TE AsylGH Erkenntnis 2008/08/27 S11 319472-2/2008

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Veröffentlicht am 27.08.2008
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Spruch

GZ: S11 319.472-2/2008/4E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Mag. Neumann als Einzelrichterin über die Beschwerde des H.H., geb. 00.00.1984, alias Z.A., geb. 00.00.1990, StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 12.06.2008, Zahl: 07 11.701, zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 5 und 10 AsylG idF BGBl. I Nr. 100/2005 als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

1. Der Verfahrensgang vor der erstinstanzlichen Behörde ergibt sich aus dem erstinstanzlichen Verwaltungsakt.

 

1.1. Der Beschwerdeführer, stellte am 15.12.2007, nachdem er im Reisezug aus Villach kommend ohne Reisedokumente in Neumarkt, Bezirk Murau betreten wurde, im Rahmen einer Niederschrift vor der Bundespolizeidirektion Leoben einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Eine EURODAC-Abfrage vom selben Tag ergab, dass der Beschwerdeführer am 10.02.2007 in Griechenland angehalten und erkennungsdienstlich behandelt worden war.

 

Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes des Polizeianhaltezentrums Leoben am 16.12.2007 brachte er vor, er habe Afghanistan im November 2007 mit dem Auto verlassen und sei illegal in den Iran gereist. Aus dem Iran sei er mit PKW, Flugzeug und Schiff nach Frankreich und von dort aus mit dem LKW nach Österreich gefahren. Sein Heimatland habe er wegen politischer Unruhen durch die Taliban verlassen. Auf Vorhalt des Eurodac-Treffers zu Griechenland gab er an, er sei nie in Griechenland gewesen und auch nicht angehalten worden. Bei einer Rückkehr in seine Heimat fürchte er wegen der Bombenanschläge um sein Leben.

 

Das Bundesasylamt nahm nach der Aktenlage am 19.12.2007 Konsultationen mit Griechenland auf und ersuchte unter Hinweis auf den Eurodac-Treffer um Aufnahme des Beschwerdeführers aufgrund Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18.02.2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrages zuständig ist (Dublin II-VO).

 

Am 20.12.2007 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 29 Abs. 3 AsylG mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, und dass Konsultationen mit Griechenland seit dem 19.12.2007 geführt würden. Am 17.01.2008 langte beim Bundesasylamt die Zustimmungserklärung Griechenlands vom 16.01.2008 ein, den Beschwerdeführer gemäß Art. 18 Abs. 7 Dublin II-VO aufzunehmen.

 

Am 28.01.2008 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesasylamt (Erstaufnahmestelle West) nach erfolgter Rechtsberatung und im Beisein eines Rechtsberaters einvernommen und gab dabei an, er halte seine Angaben vom 16.12.2007 aufrecht. Ferner gab er an, er habe von der iranischen Botschaft in Kabul ein Visum für touristische Zwecke erhalten und sei vor 17 Monaten mit diesem Visum für zwei Monate in den Iran gereist. Auf Vorhalt des Bundesasylamtes, warum er seine Fingerabdruckabnahme anlässlich der Aufgreifung durch die griechische Polizei in Mytilini verschwiegen habe, gab er an, vor ca. einem Jahr erstmals einen Asylantrag in Europa gestellt und dabei seine Fingerabdrücke abgegeben zu haben. Ein paar Monate später sei er nach Afghanistan zurückgekehrt und sei bei seiner neuerlichen Einreise nach Europa nicht mehr erwischt worden. Am 05.01.2007 habe er den Iran verlassen und sei mit einem gefälschten iranischen Reisedokument nach Athen gereist. Am Flughafen sei er von der Polizei festgenommen und zur Polizeistation gebracht worden. Dort sei er einvernommen und für drei Tage inhaftiert worden. Dann sei er aufgefordert worden, Griechenland innerhalb von 20 Tagen zu verlassen. Er habe um Asyl ansuchen wollen, jedoch habe ihm die griechische Polizei gesagt, dass sein Aufenthalt nicht toleriert werde, er kein Asyl bekommen würde und dort nicht erwünscht sei. Danach habe er etwas weniger als sechs Monate in Griechenland gelebt, schwarz gearbeitet und bei anderen Afghanen gewohnt. Er sei nicht mehr von der Polizei aufgegriffen worden. Auf Vorhalt des Bundesasylamtes, dass seine Fingerabdrücke auf der Insel Mytilini und nicht in Athen abgenommen worden seien, gab er an, er sei auch einmal in Mytilini gewesen und zwar ca. zehn Tage nach der Einreise in Athen und habe dort Arbeit gesucht. Dort habe er gehört, dass er in einem Flüchtlingscamp Platz finden könne und sei daher selbst zur Polizei gegangen. In Mytilini habe er sich drei Tage lang aufgehalten und habe in der Folge wieder eine Aufforderung bekommen, Griechenland zu verlassen. Nach ca. sechs Monaten habe er sich für die freiwillige Rückkehr nach Afghanistan gemeldet und sei ca. zwei Monate später abgeschoben worden. Anschließend sei er zweieinhalb Monate in Afghanistan und zwei Wochen im Iran gewesen. Dann sei er mit dem Flugzeug mit einem gefälschten iranischen Reisepass nach Frankreich geflogen, sei dort drei Nächte geblieben und in der Folge mit dem LKW nach Österreich gefahren. Der Beschwerdeführer gab an, nicht nach Griechenland zurückzuwollen, da er dort nie Asyl bekommen würde. Die Situation für afghanische Flüchtlinge sei katastrophal. Er sei beschimpft und misshandelt worden.

 

Am 29.02.2008 richtete das Bundesasylamt eine Anfrage an die griechischen Behörden mit dem Ersuchen um Bestätigung, dass der Beschwerdeführer das Gebiet der Europäischen Union über Mytilini illegal betreten habe, sowie dass der Beschwerdeführer nicht mit Unterstützung der griechischen Behörden nach Afghanistan zurückgekehrt sei.

 

Aufgrund eines Schreibens des Beschwerdeführers, er habe schwere psychische Probleme, beauftragte das Bundesasylamt einen Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, mit einer fachärztlichen Stellungnahme im Zulassungsverfahren. In dieser Stellungnahme vom 06.03.2008 führte der Sachverständige an, dass der Beschwerdeführer an einer leichten depressiven reaktiven Episode (= F 32.1) leide und medikamentös mit Mirtabene behandelt werde. Einer Überstellung nach Griechenland stehe keine schwere psychische Störung entgegen, die bei einer Überstellung eine unzumutbare Verschlechterung des Gesundheitszustandes aus ärztlicher Sicht bewirken würde.

 

Am 23.04.2008 gab Griechenland bekannt, dass der Beschwerdeführer am 10.02.2007 von den griechischen Behörden festgenommen worden sei, als er illegal auf die Insel Mytilini eingereist sei. Es sei eine Ausweisungsentscheidung gegen ihn erlassen und am 11.02.2007 sei er aus der Haft entlassen worden. Dabei habe er angegeben, er wolle weiter nach Athen. Sonstige Informationen seien aus dem Akt der griechischen Behörden nicht verfügbar.

 

In der Folge wurde der Beschwerdeführer am 29.04.2008 erneut vor dem Bundesasylamt (Erstaufnahmestelle West) einvernommen und gab dabei an, dass die Angaben betreffend die Rückreise von Griechenland nach Afghanistan und die neuerliche Einreise in die EU über Frankreich nicht richtig seien. Er habe gelogen, da er Angst habe, nach Griechenland zurückgeschickt zu werden. Griechenland sei sehr unmenschlich zu Asylwerbern. Es sei richtig, dass er über Mytilini illegal nach Griechenland eingereist sei, von der griechischen Polizei betreten und am 10.02.2007 in Haft genommen worden sei. Richtig sei ebenfalls, dass er am 11.02.2007 unter Verfügung der Ausweisung aus Griechenland entlassen worden sei. Er sei dann in verschiedenen Städten Griechenlands gewesen und habe teilweise eine Beschäftigung ausgeübt. Am 10.12.2007 sei er versteckt auf einem LKW von P. mittels Schiff nach Italien gereist und von dort aus mit dem Zug nach Österreich. Er habe in Griechenland keinen Asylantrag gestellt, da ihm gesagt worden sei, er solle das Land verlassen. Sein Antrag sei nicht entgegengenommen worden und im Übrigen habe er schon vorher gewusst, dass Griechenland den Asylwerbern weder Verpflegung noch Unterkunft stelle. Dies habe er im Iran von Landsleuten gehört. Sein Zielland sei Österreich gewesen.

 

Im Rahmen dieser Einvernahme legte der Rechtsberater einen Bericht des UNHCR vom 15.04.2008 vor, wonach bis auf weiteres von der Überstellung von Asylsuchenden nach Griechenland Abstand genommen werden soll (vgl. AS 239ff).

 

Am 09.05.2008 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesasylamt (Erstaufnahmestelle West) erneut einvernommen und gab dabei auf Vorhalt der fachärztlichen Stellungnahme vom 06.03.2008 (vgl. AS 165) an, dass die Untersuchung nur 10 Minuten gedauert habe und der Arzt nur gefragt habe, ob er gut schlafen könne. Dann habe er einige Medikamente verordnet. Er habe nach wie vor Beschwerden.

 

1.2. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesasylamt den Antrag auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurück und stellte fest, dass für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz gemäß Art. 10 Abs.1 iVm 18 Abs. 7 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates Griechenland zuständig sei. Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Griechenland ausgewiesen. Demzufolge sei die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Griechenland gemäß § 10 Abs. 4 AsylG zulässig.

 

1.3. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben und ausgeführt, dass die Lebensbedingungen und Lebensmöglichkeiten für afghanische Flüchtlinge in Griechenland sehr schlecht seien. Es gebe weder Unterkunft noch Aufnahmecamps. In Griechenland habe der Beschwerdeführer nur einmal täglich gegessen und auch keine Möglichkeit zum Wäsche waschen gehabt. Im Krankenhaus sei er wie eine Person der niedrigen Klasse behandelt worden. Auch das Verhalten der Polizei sei hässlich gewesen. Daher habe er das Land verlassen.

 

1.4. Am 28.05.2008 wurde seitens des unabhängigen Bundesasylsenates der Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 14.05.2008, Zahl 07 11.701, gemäß § 41 Abs. 3 AsylG stattgegeben und der erstinstanzliche Bescheid ersatzlos behoben.

 

Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens stellte das zuständige Senatsmitglied fest, dass der bei der Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 29.04.2008 vorgelegte UNHCR-Bericht über das griechische Asylverfahren vom 15.04.2008 von der belangten Behörde zwar zum Akt genommen (vgl. AS 239), jedoch lediglich mit dem lapidaren Satz "Auch das vom Rechtsberater in der zweiten Einvernahme des ASt vor dem BAA vorgelegte UNHCR-Positionspapier zur Überstellung von Asylsuchenden nach Griechenland nach der Dublin II VO vom 15.4.2008, mag die feststehende Zuständigkeit Griechenlands nicht erschüttern." im angefochtenen Bescheid berücksichtigt worden sei.

 

In diesem Zusammenhang vermeinte der unabhängige Bundesasylsenat, dass hierbei nicht die Zuständigkeit Griechenlands der relevante Punkt wäre - diese stünde ja zweifelsfrei fest -, sondern es darum gehen würde, dass Asylwerber trotz einer Zuständigkeit Griechenlands nach der Dublin II-VO aufgrund der dort herrschenden Bedingungen im Asylverfahren - sowohl betreffend den Zugang als auch die Qualität - nicht nach Griechenland überstellt werden sollten. Inhaltlich wäre auch der UNHCR-Bericht vom 15.04.2008 nach Ansicht des entscheidenden Senatsmitglieds in keinster Weise in den angefochtenen Bescheid eingeflossen.

 

Es wäre nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen der vom Rechtsberater vorgelegte UNHCR-Bericht inhaltlich im angefochtenen Bescheid nicht berücksichtigt worden sei, zumal bereits - auch schon zum Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides - aus diversen Medienberichten allgemein bekannt gewesen wäre, dass es massive Probleme in Zusammenhang mit dem griechischen Asylverfahren gäbe.

 

Weiters wurde festgehalten, dass sämtliche Länderdokumente älter als der vorgelegte UNHCR-Bericht wären. Aufgrund der Vorlage des UNHCR-Berichts vom 15.04.2008 und der aktuellen Medienberichterstattung wäre die erstinstanzliche Behörde jedenfalls dazu verpflichtet gewesen, neuere bzw. aktuellere Berichte über die asylrechtlich relevante Lage (Zugang zum Asylverfahren, Verfahrensablauf, Instanzenzug, Einvernahme in einer für den Asylwerber verständlichen Sprache, Schubhaftpraxis etc. sowie Versorgung von Asylwerbern mit Unterkunft, Verpflegung und in medizinischer Hinsicht) in Griechenland zu beschaffen und in das Verfahren einfließen zu lassen, um aktuelle Feststellungen zur derzeitigen Lage für Asylwerber - auf den Beschwerdeführer bezogen - aus Afghanistan in Griechenland treffen zu können.

 

Nach Ansicht der Berufungsbehörde wäre bei einer gleichlautenden Entscheidung, trotz Einbeziehung des UNHCR-Berichtes, jedenfalls ein Durchführungsaufschub zu prüfen, der auf das Vorliegen von Gründen abstellt, die in der Person des Asylwerbers liegen und die dazu führen, dass die Durchführung der Ausweisung in den Schutzbereich von Art. 3 EMRK eingreift.

 

Der vorliegende Sachverhalt wurde als "so mangelhaft" angesehen, dass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unerlässlich wäre.

 

1.5. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 12.06.2008 wies das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 16.12.2007 ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG neuerlich als unzulässig zurück und sprach aus, dass für die Prüfung des Asylantrages gemäß Art. 10 Abs. 1 iVm Art. 18 Abs.7 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 Griechenland zuständig sei; gleichzeitig wies es gemäß § 10 Abs.1 Z.1 AsylG den Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Griechenland aus. Gemäß § 10 Abs. 4 AsylG wurde die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Griechenland für zulässig erklärt.

 

Im Zuge des nunmehrigen erstinstanzlichen Verfahrens erfolgte vor dem Bundesasylamt, Außenstelle Linz, am 06.06.2008 eine weitere niederschriftliche Einvernahme, wobei Folgendes vorgebracht wurde:

 

Zu allfälligen ärztlichen Behandlungen, Therapien oder schwerwiegenden chronischen Krankheiten befragt, teilte der Beschwerdeführer mit, dass er nur Schlaftabletten nehme, da er nicht schlafen könne, ansonsten gehe es ihm gut. Auch Anknüpfungspunkte zu Österreich hätte der Beschwerdeführer keine, er arbeite nicht und habe auch keine Verwandten in Österreich.

 

Zu konkreten Gründen, die einer Überstellung nach Griechenland entgegenstünden, meinte der Beschwerdeführer, er wäre schon in Griechenland gewesen, es würden keine Asylwerber aufgenommen werden, man erhielte dort keinen Schutz. Nachgefragt, konkretisierte der Beschwerdeführer, man bekäme keine Dokumente von den griechischen Behörden, ebenso hätte man keine Unterkunftsmöglichkeiten, Asylanten hätten keine Zukunft.

 

Dem Beschwerdeführer wurden aktuelle Länderfeststellungen zu Griechenland zur Kenntnis gebrachte, in welchen im Wesentlichen Folgendes enthalten war:

 

Obwohl durch die Umsetzungen der Richtlinie zum vorübergehenden Schutz und der Aufnahmerichtlinie Schritte zur Verbesserung des Asylsystems und der Asylpraxis unternommen worden seien, wäre der UNHCR nach wie vor besorgt, vor allem die Qualität und den Zugang zu Verfahren, wie auch die Versorgung der Asylwerber betreffend.

 

Eine Arbeitsgruppe aus Vertretern der zuständigen Behörden und des UNHCR wäre derzeit mit der Lösung der brennendsten Asylprobleme beschäftigt. Norwegen hätte sich als einziges Land öffentlich dazu deklariert, keine Dublin-Überstellungen nach Griechenland mehr durchzuführen. Im Gegensatz dazu gäbe es nach einer kürzlich ergangenen Entscheidung des belgischen "Aliens Litigation Council" keinen Grund für derartige Aussetzungen. Berichtet wird auch über Eröffnungen von neu errichteten Aufnahmezentren.

 

Im nunmehr angefochtenen Bescheid werden folgende Feststellungen zur Situation in Griechenland getroffen:

 

Ein Bericht über eine Fact Finding Mission des schwedischen Migrationsamtes im April 2008 nach Griechenland wird angesprochen, in welchem keine ausreichenden Gründe, weder humanitärer noch sonstiger Art, festgestellt werden konnten, die für eine generelle Ausnahme vom Vollzug der Dublin II-VO sprechen würden. Vor allem die Aufnahme von Erwachsenen stehe auf einem akzeptablen Niveau, im Gegensatz zu jener von alleinreisenden Kindern. Im Rahmen dieser Fact Finding Mission seien auch 26 Fälle, welche von Schweden im Rahmen eines Dublinverfahrens rücküberstellt worden seien, geprüft worden. Die Untersuchung habe ergeben, dass für alle 26 Personen inhaltliche Asylverfahren in Griechenland im Laufen gewesen und jedenfalls keine Kettenabschiebungen erfolgt oder Verfahren nicht wieder aufgenommen worden seien. Daher hätte die schwedische Migrationsbehörde auch in Hinblick auf Dublin Fälle keinen Grund gehabt die Verfahren mit Griechenland auszusetzen.

 

Weiters wurde im gegenständlich angefochtenen Bescheid festgestellt, dass nach Unterbrechung eines Asylverfahrens dieses nach der gängigen Praxis bei Rücküberstellungen im Rahmen eines Dublinverfahrens fortgesetzt werde.

 

Gegen Übergriffe der Polizei haben Asylwerber dieselben Rechtsschutzmöglichkeiten wie griechische Bürger. Übergriffe auf Asylwerber durch die griechische Polizei seien bekannt, diese würden durch das Bureau of Internal Affairs untersucht werden, wobei jedoch nicht immer mit der notwendigen Konsequenz vorgegangen werde.

 

Die Länderfeststellungen würden sich aus einer Gesamtschau der zitierten Erkenntnisquellen ergeben, wobei offenkundig sei, dass jede Art von Länderfeststellung mit einer Würdigung verbunden sei, die sich aus der freien Beweiswürdigung ergäbe, somit handle es sich nicht um einen "Pauschalverweis", welcher sich auf das wortwörtliche Abschreiben einer Quelle beschränken würde.

 

Zum Vorwurf der Rechtmittelinstanz wegen der Verwendung von Quellen älteren Datums entgegnet das Bundesasylamt, dass jüngere öffentlich zugängliche Quellen gleich welcher Herkunft das gleiche Bild wiedergeben bzw. würden diese Quellen der Schilderung chronologischer Hergänge asylrelevanter Ereignisse dienen. Vor allem aufgrund der politisch kontinuierlichen Lage seien daher sämtliche Quellen als aktuell anzusehen.

 

Die Einstellung von Dublin-Überstellungen nach Griechenland durch die norwegischen Behörden werde von der Erstbehörde als vorbeugende Maßnahme gesehen, die jedoch keinerlei Rechtfertigung hätte.

 

2. Das Bundesasylamt hat mit Bescheid vom 12.06.2008, Zl: 07 11.701, den Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass für die Prüfung des gegenständlichen Antrages auf internationalen Schutz gemäß Art. 10 Abs. 1 iVm Art. 18 Abs. 7 der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates Griechenland zuständig sei. Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Griechenland ausgewiesen und gemäß § 10 Abs. 4 AsylG festgestellt, dass die Abschiebung nach Griechenland zulässig sei.

 

3. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht am 23.06.2008 Berufung (nunmehr als Beschwerde anzusehen) erhoben. Darin wird das Vorbringen des erstinstanzlichen Verfahrens wiederholt, zusätzlich wird Folgendes vorgebracht:

 

Hauptsächlich wird darin auf die rechtliche und faktische Lage von Flüchtlingen in Griechenland verwiesen, wobei dem Bundesasylamt vorgeworfen wird im angefochtenen Bescheid Quellen älteren Datums verwendet und bezüglich des. Schutzes vor Refoulement lediglich einen nicht personalisierten Pauschalverweis vorgenommen zu haben.

 

Schlussendlich wird die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt.

 

4. Die gegenständliche Beschwerde samt erstinstanzlichem Verwaltungsakt langte am 07.07.2008 beim Asylgerichtshof ein.

 

5. Mit Bescheid vom 11.07.2008, GZ: S11 319.472-2/2008/2Z, erfolgte die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt.

 

2. Rechtlich ergibt sich Folgendes:

 

Mit Datum 01.01.2006 ist das neue Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG idF BGBl. I Nr. 100/2005) und ist somit auf alle ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.

 

Am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren sind vom Asylgerichtshof nach Maßgabe des § 75 AsylG 2005 idF. BGBl. I Nr. 4/2008 weiterzuführen.

 

Gemäß § 23 AsylGHG sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10/1985, in den jeweilig geltenden Fassungen nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51/1991, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

2.1. Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 AsylG erledigter Asylantrag als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom 18.02.2003 zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Asylbehörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist die Zurückweisung eines Antrages nach Maßgabe der § 10 Abs. 3 und Abs. 4 AsylG mit einer Ausweisung zu verbinden. Die Dublin II-Verordnung ist eine Verordnung des Gemeinschaftsrechts im Anwendungsbereich der

1. Säule der Europäischen Union (vgl. Art. 63 EGV), die Regelungen über die Zuständigkeit zur Prüfung von Asylanträgen von Drittstaatsangehörigen trifft. Sie gilt also nicht für mögliche Asylanträge von EU-Bürgern, ebenso wenig ist sie auf Personen anwendbar, denen bereits der Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde. Das wesentliche Grundprinzip ist jenes, dass den Drittstaatsangehörigen in einem der Mitgliedstaaten das Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Asylverfahren zukommt, jedoch nur ein Recht auf ein Verfahren in einem Mitgliedstaat, dessen Zuständigkeit sich primär nicht aufgrund des Wunsches des Asylwerbers, sondern aufgrund der in der Verordnung festgesetzten hierarchisch geordneten Zuständigkeitskriterien ergibt.

 

2.1.1. Es ist daher zunächst zu überprüfen, welcher Mitgliedstaat nach den hierarchisch aufgebauten (Art. 5 Abs 1 Dublin II-Verordnung) Kriterien der Art. 6 bis 12 beziehungsweise der Art. 14 und 15 Dublin II-Verordnung, beziehungsweise dem Auffangtatbestand des Art. 13 Dublin II-Verordnung zur inhaltlichen Prüfung zuständig ist.

 

2.1.1.1. Im vorliegenden Fall ist dem Bundesasylamt zuzustimmen, dass eine Zuständigkeit Griechenlands gemäß Art. 18 Abs. 7 Dublin II-VO besteht. Im konkreten Fall hat sich die Frist gemäß Art. 20 Abs. 1 lit. b Dublin II-VO auf 2 Wochen verkürzt, da der Antrag der österreichischen Behörden auf einen Eurodac-Treffer gestützt und bereits am 19.12.2007 gestellt wurde, die Zustimmung durch Griechenland jedoch erst am 16.01.2008 erteilt wurde, so kam es gemäß Art. 18 Abs. 7 Dublin II-VO zur stillschweigenden Zustimmung durch die griechischen Behörden. Die erste Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der getroffenen Unzuständigkeitsentscheidung ist somit gegeben und ist diese im Verfahren nicht bestritten worden.

 

Ebenso unbestrittenermaßen ist im Asylverfahren des Beschwerdeführers noch keine Sachentscheidung in Griechenland gefallen.

 

2.1.1.2. Es sind auch aus der Aktenlage keine Hinweise ersichtlich, wonach die Führung der Konsultationen im gegenständlichen Fall derart fehlerhaft erfolgt wäre, sodass von Willkür im Rechtssinn zu sprechen wäre und die Zuständigkeitserklärung des zuständigen Mitgliedstaates wegen Verletzung der gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgrundsätze aus diesem Grund ausnahmsweise keinen Bestand haben könnte (Filzwieser, Subjektiver Rechtsschutz und Vollziehung der Dublin II-Verordnung - Gemeinschaftsrecht und Menschenrechte, migraLex, 1/2007, 22ff; vgl auch das Gebot der Transparenz im "Dublin-Verfahren", VwGH 23.11.2006, Zl. 2005/20/0444). Das Konsultationsverfahren erfolgte mängelfrei.

 

Im Lichte des Art. 7 VO 1560/2003 ergibt sich auch keine Verpflichtung seitens der beteiligten Mitgliedstaaten oder seitens der Regelungen der Dublin II-Verordnung, dass die Überstellung in einer Weise durchgeführt wird, die potentiell belastenden Zwangscharakter aufweist.

 

2.1.2. Das Bundesasylamt hat ferner von der Möglichkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-Verordnung keinen Gebrauch gemacht. Es war daher noch zu prüfen, ob von diesem Selbsteintrittsrecht im gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung der EMRK zwingend Gebrauch zu machen gewesen wäre.

 

Der VfGH hat mit Erkenntnis vom 17.06.2005, Zl. B 336/05-11 festgehalten, die Mitgliedstaaten hätten kraft Gemeinschaftsrecht nicht nachzuprüfen, ob ein anderer Mitgliedstaat generell sicher sei, da eine entsprechende normative Vergewisserung durch die Verabschiedung der Dublin II-Verordnung erfolgt sei, dabei aber gleichzeitig ebenso ausgeführt, dass eine Nachprüfung der grundrechtlichen Auswirkungen einer Überstellung im Einzelfall gemeinschaftsrechtlich zulässig und bejahendenfalls das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-Verordnung zwingend geboten sei.

 

Die Judikatur des VwGH zu den Determinanten dieser Nachprüfung lehnt sich richtigerweise an die Rechtsprechung des EGMR an und lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigende notorische Umstände grober Menschenrechts-verletzungen in Mitgliedstaaten der EU in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, Zl. 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter auf den betreffenden Fremden bezogener Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall seiner Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 26.11.1999, Zl 96/21/0499, VwGH 09.05.2003, Zl. 98/18/0317; vgl auch VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059): "Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist." (VwGH 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949).

 

Die Vorlage allgemeiner Berichte ersetzt dieses Erfordernis in der Regel nicht (vgl. VwGH 17.02.1998, Zl. 96/18/0379; EGMR Mamatkulov & Askarov v Türkei, Rs 46827, 46951/99, 71-77), eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle einer Überstellung ebenso eine allfällige Unterschreitung des verfahrensrechtlichen Standards des Art. 13 EMRK sind für sich genommen nicht ausreichend, die Wahrscheinlichkeit einer hier relevanten Menschenrechtsverletzung darzutun. Relevant wäre dagegen etwa das Vertreten von mit der GFK unvertretbaren rechtlichen Sonderpositionen in einem Mitgliedstaat oder das Vorliegen einer massiv rechtswidrigen Verfahrensgestaltung im individuellen Fall, wenn der Asylantrag im zuständigen Mitgliedstaat bereits abgewiesen wurde (Art. 16 Abs. 1 lit. e Dublin II-Verordnung). Eine ausdrückliche Übernahmeerklärung des anderen Mitgliedstaates hat in die Abwägung einzufließen (VwGH 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582, VwGH 31.05.2005, Zl. 2005/20/0025, VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/19/0673), ebenso andere Zusicherungen der europäischen Partnerstaaten Österreichs (zur Bedeutung solcher Sachverhalte Filzwieser/ Liebminger, Dublin II-Verordnung, K13. zu Art 19 Dublin II-Verordnung).

 

Zur allgemeinen Kritik des Beschwerdeführers an Griechenland ist unbestritten, dass UNHCR das Absehen von Überstellungen empfohlen hat und einige Berichte von NGO's ernste Kritik an verschiedenen Aspekten des griechischen Asylverfahrens und des Umgangs mit Asylwerbern üben. Dies hat auch zur Aufhebung bestimmter Bescheide des BAA durch den UBAS bzw den Asylgerichtshof geführt, wenn sich diese Bescheide mit dieser Erkenntnislage nicht hinreichend auseinandergesetzt haben (siehe nur UBAS 05.05.2008, Zahl: 318.977-1/2E-XV/53/08), da jedenfalls bei bestimmten Vorbringen von einer Erschütterung der Regelvermutung des § 5 Abs 3 AsylG auszugehen war.

 

Im vorliegenden Fall hat sich (neben anderen aktuellen Quellen) aber die Erstbehörde auf das Ergebnis einer Fact Finding Mission der schwedischen Asylbehörde aus April 2008 gestützt, der die Beschwerde nur pauschal, nicht aber im Einzelnen substantiiert entgegentritt.

 

Zentral folgt daraus, dass bei Überstellungen nach der Dublin II-VO ein tatsächlicher Zugang zum Asylverfahren besteht. Probleme des Zugangs zum Asylverfahren, wie sie sich etwa in anderen Berichten bei der Ersteinreise von Personen aus der Türkei nach Griechenland widerspiegeln, sind daher nicht relevant. Griechenland hat im vorliegenden Konsultationsverfahren auch ausdrücklich den Zugang des Beschwerdeführers zum Asylverfahren bejaht. Anlass dieser individuellen Erklärung der griechischen Asylbehörde als der Behörde eines EU-Mitgliedstaates zu misstrauen besteht nicht und wurde wiederum im Vorbringen des Beschwerdeführers auch nicht substantiiert dargetan.

 

Da im konkreten Fall ein Asylverfahren noch nicht begonnen wurde, verbieten sich auch spekulative Erwägungen über dessen Ausgang und die Erfolgsaussichten des Beschwerdeführers. Die Kritik von UNHCR an der fehlenden Praxis der Gewährung subsidiären Schutzes kann daher bei der gegenwärtigen Entscheidungsfindung beispielsweise keine Rolle spielen. Nichtsdestotrotz hat der Gerichtshof mitberücksichtigt, dass in keiner der Quellen des vorliegenden Verfahrens Fälle angeführt wurden, in denen Asylwerber tatsächlich in ihre Herkunftsländer aus Griechenland abgeschoben wurden. So hat der britische Court of Appeal in der zeitlich nach der Veröffentlichung der UNHCR-Position (und unter ausdrücklicher Auseinandersetzung mit derselbigen) ergangenen Berufungs-entscheidung vom 14.05.2008 ([2008] EWCA Civ 464, Jawad NASSARI), in welcher eine Überstellung eines afghanischen Asylwerbers nach Griechenland im Einklang mit der im vorliegenden Erkenntnis des Asylgerichtshofes vertretenen Rechtsauffassung, abgewiesen wurde, ausgeführt: (Punkte 40-41, per Lord Justice Laws:

"There are clearly concerns about the conditions in which asylum-seekers may be detained in Greece. It is not however shown that they give rise to systemic violations of Article 3. As regards refoulement, Mr Nicol in a note dated 2 May 2008 submits that the earlier evidence taken together with the new UNHCR material shows "at the very least, a serious cause for concern as to whether the Greek authorities would onwardly remove the respondent to Afghanistan in breach of Article 3. I certainly accept that such evidence as there is, and in particular the recent UNHCR Paper, shows that the relevant legal procedures are to say the least shaky, although there has been some improvement. I have considered whether the right course would be to send the case back to the High Court for a fuller examination of the factual position. But in truth there are currently no deportations or removals to Afghanistan, Iraq, Iran, Somalia or Sudan, and as I understand it no reports of unlawful refoulement to any destination. That seems to me to be critical. I would accordingly hold, on the evidence before us, that as matters stand Greece's continued presence on the list does not offend the United Kingdom's Convention obligations. It follows that there is no case for a limited declaration of incompatibility relating only to Greece (...)"

 

Auch der von der Erstinstanz herangezogene Bericht des Schwedischen Migrationsamtes bestätigt, dass das reale Risiko einer Verletzung des Art. 3 EMRK durch eine Kettenabschiebung infolge Verstoßes gegen das Non-Refoulement Gebot nicht besteht. Dass gerade der Beschwerdeführer - bei dem Faktoren einer besonderen Vulnerabilität nicht bestehen - bei einer Rückkehr in eine aussichtslose Situation wegen Verweigerung der Unterbringung kommen würde, lässt sich aus der allgemeinen Berichtslage, bei aller Kritik an Einzelfällen, nicht ableiten.

 

Im Ergebnis hat die vorgenommene Prüfung somit nicht ergeben, dass allgemein Überstellungen nach Griechenland nicht vorgenommen werden dürfen. Dies entspricht der Rechtsansicht der Europäischen Kommission (vgl Pressemitteilung vom 09.04.2008), ebenso wie der zitierten englischen Judikatur.

 

Zu den in der Beschwerde vorgebrachten Übergriffen der griechischen Polizei:

 

Nachdem sich im bisherigen Verfahren keinerlei Hinweise auf Übergriffe durch griechische Polizeibeamte finden konnten und die nunmehr in der Beschwerde vorgebrachten Anschuldigungen oberflächlich und unsubstantiiert sind, vermögen diese im Hinblick auf bereits erfolgte und zugestandene Falschaussagen des Beschwerdeführers und den langen Verbleib (10Monate) in Griechenland den Asylgerichtshof nicht davon zu überzeugen.

 

In der Stellungnahme des Facharztes für Psychiatrie und Neurologie, Dr. P.M., vom 06.03.2008 wurde die Frage nach schweren psychischen Störungen, die bei einer Überstellung eine unzumutbare Verschlechterung des Gesundheitszustandes bewirken würden, verneint. Auch wurde jegliches Gesundheitsrisiko einer Überstellung des Beschwerdeführers ausgeschlossen. Auf Vorhalt der fachärztlichen Stellungnahme und Nachfrage des Rechtsberaters nach vorliegenden Beschwerden meinte der Beschwerdeführer, er habe nach wie vor Beschwerden, die Medikamente hätten ihm sehr geholfen, sie wären aber zwischenzeitig ausgegangen.

 

Bei einer weiteren niederschriftlichen Einvernahme am 06.06.2008 zum gesundheitlichen Zustand befragt teilte der Beschwerdeführer mit, dass er nur Schlaftabletten nehme, da er nicht schlafen könne, ansonsten gehe es ihm gut.

 

Nachdem auch in der Beschwerde keine gesundheitlichen Probleme angesprochen wurden und durch die fachärztliche Stellungnahme jegliches gesundheitliches Risiko durch eine Überstellung verneint wurde, ist eine diesbezügliche Verletzung von Bestimmungen der EMRK auszuschließen.

 

Der Beschwerdeführer konnte auch keinerlei besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorbringen und glaubhaft machen. Es mangelt an jeglichem ausreichend konkreten Vorbringen, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art. 3 EMRK, nach sich ziehen könnte.

 

Da der Beschwerdeführer somit keine besonderen Gründe, die für eine reale Gefahr einer Verletzung des Art.3 EMRK in Griechenland sprechen, glaubhaft machen konnte, greift die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG, wonach ein Asylwerber in einem "Dublinstaat" Schutz vor Verfolgung findet.

 

Weiterhin hatte der Asylgerichtshof folgende Umstände zu berücksichtigen:

 

Bei entsprechender Häufung von Fällen, in denen in Folge Ausübung des Selbsteintrittsrechts die gemeinschaftsrechtliche Zuständigkeit nicht effektuiert werden kann, kann eine Gefährdung des "effet utile" Grundsatzes des Gemeinschaftsrechts entstehen.

 

Zur effektiven Umsetzung des Gemeinschaftsrechts sind alle staatlichen Organe kraft Gemeinschaftsrechts verpflichtet.

 

Der Verordnungsgeber der Dublin II-Verordnung, offenbar im Glauben, dass sich alle Mitgliedstaaten untereinander als "sicher" ansehen können, wodurch auch eine Überstellung von einem in den anderen Mitgliedstaat keine realen Risken von Menschenrechtsverletzungen bewirken könnte (vgl. insbesondere den 2. Erwägungsgrund der Präambel der Dublin II-Verordnung), hat keine eindeutigen verfahrens- oder materiellrechtlichen Vorgaben für solche Fälle getroffen, diesbezüglich lässt sich aber aus dem Gebot der menschenrechtskonformen Auslegung des Gemeinschaftsrechts und aus Beachtung der gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgrundrechte ableiten, dass bei ausnahmsweiser Verletzung der EMRK bei Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat eine Überstellung nicht stattfinden darf. Die Beachtung des Effizienzgebots (das etwa eine pauschale Anwendung des Selbsteintrittsrechts oder eine innerstaatliche Verfahrensgestaltung, die Verfahren nach der Dublin II-Verordnung umfangreicher gestaltet als materielle Verfahren verbietet) und die Einhaltung der Gebote der EMRK stehen daher bei richtiger Anwendung nicht in Widerspruch (Filzwieser, migraLex, 1/2007, 18ff, Filzwieser/Liebminger, Dublin II-Verordnung, K8-K13. zu Art. 19).

 

Die allfällige Rechtswidrigkeit von Gemeinschaftsrecht kann nur von den zuständigen gemeinschaftsrechtlichen Organen, nicht aber von Organen der Mitgliedstaaten rechtsgültig festgestellt werden. Der EGMR hat festgestellt, dass der Rechtsschutz des Gemeinschafts-rechts regelmäßig den Anforderungen der EMRK entspricht (30.06.2005, Bosphorus Airlines v Irland, Rs 45036/98).

 

Es bedarf sohin europarechtlich eines im besonderen Maße substantiierten Vorbringens und des Vorliegens besonderer vom Antragsteller bescheinigter außergewöhnlicher Umstände, um die grundsätzliche europarechtlich gebotene Annahme der "Sicherheit" der Partnerstaaten der Europäischen Union als einer Gemeinschaft des Rechts im individuellen Fall erschüttern zu können. Diesem Grundsatz entspricht auch die durch das AsylG 2005 eingeführte gesetzliche Klarstellung des § 5 Abs. 3 AsylG, die Elemente einer Beweislastumkehr enthält. Es trifft zwar ohne Zweifel zu, dass Asylwerber in ihrer besonderen Situation häufig keine Möglichkeit haben, Beweismittel vorzulegen (wobei dem durch das Institut des Rechtsberaters begegnet werden kann), und dies mitzubeachten ist (VwGH, 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949), dies kann aber nicht pauschal dazu führen, die vom Gesetzgeber - im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht - vorgenommene Wertung des § 5 Abs. 3 AsylG überhaupt für unbeachtlich zu erklären (dementsprechend in ihrer Undifferenziertheit verfehlt, Feßl/Holzschuster, AsylG 2005, 225ff). Eine Rechtsprechung, die in Bezug auf Mitgliedstaaten der EU faktisch höhere Anforderungen entwickelte, als jene des EGMR in Bezug auf Drittstaaten wäre jedenfalls gemeinschaftsrechtswidrig.

 

2.1.2.1. Mögliche Verletzung des Art. 8 EMRK

 

Im konkreten Fall haben sich im gesamten Verfahren keine Anknüpfungspunkte des Beschwerdeführers zu Österreich ergeben, wofür auch sein Vorbringen bei der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt, Außenstelle Linz, am 06.06.2008 spricht, wonach er weder in Österreich arbeitet noch hier lebende Verwandte hat.

 

Es liegen auch sonst keine Hinweise auf eine bereits erfolgte außergewöhnliche Integration in Österreich, etwa aufgrund sehr langer Verfahrensdauer, vor (vgl. VfGH 26.02.2007, Zl. 1802, 1803/06-11). Dies wurde auch vom Beschwerdeführer von sich aus zu keinem Zeitpunkt behauptet.

 

Daher stellt eine Überstellung des Beschwerdeführers nach Griechenland keinesfalls eine Verletzung des Art. 3 EMRK und somit auch keinen Anlass zur Ausübung des Selbsteintrittsrechtes Österreichs nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-Verordnung dar.

 

2.1.2.2. Zusammenfassend sieht der Asylgerichtshof im Einklang mit der diesbezüglichen Sichtweise der Erstbehörde keinen Anlass, Österreich zwingend zur Anwendung des Art. 3 Abs. 2 VO 343/2003 infolge drohender Verletzung von Art. 3 oder Art. 8 EMRK zu verpflichten.

 

2.1.3. Spruchpunkt I der erstinstanzlichen Entscheidung war sohin bei Übernahme der Beweisergebnisse und rechtlichen Würdigung der Erstbehörde mit obiger näherer Begründung zu bestätigen.

 

2.2. Spruchpunkt II:

 

Die Erwägungen der Erstbehörde zu Spruchpunkt II waren vollinhaltlich zu übernehmen. Auch im Beschwerdeverfahren sind keine Hinweise hervorgekommen, die eine Aussetzung der Überstellung nach Griechenland in Vollzug der Ausweisung aus Österreich erforderlich erschienen ließen. Diese erweist sich daher bezogen auf den Entscheidungszeitpunkt als zulässig.

 

Hinsichtlich der vom Beschwerdeführer bekämpften Ausweisung ist festzuhalten, dass das Bundesasylamt eine korrekte Überprüfung im Sinne der Rechtsprechung vorgenommen hat. Den Ausführungen zu Spruchpunkt II des erstinstanzlichen Bescheides ist seitens des Asylgerichtshofes für den konkreten Fall, zuzustimmen.

 

2.3. Gemäß § 41 Abs. 4 AsylG konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Ausweisung, gesundheitliche Beeinträchtigung, real risk, Überstellungsrisiko (ab 08.04.2008)
Zuletzt aktualisiert am
20.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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