C7 312.694-1/2008/10E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. HAT als Einzelrichterin über die Beschwerde der T.H., geb. 00.00.2007, StA. Mongolei, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 31.05.2007, Zl. 07 02.244 - BAL nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18.10.2007 zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird stattgegeben und T.H. gemäß §§ 3, 34 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBL I Nr. 4/2008, der Status einer Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass T.H. kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Verfahrensgang
Die Beschwerdeführerin stellte am 02.03.2007 im Wege ihrer Mutter einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich und brachte eine Geburtsurkunde in Vorlage.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Linz, vom 31.05.2007 wurde der Antrag auf internationalen Schutz der Beschwerdeführerin abgewiesen und ihr der Status des Asylberechtigten nicht zuerkannt. Zugleich wurde ihr in Spruchpunkt II gemäß § 8 Abs. 1 Ziffer 1 iVm § 34 Abs. 3. Ziffer 1 AsylG der Status des subsidiären Schutzberechtigten im Bezug auf ihren Herkunftsstaat nicht zuerkannt. Gemäß § 10 Abs. 1 Ziffer 2 AsylG wurde die Beschwerdeführerin aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Mongolei ausgewiesen.
Dagegen wurde rechtzeitig Berufung (nunmehr: Beschwerde) erhoben.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
1. Es werden folgende Feststellungen getroffen:
1.1. Die Beschwerdeführerin ist mongolische Staatsangehörige. Sie ist minderjährige Tochter und somit Teil der Kernfamilie der B.E. und des D.S., denen mit Erkenntnis vom heutigen Tag (GZ. C7 312.693-1/2008/14E, C7 245.262-0/2008/16E) Asyl gewährt wurde. Eigene aktuelle Fluchtgründe sind für sie im Verfahren nicht hervorgekommen.
1.2. Zur Lage in der Mongolei wird folgendes festgestellt:
Die Mongolei zählt zu den Transformationsländern des ehemaligen Ostblocks. Die Verfassung von 1992 sieht die Gewaltenteilung zwischen Legislative (Großer Staatskhural, Einkammerparlament), Regierung und Rechtsprechung vor.
Seit Mai 2005 ist Nambarin Enkhbayar (Mongolische Revolutionäre Volkspartei, MRVP), ehemaliger Ministerpräsident (2000-2004) und Parlamentspräsident, Präsident der Mongolei.
An der Spitze der Regierung stand von August 2004 bis Januar 2006 Tsakhia Elbegdorj, Mitglied der Demokratischen Partei, DP. Am 11. Januar 2006 traten 10 Kabinettsmitglieder zurück, so dass in Übereinstimmung mit der Verfassung der Mongolei eine Neuwahl erforderlich wurde. Das neue Kabinett wurde am 27.01.2006 gewählt. Ministerpräsident dieser neuen "Regierung der Nationalen Solidarität" wurde Miyegombo Enkhbold, damals Vorsitzender der MRVP. Die Regierung verfolgt das Ziel, die sozialen Probleme der Mehrheit der Bevölkerung zu lindern, von der nach Schätzungen 50% unterhalb der Armutsgrenze lebt. Die fünf Entwicklungskriterien (Menschenrechte, Beteiligung der Zivilbevölkerung am politischen Prozess, Rechtsstaatlichkeit, marktfreundliche Wirtschaftsordnung und auf die Entwicklung des Landes orientiertes staatliches Handeln) werden von der mongolischen Regierung als Leitziele der Politik anerkannt. Die Regierung tritt für die Verbesserung der Menschenrechte ein, darunter insbesondere der Rechte der Frauen ("Aktionsplan Menschenrechte"). Das Parlament hat im November 2007 Sanj Bayar, neuer Vorsitzender der Regierungspartei MRVP, zum Ministerpräsidenten und damit zum Nachfolger von Miyegombo Enkhbold gewählt.
Die Menschenrechtslage in der Mongolei wird im Allgemeinen als gut betrachtet.
Laut UNHCR gibt es keine speziell gefährdeten Personengruppen, die in der Mongolei Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt wären. Dennoch vermerkt UNHCR, dass bestimmte Personen wie Journalisten, Oppositionspolitiker oder Frauen bei der Ausübung ihrer Menschenrechte "auf Schwierigkeiten stoßen können".
Kritisiert werden vor allem Misshandlungen in Polizeigewahrsam und Korruption in der Gerichtsbarkeit. Auch gibt es nach wie vor Bedenken hinsichtlich der Haftbedingungen.
Korruption ist ein generelles Problem in der Mongolei, auch in den Reihen der Polizei. Die Regierung und die Behörden bemühen sich jedoch, das Problem in den Griff zu bekommen und haben verschiedenste Maßnahmen im Kampf gegen die Korruption gesetzt. Es wird auch ein nationale Programm gegen Korruption entwickelt.
Die Verfassung schützt die Freizügigkeit des Personenverkehrs innerhalb des Landes ebenso wie das Recht auf Auslandsreisen und die Rückkehr sowie Immigration ohne Restriktionen. Dieses Recht wird in der Rechtspraxis respektiert.
Die medizinische Grundversorgung in der Mongolei ist gewährleistet, jedoch sind Selbstbehalte zu zahlen.
Quellen:
UK Home Office, Operational Guidance Note Mongolia, April 2007
USDOS, Country Reports on Human Rights Practices, Mongolia, March 2008
ÖB Bericht Mongolei, Juli 2007
2. Diese Feststellungen gründen sich auf folgende Beweiswürdigung:
2.1. An dem Verwandtschaftsverhältnis zu den Eltern der Beschwerdeführerin bestehen keine Zweifel, zumal die richtiggestellten Angaben zur Identität der Eltern einer Überprüfung durch einen länderkundigen Sachverständigen unterzogen und bestätigt wurden. Die Identität der in Österreich geborenen Beschwerdeführerin ergibt sich aus der vorgelegten Geburtsurkunde.
2.2. Eine individuelle Verfolgungsgefahr für die Berufungswerberin ist im Verfahren nicht hervorgekommen.
2.3. Die Feststellungen zur Lage in der Mongolei ergeben sich aus einer Gesamtschau der zitierten angeführten aktuellen Quellen.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Anzuwenden war das AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 in der geltenden Fassung (im Folgenden: "AsylG 2005"), das AVG, BGBl. Nr. 51/1991 in der geltenden Fassung und das ZustG, BGBl. Nr. 200/1982 in der geltenden Fassung.
Gemäß § 75 Abs. 7 Z 1 Asylgesetz 2005 idF Art. 2 BG BGBl. I 4/2008 sind Verfahren, die am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig sind, vom Asylgerichtshof weiterzuführen; Mitglieder des unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.
Da im vorliegenden Verfahren bereits vor dem 1. Juli 2008 eine mündliche Verhandlung vor der nunmehr zuständigen Richterin stattgefunden hat, ist von einer Einzelrichterzuständigkeit auszugehen.
3.2. Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz idF BGBL. I Nr. 100/2005 hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1, Abschnitt A, Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.
Flüchtling i.S.d. AsylG ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung".
Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; VwGH 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH 25.1.2001, Zl. 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht. (VwGH E vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH 25.1.2001, Zl. 2001/20/0011).
Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.02.1997, Zl. 95/01/0454, VwGH 09.04.1997, Zl. 95/01/055), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH 18.04.1996, Zl. 95/20/0239; VwGH 16.02.2000, Zl. 99/01/0397), sondern erfordert eine Prognose.
Verfolgungshandlungen die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).
Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, Zl. 93/01/0284; VwGH 15.03.2001, Zl. 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183, VwGH 18.02.1999, Zl. 98/20/0468).
Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).
Eine Verfolgung, d.h. ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen, kann weiters nur dann asylrelevant sein, wenn sie aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen (Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung) erfolgt, und zwar sowohl bei einer unmittelbar von staatlichen Organen ausgehenden Verfolgung als auch bei einer solchen, die von Privatpersonen ausgeht (VwGH 27.01.2000, Zl. 99/20/0519, VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256, VwGH 04.05.2000, Zl. 99/20/0177, VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203, VwGH 21.09.2000, Zl. 2000/20/0291, VwGH 07.09.2000, Zl. 2000/01/0153, u.a.).
Stellt ein Familienangehöriger (§ 2 Z 22) von einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist oder von einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder von einem Asylwerber einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt gemäß § 34 Abs. 1 AsylG dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.
Gemäß Abs. 2 leg. cit. hat die Behörde aufgrund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Artikel 8 EMRK mit dem Familienangehörigen in einem anderen Staat nicht möglich ist.
Gemäß Abs. 3 leg. cit. hat die Behörde aufgrund eines Antrages eines im Bundesgebiet befindlichen Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, es sei denn, 1. dass die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Artikel 8 EMRK mit dem Angehörigen in einem anderen Staat möglich ist, oder 2. dem Asylwerber der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen ist.
Gemäß Abs. 4 leg. cit. hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen, und es erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid.
Familienangehörige sind gemäß § 2 Z 22 AsylG, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung unverheiratetes minderjähriges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Familiengemeinschaft bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.
Da keinerlei Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das bestehende Familienleben der Beschwerdeführerin mit ihren Eltern in einem anderen Staat, nämlich insbesondere in ihrem Herkunftsstaat Mongolei, möglich ist, war ihr aus diesem Grunde gemäß § 34 AsylG Asyl zu gewähren.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG war die Entscheidung über die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.