TE Vfgh Erkenntnis 1998/6/24 B3490/95

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Veröffentlicht am 24.06.1998
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Index

20 Privatrecht allgemein
20/13 Sonstiges

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
B-VG Art144 Abs2
EisenbahnenteignungsG §4 Abs2
BStG 1971 §18 Abs2

Leitsatz

Quasi-Anlaßfallwirkung der Aufhebung eines Teils der Kostenersatzregelung im Enteignungsverfahren; keine Beschwerdelegitimation des dinglich Berechtigten im Enteignungsverfahren; teilweise Ablehnung der Beschwerden

Spruch

I. Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid insoweit in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden, als die Berufung gegen die im Spruchpunkt III des erstinstanzlichen Bescheides zuerkannte Pauschalvergütung zur Abgeltung von Aufwendungen der Enteigneten gemäß §7 Abs3 Eisenbahnenteignungsgesetz 1954, BGBl. Nr. 71, idF des Strukturanpassungsgesetzes, BGBl. Nr. 297/1995, abgewiesen wurde.

Der angefochtene Bescheid wird in diesem Umfang aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten) ist schuldig, der Beschwerdeführerin zu Handen ihrer Rechtsvertreter die mit 18.000 S bestimmten Prozeßkosten binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu bezahlen.

II. Im übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Burgenland vom 10. August 1995 wurde eine im Eigentum der Beschwerdeführerin stehende Grundfläche zum Zwecke der Herstellung eines Abschnittes der B 50 Burgenland Straße im Bereich der Marktgemeinde Kittsee enteignet. Gleichzeitig wurden der Enteigneten eine Entschädigung gemäß §18 und §20 Abs2 BStG 1971 sowie eine Pauschalvergütung zur Abgeltung von Aufwendungen für rechtsfreundliche Vertretung oder sachverständige Beratung im Verwaltungsverfahren gemäß §7 Abs3 Eisenbahnenteignungsgesetz 1954, BGBl. Nr. 71, idF des Strukturanpassungsgesetzes, BGBl. Nr. 297/1995, zuerkannt. Die Anträge der Beschwerdeführerin auf Einlösung zusätzlicher Grundflächen wurden abgewiesen. Der mit der vorliegenden Beschwerde bekämpfte Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 28. September 1995 weist die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Landeshauptmannes ab.

Die Beschwerde rügt die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf Unverletzlichkeit des Eigentums sowie die Verletzung in sonstigen Rechten wegen Anwendung einer verfassungswidrigen generellen Norm.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.

II. Die Beschwerde ist, soweit sie sich gegen die Abweisung der Berufung gegen die im erstinstanzlichen Bescheid zugesprochene Pauschalkostenvergütung gemäß §7 Abs3 EisenbEntG richtet, im Ergebnis begründet. Im übrigen wird ihre Behandlung abgelehnt.

1. Der Verfassungsgerichtshof hat aus Anlaß anderer Beschwerdeverfahren mit Erkenntnis vom 17. Juni 1998, G372/97 ua., §7 Abs3 des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954, BGBl. Nr. 71, idF des ArtXVIII Z1 des Strukturanpassungsgesetzes, BGBl. Nr. 297/1995, als verfassungswidrig aufgehoben.

Gemäß Art140 Abs7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlaßfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlaßfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrunde gelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.

Dem in Art140 Abs7 B-VG genannten Anlaßfall (im engeren Sinn), anläßlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren

(VfSlg. 10616/1985, 11711/1988).

Die nichtöffentliche Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren fand am 17. Juni 1998 statt. Die vorliegende Beschwerde ist am 14. November 1995 beim Verfassungsgerichtshof eingelangt, war also zum Zeitpunkt des Beginns der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig; der ihr zugrunde liegende Fall ist somit einem Anlaßfall gleichzuhalten.

Die belangte Behörde wendete bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die als verfassungswidrig aufgehobene Gesetzesbestimmung an. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, daß diese Gesetzesanwendung für die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin nachteilig war. Die Beschwerdeführerin wurde somit in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt.

Der Bescheid ist daher in diesem Umfang aufzuheben.

2. Insofern sich die Beschwerde in allen übrigen Punkten gegen die Abweisung der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid richtet, wird ihre Behandlung unter folgenden Erwägungen einstimmig abgelehnt:

Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde ablehnen, wenn sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und es sich nicht um einen Fall handelt, der von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen ist (Art144 Abs2 B-VG).

Vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu den gerügten Rechten (siehe Pkt. I.) läßt ihr Vorbringen angesichts des Umstandes, daß das öffentliche Anhörungsverfahren bereits im Jahre 1993 stattgefunden hat, unter Bedachtnahme auf die vom Verfassungsgerichtshof beigeschafften Verwaltungsakten (einschließlich jener der Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 25. November 1994, BGBl. Nr. 921/1994) die behaupteten Rechtsverletzungen, aber auch die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm als so wenig wahrscheinlich erkennen, daß sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.

Da die Angelegenheit auch nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen ist, wird - insoweit der angefochtene Bescheid vom Verfassungsgerichtshof nicht aufgehoben wird (siehe Pkt. I.) - von einer Behandlung der Beschwerde abgesehen.

III. Dies kann gemäß §19 Abs4

Z3 und §19 Abs3 Z1 VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von 3.000 S enthalten.

Schlagworte

VfGH / Legitimation, Straßenverwaltung, Enteignung, Parteistellung Straßenverwaltung, Parteistellung Eisenbahnrecht, VfGH / Anlaßfall, Bescheid Trennbarkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1998:B3490.1995

Dokumentnummer

JFT_10019376_95B03490_2_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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