TE AsylGH Erkenntnis 2008/08/29 A3 317605-1/2008

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Veröffentlicht am 29.08.2008
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Spruch

A3 317.605-1/2008/7E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Holzschuster als Vorsitzende und den Richter Mag. LAMMER als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin VB Wilhelm über die Beschwerde des J.W., geb. 00.00.1979, StA. Guinea, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 28.01.2008, FZ. 07 08.881-BAW, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen.

 

Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 wird J.W. der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Guinea nicht zuerkannt.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 wird J.W. aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Guinea ausgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I.1. Der nunmehrige Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Guinea, brachte beim Bundesasylamt am 25.09.2007 einen Antrag auf internationalen Schutz iSd § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ein. Zu seinem Fluchtweg und den Fluchtgründen wurde er im Beisein eines geeigneten Dolmetschers am 25.09.2007, 26.09.2007, 02.10.2007 und am 15.01.2008 niederschriftlich einvernommen. Sein damaliges Vorbringen wurde im angefochtenen Bescheid der Erstinstanz vom 28.01.2008, FZ. 07 08.881-BAW, richtig und vollständig wiedergegeben, sodass der diesbezügliche Teil des bekämpften Bescheides zum Inhalt der vorliegenden Entscheidung erhoben wird.

 

2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 28.01.2008, FZ. 07 08.881-BAW, wurde der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und dem nunmehrigen Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten nicht zuerkannt. Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 wurde dem nunmehrigen Beschwerdeführer weiters der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt und wurde er weiters gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Guinea ausgewiesen. Im Wesentlichen wurde begründet ausgeführt, dass die Ausführungen zu den Fluchtgründen gravierend widersprüchlich seien und in zentralen Punkten augenscheinlich nicht den Tatsachen entsprechen. Die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln in Guinea sei gewährleistet, sodass der Beschwerdeführer im Falle der Abschiebung in keine aussichtslose Situation geraten würde. Weiters würden keine Hinweise vorliegen, welche den Schluss zulassen, dass durch eine Ausweisung auf sonstige Weise unzulässigerweise in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingegriffen werde.

 

3. Gegen diese Entscheidung erhob der nunmehrige Beschwerdeführer fristgerecht und zulässig Berufung (nunmehr Beschwerde). In dieser wird betont, dass die Behörde offensichtlich ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht nicht bzw. nur sehr mangelhaft nachgekommen sei, da sie ansonsten mit Sicherheit zu einem anderen Ergebnis, nämlich zur Stattgebung des Asylantrages gekommen wäre. Es sei deshalb das gesamte Verfahren mit Mangelhaftigkeit belastet. Die Behörde stelle lediglich gegen den Einschreiter sprechende Umstände fest. In keinster Weise ziehe die Behörde Gründe heran, die für das Vorbringen des Einschreiters sprechen und verletze sie somit ihre Begründungspflicht.

 

II. Der Asylgerichtshof hat über die Beschwerde in nicht öffentlicher Sitzung erwogen:

 

A. Gemäß § 75 Abs. 7 AsylG 2005 (in der Folge: AsylG) hat über die Berufung, die gemäß § 23 AsylGHG nunmehr als Beschwerde zu gelten hat, der Asylgerichtshof zu entscheiden; da keine der in § 61 Abs. 3 AsylG angeführten Ausnahmen vorliegt, hat der Asylgerichtshof in einem Senat von zwei Richtern zu entscheiden.

 

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG hat die Behörde einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht.

 

Der Status eines Asylberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen. Diese liegen vor, wenn sich jemand aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, der Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen. Ebenso liegen die Voraussetzungen bei Staatenlosen, die sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes ihres gewöhnlichen Aufenthalts befinden und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt sind, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist die "begründete Furcht vor Verfolgung". Die begründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn in objektiver Weise eine Person in der individuellen Situation des Asylwerbers Grund hat, eine Verfolgung zu fürchten. Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthalts zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr. Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen muss. Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen stellen im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr dar, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist.

 

Das Bundesasylamt hat in der Begründung des Bescheides vom 28.01.2008, FZ. 07 08.881-BAW, die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage hinsichtlich der behaupteten Flüchtlingseigenschaft klar und übersichtlich zusammengefasst und den rechtlich maßgeblichen Sachverhalt in völlig ausreichender Weise erhoben.

 

Der Asylgerichtshof schließt sich den diesbezüglichen Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid vollinhaltlich an und erhebt diese zum Inhalt des gegenständlichen Bescheides. Der Beweiswürdigung wurde nicht substantiiert entgegengetreten und erschöpft sich die Berufung (nunmehr Beschwerde) in textbausteinartigen Ausführungen ohne konkreten Fallbezug. Somit konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof abgesehen werden, da der maßgebende Sachverhalt durch die Aktenlage in Verbindung mit der Berufung (nunmehr Beschwerde) geklärt erscheint (vgl. § 41 Abs. 7, 1. Fall AsylG).

 

B. Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG hat die Behörde einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Wird einem Fremden der Status des Asylberechtigten nicht zuerkannt, hat die Behörde von Amts wegen zu prüfen, ob dem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen ist.

 

Wird der Antrag auf internationalen Schutz eines Fremden in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, ordnet § 8 Abs. 1 AsylG an, dass dem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen ist, wenn eine mögliche Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat für ihn eine reale Gefahr einer Verletzung in seinem Recht auf Leben (Art. 2 EMRK iVm den Protokollen Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe) oder eine Verletzung in seinem Recht auf Schutz vor Folter oder unmenschlicher Behandlung oder erniedrigender Strafe oder Behandlung (Art. 3 EMRK) oder für den Fremden als Zivilpersonen eine reale Gefahr einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit seiner Person infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Unter realer Gefahr ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr ("a sufficiently real risk") möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. etwa VwGH vom 19.02.2004, Zl. 99/20/0573, mwN auf die Judikatur des EGMR). Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre und es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen, dass der Betroffene ein solches Schicksal erleiden könnte, reichen nicht aus.

 

Nach der Judikatur des EGMR obliegt es der betroffenen Person, die eine Verletzung von Art. 3 EMRK im Falle einer Abschiebung behauptet, so weit als möglich Informationen vorzulegen, die den innerstaatlichen Behörden und dem Gerichtshof eine Bewertung der mit einer Abschiebung verbundenen Gefahr erlauben (vgl. EGMR vom 05.07.2005 in Said gg. die Niederlande). Bezüglich der Berufung auf eine allgemeine Gefahrensituation im Heimatstaat, hat die betroffene Person auch darzulegen, dass ihre Situation schlechter sei, als jene der übrigen Bewohner des Staates (vgl. EGMR vom 26.07.2005 N. gg. Finnland).

 

Das Vorliegen eines tatsächlichen Risikos ist von der Behörde im Zeitpunkt der Entscheidung zu prüfen (vgl. EGMR vom 15.11.1996 in Chahal gg. Vereinigtes Königreich).

 

Gemäß der Judikatur des VwGH erfordert die Beurteilung des Vorliegens eines tatsächlichen Risikos eine ganzheitliche Bewertung der Gefahr an dem für die Zulässigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK auch sonst gültigen Maßstab des "real risk", wobei sich die Gefahrenprognose auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. VwGH vom 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582, Zl. 2005/20/0095). Dabei kann bei der Prüfung von außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegender Gegebenheiten nur dann in der Außerlandesschaffung des Antragstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK liegen, wenn außergewöhnliche, exzeptionelle Umstände, glaubhaft gemacht sind (vgl. EGMR, Urteil vom 06.02.2001, Beschwerde Nr. 44599/98, Bensaid v United Kingdom; VwGH vom 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443). Ob die Verwirklichung der im Zielstaat drohenden Gefahren eine Verletzung des Art. 3 EMRK durch den Zielstaat bedeuten würde, ist nach der Rechtsprechung des EGMR nicht entscheidend.

 

Das Bestehen einer Gefährdungssituation iSd § 50 FPG 2005 wurde bereits unter Spruchpunkt A geprüft und verneint.

 

Wie bereits in der Beweiswürdigung der Erstinstanz dargestellt wurde, ist das Vorbringen unglaubwürdig, weshalb die schlüssige, stimmige und konkrete Schilderung einer Gefahr im Sinne des § 50 FPG 2005 ausgeschlossen werden kann.

 

Der Asylgerichtshof schließt sich den diesbezüglichen Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid bezüglich der Refoulement-Entscheidung vollinhaltlich an und erhebt diese zum Inhalt des gegenständlichen Bescheides. Angemerkt wird, dass keine Umstände amtsbekannt sind, dass in Guinea landesweit eine solche extreme Gefährdungslage bestünde, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne des Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre.

 

C. Auch die gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG verfügte Ausweisung erweist sich als rechtsrichtig. Die in § 10 Abs. 2 AsylG normierten Ausnahmetatbestände liegen nicht vor. Es ist unstrittig, dass der (nunmehrige) Beschwerdeführer über kein nicht auf das Asylgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht verfügt. Es wurde vom (nunmehrigen) Beschwerdeführer keine besondere Beziehungsintensität im Sinne eines Abhängigkeitsverhältnisses zu einer in Österreich lebenden Person behauptet. Die Ausweisung stellt daher keinen ungerechtfertigten Eingriff in das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Familienleben dar.

 

Es sind auch keine Umstände hervorgekommen, die auf eine besondere Integration des (nunmehrigen) Beschwerdeführers in Österreich hindeuten. Der Beschwerdeführer ist erst seit kurzer Zeit in Österreich aufhältig. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die nunmehrige Ausweisung einen Eingriff in Art. 8 Abs. 1 EMRK darstellt, so gelangt die erkennende Behörde im Hinblick auf diese Umstände (kein Anhaltspunkt für besondere Integration, erst kurzer Aufenthalt) doch zum Ergebnis, dass die in Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführten öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung, insbesondere das wirtschaftliche Wohl des Landes (Verhinderung ungeordneter Zuwanderung) die Interessen des (nunmehrigen) Beschwerdeführers am weiteren Verbleib überwiegen, dies auch deshalb, weil dem (nunmehrigen) Beschwerdeführer bewusst sein musste, dass er nur über eine vorübergehende Aufenthaltsberechtigung für Asylwerber verfügt und das Land im Falle einer negativen Verfahrensbeendigung zu verlassen hat.

 

Von einer mündlichen Verhandlung konnte Abstand genommen werden, zumal der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung (nunmehr Beschwerde) geklärt erscheint (§ 41 Abs. 7, 1. Fall AsylG).

 

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Ausweisung, Glaubwürdigkeit, Lebensgrundlage, non refoulement
Zuletzt aktualisiert am
15.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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