TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/01 A10 308807-2/2008

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Veröffentlicht am 01.09.2008
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Spruch

A10 308807-2/2008/7E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Pipal als Vorsitzenden und die Richterin Dr. Schnizer-Blaschka als Beisitzerin über die Beschwerde des A.A., geb. 00.00.1976, StA. Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 19.07.2007, GZ 06 07.479/1-BAE, zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Der Beschwerde liegt folgendes Verwaltungsverfahren zugrunde:

 

Der Beschwerdeführer brachte nach seiner illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 17.07.2006 einen Asylantrag ein.

 

Am 07.08.2006 legte der Beschwerdeführer dem Bundesasylamt eine an den MigrantInnenverein St. Marx sowie Herrn RA Dr. Lennart BINDER, LL.M. erteilte Vollmacht vor, die auch eine Zustellvollmacht umfasst.

 

Im Zuge seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 23.10.2006 verneinte der Beschwerdeführer die Fragen: "Haben Sie jemanden mit Ihrer Vertretung im Asylverfahren beauftragt bzw. haben Sie jemandem eine Zustellvollmacht erteilt?"

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 15.12.2006, GZ 06 07.479-BAE, wurde I. der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und diesem der Status des Asylberechtigten nicht zuerkannt, II. dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria nicht zuerkannt und III. der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 18.12.2006 persönlich zugestellt.

 

Am 03.01.2007 brachte der Beschwerdeführer durch seinen Vertreter RA Dr. Lennart BINDER, LL.M. eine Berufung gegen diesen Bescheid des Bundesasylamtes ein.

 

In weiterer Folge stellte der Beschwerdeführer am 23.01.2007 einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist, in welchem auch ausgeführt wurde, dass der Bescheid dem Vertreter des Beschwerdeführers übergeben wurde.

 

Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 25.01.2007, GZ 308.807-C1/E1-V/15/07, wurde die Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 15.12.2006 als verspätet zurückgewiesen. Dabei wurde von einer wirksamen Zustellung des Bescheides am 18.12.2006 ausgegangen.

 

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde vom Vertreter des Beschwerdeführers am 15.05.2007 wieder zurückgezogen, weil aus dem Akt des Bundesasylamtes die am 07.08.2006 vorgelegte Vollmacht an den MigrantInnenverein St. Marx sowie an RA Dr. Lennart BINDER, LL.M. ersichtlich war.

 

Am 21.06.2007 stellte RA Dr. Lennart BINDER, LL.M. den gegenständlichen Antrag auf Zustellung des Bescheides des Bundesasylamtes vom 15.12.2006.

 

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dieser Antrag "zurückgewiesen" (gemeint: abgewiesen).

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Gemäß § 75 Abs. 1 erster und zweiter Satz AsylG 2005 sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt.

 

Nach § 75 Abs. 7 AsylG 2005 sind am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof nach Maßgabe näherer Bestimmungen weiterzuführen.

 

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 23 AsylGHG hat außer dem in Abs. 2 erwähnten Fall der Asylgerichtshof, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Er ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) seine Anschauung an die Stelle jener des Bundesasylamtes zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

§ 9 Abs. 3 ZustG lautet: "Ist ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt, so hat die Behörde, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist."

 

Im vorliegenden Fall geht es um die Frage, ob der Beschwerdeführer die am 07.08.2006 dem Bundesasylamt zur Kenntnis gebrachte Vollmacht wiederum durch seine Erklärung bei der Einvernahme am 23.10.2006 ausdrücklich widerrief, indem er die Fragen, ob er jemanden mit seiner Vertretung im Asylverfahren beauftragt habe bzw. ob er jemandem eine Zustellvollmacht erteilt habe, verneinte.

 

Die Erklärung des Beschwerdeführers bei seiner Einvernahme am 23.10.2006 ist nach ihrem Wortlaut nicht als ausdrücklicher Widerruf der am 07.08.2006 bekannt gegebenen Vollmacht zu verstehen, sondern als - inhaltlich offensichtlich falsche - Mitteilung des Beschwerdeführers, dass er niemanden mit seiner Vertretung beauftragt habe und niemandem eine Zustellvollmacht erteilt habe. Bei dieser Sachlage konnte nicht ohne entsprechende Nachfrage von einem ausdrücklichen Widerruf der Vollmacht ausgegangen werden.

 

Daher war die am 18.12.2006 an den Beschwerdeführer persönlich erfolgte Zustellung des Bescheides vom 15.12.2006 gemäß § 9 Abs. 3 ZustG rechtswidrig. Erst mit dem Zeitpunkt, in dem der Bescheid dem Vertreter tatsächlich zukam, nämlich laut dessen Angaben am 20.12.2006, wurde die Zustellung gemäß § 9 Abs. 3 zweiter Satz ZustG bewirkt. Daher erweist sich die am 03.01.2007 eingebrachte Berufung als rechtzeitig. Diese Tatsache wurde erst am 15.05.2007 bei der Zeugeneinvernahme des Vertreters des Beschwerdeführers aufgeklärt.

 

Da demnach eine wirksame Zustellung des Bescheides des Bundesasylamtes vom 15.12.2006 bereits am 20.12.2006 erfolgte, war die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 19.07.2007 betreffend "Zurückweisung" (gemeint: Abweisung) des Zustellantrages vom 21.06.2007 abzuweisen.

 

Der Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 25.01.2007 betreffend Zurückweisung der Berufung als verspätet wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom heutigen Tag gemäß § 68 Abs. 2 AVG aufgehoben.

Schlagworte
Rechtzeitigkeit, Vertretungsverhältnis, Vollmacht, Zustellantrag, Zustellung
Zuletzt aktualisiert am
27.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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