TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/01 E10 249166-0/2008

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Veröffentlicht am 01.09.2008
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Spruch

E10 249.166-0/2008-9E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Hermann LEITNER als Vorsitzenden und den Richter Mag. Reinhard ENGEL als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Fr. MAYER über die Beschwerde des M.M., geb. am 00.00.1957, StA.: Türkei, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 22.03.2004, FZ. 03 06.688-BAL, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 7, 8, 44 (1) Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF, BGBl. I Nr. 129/2004 iVm § 75 Abs. 1 AsylG 2005 BGBl I 2005/100 idF BGBl I 2008/4 als unbegründet abgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

 

I. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Türkei, brachte am 14.02.2003 beim Bundesasylamt (BAA) einen Antrag auf Gewährung von Asyl ein. Dazu wurde sie zu dem im Akt ersichtlichen Datum von einem Organwalter des BAA niederschriftlich einvernommen. Der Verlauf dieser Einvernahme ist im angefochtenen Bescheid vollständig wieder gegeben, weshalb an dieser Stelle hierauf verwiesen wird.

 

Als Begründung für das Verlassen des Herkunftsstaates brachte sie im Wesentlichen vor, sie wäre im Ausland aufhältigen Familienmitgliedern, welche auch für ihren Unterhalt aufkommen gefolgt. Auch wäre ihr Nachbar, der auch ihr Verwandter war umgebracht worden. Hierauf wäre sie krank geworden und hätte schlecht geträumt. Sie wäre in der Türkei alleine dagestanden, weshalb sie nach Österreich reiste.

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 22.03.2004 Zahl:03 06.688-BAL (in weiterer Folge als "angefochtener Bescheid" bezeichnet) wurde der Asylantrag des Berufungswerbers gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen (Spruchpunkt I). Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat wurde gemäß § 8 AsylG 1997 für zulässig erklärt (Spruchpunkt II).

 

Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die belangte Behörde das Vorbringen der BF in Bezug auf den chronologischen Hergang der Ereignisse nicht widerlegt und implizit als glaubwürdig qualifiziert. Es geht jedoch davon aus, dass die Angehörigen der Volksgruppe der Kurden in der Türkei keiner Gruppenverfolgung unterliegen. Die von der BF geschilderten Beeinträchtigungen gingen darüber hinaus auf die in der Türkei herrschenden allgemeinen Umstände und nicht auf zielgerichtete Verfolgungshandlungen gegen die BF zurück. Hilfsweise führt das Bundessylamt aus, dass sich die BF in einem anderen Teil der Türkei hätte niederlassen können.

 

Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 08.04.2004 innerhalb offener Frist Berufung [jetzt Beschwerde] erhoben. Hinsichtlich des Inhaltes der Beschwerde wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.

 

Im Wesentlichen wurde nach das erstinstanzliche Vorbringen bekräftigt. Weiters äußerte sich die BF über die allgemeine Lage in der Türkei bzw. die Lage der Kurden.

 

Da die seitens der Erstbehörde getroffenen Feststellungen zur Lage in der Türkei, welche sich zwar nunmehr nicht mehr gänzlich aktuell darstellten, deren wesentlicher Aussagekern durch das ho. aufliegende aktuelle Beweismaterial in nach wie vor gültiger und im Wesentlichen unveränderter Form als erwiesen anzunehmen ist, wurde seitens des AsylGH mit Schreiben vom 23.7.2008 gem. § 45 (3) AVG Beweis erhoben und den Parteien des Verfahrens die Möglichkeit zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme binnen 2 Wochen ab Zustellung des Schreibens eingeräumt; somit wurde aufgrund der vorliegenden aktuelleren Feststellungen zur Türkei (zur den Anforderungen an die Aktualität einer Quelle vgl. etwa Erk. d. VwGHs. vom 9. März 1999, Zl. 98/01/0287 und sinngemäß -im Zusammenhang mit Entscheidungen nach § 4 AsylG 1997- das E. vom 11. November 1998, 98/01/0284, bzw. auch E. vom 7. Juni 2000, Zl. 99/01/0210) bestätigt, dass die erstinstanzlichen Feststellungen nach wie vor gültig sind (zur Zulässigkeit dieser Vorgangsweise in diesem speziellen Fall einer sonst schlüssigen und umfassenden Beweiswürdigung des Bundesasylamtes siehe Erkenntnis des VwGH vom 17.10.2006, Zahl: 2005/20/0459-5, ebenso Beschluss des VwGH v. 20.6.2008, Zahl 2008/01/0286-6) .

 

Hinsichtlich des weiteren Verfahrensherganges bzw. des Vorbringens im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Der AsylGH hat durch den vorliegenden Verwaltungsakt Beweis erhoben. Der festgestellte Sachverhalt steht aufgrund der außer Zweifel stehenden Aktenlage (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) fest.

 

III. Rechtliche Beurteilung

 

Artikel 151 Abs. 39 Z. 1 und 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) lauten:

 

(39) Art. 10 Abs. 1 Z 1, 3, 6 und 14, Art. 78d Abs. 2, Art. 102 Abs. 2, Art. 129, Abschnitt B des (neuen) siebenten Hauptstückes, Art. 132a, Art. 135 Abs. 2 und 3, Art. 138 Abs. 1, Art. 140 Abs. 1erster Satz und Art. 144a in der Fassung des Bundesverfassungsgesetzes BGBl. I Nr. 2/2008 treten mit 1. Juli 2008 in Kraft. Für den Übergang zur neuen Rechtslage gilt:

 

Z 1: Mit 1. Juli 2008 wird der bisherige unabhängige Bundesasylsenat zum Asylgerichtshof.

 

Z 4: Am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren sind vom Asylgerichtshof weiterzuführen.

 

Gem. § 23 des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof, BGBl. I, Nr. 4/2008 (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG) idgF sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr.51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt, weshalb im gegenständlichen Fall im hier ersichtlichen Umfang das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr.51 zur Anwendung gelangt.

 

Gemäß § 66 Abs 4 AVG idgF hat der Asylgerichtshof [Berufungsbehörde], sofern die Beschwerde [Berufung] nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Er [sie] ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) seine [ihre] Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Gem. § 73 (1) Asylgesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG 2005) tritt dieses Gesetz mit der Maßgabe des § 75 (1) leg. cit in Kraft, wonach alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen sind.

 

Gegenständliches Verfahren war am 31.12.2005 anhängig und der Antrag wurde vor dem 1.5.2004 gestellt, weshalb es nach den Bestimmungen des Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF, BGBl. I Nr. 129/2004 zu Ende zu führen war, dessen § 44 (1) mit der Maßgabe des Abs. 3 leg. cit. anordnet, dass Verfahren über Asylanträge und Asylerstreckungsanträge, die bis zum 30.4.2004 gestellt wurden, nach den Bestimmungen des AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 in der Fassung des Bundesgesetztes BGBl I Nr. 126/2002 zu führen und die in § 44

(3) genannten Bestimmungen anzuwenden sind.

 

Das hier anhängige Verfahren ist daher nach den Bestimmungen des AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 in der Fassung des Bundesgesetztes BGBl I Nr. 126/2002 zu führen, wobei die in § 44 (3) Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF, BGBl. I Nr. 129/2004 genannten Bestimmungen anzuwenden sind.

 

Das erkennende Gericht ist berechtigt, näher bezeichnete Teile des angefochtenen Bescheides zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses zu erheben, ohne sie wiederholen zu müssen (vgl. z.B. das Erk. d. VwGH vom 4. 10. 1995, 95/01/0045; VwGH 24. 11. 1999, 99/01/0280; auch VwGH 8. 3. 1999, 98/01/0278), weshalb im gegenständlichen Fall im bereits genannten Umfang auf den erstinstanzlichen Bescheid verwiesen wird.

 

Ebenso ist das erkennende Gericht berechtigt, auf die außer Zweifel stehende Aktenlage (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) zu verweisen, weshalb auch hierauf im gegenständlichen Umfang verwiesen wird.

 

Der erstinstanzliche Bescheid basiert vorbehaltlich der noch zu treffenden Ausführungen zur Verletzung des Parteiengehörs auf einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren und fasst in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung in der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammen. Die Erstbehörde hat sich mit dem individuellen Vorbringen auseinander gesetzt und in zutreffenden Zusammenhang mit der Situation des BF gebracht. Auch die rechtliche Beurteilung begegnet keinen Bedenken.

 

Aufgrund der Feststellungen des Bundesasylamtes in Verbindung mit der bereits genannten Beweisaufnahme vom 23.7.2008 durch den Asylgerichtshof ist von auf ausreichend aktuelle Quellen (vgl. Erk. d. VwGHs. vom 9. März 1999, Zl. 98/01/0287 und sinngemäß im Zusammenhang mit Entscheidungen nach § 4 AsylG 1997 das E. vom 11. November 1998, 98/01/0284, bzw. auch das E. vom 7. Juni 2000, Zl. 99/01/0210) basierenden Feststellungen auszugehen, welche den weiteren Ausführungen zu Grunde gelegt werden.

 

Der AsylGH schließt sich diesen Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenem Bescheid an und erhebt sie zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses (vgl. für viele exemplarisch VwGH 25.3.1999, 98/20/0559; 8.6.2000, 99/20/0366; 30.11.2000, 2000/20/0356; 22.2.2001, 2000/20/0557; 21.6.2001, 99/20/046; 01.3.2007, 2006/20/0005; 21.3.2007, 2007/19/0085-3 [Ablehnung der Behandlung der Beschwerde]; 31.5.2007 2007/20/0488-6 [Ablehnung der Behandlung der Beschwerde]).

 

Soweit im erstinstanzlichen Verfahren das Parteiengehör verletzt wurde, indem der BF die allgemeine Lage in dessen Herkunftsstaat, welche das Bundesasylamt als erwiesen annimmt, nicht zur Kenntnis gebracht wurde, wird angeführt, dass der BF die Gelegenheit hatte, zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens in der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid Stellung zu nehmen und er davon auch Gebrauch gemacht hat. Aufgrund der hier vorliegenden Sach- und Rechtslage ist daher davon auszugehen, dass die Verletzung des Parteiengehörs durch die Möglichkeit der Einbringung der Beschwerde in diesem konkreten Fall als saniert anzusehen ist (vgl. für viele:

VwGH vom 11.9.2003, 99/07/0062; VwGH vom 27.2.2003, 2000/18/0040; VwGH vom 26.2.2002, 98/21/0299), wodurch jedoch nicht gesagt ist, dass das Bundesasylamt generell von der Verpflichtung, Parteiengehör zu gewähren befreit ist und nicht Fälle denkbar sind, in welchen eine solche Verpflichtung zur Behebung des erstinstanzlichen Bescheides gem. § 66 (2) AVG führen kann.

 

Dem Bundesasylamt ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau jedenfalls beizupflichten, dass kein Sachverhalt hervorkam, welcher bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen den Schluss zuließe, dass der BF im Falle einer Rückkehr in die Türkei dort einer Gefahr im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK bzw. § 8 AsylG (nunmehr) iVm § 50 FPG, BGBl I 2005/100 (aufgrund der §§ 126 iVm 124

(2) leg. cit) ausgesetzt wäre.

 

Ein systematisches, flächendeckendes Vorgehen gehen Aleviten bzw. Kurden, welches dieser Personengruppe einen Verbleib in der Türkei unerträglich machen würde, ist nicht feststellbar. Der Umstand, dass der Herkunftsstaat des BF gewisse soziale, medizinische od. sonst. unterstützende Leistungen nicht biete welche Österreich bietet (vgl für mehrere. z. B. Urteil vom 2.5.1997, EGMR 146/1996/767/964, oder auch Application no. 7702/04 by SALKIC and Others against Sweden oder S.C.C. against Sweden v. 15.2.2000, 46553 / 99) ist jedenfalls irrelevant. Nur unter außerordentlichen, ausnahmsweise vorliegenden Umständen kann die Entscheidung, den Fremden außer Landes zu schaffen, zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen {EGMR 02.05.1997 -146/1996/767/964 ("St. Kitts-Fall"), Europ. Kommission für Menschenrechte: B.B. gegen Frankreich, 9.3.1998, Nr. 30930/96; In seiner sonstigen, dem in die Literatur unter der "St. Kitts-Fall" bekannten Fall nachfolgenden Rechtsprechung hat der EGMR (unter Berücksichtigung der jeweils gegebenen konkreten Umstände) -bezogen auf eine Erkrankung des Beschwerdeführers- in keinem Fall eine derart außergewöhnliche - und damit vergleichbare - Situation angenommen (vgl. z.B. (S.C.C. gegen Schweden, Nr. 46553 /99 [HIV-Infektion beim Vorhandensein von Verwandten und grundsätzlicher Behandelbarkeit im Herkunftsstaat], EGMR 10.11.2005, Paramsothy gegen die Niederlande [Erkrankung an Posttraumatischem Stresssyndrom], EGMR 10.11.2005, Ramadan gegen die Niederlande, Nr. 35989/03 [Erkrankung an Depression, teils mit psychotischer Charakteristik], EGMR 27.09.2005, Hukic gegen Schweden, Nr. 17416/05 [Erkrankung am Down-Syndrom], EGMR 22.09.2005, Kaldik gegen Deutschland, Nr. 28526 [Erkrankung an Posttraumatischem Stresssyndrom mit Selbstmordgefahr], EGMR 31.05.2005, Ovdienko gegen Finnland, Nr. 1383/04 [Erkrankung an schwerer Depression mit Selbstmordgefahr], EGMR 25.11.2004, Amegnigan gegen die Niederlande, Nr. 25629/04 [HIV-Infektion], EGMR 29.06.2004, Salkic gegen Schweden, Nr. 7702/04 [psychische Beeinträchtigungen bzw. Erkrankungen], EGMR 22.06.2004, Ndangoya gegen Schweden, Nr. 17868/03 [HIV-Infektion], EGMR 06.02.2001, Bensaid gegen Vereinigtes Königreich [Erkrankung an Schizophrenie]) und zeigt somit -auch über den Themenbereich der Erkrankung des Beschwerdeführers hinaus die hohe Eintrittsschwelle von Art. 3 EMRK in jenen Fällen, in denen keine unmittelbare Verantwortung des Abschiebestaates vorliegt}.

 

Gem. der Judikatur des EGMR muss der Beschwerdeführer die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr schlüssig darstellen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 7.7.1987, Nr. 12877/87 - Kalema gg. Frankreich, DR 53, S. 254, 264). Dazu ist es notwendig, dass die Ereignisse vor der Flucht in konkreter Weise geschildert und auf geeignete Weise belegt werden.

 

Rein spekulative Befürchtungen reichen ebenso wenig aus (vgl. EKMR, Entsch. Vom 12.3.1980, Nr. 8897/80: X u. Y gg. Vereinigtes Königreich), wie vage oder generelle Angaben bezüglich möglicher Verfolgungshandlungen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 17.10.1986, Nr. 12364/86: Kilic gg. Schweiz, DR 50, S. 280, 289).

 

Die oa. außerordentlichen, ausnahmsweise vorliegende Umstände, welche im Rahmen einer Außerlandeschaffung zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen (EGMR 02.05.1997 -146/1996/767/964) führen, kamen im gegenständlichen Fall jedenfalls nicht hervor; dies gilt auch in Bezug auf die behauptete -medizinisch nicht näher bescheinigte (vgl. zur diesbezüglichen Bescheinigungsverpflichtung etwa VwSlg 9721 A/1978; VwGH 17.10.2002, 2001/20/0601) Erkrankung und die behaupteten Schlafstörungen (vgl. auch GONCHAROVA & ALEKSEYTSEV gg. Schweden, 03.05.2007, Rs 31246/06 AYEGH gg. Schweden, 07.11.2006, Rs 4701/05 PARAMASOTHY gg. NIEDERLANDE, 10.11.2005, Rs 14492/03 RAMADAN & AHJREDINI gg. Niederlande, 10.11.2005, Rs 35989/03 HUKIC gg. Schweden, 27.09.2005, Rs 17416/05 OVDIENKO gg. Finnland, 31.05.2005, Rs 1383/04 AMEGNIGAN gg. Niederlande, 25.11.2004, Rs 25629/04 NDANGOYA gg. Schweden, 22.06.2004, Rs 17868/03) . Auch allfällige -wenn auch erhebliche- Kosten für die BF in diesem Zusammenhang wären aus der Sicht des Art. 3 irrelevant (HUKIC gg. Schweden, 27.09.2005, Rs 17416/05, zur Irrelevanz der Entstehung von erheblichen Behandlungskosten siehe auch Urteil des EGMR vom 6.2.2001, Beschwerde Nr. 44599, Case of Bensaid v. The United Kingdom oder auch VwGH v. 7.10.2003, 2002/01/0379). Ebenso ist der Umstand, dass die BF bereits in der Türkei Zugang zu medizinsicher Versorgung hatte, von Bedeutung.

 

Jedenfalls ist aus der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat (vgl. VfSlg 13.897/1994, 14.119/1995, vgl. auch Art. 3 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984; ebenso: kein Hinweis auf die Existenz einer allgemein existenzbedrohenden Notlage im Sinne einer allgemeinen Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige Elementarereignisse) in Verbindung mit den individuellen Situation der BF (eine Frau mittleren Alters, die bisher ihr Leben im Herkunftsstaat -wenn auch durch Unterstützungsleistungen von Familienmitgliedern aus dem Auslandmeistern konnte) kein Hinweis hierauf ableitbar, welche zur gegenteiligen Feststellung führen könnte. Ein Zustand willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen in Bezug auf das Territorium der Türkei ist nicht feststellbar. Hinweise auf einen Sacherhalt gem. Art. 2 EMRK, oder des Protokolls Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe scheiden schon aufgrund der Ausgestaltung des türkischen Strafrechts aus.

 

Zur vom BF bestrittenen mangelnden Asylrelevanz des Vorbringens wird angeführt, dass der AsylGH nicht verkennt, dass die wohlbegründete Furcht, einer Straftat zum Opfer zu fallen (insbes. befürchtete Blutrache) in bestimmten Fallkonstellationen asylrelevant sein kann. Im gegenständlichen Fall kam jedoch kein Hinweis hervor, dass aus dem Tot des verwandten Nachbarn in irgendeiner Weise mit hinrechender Wahrscheinlichkeit abgeleitet werden könnte, man würde auch der BF nach dem Leben trachten, bzw. dies wäre aufgrund des Verwandtschaftsverhältnisses und somit der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie der Fall. Die Zugehörigkeit zu einer anderen gefährdeten sozialen Gruppe scheidet hier bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen ebenfalls aus (zur Auslegung des Begriffes "soziale Gruppe" vgl. Erk. d. VwGH v. 26.6.2007, Zl. 2007/01/0479-7, wo dieser auch auf Art. 10 der Richtlinie 2004/83 EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Person, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des gewährten Schutzes ("Statusrichtline") Bezug nimmt). Dem Bundesasylamt ist daher beizupflichten, dass dem vorgebrachten Sachverhalt keine Asylrelevanz zukommt.

 

Ebenso ist dem Bundesasylamt beizupflichten, dass -rein hypothetisch betrachtet ohne hierdurch den auf den ausreiskausalen Sachverhalt aufbauenden Mutmaßungen eine entsprechende maßgebliche Wahrscheinlichkeit des Eintittes unterstellen zu wollen- es der BF möglich und zumutbar wäre, sich im Falle von Bedrohungen an die türkischen Sicherheitsbehörden zu wenden, welche willens und fähig wären, ihr Schutz zu gewähren.

 

Auch wenn ein solcher Schutz (so wie in keinem Staat auf der Erde) nicht lückenlos möglich ist, stellen die von BF geschilderten bzw. befürchteten Übergriffe in der Türkei offensichtlich amtswegig zu verfolgende strafbare Handlungen dar und andererseits existieren in der Türkei Behörden welche zur Strafrechtspflege bzw. zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit berufen und auch effektiv tätig sind. Die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit der Behörden ist somit gegeben (vgl. hierzu auch die Ausführungen des VwGH im Erk. vom 8.6.2000, Zahl 2000/20/0141 zu den Voraussetzungen der Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des türkischen Staates; Im soeben zitierten Erk. führte der weiter aus: "Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem die Gewährung von Asyl an einen algerischen Staatsangehörigen betreffenden Erkenntnis vom 22. März 2000, Zl. 99/01/0256, ausgesprochen, dass mangelnde Schutzfähigkeit des Staates nicht bedeute, dass der Staat nicht mehr in der Lage sei, seine Bürger gegen jedwede Art von Übergriffen durch Dritte präventiv zu schützen, sondern dass mangelnde Schutzfähigkeit erst dann vorliege, wenn eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung "infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt" nicht abgewendet werden könne (wobei auf die hg. Erkenntnisse vom 7. Juli 1999, Zl. 98/18/0037, und vom 6. Oktober 1999, Zl. 98/01/0311, Bezug genommen wird). Dies sei dann der Fall, wenn für einen von dritter Seite Verfolgten trotz des staatlichen Schutzes der Eintritt eines - entsprechende Intensität erreichenden - Nachteiles mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sei.

 

Die belangte Behörde leitete aus dem Umstand, dass der türkische Staat bereits die Androhung einer schweren und rechtswidrigen Schadenszufügung strafgerichtlich verpöne, jedenfalls aber eine mit dem Motiv der Blutrache begangene Tötung mit der [Anm: nunmehr in der Türkei nicht mehr angewandten] Todesstrafe bedrohe, die nicht unschlüssige Folgerung ab, dass der türkische Staat gewillt sei, den erforderlichen Schutz zu gewähren. Nach den Feststellungen der belangten Behörde hat der türkische Staat sowohl den Willen als auch die Fähigkeit, den Beschwerdeführer vor den Gefahren einer befürchteten Blutrache ausreichend zu schützen. Die Beschwerde hält dem Argument, der Beschwerdeführer hätte bei staatlichen Stellen Schutz vor Verfolgung finden können, lediglich entgegen, dass ein einmal gegebenes Versprechen, für eine getötete, nahe stehende Person Blutrache zu verüben, nicht einfach wieder zurückgenommen werden könne. Das Versprechen, Blutrache zu üben, binde - nach islamischer Weltanschauung - jene Person, die das Versprechen abgegeben habe, und keine wie auch immer geartete Strafdrohung könne eine die Vollziehung der Blutrache versprechende Person von der Ausübung ihrer nunmehrigen "Pflicht" abschrecken. Der Vollzug der versprochenen Blutrache werde zur Lebensaufgabe des Versprechenden. Es erscheine nicht möglich, sich unter den Schutz des türkischen Staates zu stellen, weil der Beschwerdeführer rund um die Uhr bis zu seinem Lebensende vom türkischen Staat beschützt werden müsste. Der türkische Staat habe weder die finanziellen Mitteln noch ein Interesse an einem solchen Personenschutz.

 

... Die belangte Behörde hat ...klar zum Ausdruck gebracht, dass sie von einer ausreichenden Schutzgewährung durch den türkischen Staat ausgehe und sie hat den Beschwerdeführer erfolglos aufgefordert, Beweismittel vorzulegen, die diese Annahme erschüttern könnten .... Staatliche Schutzgewährung ist um so eher zu erwarten, als es sich bei den mutmaßlichen Verfolgern um verhältnismäßig leicht auszuforschende Verwandte des vom Beschwerdeführer widerrechtlich Getöteten handeln würde. Der Beschwerdeführer hat überdies nicht einmal den Versuch unternommen, etwa durch Anzeige im Sinne des Art. 191 des türkischen Strafgesetzbuches staatlichen Schutz vor möglicher Blutrache in Anspruch zu nehmen. Es ist auch nicht offenkundig, dass der Beschwerdeführer der von ihm behaupteten Gefahr in der gesamten Türkei ausgesetzt wäre und ihm daher keine Möglichkeit offen stünde, innerhalb seines Heimatstaates einen sicheren Aufenthaltsort zu finden.").

 

Die bloße Möglichkeit, dass staatlicher Schutz nicht rechtzeitig gewährt werden kann, vermag eine gegenteilige Feststellung nicht zu begründen, solange nicht von der maßgeblichen Wahrscheinlichkeit der Nichtgewährung staatlichen Schutzes auszugehen ist (vgl. hierzu die im Erkenntnis noch zu treffenden Ausführungen zum Wahrscheinlichkeitskalkül).

 

Das allgemein erstattete Vorbringen, die türkischen Behörden wären aus Gründen der Ethnien des Täters und des Opfers nicht willens einzuschreiten, findet durch das zur Entscheidungsfindung herangezogene unbedenkliche Dokumentationsmaterial keine Deckung.

 

Zur hilfsweise herangezogenen Argumentation hinsichtlich der Existenz einer innerstaatlichen Fluchtalternative wird Folgendes erwogen:

 

Grundsätzlich kann die vom Bundesasylamt angewandte Methodik der hilfsweisen Argumentation im Rahmen der rechtlichen Beurteilung nicht beanstandet werden (vgl.VwGH 24.1.2008. Zl. 2006/19/0985).

 

Im Ergebnis ist hier auch der hilfsweisen Argumentation zum Bestehen einer innerstaatlichen Fluchtalternative beizupflichten:

 

Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine so genannte innerstaatliche Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt (vgl. VwGH 24.03.1999, Zl. 98/01/0352). Nach der Rechtsprechung des VwGHs muss sich die Verfolgungsgefahr auf das gesamte Staatsgebiet beziehen. Nach einer in der ältren Rechtssprechung verwendeten Formulierung darf in keinem Teil des Herkunftsstaates Verfolgungssicherheit bestehen (VwGH 10.3.1993, Zl. 03/01/002). Nach der jüngeren Rechtsprechung ist mit dieser Formulierung jedoch nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, die Formulierung sei dahingehend zu verstehen, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen -mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeiten innerhalb des Herkunftsstaates- im gesamten Herkunftsstaat auswirken müsse (VwGH 9.11.2004, Zl 2003/01/0534; VwGH 24.11.2005, 2003/20/0109).

 

Um vom Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative sprechen zu können, müssen die Asylbehörden über Ermittlungsergebnisse verfügen, die die Sicherheit der Asylwerber dartun (vgl. etwa VwGH 8.9.1999, Zl. 99/01/0126; VwGH 16.2.2000, Zl 99/01/0149). Es muss konkret ausgeführt werden, wo der Beschwerdeführer tatsächlich Schutz vor der von ihm geltend gemachten Bedrohung finden könnte. Entsprechend dem "Ausschlusscharakter" der innerstaatlichen Fluchtalternative nimmt der Verwaltungsgerichtshof diesbezüglich eine Beweislast der Asylbehörde an: Es müsse Sache der Behörde sein, die Existenz einer innerstaatlichen Fluchtalternative aufzuzeigen und nicht umgekehrt Sache des Asylwerbers, die Möglichkeit einer theoretisch möglichen derartigen Alternative zu widerlegen (vgl. VwGH 9.9.2003, Zl.2002/01/0497).

 

Aufgrund des sich Versteckthaltens kann noch nicht von einer innerstaatlichen Fluchtalternative gesprochen werden (etwa VwGH 18.4.1996, Zl.95/20/0295; VwGH 20.3.1997, Zl 95/20/0606; in diesem Sinne ebenfalls VwGH 29.10.1998, Zl. 96/20/0069). Ebenso darf der Betroffene im sicheren Landesteil nicht in eine aussichtslos Lage gelangen und jeglicher Existenzgrundlage beraubt werden. Solcherart wird dem Kriterium der Zumutbarkeit der innerstaatlichen Fluchtalternative Beachtung geschenkt (VwGH 8.9.1999, Zl. 98/01/0614, VwGH 6.10.1999, Zl. 98/01/0535, VwGH 8.6.2000, 99/20/0597, VwGH 19.10.200, 98/20/0430; VwGH 19.10.2006, Zl. 2006/0297-6; VwGH 24.1.2008, Zl. 2006/19/0985-10). Maßgebliche Faktoren zur persönlichen Zumutbarkeit können das Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, Behinderungen, die familiäre Situation und Verwandtschaftsverhältnisse, soziale und andere Schwächen, ethnische, kulturelle oder religiöse Überlegungen, politische und soziale Verbindungen und Vereinbarkeiten, Sprachkenntnisse, Bildungs-, Berufs- und Arbeitshintergrund und -möglichkeiten, sowie gegebenenfalls bereits erlittene Verfolgung und deren psychische Auswirkungen sein. Es wird jedoch die Ansicht vertreten, dass schlechte soziale und wirtschaftliche Bedingungen in dem betreffenden Landesteil die innerstaatliche Fluchtalternative nicht grundsätzliche ausschließen (sieheVwGH 8.9.1999, 98/01/0620; VwGH 26.6.1996, 95/20/0427) Ein bloßes Absinken des Lebensstandards durch die Inanspruchnahme der innerstaatlichen Fluchtalternative, welches jedoch noch über dem Niveau der aussichtslosen Lage ist daher bei Bestehen einer Existenzgrundlage hinzunehmen.

 

Zu den bereits getroffenen Ausführungen kommt noch hinzu, dass das verfolgungssichere Gebiet eine gewisse Beständigkeit in dem Sinne aufweisen muss, dass der Betroffene nicht damit rechnen muss, jederzeit auch in diesem Gebiet wieder die Verfolgung, vor der er flüchtete, erwarten zu müssen (VwGH 21.3.2002, Zl. 99/20/0401, in diesem Sinne auch VwGH 19.2.2004, Zl. 2002/20/0075; VwGH 24.6.2004, Zl. 2001/20/0420).

 

Ebenso muss das sichere Gebiet für den Betroffenen erreichbar sein, ohne jenes Gebiet betreten zu müssen, in welchem er Verfolgung befürchtet bzw. muss im Rahmen der Refoulementprüfung feststehen, dass eine Abschiebung in dieses sichere Gebiet möglich ist (VwGH 26.6.1997, Zl.95/21/0294; in diesem Sinne auch VwGH 11.6.1997, Zl. 95/21/0908, 6.11.1998, Zl. 95/21/1121; VwGH 10.6.1999, 95/21/0945, ähnlich VwGH 17.2.2000, 9718/0562).

 

Zum Wesen und den Voraussetzungen der innerstaatlichen Fluchtalternative vgl. weiter: Amt des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR), Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft (1979), Rz 91; Art. 8 der Richtlinie 2004/83 EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Person, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des gewährten Schutzes ("Statusrichtline); Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 2005, S. 357 ff.

 

Speziell zur Türkei führte der VwGH aus, dass für Kurden aus dem Osten der Türkei z. B. in Istanbul eine innerstaatliche Fluchtalternative bestehen kann (vgl. z. B. VwGH 5.6.1996, Z. 95/20/0394, 24.10.1996, 95/20/0560, 19.6.1997, 95/20/0782, siehe aber auch VwGH 21.11.1996, 95/20/0577).

 

Aus den oa. Ausführungen ergibt sich im gegenständlichen Fall Folgendes: Bei der BF handelt es sich zwar um eine Analphabetin, was nichts daran ändert, dass diese offensichtlich in der Türkei in der Lage war ihr Leben zu meistern und auch durchaus in der Lage war, etwa mit Verwandten im Ausland zu kommunizieren oder einen Visaantrag bei einer ausländischen Vertretungsbehörde erfolgreich zu stellen, was zeigt, dass die BF grundsätzlich bei der Bewältigung von Problemen, welche über Alltägliches hinausgehen, nicht unbeholfen ist. Ebenso bewies die BF durch ihre dokumentierten Reisebewegungen ihre Mobilität. Auch ist aus dem Akteninhalt entnehmbar, dass die BF über ein familiäres Netz verfügt, das sie unterstützt, bzw. für ihren Unterhalt aufkommt. Im Rahmen einer Gesamtschau kann daher letztlich geschlossen werden, dass die BF im Falle einer Rückkehr in die Türkei darauf angewiesen wäre, wieder nach Konya zurückkehren zu müssen, um nicht in einer dauerhaft aussichtslose Lage zu geraten. Daran ändert sich durch den Umstand, dass die BF die türkische Sprache nicht auf muttersprachlichem Niveau beherrscht, nichts. Die Rückkehr der BF wäre daher auch in einen anderen Ort, etwa an eine im erstinstanzlichen Bescheid genannte Örtlichkeit möglich und zumutbar.

 

Aus dem Vorbringen der BF kann bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatschen kein Hinweis abgeleitet werden, dass diese vernünftiger Weise (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380) in deren Herkunftsstaat mit einer über die bloße Möglichkeit (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262) hinausgehenden maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer aktuellen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194) Gefahr ausgesetzt wäre.

 

Gemäß § 41 Abs 7 AsylG 2005 kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 67 d AVG. Es ergibt sich aus § 23 AsylGHG, dass die dort als Rechtsfolge vorgesehene sinngemäße Anwendung des AVG 1991 unter dem Vorbehalt anderer Regelungsinhalte des B-VG, des AsylG 2005 und des VwGG steht. Derartige ausdrückliche andere Regelungen für das Verfahren vor dem Asylgerichtshof sind, in den in der Erläuterung laut AB 371 XXIII.GP genannten §§ 20, 22 und 41 AsylG 2005 enthalten, wohl aber auch in den §§ 42, 61 und 62 AsylG 2005. Es ergibt sich aus § 23 AsylGHG somit die Anwendung von Verfahrensbestimmungen für den Asylgerichtshof in allen anhängigen Verfahren einschließlich der gemäß den Übergangsbestimmungen des AsylG 2005 nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führenden Verfahren, ohne dass es dafür einer Nennung dieser Bestimmungen (auch) im § 75 Abs. 1 AsylG 2005 bedürfte. § 41 Abs. 7 ist daher im gegenständlichen Verfahren anwendbar.

 

Im gegenständlichen Fall konnte der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt erachtet werden, da dieser nach einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde, nach schlüssiger Beweiswürdigung festgestellt und dieser in der Beschwerde auch nicht substantiiert entgegen getreten wurde. Weder war der Sachverhalt ergänzungsbedürftig noch erschien er in entscheidenden Punkten als nicht richtig. Rechtlich relevante und zulässige Neuerungen wurden nicht vorgetragen. Eine Verhandlung konnte unterbleiben.

 

Der BF wurde vom Bundesasylamt nicht ausgewiesen, was auf den Umstand zurückzuführen ist, dass der erstinstanzliche Bescheid zu einem Zeitpunkt erlassen wurde, als das Bundesasylamt zur Verfügung der Ausweisung nicht zuständig war.

 

Soweit sich im Verfahren Hinweise auf in Österreich bestehende Anknüpfungspunkte gem. Art. 8 EMRK ergeben, wird darauf hingewiesen, dass im gegenständlichen Fall der AsylGH als Beschwerdeinstanz zur Verfügung der Ausweisung sachlich nicht zuständig ist. Auch eine verfassungskonforme Interpretation des § 44 (3) AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF, BGBl. I Nr. 129/2004kann zu keinem anderen Ergebnis führen.

 

Im Gegensatz zu Art. 3 EMRK ist deren Artikel 8 nicht vom Prüfungsumfang des § 8 AsylG 1997 in der hier anzuwendenden Fassung umfasst. Erwägungen zu Art. 8 EMRK sind sohin nicht Gegenstand einer Prüfung von Art. 8 AsylG 1997 in der hier anzuwendenden Fassung; sedes materiae ist erst die Setzung konkreter Maßnahmen zu Außerlandesschaffung (vgl. Erk. des VwGH vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0225-6).

 

Aufgrund der getroffenen Ausführungen war die Beschwerde in allen Punkten als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte
Blutrache, Familienverband, inländische Schutzalternative, innerstaatliche Fluchtalternative, Minderheiten-Zugehörigkeit, non refoulement, soziale Gruppe, staatlicher Schutz, Verfolgungsgefahr, Zumutbarkeit
Zuletzt aktualisiert am
21.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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