A2 313.555-1/2008/4E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Filzwieser als Einzelrichter über die Beschwerde des C. A., geb. 00. 00.2004, StA. Russland vertreten durch C. M., gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 12.07.2007, Zl. 07 04.788-BAT, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17.03.2008 zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird stattgegeben und C. A. gemäß § 3, 34 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass C. A. damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1. Der Verfahrensgang vor dem Bundesasylamt ergibt sich aus der Aktenlage.
2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Traiskirchen, vom 12.07.2007 wurde der Antrag auf internationalen Schutz des (nunmehrigen) Beschwerdeführers abgewiesen, der Status der subsidiär Schutzberechtigten im Bezug auf den Herkunftsstaat zuerkannt und dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG bis zum 15.05.2008 erteilt.
3. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides wurde rechtzeitig Berufung (nunmehr als Beschwerde anzusehen) erhoben.
4. Der (seinerzeit zuständige) Unabhängige Bundesasylsenat führte am 17.03.2008 eine mündliche Verhandlung durch, an welcher der Vater und die Mutter des Beschwerdeführers teilnahmen. Das Bundesasylamt hatte seine Nicht-Teilnahme entschuldigt und den Antrag gestellt, die Beschwerde abzuweisen.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person und den Fluchtgründen des Beschwerdeführers
Der Beschwerdeführer ist minderjähriger russischer Staatsangehöriger aus Dagestan und gehört der tschetschenischen Volksgruppe an. Aktuelle Fluchtgründe in Bezug auf den Beschwerdeführer sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom heutigen Tag wurde seinen Eltern Asyl in Österreich gewährt.
1.2. Zur Lage in der Russischen Föderation werden aufgrund der in der Folge genannten in der Verhandlung vom 17.03.2008 erörterten Quellen nachfolgende Feststellungen getroffen:
UK Home Office, Operational Guidance Note, Russian Federation, 14.11.2006, UKHO, dem Internet entnehmbar.
Dt. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, einschließlich Tschetschenien vom 13.01.2008, AA.
US State Department, Russia, Country Reports on Human Rights Practices 2007 vom 11.03.2008, USDOS, dem Internet entnehmbar.
Centre for Eastern Studies, Chechnya, between a Caucasian "Jihad" and "hidden" separatism (Macej Falkovski), Jänner 2007, CES 1, dem Internet entnehmbar
BFM, Russische Kläger beim EGMR in Strassburg, 13.12.2007, BFM
NZZ, "Beschwerliche Rückkehr zur Normalität in Grozny", 06.01.2007, NZZ 1.
NZZ: "Russland ist mittlerweile das zweitgrößte Immigrationsland der Welt", 03.02.2007, NZZ 2.
Berichte von reliefweb über humanitäre Situation im Nordkaukasus, RELIEFWEB, dem Internet entnehmbar
Auskunft des Vertrauensanwaltes der ÖB Moskau vom 16.11.2006, Fragen 8-11. ÖB1
Auskunft der ÖB Moskau vom 20.07.2006, ÖB 2
Centre for Eastern Studies, Demographic Situation in Russia (Leszek Szerepka), Juli 2006, CES 2, dem Internet entnehmbar
ACCORD, Auskunft vom 13.09.2005 zur Situation von Tschetschenen außerhalb des Nordkaukasus, ACCORD
Schweizer Flüchtlingshilfe, Nordkaukasus, Klaus Ammann, Jänner 2007,
SFH
Dagestan: BFM, Russland, Dagestan- Ein zweites Tschetschenien, Teil 1 und 2, April 2006, BFM D
FAST Update Dagestan, June-August 2007 FAST, dem Internet entnehmbar
Folgerungen:
Im Jahr 2007 kam es in Russland zu einer Reihe von, auch schwerwiegenden, Menschenrechtsproblemen, die auch staatliche (Sicherheits-)organe betrafen. Die demokratische Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber dem Volk wurde weiter schwächer. Medien- und Meinungsfreiheit wurden in einigen Bereichen beschränkt. An positiven Entwicklungen waren Reformen der Strafgerichtsbarkeit und die verstärkte staatliche Verfolgung von rassischen und ethnischen Diskriminierungen zu verzeichnen (USDOS)
In Tschetschenien kam es weiterhin zu einigen straflosen Menschenrechtsverletzungen durch russische Organe und tschetschenische Regierungskräfte, wobei sich die allgemeine Sicherheitslage insbesondere in Städten und anderen Talregionen stabilisiert hat (USDOS, SFH, NZZ 1). Staatliche Sicherheitsaufgaben wurden zunehmend an die "pro-russischen" Kräfte um den nunmehrigen Präsidenten Ramzan Kadyrov übergeben, die mit zum Teil rechtswidrigen Methoden gegen (vermeintliche) Gegner vorgehen. Die Zahl der Morde und Verschleppungen ist nach Zählung der Menschenrechtsorganisation "Memorial" aber erheblich zurückgegangen, was auf einen Befehl von Präsident Kadyrov zurückgehen soll. Die "Kadyrovzi" sind nun eine mehrere Tausend Mann starke Truppe, die zum großen Teil aus ehemaligen Widerstandskämpfern besteht. Rebellen wurden von Kadyrov mit Geld oder durch Entführung von Angehörigen zum Überlaufen gebracht. Offene Kämpfe gibt es derzeit weniger. "Tschetschenische Rebellen", obwohl stark geschwächt, begingen weiterhin einige (schwere) Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien, die auch zivile Opfer forderten. Es gibt auch staatliche Institutionen zur Bekämpfung von Menschenrechtsverletzungen, diese sind aber vielfach noch zu schwach ausgeprägt. (CES1, SFH, USDOS, AA, APA, NZZ 1).
Die meisten Binnenvertriebenen Tschetschenen sind nach Tschetschenien zurückgekehrt, einige leben aber weiterhin in Nachbarrepubliken und anderen Teilen Russlands (z.B. 200.000 in Moskau, 50.000 in der Wolgaregion). Die tschetschenische Volksgruppe ist insgesamt in vielen Teilen der Russischen Föderation vertreten. Es existieren dort vielfach auch Netzwerke der Tschetschenen, beziehungsweise Hilfsorganisationen, die sich für ihre Rechte einsetzen (ACCORD, CES 2).
In Dagestan kommt es derzeit verstärkt zu Angriffen des islamistischen Untergrundes auf Sicherheitskräfte. Zivilpersonen werden fallweise in Mitleidenschaft gezogen, wenn auch in ungleich geringerem Ausmaß als in Tschetschenien. Sicherheitskräfte führen im Hinterland vermehrt Kontrollen durch. Insgesamt ist die Lage durch die Vielzahl interethnischer Auseinandersetzungen, soziale und ökonomische Probleme sowie Korruption (wogegen es häufig zu Demonstrationen kommt) erschwert. Es gibt aber fundamentale Unterschiede zur Auseinandersetzung in Tschetschenien. Die Bevölkerung steht nicht hinter den Islamisten und stellen diese keine Alternative zum politischen System der Republik unter Muchu Aliev dar (AA, FAST, BFM D, SFH, CES 1).
Ob eine Ansiedlung in anderen Teilen der Russischen Föderation möglich ist, ist bei Fehlen staatlicher Verfolgung im Einzelfall zu prüfen, dabei spielen angesichts von möglichen Schwierigkeiten bei der Registrierung ein Netzwerk von Verwandten und Bekannten und die Möglichkeit der Kontaktierung von NGO's eine Rolle. Nichtregistrierte Tschetschenen können gegebenenfalls in der tschetschenischen Diaspora innerhalb Russlands überleben, wobei wiederum Faktoren wie Geld, Familienanschluss, Ausbildung und russische Sprachkenntnisse relevant sein können. Für arbeitsfähige Menschen hat sich die Möglichkeit der Teilnahme am Arbeitsmarkt in anderen Teilen Russlands jedoch erhöht. Das Risiko zum Opfer von Diskriminierungen und Menschenrechtsverletzungen zu werden, kann bei Tschetschenen höher als bei anderen Ethnien sein. Die Schwere solcher Risken ist im Einzelfall zu prüfen. Die Registrierung ist in Südrussland leichter, die Sicherheitslage in den benachbarten Kaukasusrepubliken, insbesondere Dagestan und Inguschetien, ist aber kritisch und muss im Einzelfall geprüft werden. Direkte staatliche Repression nur in Folge einer Asylantragstellung konnte bei Tschetschenen bisher nicht nachgewiesen werden (AA, ACCORD, CES 2, USDOS, UKHO, ÖB 1, NZZ 2).
Die Grundversorgung mit Nahrungsmitteln und eine medizinische Grundversorgung sind in Russland, einschließlich der Kaukasus-Region im allgemeinen gegeben, die Bevölkerung Tschetscheniens lebt trotz erster Erfolge von entsprechenden Förderungs- und Unterstützungsmaßnahmen und einer grundsätzlich positiven Tendenz oft aber schwierig (AA, RELIEFWEB). Die Wirtschaftslage im Nordkaukasus und Tschetschenien hat sich auch durch das weiter bestehende Engagement von Hilfsorganisationen verbessert. (AA, CES 1, NZZ 1, RELIEFWEB, SFH).
Gefälschte Dokumente oder unwahre Zeitungsmeldungen, mit denen staatliche Repressionsmaßnahmen dokumentiert werden sollen, werden regelmäßig bei Asylsuchenden aus der Russischen Föderation im allgemeinen und der Kaukasusregion im besonderen festgestellt. Von staatlichen Behörden ausgestellte Dokumente sind nicht selten mit unrichtigem Inhalt ausgestellt oder gefälscht;
Personenstandsurkunden und andere Dokumente (z.B. Haftbefehle) können gekauft werden. Häufig werden falsche Namen und Adressen in Asylverfahren angegeben. Aussagekräftig sind insbesondere echte Inlandspässe (AA).
Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es durch Bestechung möglich ist, echte Auslandspässe zu erhalten und russische Kontrollen, z.B. beim Verlassen der Kaukasus-Region zu passieren, obwohl eine Suche durch föderale russische Organe erfolgt. Bei der Ausreise nach Weißrussland gibt es in der Regel keine Kontrollen (ÖB 2).
2. Beweiswürdigung:
2.1. An dem Verwandtschaftsverhältnis zu seinen Eltern bestehen keine Zweifel. Die übrigen Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers ergeben sich aus diesbezüglich von den Parteien nicht bestrittenen Aktenbestandteilen.
2.2. Die Feststellungen zur Lage in Russland (Dagestan/Tschetschenien) ergeben sich aus einer Gesamtschau der zitierten angeführten aktuellen Quellen, denen von beiden Verfahrensparteien nicht entgegengetreten wurde.
3. Rechtliche Würdigung:
Mit Datum 01.01.2006 ist das neue Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG idF BGBL. I Nr. 100/2005) und ist somit auf alle ab diesem Zeitpunkt gestellten Asylanträge anzuwenden.
Da der Beschwerdeführer seinen Antrag auf internationalen Schutz im Wege seiner Mutter nach diesem Datum gestellt hat, kommt im gegenständlichen Verfahren das Asylgesetz 2005 zur Anwendung.
Am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren sind vom Asylgerichtshof nach Maßgabe des § 75 AsylG 2005 idF. BGBl. I Nr. 4/2008 weiterzuführen.
Gemäß § 75 Abs. 7 Z 1 AsylG 2005 idF. BGBl. I Nr. 4/2008 haben Mitglieder des Unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.
Gemäß § 23 AsylGHG sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.
Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz idF BGBL. I Nr. 100/2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1, Abschnitt A, Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.
Flüchtling i.S.d. Asylgesetzes ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung".
Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; VwGH 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH 25.1.2001, Zl. 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht. (VwGH E vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH 25.1.2001, Zl. 2001/20/0011).
Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.02.1997, Zl. 95/01/0454, VwGH 09.04.1997, Zl. 95/01/055), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH 18.04.1996, Zl. 95/20/0239; VwGH 16.02.2000, Zl. 99/01/0397), sondern erfordert eine Prognose.
Verfolgungshandlungen die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).
Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, Zl. 93/01/0284; VwGH 15.03.2001, Zl. 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183, VwGH 18.02.1999, Zl. 98/20/0468).
Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss im Entscheidungszeitpunkt vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).
Eine Verfolgung, d.h. ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen, kann weiters nur dann asylrelevant sein, wenn sie aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen (Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung) erfolgt, und zwar sowohl bei einer unmittelbar von staatlichen Organen ausgehenden Verfolgung als auch bei einer solchen, die von Privatpersonen ausgeht (VwGH 27.01.2000, Zl. 99/20/0519, VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256, VwGH 04.05.2000, Zl. 99/20/0177, VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203, VwGH 21.09.2000, Zl. 2000/20/0291, VwGH 07.09.2000, Zl. 2000/01/0153, ua.).
Gemäß § 34 Abs. 1 AsylG gilt, wenn ein Familienangehöriger (§ 2 Z 22) von einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist; einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder einem Asylwerber einen Antrag auf internationalen Schutz stellt, dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.
Gemäß Abs. 2 leg. cit. hat die Behörde aufgrund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Artikel 8 EMRK mit dem Familienangehörigen in einem anderen Staat nicht möglich ist.
Gemäß Abs. 4 leg. cit. hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen, und es erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid.
Familienangehörige sind gemäß § 2 Z 22 AsylG, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung unverheiratetes minderjähriges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Familiengemeinschaft bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.
Da keinerlei Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das bestehende Familienleben des Beschwerdeführers mit seinen Eltern in einem anderen Staat, nämlich insbesondere in seinem Herkunftsstaat Russland, möglich ist, war ihm aus diesem Grunde gemäß § 34 Asylgesetz 2005, Asyl zu gewähren.
Es haben sich keine eigenen Fluchtgründe im Sinne einer politischen Verfolgung oder der Zugehörigkeit zu einer allfälligen sozialen Gruppe der Familie eines nach der GFK verfolgten Familienmitgliedes ergeben.
Dass es eine "Sippenhaftung" für Familienangehörige von verfolgten Familienmitgliedern gibt, kann aus den Feststellungen nicht allgemein bejaht werden, ebensowenig das Bestehen einer asylrelevanten "Gruppenverfolgung" aller Tschetschenen.
Im gegenständlichen Fall sind, bezogen auf den Entscheidungszeitpunkt, keine Hinweise für eine individuelle andere Situation hervorgekommen.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass der Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.