifft sowohl Minderheitenrechte als auch die Grundfreiheiten im Land. So existieren in Armenien etwa 20 Minderheiten, welche alle Bürgerrechte in vollen Umfang genießen.

 

Hinsichtlich der Menschenrechte existiert in Armenien das Problem, dass viele Bürger schlecht über ihre Rechte informiert sind und ein gewisses grundsätzliches Misstrauen gegenüber allen staatlichen Einrichtungen besteht, was auch aus den teils vorhandenen Fällen von Korruption und der ineffizienten Verwaltung resultiert. Daraus ergibt sich, dass vielfach versucht wird, private Konflikte tendenziell ohne Einschaltung von Gerichten und Exekutivorganen zu lösen.

 

Mit der Aufnahme Armeniens als 42. Mitglied in den Europarat am 25.01.2001 ist auch international ein Voranschreiten der Demokratisierung anerkannt worden. Armenien hat mit dem Beitritt zum Europarat eine Vielzahl an Reformprogrammen unter internationaler Beteiligung, unter anderem mit der OSZE und dem "Neighbourhood Program" der Europäischen Union, gestartet, die jedoch seitens der Regierung nur halbherzig angegangen wurden. Dennoch kooperiert die Regierung in Yerevan umfassend mit den genannten Organisationen und ist an einer weiteren Ausrichtung hin zu europäischen Standards interessiert.

 

Das Land hatte nach der Unabhängigkeit mit einer enormen Auswanderungswelle zu kämpfen. Etwa 1 Million Armenier verließen seit Anfang der 1990er Jahre das Land. Dieser Trend konnte in letzter Zeit jedoch gestoppt werden und derzeit verlassen etwa gleich viele Leute Armenien wie zurückkehren.

 

Die Diaspora ist nicht zuletzt ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor in Armenien geworden, da viele Exilarmenier ihre im Land verbliebenen Familien finanziell unterstützen und auch sonstige Investitionen in Armenien tätigen. Dies ist von besonderer Bedeutung, da viele internationale Konzerne noch vor einem Engagement in Armeniern zurückschrecken.

 

Im Rahmen der Gespräche in Yerevan wurden auch konkrete Fluchtgeschichten von Asylwerbern in Europa hinterfragt, da einige Organisationen hier konkrete Recherchen durchgeführt hatten. Alle mit diesem Themenbereich befassten Gesprächspartner führten aus, dass sich überprüfte Vorbringen von Asylwerber nachträglich fast zu 100% als falsch herausgestellt hätten (Bericht zur Fact Finding Mission Armenien Georgien Aserbaidschan vom 01.11.2007, Seite 9f).

 

In Armenien sind zahlreiche Menschenrechtsorganisationen registriert. Mit Menschenrechtsfragen beschäftigt sich ebenfalls sehr intensiv die internationale Gebergemeinschaft. Vertreter der Menschenrechtsorganisationen haben Zugang zu Medien, Behörden und Vertretern internationaler Organisationen. Das Auswärtige Amt hat keine Behinderungen von Menschenrechtsorganisationen beobachtet (Auswärtiges Amt vom 20.03.2007, Seite 2).

 

Dem Auswärtigen Amt sind keine systematischen Misshandlungen, Verhaftungen oder willkürlichen Handlungen der Staatsorgane gegenüber Personen oder bestimmten Personengruppen wegen ihrer Rasse, Religion oder Nationalität bekannt. Es gibt in Armenien keine politischen Gefangenen (Auswärtiges Amt vom 20.03.2007, Seite 6).

 

Sippenhaft, d.h. die Anwendung staatlicher Repressionen gegenüber Angehörigen oder sonstigen nahe stehenden Personen eines Beschuldigten oder Gesuchten, gibt es in Armenien nach Erkenntnissen des Auswärtigen Amts nicht (Auswärtiges Amt vom 20.03.2007, Seite 8).

 

Rückkehrer werden nach Ankunft in Armenien in die Gesellschaft integriert und nutzen häufig die erworbenen Deutschkenntnisse bzw. ihre in Deutschland geknüpften Kontakte. Sie haben Zugang zu allen Berufsgruppen (auch Staatsdienst). Sie haben durchschnittliche Chancen, Arbeit zu finden. Fälle, in denen Rückkehrer festgenommen oder misshandelt wurden, sind nicht bekannt. Staatliche Aufnahmeeinrichtungen für unbegleitete Minderjährige bestehen nicht, es gibt jedoch zahlreiche Waisenhäuser, die durch Spenden aus dem Ausland z. T. einen guten Unterbringungs- und Betreuungsstandard gewährleisten können (Auswärtiges Amt vom 20.03.2007, Seite 13).

 

Jede Person, die Armenien verlässt, wird offiziell registriert, wobei die Daten etwa mit Fahndungslisten verglichen werden. Am Hauptgrenzübergang zwischen Armenien und Georgien konnte eine neue Grenzstation mit modernen Geräten mit finanzieller Unterstützung der US Botschaft in Yerevan errichtet werden. Illegaler Grenzübertritt ist in Armenien strafbar.

 

Personen, die im Ausland um Asyl angesucht haben, haben in Armenien alleine aufgrund der Asylantragstellung mit keinen Sanktionen zu rechnen. Es gibt jedenfalls keinen entsprechenden Straftatbestand im armenischen Strafgesetzbuch.

 

Für Rückkehrer nach Armenien besteht Unterstützung durch einige Organisationen, die psychologische und rechtliche Konsultationen anbieten. GRINGO ist ein Netzwerk aller Organisationen die Rückkehrer in Armenien unterstützen, welches vom "Danish Refugee Council" betreut wird. Rückkehrer haben sich mehrfach an NGOs gewandt, wobei in erster Linie um soziale Unterstützung angesucht wurde. Probleme mit Behörden wurden keine gemeldet.

 

Problematisch für viele Rückkehrer bleibt, dass sie vor Ihrer Ausreise fast alles verkauft haben, um sich die Reise nach Europa finanzieren zu können. Daher ist die Quote jener, die nochmals auswandern relativ hoch. Es gibt mit einigen EU Mitgliedstaaten eigene Rückkehrprogramme im Rahmen derer Rückkehrer besonders unterstützt werden, was zu einer Senkung der "Rückfallsquote" geführt hat. Es existieren auch einige Präventionsprogramme gegen Auswanderung. Dazu gehört ein spezielles Programm von IOM.

 

Die Armut in Armenien ist noch immer groß. Geschätzte 37% der Armenier leben unter der Armutsgrenze. Dies betrifft auch häufig Rückkehrer aus Europa. Dennoch treffen die sozialen Probleme alle Armenier gleich, unabhängig von ihrer Ethnie und Herkunft. Es gibt Unterstützungsprogramme seitens des Staates und NGOs, wobei die staatlichen Programme mit hohem bürokratischem Aufwand verbunden sind.

 

(Information des Migrationsamtes Armenien)

 

Trotz der existierenden Armut sind keine Fälle bekannt geworden, wonach jemand aufgrund von Hunger gestorben wäre. Es gibt fast ausnahmslos immer eine Möglichkeit die grundlegende Existenz zu sichern, sei es durch den Familienverband oder Unterstützung durch andere Stellen in besonders schwierigen Fällen.

 

Auch Rückkehrer finden zumindest das fürs Überleben notwendigste vor, auch wenn es keine speziellen Notunterkünfte gibt. Viele der Rückkehrer haben darüber hinaus einen nicht unbeträchtlichen Betrag während ihrer Zeit im Ausland angespart. Rückkehrer werden von IOM ebenfalls im Rahmen eines Informationsprojekts bei Existenzgründung unterstützt (Bericht zur Fact Finding Mission Armenien Georgien Aserbaidschan vom 01.11.2007, Seite 17 bis 19).

 

In Armenien ist ein breites Warenangebot in- und ausländischer Herkunft vorhanden. Auch umfangreiche Hilfsprogramme tragen zur Verbesserung der Lebenssituation bei.

 

Die Gas- und Stromversorgung ist gewährleistet. Immer mehr Haushalte werden an die Gasversorgung angeschlossen. Leitungswasser steht dagegen, insbesondere in den Sommermonaten in manchen Gegenden, auch in einigen Vierteln der Hauptstadt, nur stundenweise zur Verfügung. Die Wasserversorgung wird jedoch laufend verbessert.

 

Ein nicht geringer Teil der Bevölkerung ist nach wie vor finanziell nicht in der Lage, seine Versorgung mit den zum Leben notwendigen Gütern ohne Unterstützung durch humanitäre Organisationen sicherzustellen. Ansonsten überwinden viele auch durch die traditionellen Familienbande Versorgungsschwierigkeiten. Ein Großteil der Bevölkerung wird finanziell und durch Warensendungen durch Verwandte im Ausland unterstützt.

 

Das gesetzlich festgeschriebene Existenzminimum beträgt in Armenien (wie auch in Berg-Karabach) 24.000 Dram im Monat (derzeit ca. 50 Euro). Das durchschnittliche Familieneinkommen ist dagegen mangels zuverlässiger Daten nur schwer einzuschätzen. Der Großteil der Armenier geht mehreren Erwerbstätigkeiten, dazu privaten Geschäften und Gelegenheitsjobs nach. Die sprichwörtliche Geschäftstüchtigkeit der Armenier ermöglicht es vielen, sich ein Zubrot zu verdienen. Die dabei erzielten Einkünfte lassen sich schwer beziffern, da sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer die Beträge niedriger angeben, als sie tatsächlich sind, um Steuerzahlungen zu umgehen.

 

Die wirtschaftliche Lage führt nach wie vor dazu, dass viele Armenier das Land verlassen wollen. Der Migrationsdruck hält an, da ein Angleichen des Lebensstandards an westeuropäisches Niveau trotz hoher Wirtschaftswachstumsraten in Kürze nicht zu erwarten ist. Es sollen seit dem Zerfall der Sowjetunion bereits mindestens 600.000 Armenier ihr Land verlassen haben. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass die Zahl der Emigranten noch wesentlich höher liegt; eine Schätzung geht von bis zu 1.9 Mio. Personen aus (Auswärtiges Amt vom 20.03.2007, Seite 12).

 

Die medizinische Versorgung ist in Armenien flächendeckend gewährleistet. Ein Gesetz über die kostenlose medizinische Behandlung im Gesundheitswesen besteht. Das Gesetz regelt den Umfang der kostenlosen ambulanten oder stationären Behandlung bei bestimmten Krankheiten und Medikamenten, sowie zusätzlich für bestimmte sozial bedürftige Gruppen (inkl. Kinder, Flüchtlinge, Invaliden u.a.) und gilt ausschließlich für armenische Staatsangehörige und Flüchtlinge. Die Einzelheiten werden jedes Jahr per Gesetz festgelegt.

 

Im Staatshaushalt sind für die medizinische Versorgung Mittel vorhanden, die auch kontinuierlich aufgestockt werden. Die Beträge, die den Kliniken zur Verfügung gestellt werden, reichen für deren Betrieb und die Ausgabe von Medikamenten gleichwohl nicht aus. Daher sind die Kliniken gezwungen, von den Patienten Geld zu nehmen. Da dies ungesetzlich ist, erhalten die Patienten jedoch keine Rechnungen. Im Einzelfall kann deswegen Bereicherung seitens des Klinikpersonals nicht ausgeschlossen werden. Dies ist nach Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes aber nicht die Regel.

 

Es ist in der Bevölkerung bisher nicht allgemein bekannt, in welchen Fällen das Recht auf kostenlose Behandlung besteht. Die entsprechenden Vorschriften werden de facto unter Verschluss gehalten. Sie sind zwar im Prinzip öffentlich, aber schwierig zu erhalten. Auch die Kliniken erhalten jeweils nur Auszüge aus den Vorschriften. In letzter Zeit erschienen aber in der Presse Artikel mit Informationen über die kostenlose Behandlung, und immer mehr Patienten bestehen erfolgreich auf ihrem Recht auf kostenlose Behandlung.

 

In Einzelfällen könne Auskünfte zur medizinischen Versorgung in Armenien durch die Deutsche Botschaft in Eriwan von ihrem Vertrauensarzt eingeholt werden.

 

Es besteht zwar die Möglichkeit, private Krankenversicherungen abzuschließen, der Großteil der Bevölkerung macht hiervon jedoch keinen Gebrauch, weil das Vertrauen fehlt. Nur wenige, in der Regel ausländische Arbeitgeber schließen für ihre Mitarbeiter Krankenversicherungen ab. Die Versicherungen arbeiten nur mit bestimmten Kliniken zusammen. Trotz Krankenversicherung sind noch inoffizielle Zuzahlungen seitens der Patienten erforderlich.

 

Der Ausbildungsstand des medizinischen Personals ist gut. Die Ausstattung der Krankenhäuser und das technische Gerät sind zwar zum Teil mangelhaft, eine medizinische Grundversorgung ist gleichwohl gewährleistet. Es stehen in einzelnen klinischen Einrichtungen auch moderne Untersuchungsmethoden wie Ultraschall, Mammographie und Computer- und Kernspinntomographie zur Verfügung. Diese Geräte stammen in der Regel aus Spenden humanitärer Organisationen bzw. der Auslandsbevölkerung (Diaspora) oder befinden sich in Privatkliniken. In der Republik Armenien gibt es psychiatrischen Abteilungen in den Krankenhäusern. Fachpersonal steht zur Verfügung. ...

 

Dialysebehandlung und Insulinabgabe an Diabetiker erfolgt im Prinzip kostenlos. Die Anzahl der kostenlosen Behandlungsplätze ist zwar beschränkt, gegen Zahlung ist eine Behandlung aber jederzeit möglich. Die Dialysebehandlung kostet ca. US$ 50 pro Sitzung. Selbst Inhaber kostenloser Behandlungsplätze müssen aber noch in geringem Umfang zuzahlen.

 

Die Behandlung von posttraumatischem Belastungssyndrom (PTBS) und Depressionen ist in Armenien auf gutem Standard gewährleistet und erfolgt kostenlos.

 

Problematisch ist die Verfügbarkeit der Medikamente: Es sind nicht immer dieselben Präparate vorhanden. Die gängigen Medikamente sind in privaten und staatlichen Apotheken gegen entsprechende Bezahlung erhältlich. Für die Einfuhr von Medikamenten ist eine Genehmigung durch das Gesundheitsministerium erforderlich. Viele Medikamente werden in Armenien in guter Qualität hergestellt und zu einem Bruchteil der in Deutschland geforderten Preise verkauft. Importierte Medikamente, z. B. von Pharmafirmen wie Bayer (Deutschland), Gedeon Richter (Ungarn), Solvay (Belgien) sind überall erhältlich. Diese sind immer noch wesentlich billiger als identische Produkte derselben Hersteller in Deutschland (Auswärtiges Amt vom 20.03.2007, Seite 12f).

 

In Armenien sind grundsätzlich alle gängigen Erkrankungen behandelbar. Ausgenommen hiervon sind schwierigere Transplantationen und auch Operationen nach einer Dialysebehandlung sind teils nicht möglich. Für psychologische Krankheiten wie PTSD gibt es in Yerevan ein eigenes Krankenhaus, welches mit Unterstützung des Roten Kreuzes errichtet wurde.

 

Die Krankenhäuser in Yerevan selbst sind vielfach mit modernsten medizinischen Geräten ausgestattet. Es besteht jedoch ein teils erhebliche Gefälle zwischen den Krankenanstalten in Yerevan und jenen in anderen Provinzen des Landes.

 

Es gibt in Armenien kein funktionierendes staatliches Krankenversicherungssystem. Notfälle werden jedoch kostenlos versorgt, wobei für Nachbehandlungen auch hier teilweise Kosten vom Patienten selbst zu tragen sind. Überhaupt müssen Kosten für ärztliche Konsultationen in Krankenhäusern, sowie die dafür erforderlichen Medikamente vom Patienten selbst getragen werden. Es gibt einige NGOs, die spezielle Programme für eine kostenlose Gesundheitsversorgung von Bedürftigen anbieten.

 

Medikamentenkosten können auch teilweise vom Staat refundiert werden. Dies ist jedoch ein höchst bürokratischer und langwieriger Prozess.

 

Nur sehr wenige Personen nutzen eine private Krankenversicherung. Das Gesundheitssystem ist auch in Armenien von einer Privatisierungswelle erfasst worden, was zwar zu einer Verbesserung der Standards, jedoch letztlich auch zu erhöhten Kosten für die Patienten geführt hat.

 

In Armenien ist der familiäre Zusammenhalt noch sehr stark ausgeprägt. Sollte ein Familienmitglied ernsthaft erkranken, kommt es nicht selten vor, dass Angehörige das verfügbare Geld zusammenlegen, um die Behandlung zu ermöglichen.

 

Es kann festgehalten werden, dass grundlegend fast jede Behandlung wie in Europa zumindest in Yerevan verfügbar ist. Letztlich hängt der tatsächliche Zugang zur medizinischen Versorgung aber von den finanziellen Möglichkeiten des Patienten ab.

 

Bei Personen die es sich leisten können gibt es im Übrigen einen blühenden Behandlungstourismus in andere Staaten wie etwa in die Russische Föderation (Bericht zur Fact Finding Mission Armenien Georgien Aserbaidschan vom 01.11.2007, Seite 20f).

 

II.4.1. Gemäß § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 51/1991 (AVG), hat die Berufungsbehörde außer in dem in Abs. 2 erwähnten Fall, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Die Feststellungen bezüglich zur Staatsangehörigkeit beruhen auf dem Umstand, dass die Beschwerdeführerin Armenisch spricht. Die Identität und Volksgruppenzugehörigkeit der Beschwerdeführerin (II.3.1.) konnte mangels Vorlage von Identitätsdokumenten nicht festgestellt werden.

 

II.4.2. Die Feststellungen zum Ausreisegrund der Beschwerdeführerin (II.3.2.) beruhen auf dem schließlich doch noch glaubhaft gemachten Vorbringen der Beschwerdeführerin im Lauf des Asylverfahrens.

 

Gemäß der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Aufgabe des Asylwerbers, durch ein in sich stimmiges und widerspruchsfreies Vorbringen, allenfalls durch entsprechende Bescheinigungsmittel, einen asylrelevanten Sachverhalt glaubhaft zu machen (VwGH E vom 25.03.1999, Zl. 98/20/0559).

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in mehreren Erkenntnissen betont, dass die Aussage des Asylwerbers die zentrale Erkenntnisquelle darstellt und daher der persönliche Eindruck des Asylwerbers für die Bewertung der Glaubwürdigkeit seiner Angaben von Wichtigkeit ist (VwGH E vom 24.06.1999, Zl. 98/20/0453; VwGH E vom 25.11.1999, Zl. 98/20/0357).

 

Das Bundesasylamt geht in seinem Bescheid im Wesentlichen kurz zusammengefasst von der Unglaubwürdigkeit des Vorbringens der Asylwerberin aus. Die Behauptung, dass der Vater der Asylwerberin am Grenzübergang G. gearbeitet habe, wo er 2001 festgenommen worden wäre, stelle die Asylwerberin nur allgemein in den Raum, ohne dies belegen oder glaubhaft machen zu können. Eine Anfrage an die österreichische Botschaft in Erewan, habe nämlich ergeben, dass es diesen Grenzübergang erst seit drei oder vier Monaten gäbe. Das Antwortschreiben der österreichischen Botschaft sei am 19.02.2003 beim Bundesasylamt eingelangt. Aus diesem Grund sei es somit unglaubwürdig, dass der Vater der Asylwerberin bereits im Jahr 1999 seine Tätigkeit an diesem Grenzübergang aufgenommen habe und er Ende des Jahres 2001 dort festgenommen worden sei. Da die Festnahme des Vaters der Asylwerberin in Zweifel gezogen werde, ergäben sich auch berechtigte Zweifel an ihrem übrigen Vorbringen, weil die von der Asylwerberin geschilderten Vorfälle (Übergriffe durch Leute des KGB) mit ihrem Vater beziehungsweise seiner angeblichen Festnahme zu tun gehabt hätten.

 

Hinzu käme weiters, dass der Vater der Asylwerberin laut ihren Angaben am 00.00.2002 begraben worden sei. Ihr Bruder habe hierfür jedoch den 00.00.2001 angegeben. Ebenso habe er behauptet, bereits 2001 Erewan verlassen und sich zwei Wochen in M. aufgehalten zu haben. Auf entsprechenden Vorhalt habe die Asylwerberin behauptet, dass ihr Bruder krank sei und sich nicht genau erinnern könne. Er würde sehr oft ohnmächtig. Das Bundesasylamt gehe davon aus, dass es sich hierbei um eine Schutzbehauptung handle, zumal es einer Person sehr wohl zuzumuten sei, zu wissen, ob sie sich ein paar Monate oder nur zwei Wochen bei einer Freundin der Mutter aufgehalten habe.

 

Bestärkt in der Ansicht, dass das Vorbringen der Asylwerberin nicht der Wahrheit entspreche, werde die erkennende Behörde auch dadurch, weil ihr Bruder vom Januar 1999 bis Februar 2002 insgesamt drei Mal in Österreich, jedoch unter einem anderen Namen, in Erscheinung getreten sei. Es habe dies bei seiner Einvernahme zwar in Abrede gestellt, jedoch bezweifle das Bundesasylamt dennoch, ob er die Asylwerberin und ihre Mutter tatsächlich zum Büro des KGB begleitet habe.

 

Gegen die Glaubwürdigkeit des Vorbringens der Asylwerberin spreche weiters, dass sie vor der Gendarmerie einen anderen Ausreisegrund angegeben beziehungsweise die Vorfälle vor dem Bundesasylamt nicht erwähnt habe. Auf diesen Umstand angesprochen, habe die Asylwerberin behauptet, das sie dies einfach nicht alles auf einmal erzählen hätte können. Kein Asylwerber würde aber eine sich bietende Gelegenheit, zentral entscheidungsrelevante Vorbringen zu erstatten, ungenützt verstreichen lassen.

 

Einerseits glaube die Asylwerberin, dass sie der Tod im Fall einer Rückkehr erwarten würde, weil sie Beschwerde gegen S.S. eingebracht habe, andererseits wiederum fahre die Asylwerberin mehrmals nach Erewan, wo sie die Probleme mit den Leuten des KGB gehabt habe. Eine solche Vorgehensweise würde bei tatsächlicher, konkreter und individueller Verfolgungsgefahr jeder Logik entbehren und könne diese daher nicht schlüssig nachempfunden werden (siehe Beweiswürdigung im Bescheid des Bundesasylamtes, Seiten 16 bis 18 bzw. erstinstanzlicher Verwaltungsakt, Seiten 139 bis 143).

 

In der Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesasylamtes wurden Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des Bescheides angeführt. Es wurde kurz zusammengefasst pauschal auf die Mangelhaftigkeit der Tatsachenfeststellungen, des Ergebnisses des Ermittlungsverfahrens und der "Unglaubwürdigkeitseinstufung" verwiesen.

 

Es wurde angeführt, dass dem Bundesasylamt die Bedeutung der, der Beschwerdeführerin erlittenen, Vergewaltigung entgangen sei. Das Gedächtnis des Bruders sei seit den Verletzungen durch Polizisten nicht intakt, er erleide Ohnmachtsanfälle und leide unter schweren Depressionen. Die Mutter der Beschwerdeführerin sei vor Sorge um die Beschwerdeführerin und ihren Sohn und aus Trauer um den Tod ihres Mannes erkrankt und ihr Gesundheitszustand sei noch immer angegriffen. Eine Aussage der Beschwerdeführerin zur erlittenen Vergewaltigung würde die gesamte Familie der Gefahr der Retraumatisierung aussetzen. Der Bruder der Beschwerdeführerin habe bereits bei seiner Einvernahme angegeben, dass er sich nicht erinnern könne und es bestehe aus psychologischer Sicht die Gefahr eines Zusammenbruchs. Die angeblichen Widersprüche ließen sich damit erklären, dass der vom Bundesasylamt beigezogene Dolmetscher nicht aus Armenien stamme und daher einen anderen Dialekt spreche. Die Mutter der Beschwerdeführerin sei sich sicher, dass sich nach abgeschlossener psychiatrischer Behandlung die Erinnerungslücken ihres Sohnes schließen werden. Das Bundesasylamt habe der Beschwerdeführerin zu den relegierten Punkten kein Parteiengehör gewährt, ansonsten hätte die Beschwerdeführerin alle Beweismittel vorlegen bzw. Beweismittel bezeichnen können.

 

Das Bundesasylamt unterliege mehreren Rechtsirrtümern, da das Bundesasylamt offensichtlich davon ausgehe, dass Voraussetzung für die Asylgewährung erfolgte Verfolgung sei. Das Asylgesetz 1997 stelle jedoch auf die Furcht vor Verfolgung ab. Es reiche die Gefahr einer Verfolgung, dabei sei auch die politische Situation des Heimatlandes zu berücksichtigen. Die Beschwerdeführerin habe ausführlich darge

Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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