TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/01 E12 317879-1/2008

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Veröffentlicht am 01.09.2008
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Spruch

E12 317.879-1/2008-7E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Isabella Zopf als Vorsitzende und den Richter Dr. Markus Steininger als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Frau Auberger über die Beschwerde des H. L., geb. am 00.00.1966, StA. Armenien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.2.2008, FZ. 07 10.676-BAE, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8 Abs. 1 Z. 1, 10 Abs. 1 Z.2 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

 

I. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Armeniens, brachte am 16.11.2007 beim Bundesasylamt (BAA) einen Antrag auf Gewährung von Asyl ein. Dazu wurde er am 16.11.2007 (AS 3f)erstbefragt und zu den im Akt ersichtlichen Daten von einem Organwalter des BAA (AS 27f und 71f) niederschriftlich einvernommen. Der Verlauf dieser Einvernahmen ist im angefochtenen Bescheid (AS 97ff) vollständig wiedergegeben, weshalb an dieser Stelle hierauf verwiesen wird.

 

Als Begründung für das Verlassen des Herkunftsstaates brachte er im Wesentlichen vor, er befürchte, von den Mördern seines Vaters umgebracht zu werden. Sein Vater sei von Gästen des Restaurants, in dem der BF gearbeitet hat, versehentlich an seiner Stelle erschossen worden. Es habe mit diesen Gästen am 00.00.2007 im Restaurant Probleme gegeben, weil sie nicht zahlen wollten. Im Zuge der folgenden Auseinandersetzung sei einer der Gäste mit einem Messer verletzt worden. Die Polizei habe daraufhin den BF 2 Tage einvernommen, den Fall aber letztendlich nicht klären können. Ca. 1 Woche später hätten 3 ihm unbekannte Männer die Wohnung, in der der BF mit seinem Vater lebte, verwüstet. Am 00.00.2007 sei sein Vater erschossen worden. Weder die Sachbeschädigung noch der Mord konnten von der Polizei geklärt werden. Der BF hätte dann die Wohnung verkauft und habe am 15.9.2007 das Land verlassen.

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.2.2008 Zahl: 07 10.676-BAE (in weiterer Folge als "angefochtener Bescheid" bezeichnet) wurde der Asylantrag des Berufungswerbers gemäß § 7 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I). Subsidiärer Schutz gem. § 8 AsylG 2005 wurde ebenfalls nicht zuerkannt ( Spruchpunkt II) und gem. § 10 AsylG 2005 die Ausweisung nach Armenien verfügt.

 

Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die belangte Behörde das Vorbringen des BF als unglaubwürdig. Ebenso könne den geschilderten Vorfällen keine Asylrelevanz beigemessen werden.

 

Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 26.2.2008 innerhalb offener Frist Berufung (jetzt Beschwerde) erhoben. Hinsichtlich des Inhaltes der Beschwerde wird auf den Akteninhalt, AS 167ff (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.

 

Im Wesentlichen wurde nach Darlegung allgemeiner rechtlicher und sonstiger Ausführungen vorgebracht, dass das Bundesasylamt den relevanten Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt hätte und die Beweiswürdigung unrichtig sei. Hinsichtlich des weiteren Verfahrensherganges bzw. des Vorbringens im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Der AsylGH hat durch den vorliegenden Verwaltungsakt Beweis erhoben. Der festgestellte Sachverhalt steht aufgrund der außer Zweifel stehenden Aktenlage (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) fest.

 

Das Bundesasylamt hat ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens und die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen klar und übersichtlich zusammengefasst. Der Asylgerichtshof schließt sich den Feststellungen zum Sachverhalt und der Beweiswürdigung im Bescheid des Bundesasylamtes, FZ 07 10.676-BAE, AS 97ff, an (s. auch VwGH vom 25.3.1999, 98/20/0559; 8.6.2000, 99/20/0366; 30.11.2000, 2000/20/0557; 21.6.2001, 99/20/0460).

 

In der Beschwerde werden der Beweiswürdigung des Bundesasylamtes, insbesondere hinsichtlich der nachvollziehbar dargelegten Widersprüche und Unstimmigkeiten im Vorbringen des BF keine konkreten Argumente entgegengesetzt. In diesem Zusammenhang findet die in der Beschwerde getroffene Einschätzung, dass die vermeintlichen Widersprüche nicht nachvollziehbar seien und lediglich unwesentliche Punkte der Fluchtgeschichte beträfen, im Akteninhalt keine Deckung. Außerdem ist die Behörde im Asylverfahren nicht verhalten, den Asylwerber zu Widersprüchen in Ansehung seines Asylantrages zu befragen, weil keine Verpflichtung besteht, ihm im Wege eines behördlichen Vorhaltes zur Kenntnis zu bringen, dass Widersprüche vorhanden sind, die im Rahmen der vorzunehmenden Beweiswürdigung zu seinem Nachteil von Bedeutung sein könnten, und ihm aus diesem Grund eine Stellungnahme hiezu zu ermöglichen. Im angefochtenen Bescheid hat sich die belangte Behörde sehr wohl eingehend mit den Widersprüchen auseinandergesetzt. Der BF hätte in weiterer Folge Gelegenheit gehabt, in der Beschwerdeschrift die von ihm angesprochenen Klarstellungen vorzunehmen, was allerdings unterblieben ist.

 

Die belangte Behörde hat auch zu Recht keine Nachforschungen zu R. für notwendig erachtet, zumal das diesbezügliche Vorbringen des BF völlig unsubstantiiert geblieben ist. Für die Existenz des R. wurden weder Belege vorgelegt noch erfolgte eine Glaubhaftmachung konkreter Anhaltspunkte für dessen Existenz und die behaupteten mit seiner Person in Zusammenhang stehenden Übergriffe. Ebenso ist es wie in der Beschwerde behauptet wird, nicht zutreffend, dass ein zeitlicher Konnex zwischen Ermordung des Vaters des BF und seiner Ausreise bestünde. Der BF hat selbst angegeben, in der Zeit von Ende Juni bis zur Ausreise im September 2007, keinerlei Bedrohungen oder Verfolgung ausgesetzt gewesen zu sein. Wie die Erstbehörde richtig erkannt hat, hätte der BF im Falle von wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung sicherlich nicht Monate bis zur Ausreise zugewartet bzw. sich die finanziellen Mittel dafür anderweitig besorgt.

 

Soweit die Feststellungen zur allgemeinen Situation in Armenien dem BF nicht ausdrücklich vorgehalten wurden, ist dem entgegenzuhalten, dass es sich dabei - wie von der belangten Behörde zutreffend festgestellt- um notorische Tatsachen handelt. Dazu zählen u.a. Tatsachen, die in einer Vielzahl von Massenmedien in einer der Allgemeinheit zugängigen Form über Wochen hin im wesentlichen gleichlautend und oftmals wiederholt auch für einen Durchschnittsmenschen leicht überprüfbar publiziert werden, wobei sich die Allgemeinnotorietät nicht auf die bloße Verlautbarung beschränkt, sondern allgemein bekannt ist, dass die in den Massenmedien verbreiteten Tatsachen auch der Wahrheit entsprechen. Die spezifischen Feststellungen zu "Polizei und Misshandlungen" wurden dem BF ohnedies vorgehalten (AS 83f).

 

Entgegen der Auffassung des BF hat sich die belangte Behörde sehr wohl eingehend mit seiner Glaubwürdigkeit bzw. der Glaubhaftmachung von Asylgründen auseinandergesetzt (s. AS 141f).

 

Soweit im Beschwerdeschriftsatz - wiederum nur sehr allgemein formuliert- mangelhafte Ermittlungen seitens des Bundesasylamtes vorgebracht werden, wird festgestellt, dass dieses hierzu nicht verhalten war, zumal es dem BF offensichtlich frei stand, vor dem Bundesasylamt alles frei vorzubringen, was ihn veranlasste seinen Herkunftsstaat zu verlassen bzw. ihn hindere dorthin zurückzukehren; bei weiteren Ermittlungen hätte es sich letztlich um die Herbeischaffung eines als unzulässig zu erachtenden Erkundungsbeweises gehandelt. Erkundungsbeweise sind Beweise, die nicht konkrete Behauptungen sondern lediglich unbestimmte Vermutungen zum Gegenstand haben. Sie dienen also nicht dazu, ein konkretes Vorbringen der Partei zu untermauern, sondern sollen es erst ermöglichen, dieses zu erstatten. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Erkundungsbeweise im Verwaltungsverfahren - und somit auch im asylgerichtlichen Verfahren - unzulässig. Daher ist die Behörde/der Asylgerichtshof einerseits nicht gem. §§ 37 iVm 39 Abs 2 AVG zur Durchführung eines solchen Beweises (zur Entsprechung eines dahin gehenden Antrages) verpflichtet, sodass dessen Unterlassung keinen Verfahrensmangel bedeutet. (Hengstschläger - Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, Manz Kommentar, Rz 16 zu § 46 mwN).

 

III. Rechtliche Beurteilung

 

Artikel 151 Abs. 39 Z. 1 und 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) lauten:

 

(39) Art. 10 Abs. 1 Z 1, 3, 6 und 14, Art. 78d Abs. 2, Art. 102 Abs. 2, Art. 129, Abschnitt B des (neuen) siebenten Hauptstückes, Art. 132a, Art. 135 Abs. 2 und 3, Art. 138 Abs. 1, Art. 140 Abs. 1erster Satz und Art. 144a in der Fassung des Bundesverfassungsgesetzes BGBl. I Nr. 2/2008 treten mit 1. Juli 2008 in Kraft. Für den Übergang zur neuen Rechtslage gilt:

 

Z 1: Mit 1. Juli 2008 wird der bisherige unabhängige Bundesasylsenat zum Asylgerichtshof.

 

Z 4: Am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren sind vom Asylgerichtshof weiterzuführen.

 

Gem. § 23 des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof, BGBl. I, Nr. 4/2008 (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG) idgF sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr.51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt, weshalb im gegenständlichen Fall im hier ersichtlichen Umfang das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr.51 zur Anwendung gelangt.

 

Gemäß § 66 Abs 4 AVG idgF hat der Asylgerichtshof [Berufungsbehörde], sofern die Beschwerde [Berufung] nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Er [sie] ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) seine [ihre] Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Gem. § 73 (1) Asylgesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG 2005) tritt dieses Gesetz mit der Maßgabe des § 75 (1) leg. cit. in Kraft, wonach alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen sind.

 

Gegenständliches Verfahren war am 31.12.2005 nicht anhängig, weshalb es nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 zu Ende zu führen ist.

 

Das erkennende Gericht ist berechtigt, näher bezeichnete Teile des angefochtenen Bescheides zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses zu erheben, ohne sie wiederholen zu müssen (vgl. z.B. das Erk. d. VwGH vom 4. 10. 1995, 95/01/0045; VwGH 24. 11. 1999, 99/01/0280; auch VwGH 8. 3. 1999, 98/01/0278), weshalb im gegenständlichen Fall im bereits genannten Umfang auf den erstinstanzlichen Bescheid verwiesen wird.

 

Ebenso ist das erkennende Gericht berechtigt, auf die außer Zweifel stehende Aktenlage (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) zu verweisen, weshalb auch hierauf im gegenständlichen Umfang verwiesen wird.

 

Der erstinstanzliche Bescheid basiert vorbehaltlich der getroffenen Ausführungen zur Nennung der den vom Bundesasylamt implizit angenommenen Feststellungen und diesen zu Grunde liegenden Quellen, bzw. vorbehaltlich der Ausführungen zur Verletzung des Parteiengehörs auf einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren und fasst in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung in der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammen. Die Erstbehörde hat sich mit dem individuellen Vorbringen auseinandergesetzt und dieses in zutreffenden Zusammenhang mit der Situation des BF gebracht. Auch die rechtliche Beurteilung begegnet keinen Bedenken.

 

Aufgrund der Feststellungen des Bundesasylamtes ist von auf ausreichend aktuelle Quellen basierenden Feststellungen auszugehen, welche den weiteren Ausführungen zu Grunde gelegt werden.

 

Grundsätzlich ist dem Bundesasylamt beizupflichten, dass sich aufgrund der im angefochtenen Bescheid beschriebenen Umstände das Vorbringen des BFs als unglaubwürdig darstellt.

 

Zur vom BF bestrittenen mangelnden Asylrelevanz des Vorbringens wird angeführt, dass der AsylGH nicht verkennt, dass private Verfolgung in bestimmten Fallkonstellationen durchaus asylrelevant sein kann. Im gegenständlichen Fall liegt das Motiv für die angestrebte Rache nicht in den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Tatbestandsmerkmalen, insbesondere der "Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe" hier namentlich der Restaurantangestelllten , sodass keines der fünf Motive der GFK vorliegt (VwGH 8.6.2000, Zl. 99/20/0141-5). Die Zugehörigkeit zu einer anderen sozialen Gruppe, etwa indem die einer Straftat verdächtigen Personen als soziale Gruppe qualifiziert werden, scheidet hier aus (zur Auslegung des Begriffes "soziale Gruppe" vgl. Erk. d. VwGH v. 26.6.2007, Zl. 2007/01/0479-7, wo dieser auch auf Art. 10 der Richtlinie 2004/83 EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Person, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des gewährten Schutzes ("Statusrichtline") Bezug nimmt). Dem Bundesasylamt ist daher beizupflichten, dass dem vorgebrachten Sachverhalt keine Asylrelevanz zukommt.

 

Ebenso ist dem Bundesasylamt beizupfllichten, dass -rein hypothetisch betrachtet ohne hierdurch den behaupteten ausreiskausalen Sachverhalt als glaubwürdig werten zu wollen- es dem BF möglich und zumutbar wäre, sich im Falle der behaupteten Bedrohungen an die armenischen Sicherheitsbehörden zu wenden, welche willens und fähig wären, ihm Schutz zu gewähren.

 

Auch wenn ein solcher Schutz (so wie in keinem Staat auf der Erde) nicht lückenlos möglich ist, stellen die vom BF geschilderten Übergriffe in Armenien offensichtlich amtswegig zu verfolgende strafbare Handlungen dar und andererseits existieren in Armenien Behörden, welche zur Strafrechtspflege bzw. zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit berufen und auch effektiv tätig sind. Die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit der Behörden ist somit gegeben.

 

Die bloße Möglichkeit, dass staatlicher Schutz nicht rechtzeitig gewährt werden kann, vermag eine gegenteilige Feststellung nicht zu begründen, solange nicht von der maßgeblichen Wahrscheinlichkeit der Nichtgewährung staatlichen Schutzes auszugehen ist.

 

Der AsylGH schließt sich letztlich den Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenem Bescheid an und erhebt sie zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses (vgl. für viele exemplarisch VwGH 25.3.1999, 98/20/0559; 8.6.2000, 99/20/0366; 30.11.2000, 2000/20/0356; 22.2.2001, 2000/20/0557; 21.6.2001, 99/20/046; 01.3.2007, 2006/20/0005; 21.3.2007, 2007/19/0085-3

[Ablehnung der Behandlung der Beschwerde]; 31.5.2007 2007/20/0488-6

[Ablehnung der Behandlung der Beschwerde]).

 

Soweit im erstinstanzlichen Verfahren eine Verletzung des Parteiengehörs moniert wurde, indem dem BF die allgemeine Lage in dessen Herkunftsstaat und die darauf basierenden Quellen, welche das Bundesasylamt als erwiesen annimmt, nicht zur Kenntnis gebracht wurden, wird angeführt, dass der BF die Gelegenheit hatte, zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens in der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid Stellung zu nehmen, er davon aber nicht Gebrauch gemacht hat. Im gegenständlichen Fall stand es dem BF hinsichtlich der Verletzung des Parteiengehörs im Beschwerdeverfahren weiters frei, zulässigerweise einen neuen Sachverhalt vorzubringen. Aufgrund der hier vorliegenden Sach- und Rechtslage ist daher davon auszugehen, dass die Verletzung des Parteiengehörs durch die Möglichkeit der Einbringung der Beschwerde in diesem konkreten Fall als saniert anzusehen ist (vgl. für viele:

VwGH vom 11.9.2003, 99/07/0062; VwGH vom 27.2.2003, 2000/18/0040; VwGH vom 26.2.2002, 98/21/0299), wodurch jedoch nicht gesagt ist, dass das Bundesasylamt generell von der Verpflichtung, Parteiengehör zu gewähren befreit ist und nicht Fälle denkbar sind, in welchen eine solche Verpflichtung zur Behebung des erstinstanzlichen Bescheides gem. § 66 (2) AVG führen kann.

 

Dem Bundesasylamt ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau jedenfalls beizupflichten, dass kein Sachverhalt hervorkam, welcher bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen den Schluss zuließe, dass der BF im Falle einer Rückkehr nach Armenien dort einer Gefahr im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK bzw. § 3 AsylG 2005 ausgesetzt wäre.

 

Der Umstand, dass Armenien gewisse soziale, medizinische od. sonst. unterstützende Leistungen nicht bietet, welche Österreich bietet (vgl für mehrere. z. B. Urteil vom 2.5.1997, EGMR 146/1996/767/964, oder auch Application no. 7702/04 by SALKIC and Others against Sweden oder S.C.C. against Sweden v. 15.2.2000, 46553 / 99) ist jedenfalls irrelevant. Sonstige außerordentliche, ausnahmsweise vorliegende Umstände, welche im Rahmen einer Außerlandeschaffung zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen (EGMR 02.05.1997 -146/1996/767/964) führen, kamen ebenfalls nicht hervor. Jedenfalls ist aus der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat (vgl. VfSlg 13.897/1994, 14.119/1995, vgl. auch Art. 3 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984; ebenso, kein Hinweis auf die Existenz einer allgemein existenzbedrohenden Notlage im Sinne einer allgemeinen Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige Elementarereignisse) in Verbindung mit der individuellen Situation des BFs (42-jähriger, gesunder, mobiler Mann, der bisher sein Leben im Herkunftsstaat meistern konnte [vgl. Erk. d. VwGH vom 22.8.2007, Zahlen 2005/01/0015-6, 2005/01/0017-8]) kein Hinweis hierauf ableitbar, welcher zur gegenteiligen Feststellung führen könnte. Ein Zustand willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts in Bezug auf das Territorium von Armenien ist nicht feststellbar. Hinweise auf einen Sacherhalt iSd Art. 2 EMRK, oder des Protokolls Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe scheiden schon aufgrund der Ausgestaltung des armenischen Strafrechts aus.

 

Aus dem Vorbringen des BF kann bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatschen kein Hinweis abgeleitet werden, dass dieser vernünftiger Weise (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380) in dessen Herkunftsstaat mit einer über die bloße Möglichkeit (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262) hinausgehenden, maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer aktuellen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194) Gefahr ausgesetzt wäre.

 

Ausgehend davon, dass der BF seit November 2007 in Österreich aufhältig ist und über keinerlei familiäre Bindungen im Bundesgebiet verfügt, hat die Erstbehörde in Hinblick auf die einschlägige Judikatur der Höchstgerichte zurecht keinen Eingriff in das in Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützte Privat- oder Familienleben festgestellt, weshalb es auch keiner Abwägung gem. Art. 8 Abs. 2 EMRK bedurfte.

 

Gemäß § 41 Abs 7 AsylG 2005 kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 67 d AVG. Es ergibt sich aus § 23 AsylGHG, dass die dort als Rechtsfolge vorgesehene sinngemäße Anwendung des AVG 1991 unter dem Vorbehalt anderer Regelungsinhalte des B-VG, des AsylG 2005 und des VwGG steht. Derartige ausdrückliche andere Regelungen für das Verfahren vor dem Asylgerichtshof sind, in den in der Erläuterung laut AB 371 XXIII.GP genannten §§ 20, 22 und 41 AsylG 2005 enthalten, wohl aber auch in den §§ 42, 61 und 62 AsylG 2005.

 

Im gegenständlichen Fall konnte der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt erachtet werden, da dieser nach einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde nach schlüssiger Beweiswürdigung festgestellt und dieser in der Beschwerde auch nicht substantiiert entgegen getreten wurde. Rechtlich relevante und zulässige Neuerungen wurden nicht vorgetragen. Eine Verhandlung konnte unterbleiben.

Schlagworte
Ausweisung, Glaubwürdigkeit, medizinische Versorgung, non refoulement, soziale Gruppe, soziale Verhältnisse, staatlicher Schutz
Zuletzt aktualisiert am
12.11.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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