TE AsylGH Erkenntnis 2008/08/29 C5 400823-1/2008

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Veröffentlicht am 29.08.2008
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Spruch

C5 400.823-1/2008/3E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. SCHADEN als Einzelrichter über die Beschwerde des Herrn S.M., geb. 00.00.1981, StA. Bangladesch, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 25.6.2008, 08 01.251-EAST Ost, zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß § 68 Abs. 1 AVG iVm § 23 AsylGHG und § 10 Abs. 1 Z 1 Asylgesetz 2005, Art. 2 BG BGBl. I Nr. 100/2005, abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

1.1.1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Bangladesch', stellte am 8.4.2005 den Antrag, ihm Asyl zu gewähren. Bei seinen Einvernahmen vor dem Bundesasylamt (Erstaufnahmestelle Ost in Traiskirchen und Außenstelle Wien) am 12.4.2005 und am 12.1.2006 gab er - gerafft wiedergegeben - an, er sei von 1998 bis 2003 Mitglied der BNP (Bangladesh Nationalist Party) gewesen. 2003 sei das ehemalige Staatsoberhaupt B Chowdhury mit seinem Sohn Mahi Chowdhury aus der BNP ausgeschieden und habe eine neue Partei namens Bikolpo Dhara (BD) gegründet. Auch der Beschwerdeführer sei in diesem Jahr zur neuen Partei übergetreten. Bei einer Demonstration sei ein Mitglied der BD von Mitgliedern der BNP getötet worden; Mitglieder der BD seien mehrmals mit dem Umbringen bedroht worden. Die Mitglieder der BNP seien wütend auf den Beschwerdeführer, weil er die Partei verlassen habe und auch weil er als Hindu Angehöriger einer Minderheit sei. Er sei angegriffen und am Kopf und am Bein verletzt worden. Er wisse nicht, ob nicht mittlerweile sein Elternhaus angezündet worden und seine Familienangehörigen getötet worden seien. Aus Angst um sein Leben habe er sein Heimatland verlassen. Er sei in seiner Partei Mitglied des Polizeibezirkes S. gewesen.

 

1.1.2. Mit Bescheid vom 16.10.2007, 05 04.870-BAW, wies das Bundesasylamt den Asylantrag gemäß § 7 Asylgesetz 1997 BGBl. I 76 (in der Folge: AsylG 1997) idF der Asylgesetznovelle 2003 BGBl. I 101 (AsylGNov. 2003) ab (Spruchpunkt I); gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 erklärte es, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Bangladesch sei zulässig (Spruchpunkt II); gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 1997 wies es den Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Bangladesch aus (Spruchpunkt III). Das Bundesasylamt beurteilte das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht als glaubwürdig und begründete dies näher. Weiters verneinte es, dass der Beschwerdeführer iSd § 8 Abs. 1 AsylG 1997 iVm § 57 Abs. 1 und 2 Fremdengesetz 1997 BGBl. I 75 (in der Folge: FrG) bzw. iVm § 50 Fremdenpolizeigesetz 2005 (Art. 3 BG BGBl. I 100/2005) bedroht oder gefährdet sei, und begründete abschließend seine Ausweisungsentscheidung.

 

Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 22.10.2007 durch Hinterlegung beim Postamt zugestellt. Die Zustellversuche hatten an der Meldeadresse des Beschwerdeführers, B. stattgefunden, dort war auch die Hinterlegungsanzeige in das Hausbrieffach eingelegt worden. Die Sendung, die den Bescheid enthielt, wurde nicht behoben und dem Bundesasylamt von der Post zurückgeschickt. Der Beschwerdeführer brachte gegen den Bescheid kein Rechtsmittel ein.

 

1.2.1. Am 4.2.2008 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf internationalen Schutz (in der Folge auch als Asylantrag bezeichnet). Bei seinen Einvernahmen vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes (Bundespolizeidirektion Wien, OEA-Polizeianhaltezentrum) am 4.2.2008 und vor dem Bundesasylamt (Erstaufnahmestelle Ost in Traiskirchen) am 15.2.2008 und am 27.2.2008 gab er an, er habe sich seit seinem letzten Asylantrag 2005 ständig im Bundesgebiet aufgehalten und in Wien an den Adressen A. und B. gewohnt. Seine Fluchtgründe seien dieselben wie bei seinem ersten Antrag. Er habe den ablehnenden Bescheid des Bundesasylamtes nicht erhalten und daher kein Rechtsmittel einbringen können. Der Bescheid sei inzwischen rechtskräftig, er könne aber nicht nach Bangladesch zurückkehren, da er in seiner Heimat nach wie vor verfolgt werde. Als dem Beschwerdeführer vorgehalten wurde, der Bescheid sei ihm ordnungsgemäß an der Anschrift in der B. zugestellt worden, gab er an, er habe nichts bekommen und auch keinen "Verständigungszettel der Post" erhalten.

 

Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesasylamt diesen - zweiten - Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkt I) und wies den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 Asylgesetz 2005 (Art. 2 BG BGBl. I 100/2005 -in der Folge: AsylG) aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Bangladesch aus (Spruchpunkt II). Begründend führte es aus, die den Beschwerdeführer "treffende allgemeine maßgebliche Lage im Herkunftsland" habe sich seit dem rechtskräftigen Abschluss des ersten Asylverfahrens nicht geändert. Dieses Verfahren sei am 6.11.2007 rechtskräftig abgeschlossen worden; in diesem Verfahren seien alle bis zur Entscheidung entstandenen Sachverhalte berücksichtigt worden. Die Begründung des neuen Antrages reiche nicht aus, einen neuen, gegenüber dem früheren Antrag wesentlich geänderten entscheidungsrelevanten Sachverhalt entstehen zu lassen. Soweit er behaupte, er habe den Vorbescheid nicht bekommen und deshalb die Berufungsfrist versäumt, werde ihm kein Glauben geschenkt, weil der Bescheid ordnungsgemäß an seiner Meldeadresse bei der Post hinterlegt worden sei. Abschließend begründete das Bundesasylamt seine Ausweisungsentscheidung.

 

Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 18.7.2008 persönlich ausgefolgt und damit zugestellt; bereits am 26.6.2008 war er - wie sich aus der Telefaxnummer im "Faxrufbericht" ergeben dürfte (einen Namen des Adressaten enthält er nicht) - seinem rechtsfreundlichen Vertreter per Telefax zugestellt worden.

 

1.2.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, fristgerechte Beschwerde vom 10.7.2008, die - obwohl nach dem 30.6.2008 eingebracht - noch als Berufung bezeichnet, aber dessen ungeachtet als Beschwerde zu behandeln ist und in der vorgebracht wird, der Beschwerdeführer habe von der Zustellung des abweisenden Bescheides keine Kenntnis erlangt und deshalb keine Berufung erhoben. Seit Abschluss des ersten Asylverfahrens hätten sich im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers tiefgreifende Veränderungen ergeben. Seit Jänner 2007 gelte der Ausnahmezustand. Das RAB, eine paramilitärische Einheit, führe willkürliche Verhaftungen durch. Der angefochtene Bescheid stelle lediglich auf die Einvernahme in der Schubhaft (die Einvernahme vom 4.2.2008) ab; damit sei dem Beschwerdeführer die Möglichkeit genommen, seine Behauptungen durch Beischaffung von Beweismitteln zu untermauern. Daneben sei nicht geprüft worden, ob sich der "äußere Sachverhalt im Herkunftsstaat" geändert habe. Vom Sachverhalt werde nicht nur die Fluchtgeschichte, sondern auch die Sicherheits-, Rechts- und politische Lage im Herkunftsstaat umfasst.

 

2. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

2.1.1.1. Der Bescheid des Bundesasylamtes vom 16.10.2007 wurde dem Beschwerdeführer am 22.10.2007 durch Hinterlegung beim Postamt zugestellt. Da er dagegen kein Rechtsmittel einbrachte, wurde dieser Bescheid am 5.11.2007 rechtskräftig. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass die Zustellung nicht wirksam zustande gekommen sei. Dass der Beschwerdeführer die Sendung nicht erhalten hat, trifft zwar zu; dies ergibt sich schon daraus, dass er sie nicht behoben hat. Er hat aber, obwohl ihm das Bundesasylamt dies vorhielt, nicht plausibel erklären können, dass die Zustellung nicht wirksam gewesen wäre; so hat er nicht behauptet, sich im fraglichen Zeitraum nicht an der Abgabestelle aufgehalten zu haben. Vielmehr gab er an, dort bis zu seiner Festnahme (der seine Anhaltung in Schubhaft folgte) gewohnt zu haben.

 

2.1.1.2. Gemäß § 73 Abs. 1 AsylG ist das AsylG am 1.1.2006 in Kraft getreten; es ist gemäß § 75 Abs. 1 AsylG auf alle Verfahren anzuwenden, die am 31.12.2005 noch nicht anhängig waren.

 

Das vorliegende Verfahren war am 31.12.2005 nicht anhängig; es ist daher nach dem AsylG zu führen.

 

2.1.2. Gemäß § 23 Asylgerichtshofgesetz (in der Folge: AsylGHG, Art. 1 Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz BGBl. I 4/2008) ist auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof grundsätzlich das AVG mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt. Gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 23 AsylGHG hat der Asylgerichtshof, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Er ist berechtigt, im Spruch und in der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener des Bundesasylamtes zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Die Zuständigkeit des Einzelrichters ergibt sich aus § 61 Abs. 3 Z 1 lit. c und Z 2 AsylG.

 

2.2.1.1. Gemäß § 68 Abs. 1 AVG iVm § 23 AsylGHG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Beschwerde nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (VwGH 30.9.1994, 94/08/0183; 30.5.1995, 93/08/0207; 9.9.1999, 97/21/0913; 7.6.2000, 99/01/0321).

 

"Entschiedene Sache" iSd § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 9.9.1999, 97/21/0913; 27.9.2000, 98/12/0057; 25.4.2002, 2000/07/0235). Werden nur Nebenumstände modifiziert, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind, so ändert dies nichts an der Identität der Sache. Nur eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes - nicht bloß von Nebenumständen - kann zu einer neuerlichen Entscheidung führen (vgl. zB VwGH 27.9.2000, 98/12/0057; 25.4.2007, 2004/20/0100). Liegt keine relevante Änderung der Rechtslage oder des Begehrens vor und hat sich der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt nicht geändert, so steht die Rechtskraft des Vorbescheides einer inhaltlichen Erledigung des neuerlichen Antrages entgegen. Stützt sich ein Asylantrag auf einen Sachverhalt, der verwirklicht worden ist, bevor das Verfahren über einen (früheren) Antrag beendet worden ist, so steht diesem (zweiten) Antrag die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (VwGH 10.6.1998, 96/20/0266).

 

Gegenüber neu entstandenen Tatsachen (novae causae supervenientes; vgl. VwGH 20.2.1992, 91/09/0196) fehlt es an der Identität der Sache; neu hervorgekommene Tatsachen (oder Beweismittel) rechtfertigen dagegen allenfalls eine Wiederaufnahme iSd § 69 Abs. 1 Z 2 AVG (wegen nova reperta; zur Abgrenzung vgl. zB VwGH 4.5.2000, 99/20/0192; 21.9.2000, 98/20/0564; 24.8.2004, 2003/01/0431; 4.11.2004, 2002/20/0391), bedeuten jedoch keine Änderung des Sachverhaltes iSd § 68 Abs. 1 AVG. Eine neue Sachentscheidung ist nicht nur bei identem Begehren auf Grund des selben Sachverhaltes ausgeschlossen, sondern auch dann, wenn das selbe Begehren auf Tatsachen und Beweismittel gestützt wird, die schon vor Abschluss des Vorverfahrens bestanden haben (VwGH 30.9.1994, 94/08/0183 mwN; 24.8.2004, 2003/01/0431).

 

Zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen iSd § 18 Abs. 1 AsylG - kann die Behörde jedoch nur durch eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes berechtigt und verpflichtet werden, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Dem neuen Tatsachenvorbringen muss eine Sachverhaltsänderung zu entnehmen sein, die - falls sie festgestellt werden kann - zu einem anderen Ergebnis als das erste Verfahren führen kann (VwGH 4.11.2004, 2002/20/0391, mwN zur gleichlautenden Vorgängerbestimmung des § 18 Abs. 1 AsylG, nämlich § 28 AsylG 1997). Darüber hinaus muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den diese positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann. Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung, ob der (neuerliche) Asylantrag zulässig ist, mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Antragstellers und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden auseinander zu setzen. Ergeben ihre Ermittlungen, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen (VwGH 21.10.1999, 98/20/0467; 24.2.2000, 99/20/0173; 19.7.2001, 99/20/0418; 21.11.2002, 2002/20/0315; vgl. auch VwGH 9.9.1999, 97/21/0913; 4.5.2000, 98/20/0578; 4.5.2000, 99/20/0193; 7.6.2000, 99/01/0321; 21.9.2000, 98/20/0564; 20.3.2003, 99/20/0480; 4.11.2004, 2002/20/0391; vgl. auch 19.10.2004, 2001/03/0329; 31.3.2005, 2003/20/0468; 30.6.2005, 2005/18/0197; 26.7.2005, 2005/20/0226; 29.9.2005, 2005/20/0365; 25.4.2007, 2004/20/0100). Wird in einem neuen Asylantrag eine Änderung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalts nicht einmal behauptet, geschweige denn nachgewiesen, so steht die Rechtskraft des Vorbescheides einer inhaltlichen Erledigung des neuerlichen Antrages entgegen und berechtigt die Behörde dazu, ihn zurückzuweisen (VwGH 4.5.2000, 99/20/0192).

 

2.2.1.2. Aus § 68 AVG ergibt sich, dass Bescheide mit Eintritt ihrer Unanfechtbarkeit auch prinzipiell unwiderrufbar werden, sofern nicht anderes ausdrücklich normiert ist. Über die mit einem rechtskräftigen Bescheid erledigte Sache darf nicht neuerlich entschieden werden. Bei der Prüfung, ob Identität der Sache vorliegt, ist vom rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne seine sachliche Richtigkeit - nochmals - zu überprüfen; die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf (vgl. zB VwGH 15.10.1999, 96/21/0097; 25.4.2002, 2000/07/0235).

 

Ob ein neuerlicher Antrag wegen geänderten Sachverhaltes zulässig ist, darf nur anhand jener Gründe geprüft werden, welche die Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens geltend gemacht hat; in der Berufung (hier: Beschwerde) gegen den Zurückweisungsbescheid dürfen derartige Gründe nicht neu vorgetragen werden (vgl. zB VwSlg. 5642 A/1961; 23.5.1995, 94/04/0081; 15.10.1999, 96/21/0097; 4.4.2001, 98/09/0041; 25.4.2002, 2000/07/0235). Allgemein bekannte Tatsachen hat das Bundesasylamt jedoch als Spezialbehörde von Amts wegen zu berücksichtigen (vgl. VwGH 7.6.2000, 99/01/0321; 29.6.2000, 99/01/0400).

 

Aus dem Neuerungsverbot im Berufungsverfahren (hier: Beschwerdeverfahren) folgt, dass die Berufungsbehörde (hier: der Asylgerichtshof) den bekämpften Bescheid in sachverhaltsmäßiger Hinsicht bezogen auf den Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides des Bundesasylamtes zu kontrollieren hat.

 

2.2.1.3. "Sache" des Rechtsmittelverfahrens ist nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung, die Rechtsmittelbehörde darf demnach nur darüber entscheiden, ob die Vorinstanz den Antrag zu Recht zurückgewiesen hat oder nicht. Sie hat daher entweder - falls entschiedene Sache vorliegt - das Rechtsmittel abzuweisen oder - falls dies nicht zutrifft - den bekämpften Bescheid ersatzlos zu beheben, dies mit der Konsequenz, dass die erstinstanzliche Behörde, gebunden an die Auffassung der Rechtsmittelbehörde, den Antrag nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf. Die Rechtsmittelbehörde darf aber über den Antrag nicht selbst meritorisch entscheiden (VwGH 30.5.1995, 93/08/0207).

 

2.2.2.1. Sache des vorliegenden Beschwerdeverfahrens iSd § 66 Abs. 4 AVG iVm § 23 AsylGHG ist somit nur die Frage, ob das Bundesasylamt zu Recht den neuerlichen Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat.

 

2.2.2.2. Der Beschwerdeführer hat selbst erklärt, es habe sich nichts an den Fluchtgründen geändert; er habe den zweiten Antrag gestellt, weil er von der Zustellung des Vorbescheides nichts gewusst habe. Damit hat er eine Änderung des Sachverhaltes nicht einmal behauptet. Diese Einschätzung kann auch durch das Beschwerdevorbringen nicht entkräftet werden: Mit dem Vorbringen, der angefochtene Bescheid stelle nur auf die Ausführungen des Beschwerdeführers bei der Einvernahme vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes ab und dem Beschwerdeführer sei "daher" die Möglichkeit genommen, seine Behauptungen durch Beischaffung von Beweismitteln zu untermauern, wird eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht dargetan, da der Beschwerdeführer keinen neuen Sachverhalt behauptet hat. Soweit die Beschwerde auf die allgemeine Lage im Herkunftsstaat hinweist, ist ihr zu entgegnen, dass - soweit eine Änderung überhaupt anzunehmen und asylrelevant wäre - die Beschwerde selbst von einer Änderung seit Jänner 2007 (Ausrufung des Notstandes) ausgeht. Der Vorbescheid ist aber erst im Oktober 2007 ergangen; mit diesem Bescheid ist der Sachverhalt, soweit er damals verwirklicht worden war, erfasst (VwGH 10.6.1998, 96/20/0266).

 

2.2.2.3. Somit hat sich weder im Hinblick auf jenen Sachverhalt, der in der Sphäre des Beschwerdeführers gelegen ist, noch im Hinblick auf jenen, der von Amts wegen aufzugreifen ist, die maßgebliche Sachlage geändert. Das neue Begehren zielt auf dasselbe wie das ursprüngliche, nämlich darauf, dem Beschwerdeführer Asyl zu gewähren. Auch die maßgebliche Rechtslage hat sich nicht geändert, da durch § 75 Abs. 4 AsylG klargestellt ist, dass ua. abweisende Bescheide auf Grund des AsylG 1997 in derselben Sache in Verfahren nach dem AsylG den Zurückweisungstatbestand der entschiedenen Sache iSd § 68 AVG begründen. Änderungen, die zu einer anderen Beurteilung des Refoulementschutzes führen könnten, wären nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Übrigen nicht von den Asylbehörden, sonden von den Fremdenpolizeibehörden wahrzunehmen (VwGH 22.10.2002, 2001/01/0256; 9.11.2004, 2004/01/0280).

 

Mithin steht die Rechtskraft des Bescheides des Bundesasylamtes vom 16.10.2007 einer inhaltlichen Erledigung des neuerlichen Antrages entgegen. Das Bundesasylamt ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer mit seinem zweiten Asylantrag die Überprüfung eines der Beschwerde nicht mehr unterliegenden Bescheides begehrt hat. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I war daher abzuweisen.

 

2.3.1. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist eine zurückweisende Entscheidung nach dem AsylG mit einer Ausweisung zu verbinden; die Ausweisung gilt gemäß § 10 Abs. 4 AsylG stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG ist eine Ausweisung unzulässig, wenn sie Art. 8 MRK verletzen würde oder wenn dem Fremden ein nicht auf das AsylG gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt. Würde ihre Durchführung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen und nicht von Dauer sind, Art. 3 MRK verletzen, so ist gemäß § 10 Abs. 3 AsylG (idF der K BGBl. I 75/2007) die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.

 

Bei der Abwägung, die durch Art. 8 MRK vorgeschrieben wird, stehen die Interessen des Fremden an seinem Verbleib im Inland, die durch Art. 8 Abs. 1 MRK geschützt sind, dem öffentlichen Interesse an der Beendigung seines Aufenthaltes gegenüber. Nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 17.516/2005 (Pt. IV.2.1), das zur Vorgängerbestimmung des § 10 AsylG ergangen ist (nämlich zu § 8 Abs. 2 AsylG 1997), beabsichtigt der Gesetzgeber, "durch die zwingend vorgesehene Ausweisung von Asylwerbern eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung im Inland von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragstellung im Inland aufhalten durften, zu verhindern". Dem in § 37 FrG verankerten Ausweisungshindernis durfte nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht die Bedeutung unterstellt werden, "es wäre für Fremde zulässig, sich durch die Missachtung der für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden geltenden Vorschriften im Bundesgebiet ein Aufenthaltsrecht zu verschaffen" (VwGH 22.3.2002, 99/21/0082 mwN). Nichts anderes kann aber für die durch das AsylG vorgeschriebene Abwägung gelten, hat doch der Verfassungsgerichtshof (zu § 8 Abs. 2 AsylG 1997) ausgesprochen (VfSlg. 17.516/2005 [Pt. IV.3.2]): "§ 37 FrG legt [...] Kriterien fest, die sich auch aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte [...] zu Art. 8 EMRK in Fällen der Außerlandesschaffung eines Fremden ergeben und die von den Asylbehörden bei Ausweisungen nach § 8 Abs. 2 AsylG, auch wenn sie dort nicht genannt sind, zu beachten sind."

 

Da die Voraussetzungen für eine Ausweisung vorliegen, ist der Beschwerdeführer auszuweisen.

 

2.3.2. Das Bundesasylamt hat die durch Art. 8 Abs. 2 MRK vorgeschriebene Interessenabwägung mängelfrei vorgenommen. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer bisher nur auf Grund von Asylanträgen zum Aufenthalt berechtigt war, die sich letztlich als nicht begründet erwiesen haben (vgl. VwGH 26.6.2007, 2007/01/0479 sowie mit ähnlichen Überlegungen zu Ausweisungen nach § 33 Abs. 1 FrG zB VwGH 20.12.1999, 99/18/0409;

17.12.2001, 2001/18/0232; 17.12.2001, 2001/18/0234; 17.12.2001, 2001/18/0142; 17.12.2001, 2001/18/0162; 31.10.2002, 2002/18/0217;

27.2.2003, 2003/18/0020; 26.6.2003, 2003/18/0141; 10.9.2003, 2003/18/0147; 20.2.2004, 2003/18/0347; 26.2.2004, 2004/21/0027;

27.4.2004, 2000/18/0257; 8.3.2005, 2005/18/0044; weiters VfGH 29.9.2007, B 1150/07, wonach bei der Abwägung zu berücksichtigen ist, ob sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst war, und daran anschließend VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216). Dem Beschwerdeführer kommt auch kein nicht auf das AsylG gestütztes Aufenthaltsrecht zu; es gibt weiters keine Hinweise darauf, dass die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in seiner Person liegen und die nicht von Dauer sind, Art. 3 MRK verletzen könnte.

 

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt II war daher gleichfalls abzuweisen.

 

2.4. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden. Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 41 Abs. 4 erster Satz AsylG entfallen.

Schlagworte
Ausweisung, Prozesshindernis der entschiedenen Sache
Zuletzt aktualisiert am
14.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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