TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/01 E10 316893-1/2008

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Veröffentlicht am 01.09.2008
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Spruch

GZ. E10 316.893-1/2008-6E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Hermann LEITNER als Vorsitzenden und den Richter Mag. Reinhard ENGEL als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Fr. DUTZLER über die Beschwerde der O. H., geb. 00.00.1984, StA. Armenien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 20.12.2007, FZ. 07 04.448 BAE, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Der bekämpfte Bescheid wird behoben und die Angelegenheit gem. § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt verwiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Armenien, stellte am 14.05.2007 beim Bundesasylamt (BAA) einen Antrag auf internationalen Schutz. Dazu wurde sie erstbefragt und zu den im Akt ersichtlichen Daten von einem Organwalter des BAA niederschriftlich einvernommen. Der Verlauf dieser Einvernahmen ist im angefochtenen Bescheid vollständig wieder gegeben, weshalb hierauf verwiesen wird.

 

Als Begründung für das Verlassen ihres Herkunftsstaates brachte sie im Wesentlichen vor, dass sie für ihren Vater, welcher für das armenische Verteidigungsministerium arbeiten würde, mehrmals Pakete von einem Mann übernommen und an unbekannte Personen weitergeleitet habe. Am 00.00.2007 sei sie während einer Übergabe vom KGB festgenommen und für drei Tage angehalten und einvernommen worden. Es sei ihr Landesverrat vorgeworfen worden, da sie geheime Dokumente weiterverkauft hätte. Die Person, von welcher sie die Pakete übernommen habe, sei dann von einer geheimen Organisation ermordet worden. Deshalb sei sie ebenfalls in Lebensgefahr.

 

Der Antrag auf internationalen Schutz wurde folglich mit Bescheid des BAA vom 20.12.2007, Zahl: 07 04.448 BAE, gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status einer Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Armenien nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 10 Abs 1 Z 2 AsylG wurde die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Armenien verfügt (Spruchpunkt III.).

 

Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die belangte Behörde das Vorbringen der BF als glaubwürdig. Weiters wurde von der Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit der armenischen Sicherheitsbehörden ausgegangen.

 

Gegen diesen Bescheid wurde mit Telefax vom 11.01.2008 innerhalb offener Frist Berufung [jetzt Beschwerde] erhoben. Hinsichtlich des Inhaltes der Beschwerde wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.

 

Im Wesentlichen wurde nach Darlegung allgemeiner rechtlicher und sonstiger Ausführungen vorgebracht, dass die BF ihre Angaben ergänzt hätte, wäre ihr das Parteiengehör gewahrt worden. Die Behörden ihres Heimatlandes seien offenbar nicht in der Lage, Personen die in hochkriminelle Handlungen verwickelt seien ausreichend zu schützen, wie dies die Ermordung des Kontaktmannes zeige.

 

Hinsichtlich des weiteren Verfahrensherganges bzw. des Vorbringens im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

 

II. Der AsylGH hat durch Einsicht in den vorliegenden Verwaltungsakt Beweis erhoben und Folgendes festgestellt:

 

Das Bundesasylamt hat es im erstinstanzlichen Verfahren zur Gänze unterlassen, der BF das Parteiengehör zu gewähren. Weder wurde der BF jener Sachverhalt vorgehalten, von welchem das Bundesasylamt hinsichtlich der allgemeinen Lage in Armenien ausgeht, noch wurden der BF die Quellen vorgehalten, woraus das Bundesasylamt jene Feststellungen bezieht.

 

Weiters stellte das Bundesasylamt in der Beweiswürdigung fest (AS 199), dass aufgrund der Angaben in den Niederschriften und der getätigten Länderfeststellungen die Schutzfähigkeit des Staates festgestellt werden könne. Eine Einsichtnahme in die seitens des BAA herangezogenen Länderfeststellungen ergab jedoch, dass in diesen keine Feststellungen zur Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit der armenischen Sicherheitsbehörden getroffen wurden.

 

Das Gericht weist auch darauf hin, dass im gegenständlichen Fall -sollte das Bundesasylamt im fortgesetzten Verfahren weiterhin von der Glaubwürdigkeit des Vorbringens ausgehen- Ermittlungen zum Willen und der Fähigkeit des armenischen Staates, Schutz zu gewähren in allgemeiner Hinsicht nicht ausreichen werden, sondern sich die erstinstanzliche Behörde damit zu befassen hat, ob der armenische Staat über den allfälligen Willen und der Fähigkeit im Allgemeinen Schutz zu gewähren, auch bei einem derartig qualifizierten Sachverhalt wie hier vorgebracht dazu willens und fähig ist, zumal die Involvierung von höherkarätigen Akteuren als normale Kriminelle behauptet wird.

 

Der Bescheid enthält keine schlüssige Beweiswürdigung. Obwohl im erstinstanzlichen Verfahren Hinweise auf Ungereimtheiten des Fluchtvorbringens hervorkamen, wurde dieses, ohne diese Hinweise entsprechend zu würdigen, bzw. durch eine genaue Befragung der BF diese Ungereimtheiten näher zu erkunden, als glaubwürdig erachtet.

 

So gab die BF beispielsweise bei ihrer Einvernahme am 18.05.2007 an, es hätte sich um dicke Pakete gehandelt, welche sie an unbekannte Personen weitergeleitet hätte (AS 71). Bei ihrer Einvernahme am 23.08.2007 gab diese hingegen an, sie habe ein Kuvert weiter gegeben (AS 131). Das Bundesasylamt hat es verabsäumt, hinsichtlich der widersprüchlichen Angaben der BF diese konkret zu befragen um festzustellen, ob es die Angaben tatsächlich für glaubwürdig erachtet. Der ermittelte Sachverhalt wäre sodann insofern einer schlüssigen Beweiswürdigung zuzuführen gewesen, als nachvollziehbar dargelegt wird, warum ganz konkret welcher Teil des Vorbringens aufgrund welcher Erwägung als glaubwürdig bzw. nicht glaubwürdig angenommen wird.

 

Weiters wurden vom Bundesasylamt keine ausreichenden individuellen Feststellungen betreffend die Existenzgrundlage der BF im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat getroffen. Es wird zu Spruchpunkt II. lediglich ausgeführt (AS 211), dass es sich bei der BF um eine arbeitsfähige Frau handle, welche vor der Ausreise nach Österreich von ihrem Vater finanziell unterstützt worden sei. Es wurde jedoch in keiner Weise geklärt, ob im Falle der Rückkehr finanzielle Unterstützung seitens des Vaters vor dem Hintergrund der angeführten Fluchtgeschichte noch möglich ist bzw. ob weitere familiäre Anknüpfungspunkte gegeben sind bzw. die BF anderwärtig in der Lage sein wird, ihre Existenzgrundlage zu sichern.

 

III. Artikel 151 Abs. 39 Z. 1 und 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) lauten:

 

(39) Art. 10 Abs. 1 Z 1, 3, 6 und 14, Art. 78d Abs. 2, Art. 102 Abs. 2, Art. 129, Abschnitt B des (neuen) siebenten Hauptstückes, Art. 132a, Art. 135 Abs. 2 und 3, Art. 138 Abs. 1, Art. 140 Abs. 1erster Satz und Art. 144a in der Fassung des Bundesverfassungsgesetzes BGBl. I Nr. 2/2008 treten mit 1. Juli 2008 in Kraft. Für den Übergang zur neuen Rechtslage gilt:

 

Z 1: Mit 1. Juli 2008 wird der bisherige unabhängige Bundesasylsenat zum Asylgerichtshof.

 

Z 4: Am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren sind vom Asylgerichtshof weiterzuführen. Beim Verwaltungsgerichtshof oder beim Verfassungsgerichtshof anhängige Verfahren über Beschwerden gegen Bescheide des unabhängigen Bundesasylsenates sind von diesen mit der Maßgabe weiterzuführen, dass als belangte Behörde der Asylgerichtshof gilt.

 

Gemäß § 61 (1) AsylG 2005 BGBl I Nr. 100/2005 idF BGBl I Nr. 4/2008 entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

 

1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

2. [.....]

 

(2) [.....]

 

(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen

 

1. zurückweisende Bescheide

 

[......]

 

2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.

 

(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.

 

Gem. § 23 des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof, BGBl. I, Nr. 4/2008 (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG) idgF sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr.51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt, weshalb im gegenständlichen Fall im hier ersichtlichen Umfang das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr.51 zur Anwendung gelangt.

 

Gem. § 75 (1) des Asylgesetzes 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG 2005) idgF sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt. Die §§ 24, 26, 54 bis 57 und 60 dieses Bundesgesetzes sind auf diese Verfahren anzuwenden. § 27 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Behörde zur Erlassung einer Ausweisung zuständig ist und der Sachverhalt, der zur Einleitung des Ausweisungsverfahrens führen würde, nach dem 31. Dezember 2005 verwirklicht wurde. § 57 Abs. 5 und 6 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass nur Sachverhalte, die nach dem 31. Dezember 2005 verwirklicht wurden, zur Anwendung dieser Bestimmungen führen.

 

Gegenständliches Verfahren war am 31.12.2005 nicht anhängig, weshalb es nach den Bestimmungen des AsylG 2005 zu Ende zu führen war.

 

Das erkennende Gericht ist berechtigt, näher bezeichnete Teile des angefochtenen Bescheides zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses zu erheben, ohne sie wiederholen zu müssen (vgl. z.B. das Erk. d. VwGH vom 4. 10. 1995, 95/01/0045; VwGH 24. 11. 1999, 99/01/0280; auch VwGH 8. 3. 1999, 98/01/0278), weshalb im gegenständlichen Fall im bereits genannten Umfang auf den erstinstanzlichen Bescheid verwiesen wird.

 

Ebenso ist das erkennende Gericht berechtigt, auf die außer Zweifel stehende Aktenlage (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) zu verweisen, weshalb auch hierauf im gegenständlichen Umfang verwiesen wird.

 

Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen. Gemäß Abs. 3 leg. cit. kann die Berufungsbehörde jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.

 

Auch der AsylGH (vorher UBAS) ist zur Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG berechtigt (vgl. dazu VwGH v. 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315 und Zl. 2000/20/0084). Eine kassatorische Entscheidung darf von der Berufungsbehörde nicht bei jeder Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes, sondern nur dann getroffen werden, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Die Berufungsbehörde hat dabei zunächst in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilen, ob angesichts der Ergänzungsbedürftigkeit des ihr vorliegenden Sachverhaltes die Durchführung einer mündlichen Verhandlung als "unvermeidlich erscheint". Für die Frage der Unvermeidlichkeit einer mündlichen Verhandlung i.S.d. § 66 Abs. 2 AVG ist es aber unerheblich, ob eine kontradiktorische Verhandlung oder nur eine Vernehmung erforderlich ist (vgl. etwa VwGH v. 14.03.2001, Zl. 2000/08/0200; zum Begriff "mündliche Verhandlung" i.S.d. § 66 Abs. 2 AVG siehe VwGH v. 21.11.2002,

 

Zl. 2000/20/0084).

 

Im Erkenntnis vom 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315 führte der VwGH zur Frage der Gesetzmäßigkeit der Ermessungsübung im Sinne des § 66 Abs. 2 und 3 AVG folgendes aus:

 

"Der Gesetzgeber hat in Asylsachen ein zweiinstanzliches Verfahren (mit nachgeordneter Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts) eingerichtet, wobei der belangten Behörde die Rolle einer "obersten Berufungsbehörde" zukommt (Art. 129c Abs. 1 B-VG). In diesem Verfahren hat bereits das Bundesasylamt den gesamten für die Entscheidung über den Asylantrag relevanten Sachverhalt zu ermitteln und es ist gemäß § 27 Abs. 1 AsylG grundsätzlich verpflichtet, den Asylwerber dazu persönlich zu vernehmen. Diese Anordnungen des Gesetzgebers würden aber unterlaufen, wenn es wegen des Unterbleibens eines Ermittlungsverfahrens in erster Instanz zu einer Verlagerung nahezu des gesamten Verfahrens vor die Berufungsbehörde käme und die Einrichtung von zwei Entscheidungsinstanzen damit zur bloßen Formsache würde. Es ist nicht im Sinne des Gesetzes, wenn die Berufungsbehörde, statt ihre (umfassende) Kontrollbefugnis wahrnehmen zu können, jene Behörde ist, die erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und einer Beurteilung unterzieht.

 

Dieser Gesichtspunkt ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes - freilich immer unter ausreichender Bedachtnahme auf das Interesse der Partei an einer raschen Erledigung des Asylverfahrens - bei der Ermessensausübung nach § 66 Abs. 2 und 3 AVG auch einzubeziehen. Unter dem Blickwinkel einer Kostenersparnis für die Partei ist dabei vor allem auch zu beachten, dass die Vernehmung vor dem Bundesasylamt dezentral durch die Außenstelle in den Bundesländern erfolgt, während der unabhängige Bundesasylsenat (jetzt AsylGH) - anders als bei den unabhängigen Verwaltungssenaten in den Ländern, für die Vergleichbares auf Landesebene gilt - als zentrale Bundesbehörde in Wien eingerichtet ist (vgl. auch zu das bereits erwähnte Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl.2000/20/0084)."

 

Auch wenn der AsylGH eine Außenstelle in Linz einrichtete, ist auszuführen, dass aufgrund des organisatorischen Aufbaues des AsylGH und des Bundesasylamtes, sowie aufgrund des Aufenthaltsortes der BF und der Geschäftsverteilung des AsylGH für das Jahr 2008 eine Weiterführung des Verfahrens durch den AsylGH im Sinne des § 66 (3) AVG nicht mit einer Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.

 

Im gegenständlichen Fall wurde der entscheidungsrelevante Sachverhalt nicht im erforderlichen Ausmaß ermittelt. Es wird daher Sache des Bundesasylamtes sein, die gebotenen Ermittlungstätigkeiten im bereits erörterten nachzuholen.

 

Zur Verletzung des Parteiengehörs wird auf folgenden Umstand hingewiesen:

 

In verschiedenen Erkenntnissen geht der VwGH davon aus, dass die Verletzung des Parteiengehörs durch die Möglichkeit der Einbringung der Berufung (jetzt Beschwerde) in diesem konkreten Fall als saniert anzusehen ist (vgl. für viele: VwGH vom 11.9.2003, 99/07/0062; VwGH vom 27.2.2003, 2000/18/0040; VwGH vom 26.2.2002, 98/21/0299).

 

Soweit im erstinstanzlichen Asylverfahren das Parteiengehör verletzt wurde, wird angeführt, dass in diesem Fall der BF die Gelegenheit hat, zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens in der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid Stellung zu nehmen und es dem BF aufgrund der durch die Verletzung des Parteiengehörs hervorgerufenen Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens [§ 40 (1) 2 AsylG in der hier anzuwendenden Fassung] im Beschwerdeverfahren weiters frei steht, zulässigerweise einen neuen Sachverhalt vorzubringen bzw. neue Bescheinigungsmittel vorlegen. Hierdurch mag zwar gegenüber dem BF die Verletzung des Parteiengehörs durch die Möglichkeit der Einbringung der Beschwerde als saniert anzusehen sein, dies ändert aber nichts daran, dass dieser Umstand in weiterer Folge die Verpflichtung zur Durchführung einer Verhandlung und somit die Rechtsfolgen des § 66 (2) AVG auslösen kann.

 

Im gegenständlichen Fall wurde in der Berufung kein neuer Sachverhalt vorgebracht, doch wäre davon auszugehen, dass die Gewährung des Parteiengehörs regelmäßig eine Stellungnahme der Verfahrenspartei zur Folge hat, welche jedenfalls ein amtswegig herbeizuschaffendes Bescheinigungsmittel darstellt. Die Unterlassung dieser Herbeischaffung kann einen Verfahrensmangel im Sinne des § 66

(2) AVG darstellen.

 

Enthält -wie im gegenständlichen Fall- der Bescheid eine nicht auf den sonstigen Inhalt abgestimmte schlüssige Beweiswürdigung, so führt dies in weiterer Folge dazu, dass auch die hierauf aufbauenden Feststellungen letztlich auf ein mangelhaftes Verfahren fußen und das Ermittlungsverfahren in seiner Gesamtheit als mangelhaft anzusehen ist. Hätte das Bundesasylamt die Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung erkannt, hätte es weitere Erhebungen zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes getätigt, wozu auch eine weitere Befragung der BF, bzw. eine Konfrontation der BF mit dem Ergebnis der Erhebungen erforderlich gewesen wäre.

 

Im Rahmen der nachzuholenden Ermittlungstätigkeiten wird das Bundesasylamt auch die BF ein weiteres Mal zu befragen haben. Ebenso wird es der BF das Ermittlungsergebnis zur Kenntnis zu bringen und ihr die Gelegenheit einzuräumen zu haben, sich hierzu zu äußern und ihr hinsichtlich der der Entscheidung zu Grunde gelegten Quellen das Parteiengehör zu gewähren haben. In weiterer Folge wird das BAA das Ermittlungsergebnis unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Bescheinigungsmittel einer schlüssigen Beweiswürdigung zu unterziehen und individuelle Feststellungen zu treffen zu haben, welche als Basis für die rechtliche Beurteilung dienen.

Schlagworte
Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung
Zuletzt aktualisiert am
10.11.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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