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66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;Norm
ASVG §4 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde der L in Wien, vertreten durch Dr. Robert Palka, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Brucknerstraße 4/4, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales (nunmehr: soziale Sicherheit und Generationen) vom 5. Jänner 1996, Zl. 120.778/8-7/95, betreffend Versicherungspflicht nach ASVG und AlVG (mitbeteiligte Parteien:
1. R, 1100 Wien; 2. Wiener Gebietskrankenkasse, Wienerbergstraße 15-19, 1103 Wien; 3. Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien; 4. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, Adalbert-Stifter-Straße 65, 1200 Wien, 5. Arbeitsmarktservice, Landesgeschäftsstelle Wien, Weihburggasse 30, 1011 Wien), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenbegehren der mitbeteiligten Wiener Gebietskrankenkasse wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom 2. Dezember 1994 stellte die mitbeteiligte Wiener Gebietskrankenkasse fest, dass der Erstmitbeteiligte auf Grund seiner Beschäftigung als Provisionsvertreter bei der Beschwerdeführerin als Dienstgeberin in der Zeit vom 4. Oktober 1992 bis 14. März 1994 gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 ASVG und § 1 Abs. 1 lit. a AlVG der Voll-(Kranken-, Unfall-, Pensions-) und Arbeitslosenversicherungspflicht unterlegen sei. Zur Begründung ihrer Entscheidung berief sich die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse auf einen zwischen der Beschwerdeführerin und dem Erstmitbeteiligten abgeschlossenen Kundenberatervertrag, der auszugsweise wie folgt wiedergegeben wurde:
"...Artikel 2
Der Mitarbeiter übernimmt die Akquisition von Bestellungen der Waren aus dem Verkaufsprogramm der Firma G. (gemeint: die Beschwerdeführerin).
Sein Aufgabenbereich ist die Beratung von potentiellen Kunden der Firma G. und die Vermittlung und Anbahnung von Verkaufsgeschäften für die Firma G.
Der Mitarbeiter verpflichtet sich zur absoluten Verschwiegenheit gegenüber Dritten im Hinblick auf Geschäftsvorfälle in der Firma G. und beim Kunden. Da er beim Kunden als Mitarbeiter der Firma G. auftritt, hat er sich genau an die Richtlinien der Firma G. zu halten, insbesondere den Weisungen der Firmenleitung Folge zu leisten, wie z.B.:
-
Teilnahme an Schulungen,
-
bedingungslose Teilnahme an Wochen- und Monatsmeetings,
-
vollständige Erstellung und rechtzeitige Abgabe des Mitarbeiterwochenberichtes.
Jeder Mitarbeiter hat mindestens zweimal pro Woche in der Firma G. zu erscheinen und einen Wochenbericht abzugeben. Bei zweimaligem Fortbleiben ist mit einer Kündigung zu rechnen.
Artikel 3
Die Firma G. stellt dem Mitarbeiter die Bestellformulare für die Abwicklung jedes Geschäftsfalles zur Verfügung. Es sind ausschließlich diese zu verwenden.
Sämtliche Kaufverträge sind, vor und nach der Unterzeichnung durch den Kunden, Eigentum der Firma G. Der Mitarbeiter ist nicht berechtigt, diese zurückzuhalten, an Dritte weiterzugeben oder zu vernichten.
Artikel 4
Die Firma G. übernimmt die Ausbildung und Einarbeitung der Mitarbeiter. Diese Schulung umfasst sowohl die rein technische und administrative Vermittlung, als auch verkaufspsychologische Erkenntnisse und Erfahrungen. Somit gewährt die Firma G. die Durchführung eines korrekten und erfolgreichen Verkaufes.
Zur Erleichterung und zur erfolgreichen Gestaltung der Arbeit des Mitarbeiters setzt die Firma G. Gruppenleiter ein. Diese Führungskräfte stehen dem Mitarbeiter mit Rat und Tat zur Seite und beraten ihn in allen Fragen des Verkaufes und der organisatorischen Abwicklung.
Artikel 6
Jeder Mitarbeiter muss die von ihm bestellten Waren persönlich liefern. Demjenigen, der diese Lieferungen absichtlich nicht durchführt bzw. aus der Firma ausscheidet und nicht liefert, werden S 500,-- von der Provision abgezogen. Ausgenommen sind Krankheit und Urlaub. Die zu liefernden Waren müssen 3 Tage vor dem jeweiligen Liefertermin abgeholt werden. Nach erfolgter Lieferung muss der Gegenschein und das inkassierte Geld am darauffolgenden Tag in der Firma abgegeben werden. Bei Übernahme der Ware muss dies in einem Buch quittiert werden. Ist eine Zustellung nicht möglich, so hat der Mitarbeiter die Ware innerhalb von 2 Tagen an die Firma zu retournieren.
Sollte dies nicht geschehen, so ist mit einer Betrugsanzeige zu rechnen. Ebenso kommt es zu einer Anzeige, wenn ein Vertrag oder eine Vorführungsbestätigung gefälscht wird oder ein Gastgebergeschenk unterschlagen wird.
Artikel 8
Dem Mitarbeiter ist es untersagt, mittelbar oder unmittelbar für ein Konkurrenzunternehmen tätig zu sein. Er darf demzufolge weder Konkurrenzartikel anbieten, noch für ein Unternehmen tätig werden, welches nach dem Verkaufssystem der Firma G. arbeitet.
Hiermit erklärt der Mitarbeiter ausführlich, dass er zum Zeitpunkt des Vereinbarungsbeginnes zu keinem Konkurrenzunternehmen in vertraglichen Beziehungen bzw. nicht mehr unter Konkurrenzklausel steht. Der Mitarbeiter nimmt zur Kenntnis, dass ein Verstoß gegen das Konkurrenzverbot den Tatbestand eines Vertragsbruches darstellt, woraus resultiert, dass er das Recht auf später fällige Provisionen verliert.
Der Mitarbeiter verpflichtet sich weiters, nach Vertragsbeendigung weder Verkaufsunterlagen in irgendeiner Form weiterzuverwenden, noch Mitarbeiter der Firma G. abzuwerben, d.h. diese zu veranlassen, bei einem Konkurrenzunternehmen eine Tätigkeit aufzunehmen. Als Abwerbung gilt, wenn der ausgeschiedene Mitarbeiter vereinbarungsgebundene Mitarbeiter der Firma G. mittelbar oder unmittelbar persönlich, schriftlich oder telefonisch anspricht, um diese zu veranlassen, bei einem Konkurrenzunternehmen tätig zu werden.
Artikel 10
Der Kundenberatungsvertrag kann aus wichtigen Gründen jederzeit, ansonsten zu jedem 15. oder Monatsletzten unter Einhaltung einer 14-tägigen Kündigungsfrist von beiden Vertragsteilen gekündigt werden. Es wird vereinbart, dass offene Ansprüche aus diesem Vertrag, bei sonstigem Verfall, binnen drei Monaten ab Fälligkeit schriftlich geltend zu machen sind."
Auf dem Boden dieser Vereinbarung hat die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse ein Überwiegen persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit des Erstmitbeteiligten von der Beschwerdeführerin angenommen. Dafür seien insbesondere die Zuweisung eines bestimmten Tätigkeitsgebietes oder Kundenkreises, eine bestimmte Art der Weisungsgebundenheit, das Konkurrenzverbot, die Berichterstattungspflicht und die persönliche Arbeitspflicht maßgebend.
In dem gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch vertrat die Beschwerdeführerin die Ansicht, es käme nicht auf die Textierung des Vertrages, sondern auf die faktische Ausgestaltung der Beschäftigung an. Entscheidend für deren Einordnung als versicherungspflichtige Tätigkeit sei der tatsächliche Arbeitsablauf des Erstmitbeteiligten. Dieser habe nach eigenen Angaben zweimal pro Woche Bericht zu erstatten gehabt; die übrigen Kundenbesuche habe er nach freiem Gutdünken gestalten und planen können. Es habe keine Vorgaben gegeben, weshalb der Erstmitbeteiligte in der Gestaltung seiner Arbeitszeit und seines Arbeitsablaufes völlig frei gewesen sei. Das Konkurrenzverbot habe sich lediglich auf direkte Konkurrenzunternehmen (Handelsunternehmen) bezogen. Vor Übernahme in ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis am 21. Oktober 1993 sei der Erstmitbeteiligte in den Betriebsorganismus des Unternehmens der Beschwerdeführerin nicht integriert gewesen und habe keine Weisungen im Hinblick auf Arbeitszeit und Arbeitsort erhalten. Die Beschwerdeführerin habe Strafanzeige gegen den Erstmitbeteiligten erstattet, weil er ihre Unterschrift auf einer viel zu hoch ausgestellten Lohnbestätigung gefälscht und inkassierte Beträge nicht abgeliefert habe.
Mit Bescheid vom 13. März 1995 wies der Landeshauptmann von Wien den Einspruch der Beschwerdeführerin als unbegründet ab und stellte fest, dass zwischen dem Erstmitbeteiligten und der Beschwerdeführerin vereinbart worden sei, dass der Erstmitbeteiligte seine Tätigkeit persönlich ausführen müsse und die von der Firma erhaltenen Unterlagen niemandem weitergeben dürfe. Bei Schulungen bzw. Meetings in Linz und Traiskirchen seien Fahrtspesen und Essen durch die Beschwerdeführerin bezahlt worden. Der Erstmitbeteiligte habe von der Beschwerdeführerin am Beginn seiner Beschäftigung Adressen von Kunden bekommen, die er habe betreuen müssen; später habe er selbst Kunden geworben. Er habe wöchentlich jeden Montag beim Manager M. Bericht erstatten müssen. Er habe Konkurrenzverbot gehabt und über keine eigene Betriebsstätte und eigene Betriebsmittel verfügt. Aus all dem ergebe sich ein Überwiegen der Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit.
Die Beschwerdeführerin erhob gegen diesen Bescheid Berufung, in der sie wiederum die Strafanzeige anführte. Schon daraus ergebe sich die Unglaubwürdigkeit des Erstmitbeteiligten. In der Zeit vom 4. Oktober 1992 bis 20. Oktober 1993 sei der Erstmitbeteiligte nicht in den Betriebsorganismus des Unternehmens der Beschwerdeführerin integriert gewesen, er hätte im Unternehmen als Provisionsvertreter gearbeitet und kein Fixum, sondern 16,5 % des von ihm erwirtschafteten Umsatzes als Provision erhalten. Im Übrigen hat die Beschwerdeführerin wie im Einspruch argumentiert.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Nach einer gerafften Wiedergabe des Verwaltungsverfahrens und einer kurzen Darstellung der Rechtslage traf sie folgende Feststellungen:
"Herr D. ( gemeint: der Erstmitbeteiligte) meldete sich auf ein Inserat hin, dass ein Handelsvertreter gesucht werde. Anlässlich des Vorstellungsgespräches wurde ihm ein Vertrag gleich dem aktenkundigen Kundenberatervertrag vom 25.11.1993 vorgelegt, den er jedoch nicht verstand, da er nicht Deutsch kann. Auf Rückfrage betreffend des Inhaltes wurde ihm mitgeteilt, dass all das aufgenommen worden sei, was im Vorstellungsgespräch besprochen
worden sei. Daraufhin unterschrieb er ihn. ... Aufgabe von Herrn
D. war es, auf sogenannten "Parties" den Verkauf von Geschirr, Porzellan, Besteck u.ä. durchzuführen. Er hatte sich an die ihm übergebene Preisliste zu halten und erhielt am Anfang seiner Tätigkeit von der Berufungswerberin Adressen von Kunden, welche er betreuen musste. Er musste an den Montagsmeetings teilnehmen. ... Ein Konkurrenzverbot für eine Tätigkeit für direkte
Konkurrenzunternehmen bestand. ... Es war kein Fixum und
grundsätzlich keine Spesenvergütung, sondern lediglich eine Provision von 16,5 % der Nettobeträge (= 23 % der Bruttobeträge) vereinbart. Für Schulungen und Meetings (z.B. in Linz und Traiskirchen) wurden jedoch Fahrtspesen und Essen bezahlt. ...
Wöchentlich, jeden Montag, musste er mündlich und schriftlich
Bericht beim Manager M. erstatten. Hiebei hatte er insbesondere
auch anzugeben, wieviele Kundentermine er vereinbart und wieviele
Kaufverträge er abgeschlossen hatte. ... Es wurde ihm ein
Musterkoffer und eine Musterkollektion für seine Tätigkeit zur
Verfügung gestellt. ... Eine Unterbrechung der Tätigkeit von
Herrn D. lag nicht vor."
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dass bei der Tätigkeit von Vertretern insbesondere die Weisungsgebundenheit in einer bestimmten Art, das Konkurrenzverbot, der Bezug eines Fixums oder einer Spesenvergütung, die Berichterstattungspflicht sowie die mangelnde Verfügung über eine eigene Betriebsstätte und eigene Betriebsmittel als für die Beurteilung der Versicherungspflicht maßgebliche Merkmale zu bezeichnen seien. Schon allein auf Grund der vertraglichen Gestaltung des Beschäftigungsverhältnisses, aber auch nach dessen tatsächlicher Durchführung sei der Erstmitbeteiligte als Handelsvertreter einer Weisungsgebundenheit, einer Berichterstattungspflicht und einem Konkurrenzverbot unterlegen; auch sei er wirtschaftlich abhängig gewesen. Lediglich die Tatsache, dass er kein Fixum und grundsätzlich keinen Spesenersatz erhalten habe, könne zu keinem anderen Ergebnis führen. Eine Unterbrechung des Dienstverhältnisses sei nicht vorgelegen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt, jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen. Von den mitbeteiligten Parteien hat nur die Wiener Gebietskrankenkasse eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Ausgangspunkt für die hier zu beurteilende (Voll-)Versicherungspflicht ist § 4 Abs. 1 Z 1 ASVG, wonach - von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen - in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung auf Grund dieses Bundesgesetzes die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstgeber versichert (vollversichert) sind. Für den Fall der Arbeitslosigkeit versichert (arbeitslosenversichert) sind Dienstnehmer, die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigt sind (§ 1 Abs. 1 lit. a AlVG).
Ob bei einer Beschäftigung die Merkmale persönlicher Abhängigkeit des Beschäftigten vom Empfänger der Arbeitsleistung gegenüber jenen persönlicher Unabhängigkeit überwiegen und somit persönliche Abhängigkeit im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG gegeben ist, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes davon ab, ob nach dem Gesamtbild dieser konkret zu beurteilenden Beschäftigung die Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten durch diese Beschäftigung weitgehend ausgeschaltet oder - wie bei anderen Formen der Gestaltung einer Beschäftigung - nur beschränkt ist.
Für das Vorliegen der persönlichen Abhängigkeit sind im Ergebnis - in Übereinstimmung mit dem arbeitsrechtlichen Verständnis dieses Begriffes - als Ausdruck der weitgehenden Ausschaltung der Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten durch seine Beschäftigung nur seine Bindung an Ordnungsvorschriften über den Arbeitsort, die Arbeitszeit, das arbeitsbezogene Verhalten sowie die sich darauf beziehenden Weisungs- und Kontrollbefugnisse und die damit eng verbundene (grundsätzlich) persönliche Arbeitspflicht unterscheidungskräftige Kriterien zur Abgrenzung von anderen Formen der Gestaltung einer Beschäftigung, während das Fehlen anderer (im Regelfall auch vorliegender) Umstände (wie z.B. die längere Dauer des Beschäftigungsverhältnisses oder ein das Arbeitsverfahren betreffendes Weisungsrecht des Empfängers der Arbeitsleistung) dann, wenn die unterscheidungskräftigen Kriterien kumulativ vorliegen, persönliche Abhängigkeit nicht ausschließt. Erlaubt allerdings im Einzelfall die konkrete Gestaltung der organisatorischen Gebundenheit des Beschäftigten in Bezug auf Arbeitsort, Arbeitszeit und arbeitsbezogenes Verhalten keine abschließende Beurteilung des Überwiegens der Merkmale persönlicher Abhängigkeit, so können im Rahmen der vorzunehmenden Beurteilung des Gesamtbildes der Beschäftigung auch diese an sich nicht unterscheidungskräftigen Kriterien von maßgebender Bedeutung sein (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 10. Dezember 1986, Slg. Nr. 12325/A).
Auf dem Boden dieser Judikatur ist zu prüfen, ob die belangte Behörde zu Recht jene Merkmale angenommen hat, die für ein sozialversicherungspflichtiges Dienstverhältnis zwischen der Beschwerdeführerin und dem Erstmitbeteiligten sprechen. Bei der Wertung der Tätigkeit eines Vertreters als eine unselbstständige Beschäftigung im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG ist nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes zu beachten, dass bei dieser Tätigkeit die ansonsten für die abhängigen Arbeitsverhältnisse typische, oben näher dargestellte Unterordnung nicht so auffällig zutage tritt, sodass bei der Beurteilung der Frage, ob bei einer solchen Tätigkeit ein Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit vorgelegen ist, anderen Merkmalen eine ganz besondere Bedeutung zugemessen werden muss. Insbesondere sind in diesem Zusammenhang die Weisungsgebundenheit in einer bestimmten Art, das Konkurrenzverbot, der Bezug eines Fixums oder einer Spesenvergütung, die Berichterstattungspflicht sowie die mangelnde Verfügung über eine eigene Betriebsstätte und eigene Betriebsmittel als für die Beurteilung der Versicherungspflicht von Vertretern maßgebliche Merkmale zu bezeichnen. Diese Grundsätze gebieten aber im Einzelfall die Auseinandersetzung mit der Frage, ob tatsächlich diese Kriterien vorliegen, wobei dann bei einem Zusammentreffen von Merkmalen der Abhängigkeit und solchen, die auf eine Unabhängigkeit hinweisen, das Überwiegen der einen oder anderen Merkmale entscheidend ist (vgl. die Erkenntnisse vom 20. Oktober 1988, 85/08/0062, mit Hinweis auf die Vorjudikatur; vom 15. Dezember 1992, 91/08/0077; vom 21. Dezember 1993, 90/08/0224, und vom 2. Juli 1996, 94/08/0080).
Die wirtschaftliche Abhängigkeit, die nach der Rechtsprechung ihren sinnfälligen Ausdruck im Fehlen der im eigenen Namen auszuübenden Verfügungsmacht über die nach dem Einzelfall für den Betrieb wesentlichen organisatorischen Einrichtungen und Betriebsmittel findet, ist bei entgeltlichen Arbeitsverhältnissen die zwangsläufige Folge persönlicher Abhängigkeit (vgl. das schon zitierte Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 10. Dezember 1986).
Wirft die Beschwerdeführerin nun der belangten Behörde vor, sie hätte nicht auf die vertragliche Ausgestaltung des Beschäftigungsverhältnisses, sondern einzig und allein auf die tatsächliche, konkrete Ausübung der Tätigkeit abgestellt, ist ihr entgegenzuhalten, dass die belangte Behörde der Ausübung der Beschäftigung entscheidende Bedeutung beigemessen, dabei aber nicht übersehen hat, dass die vertragliche Gestaltung der Beschäftigung in die Beurteilung mit einzubeziehen ist, weil der Vertrag (sofern keine Anhaltspunkte für ein Scheinverhältnis bestehen) die von den Parteien in Aussicht genommenen Konturen des Beschäftigungsverhältnisses sichtbar werden lässt. Beruht die Beschäftigung einer Person auf einer vertraglichen Verpflichtung, so hat das vertraglich Vereinbarte zunächst die Vermutung der Richtigkeit (im Sinne einer Übereinstimmung mit der Lebenswirklichkeit) für sich (vgl. das Erkenntnis vom 8. Oktober 1991, 90/08/0057). Die Geltung der von der erstmitbeteiligten Gebietskrankenkasse auszugsweise festgestellten Vereinbarung blieb unbestritten. Auch zeigt die Beschwerdeführerin keine für ihren Standpunkt günstige Abweichungen des tatsächlichen Arbeitsablaufes des Erstmitbeteiligten vom vertraglich Vereinbarten auf.
Zur Frage der Weisungsgebundenheit entfernt sich die Beschwerdeführerin durch die Behauptung, die Kundenlisten seien nicht verpflichtend gewesen und hätten keine Weisungen dargestellt, vom festgestellten Sachverhalt, ohne ihn zu bekämpfen. Nach den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen war der Erstmitbeteiligte zur Betreuung jener Kunden verpflichtet, deren Adresse er am Anfang seiner Tätigkeit von der Beschwerdeführerin erhalten hatte. Nicht stichhältig ist daher das Argument in der Beschwerde, die Kundenliste sei ein gar nicht benötigtes Hilfsmittel gewesen. Als weitere Ausformungen der Weisungsgebundenheit stellen sich die verpflichtende Teilnahme an den Montagsmeetings, die persönliche Lieferpflicht sowie die Einhaltung der (Verhaltens-)Richtlinien und Weisungen der Firmenleitung (Artikel 2 Kundenberatervertrag) dar. Insgesamt ist somit vom Vorliegen des unterscheidungskräftigen Merkmals der Weisungsgebundenheit des Erstmitbeteiligten auszugehen.
Bestreitet die Beschwerdeführerin in der Folge mit nicht nachvollziehbaren Argumenten eine Pflicht zur Berichterstattung, sind ihr wiederum der Vertrag und die tatsächliche Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses entgegenzuhalten.
Vereinbarungsgemäß hatte jeder Mitarbeiter mindestens zweimal pro Woche in der Firma zu erscheinen, einen Wochenbericht abzugeben und hatte bei zweimaligem Fortbleiben mit einer Kündigung zu rechnen. Schließlich musste der Erstmitbeteiligte jeden Montag mündlich und schriftlich Bericht beim Manager M. erstatten und hatte hiebei insbesondere auch anzugeben, wie viele Kundentermine er vereinbart und wie viele Kaufverträge er abgeschlossen hatte. Aus all dem ergibt sich die Verpflichtung zur Berichterstattung.
Verweist die Beschwerdeführerin zur Frage der "stillen Autorität" auf die angeblich nicht verbindlichen Kundenlisten, ist sie auf die Ausführungen zur Weisungsgebundenheit zu verweisen. Ergänzt sei, dass - unabhängig von anderen Eingriffen - der Arbeitsablauf durch die Beschwerdeführerin auch insofern beeinflusst worden ist, als sich der Erstmitbeteiligte bei seinem Auftreten "genau an die Richtlinien der Firma" zu halten hatte (Artikel 2).
Im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Abhängigkeit nimmt die Beschwerdeführerin Bezug auf das Konkurrenzverbot, ohne dies aber - anders als in der Berufung - nunmehr in Frage zu stellen.
Keiner näheren Erläuterung bedarf die in der Beschwerde angesprochene Vereinbarung einer Provision anstelle eines Fixums, zumal auch die belangte Behörde diese vom Arbeitserfolg abhängende Entlohnung nicht in ihre Beurteilung einbezogen hat.
Zwar fehlt es mangels Vereinbarung einer fixen oder sonstigen vom Arbeitserfolg unabhängigen Entlohnung an einem von der Rechtsprechung bei Vertreterverhältnissen zur Unterscheidung zusätzlich herangezogenen Kriterium; das Fehlen eines an sich unterscheidungskräftigen Merkmales persönlicher Abhängigkeit lässt im Hinblick darauf, dass schon das Überwiegen dieser Merkmale bei der anzustellenden Gesamtbetrachtung genügt, aber keinen zwingenden Schluss darauf zu, dass die zu beurteilende Tätigkeit nicht der Versicherungspflicht unterliegt; es kommt vielmehr darauf an, ob unter Berücksichtigung aller im Einzelfall gegebenen Umstände die Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten durch seine Beschäftigung weitgehend ausgeschaltet ist (vgl. das Erkenntnis vom 21. Dezember 1993, 90/08/0224). Vor dem Hintergrund der dargestellten Weisungsgebundenheit, der Berichterstattungspflicht, der Befolgung genauer Anweisungen den Verkauf betreffend und des Konkurrenzverbotes kann kein begründeter Zweifel daran bestehen, dass trotz erfolgsabhängiger Entlohnung jene unterscheidungskräftigen Merkmale überwiegen, die für das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses eines Vertreters in persönlicher Abhängigkeit maßgeblich sind.
Die von der Beschwerdeführerin bezweifelte wirtschaftliche Abhängigkeit des Erstmitbeteiligten ist bei entgeltlichen Arbeitsverhältnissen die zwangsläufige Folge persönlicher Abhängigkeit, was von der belangten Behörde ebenfalls zutreffend bejaht wurde.
Insgesamt ist es der Beschwerdeführerin nicht gelungen, relevante Mängel des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Einer nicht durch einen Rechtsanwalt vertretenen mitbeteiligten Partei steht kein Ersatz des Schriftsatzaufwandes zu (vgl. das Erkenntnis vom 26. Jänner 2000, 94/08/0139). Das Kostenbegehren der mitbeteiligten Wiener Gebietskrankenkasse war daher abzuweisen.
Wien, am 3. April 2001
Schlagworte
Dienstnehmer Begriff Vertreter Konsulenten Inkassanten Kontrollore uäDienstnehmer Begriff Persönliche AbhängigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1996080053.X00Im RIS seit
28.08.2001Zuletzt aktualisiert am
29.05.2012