D4 244.106-0/2008/8E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Mag. Scherz als Vorsitzende und den Richter Dr. Kuzminski als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Mag. Pfleger über die Beschwerde des E.K., geb. 00.00.1958, StA. Kirgisistan, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 06.10.2003, FZ. 03 16.991-BAG, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 31.07.2008 zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird stattgegeben und E.K. gemäß § 7 AsylG 1997 i. d.F. BGBl I 126/2002 der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 12 AsylG 1997 i.d.F. BGBl I 126/2002wird festgestellt, dass E.K. damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Verfahrensgang
Die beschwerdeführende Partei führt nach eigenen Angaben den im Spruch genannten Namen, ist kirgisische Staatsangehörige, gehört der russischen Volksgruppe an und war zum Zeitpunkt der Flucht und zum Antragszeitpunkt russisch-orthodoxen Bekenntnisses, war im Heimatstaat zuletzt wohnhaft in K., reiste am 10.06.2003 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 10.06.2003 einen Asylantrag.
Vom Bundesasylamt, Außenstelle Linz, am 14.07.2003 in Anwesenheit eines Dolmetschers der russischen Sprache einvernommen, wurde als Fluchtgrund im Wesentlichen angegeben, dass 1999 der Sohn des Beschwerdeführers aus der elterlichen Wohnung von der Polizei abgeholt worden und zum Polizeirevier gebracht worden sei. Der Beschwerdeführer und seine Ehefrau hätten sich beim Polizeirevier über die Vorkommnisse erkundigt und man hätte ihnen jedoch keine Auskunft gegeben. Der Sohn sei verprügelt worden und es wäre ihm gedroht worden, "ihm alles Mögliche anzuhängen". Der Sohn hätte jedoch nach eigenen Angaben nichts angestellt. Als der Beschwerdeführer nach den Familiennamen der Polizisten gefragt hätte, sei ihm mit seiner Verhaftung gedroht worden. Sämtliche Polizisten seien kirgisischer Abstammung gewesen. Ein Beamter hätte den Beschwerdeführer aufgefordert 300 Dollar für die Freilassung seines Sohnes zu bezahlen. Der Beschwerdeführer und seine Ehefrau hätten beim Polizeichef, welchen die Ehefrau des Beschwerdeführers gekannt hätte, vorgesprochen und dieser hätte befohlen den Sohn des Beschwerdeführers freizulassen. In weiterer Folge hätte ihn der Polizeichef gewarnt, eine Beschwerde gegen die Polizisten zu erheben, da Verwandte der Polizisten hohe Amtsträger im Innenministerium seien. Der Sohn des Beschwerdeführers hätte eine Gehirnerschütterung davongetragen und sei ein Monat im Krankenhaus gewesen.
Am 06.02.2000 sei der jüngere Sohn des Beschwerdeführers von 5 bis 6 Moslems verprügelt worden und darauf hingewiesen worden, dass die Russen das Land verlassen sollten. Auf die Anzeige des Beschwerdeführers hätte jedoch auch die Polizei nicht reagiert.
Am 05.06.2002 sei der Beschwerdeführer im Auto von drei Polizisten angehalten worden. Diese hätten ihm eine Alkoholisierung unterstellt und ihm erklärt, dass "wenn diese sagen würden, dass er betrunken sei, er jedenfalls betrunken sei". Als er widersprochen habe, sei er mit einem Gummiknüppel geschlagen worden und man hätte gedroht, ihm Drogen unterzuschieben und in weiterer Folge würde er deshalb eine Gefängnisstrafe von 5 Jahren davontragen. Sie hätten zugegeben, dass ihr Ziel sei, die Russen aus Kirgisistan zu vertreiben. Für seine Freilassung hätte ein Polizist 100 Som verlangt, da er nur 50 Som mit sich geführt hätte, wäre er auch für diese Summe freigekommen. Die Schwester des Beschwerdeführers sei in Österreich aufhältig, deshalb hätte er Österreich als Fluchtort gewählt. Er sei gemeinsam mit seinem Bruder nach Österreich geflohen, der gezwungen worden sei, die Religion zu wechseln. Auch der Beschwerdeführer selbst sei aufgefordert worden zum Islam zu konvertieren.
Mit dem nunmehr angefochtenen oben angeführten Bescheid des Bundesasylamtes vom 06.10.2003 wurde der Asylantrag im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass es nicht glaubwürdig sei, dass der Beschwerdeführer in ganz Kirgisistan vor den Mitgliedern der kirgisischen Volksgruppe nicht sicher sein und dass es nicht den Tatsachen entsprechen könne, dass man in einem bevölkerungsreichen Land einer nicht näher konkretisierten mutmaßlichen Gefährdung durch Moslems nicht anstandslos durch einen Wohnsitzwechsel aus dem Weg gehen könne. Außerdem hätte der Beschwerdeführer bis zum 05.06.2002 keine Probleme mit Angehörigen der kirgisischen Volksgruppe gehabt. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers wurde somit die Glaubwürdigkeit abgesprochen und festgestellt, dass der kirgisische Staat nicht unwillig und unfähig sei, dem Beschwerdeführer Schutz zukommen zu lassen. Abgesehen davon würde dem Beschwerdeführer eine innerstaatliche Fluchtalternative offen stehen. Um Wiederholungen zu vermeiden, wird auf die Feststellungen der Erstbehörde zum Herkunftsstaat im angefochtenen Bescheid verwiesen.
Gegen diesen Bescheid wurde innerhalb offener Frist im Wesentlichen mit einem Verweis auf die aus Sicht der Beschwerdeführer immer schlechter werdende Situation und die anhaltende Emigrationswelle aus Kirgisistan Berufung erhoben. Sodann verwies er auf seine österreichischen Wurzeln und legte das Schicksal seiner Großmutter und Mutter dar.
Anlässlich der öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung am Asylgerichtshof am 31.07.2008, zu der sich ein Vertreter der Erstbehörde entschuldigen ließ, führte der Beschwerdeführer Folgendes aus:
Seit dem Jahr 1991 - dem Zerfall der Sowjetunion - hätten viele Menschen ihre Arbeit verloren, und in den restlichen Betrieben seien ausschließlich Angehörige der kirgisischen Volksgruppe als Mitarbeiter angestellt worden. Angehörigen der anderen Volksgruppen sei gekündigt worden.
1999 sei der Sohn des Beschwerdeführers von der Polizei misshandelt worden und in der Polizeistation in Haft gewesen. Der Beschwerdeführer und seine Frau hätten ihn dort aufgesucht und der Sohn des Beschwerdeführers hätte ihm mitgeteilt, dass er nichts angestellt hätte. Die Polizisten hätten dem Beschwerdeführer gesagt, dass ihn der Vorfall "nicht angehen würde", da der Sohn bereits erwachsen sei. Der dort anwesende ranghöchste Offizier hätte den Beschwerdeführer zu sich gerufen und hätte für die Freilassung des Sohnes 300 Dollar verlangt. 1999 hätte der Beschwerdeführer mit seiner Ehefrau beim Polizeichef interveniert und dieser hätte befohlen, den Sohn des Beschwerdeführers zu entlassen. Weiters hätte er den Beschwerdeführer und seine Frau gewarnt, sich über die Polizisten zu beschweren, da diese Verwandte im Innenministerium hätten. Durch diese Beschwerde würden nämlich für das Ehepaar zusätzliche Probleme entstehen. Der Polizeichef hätte ihm auch geraten, Kirgisistan zu verlassen, da die Umstände für Russen in Kirgisistan verschlechtern würden. Der Sohn hätte eine Gehirnerschütterung erlitten und wäre ein halbes Monat im Krankenhaus stationär behandelt worden.
2000 sei der jüngere Sohn des Beschwerdeführers zusammengeschlagen worden, zwei Monate im Krankenhaus gelegen und sei eine Zeit lang gelähmt gewesen. Er sei von betrunkenen Moslems zusammengeschlagen worden, diese hätten Geld gefordert, er wäre als Russe beschimpft worden. Ob die Täter Kirgisen oder Usbeken gewesen seien, wüsste er nicht - er hätte eine Anzeige gegen unbekannte Täter erstattet, die jedoch nicht weiter verfolgt worden sei. 2002 sei der Beschwerdeführer selbst im Rahmen einer Verkehrskontrolle angehalten worden und die Polizisten hätten ihm unterstellt, betrunken zu sein. Die Polizisten hätten ihn aufgefordert zuzugeben, dass er Alkohol getrunken hätte und hätten ihm erklärt, "dass man diese Angelegenheit schnell lösen könne". Es hätte nach Ansicht des Beschwerdeführers 100 Dollar Bestechungsgeld gekostet (standardmäßige Bestechungssumme). Der Beschwerdeführer selbst hätte wiederholt ausgeführt, dass er keinen Alkohol trinken würde. Er wäre daraufhin mit dem Entzug der Lenkberechtigung bedroht worden. Die Polizisten hätten ihm mitgeteilt, dass sie ihn zum Rayonkrankenhaus bringen würden, um dort einen Alkotest durchzuführen. Anstatt zum Krankenhaus zu fahren, seien sie in einem Park stehen geblieben und hätte ihm erklärt, dass "er betrunken zu sein habe, wenn sie ihm sagen würden, dass er betrunken sei", dass sie aus ihm einen Betrunkenen machen könnten, dass sie im Zuge einer Leibesvisitation bei ihm Drogen finden würden - somit ihm unterschieben würden - und er deshalb zu 5 Jahren Gefängnis verurteilt werden würde. Er sei mit einem Gummiknüppel misshandelt worden, hätte geblutet, aber keine Knochenbrüche davongetragen. Sie hätten 100 Som als Entschädigung gefordert, er wäre jedoch auf Grund einer Zahlung von 50 Som freigelassen worden. Anzeige hätte er keine erstattet, er hätte sich auch nicht beschwert.
2002 sei sein älterer Sohn von einem Auto angefahren worden, der Lenker sei ein Kirgise gewesen. Im Krankenhaus hätte der Beschwerdeführer aufgrund einer Alkoholfahne des Lenkers festgestellt, dass dieser Alkohol getrunken hätte. Der Vater des Lenkers sei ein hoher Beamter im Rayon gewesen, weshalb auch kein Strafverfahren gegen den Lenker eingeleitet worden sei. Eine Woche nach dem Unfall hätte der Lenker den Beschwerdeführer zu Hause aufgesucht und ihn aufgefordert, den Schaden an seinem Auto zu ersetzen. Er hätte ihn beschimpft und gedroht ihm Drogen unterzuschieben sowie, dass dem noch im Krankenhaus befindlichen Sohn etwas passieren würde. Aus diesem Grund hätte der Beschwerdeführer den Sohn aus dem Krankenhaus abgeholt und am nächsten Tag beim Staatsanwalt vorgesprochen. Dieser hätte ihn nach dem Gespräch aufgefordert, am Gang vor seinem Büro zu warten. Offensichtlich hätte der Staatsanwalt den Lenker des Fahrzeuges kontaktiert, da dieser nach 5 oder 6 Minuten erschienen sei und den Beschwerdeführer beleidigt hätte. Er hätte ihn aufgefordert, mit ihm zu kommen. Der Beschwerdeführer hätte sich geweigert und er wäre weiter beschimpft worden. Der Lenker hätte sich dann entfernt und sei anschließend immer wieder im Haus des Beschwerdeführers und am Arbeitsplatz der Ehefrau des Beschwerdeführers aufgetaucht und hätte immer wieder Schadenersatzforderungen unter Fristsetzung gestellt.
Im April 2002 sei der Beschwerdeführer im Stiegenhaus zusammengeschlagen worden und er hätte alle Zähne verloren. Der Beschwerdeführer hätte Anzeige gegen unbekannte Täter erstattet, woraufhin ihn zwei Leute zu Hause besucht und aufgefordert hätten, die Anzeige zurückzuziehen. Auf Grund dessen hätte der Beschwerdeführer die Anzeige zurückgezogen. Der Beschwerdeführer hätte sich mit seinem Halbbruder Dokumente besorgt und sei dann nach Österreich ausgereist.
Im Winter 2002 sei der ältere Sohn des Beschwerdeführers von einem Mann zusammen geschlagen worden.
Er hätte den Unfall seines Sohnes und die darauffolgende Drohung deshalb beim Bundesasylamt nicht erzählt, da er einfach nur Angst hatte und ihm keine detaillierten Fragen gestellt worden seien. Er sei von denjenigen Personen, die seinen Halbbruder zur Konvertierung zum muslimischen Glauben gezwungen hätten, nie bedroht worden, er sei jedoch aufgefordert worden, zu konvertieren. Jetzt hätte er deshalb Angst, da er seinem Halbbruder zur Flucht verholfen hätte. In Linz sei er nunmehr nach evangelischem Ritus getauft worden.
Seine Schwägerin hätte ihm 2004 nach ihrer Ankunft in Österreich erzählt, dass die Muslime, die ihren Ehemann - somit den Halbbruder des Beschwerdeführers - gezwungen hätten zu konvertieren, nach diesem gefragt hätten. Aus diesem Grund hätten diese auch seine Ehefrau öfters besucht und nach ihm gefragt. Dem Halbbruder sei auch bereits Asyl gewährt worden.
Mit Schreiben vom 08.08.2008 nahmen die Beschwerdeführer zu der vorgehaltenen Länderdokumentation Stellung und führten aus, dass sie zu den Ausführungen hinsichtlich der Politik nichts sagen könnten. Was die Menschenrechtslage angehe könnten sie jedoch die Aussagen aus eigenen Erfahrungen, insbesondere was die Diskriminierung von Russen und die vorherrschende Korruption angehe, bestätigen. Die mangelnden Berichte bzw. der einzig zitierte Bericht zur Situation von Rückkehrern hätte sie in Angst versetzt.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens steht nachstehender entscheidungswesentlicher Sachverhalt als erwiesen fest:
Zur Person:
Die Beschwerde führende Partei ist nach eigenen Angaben kirgisischer Staatsangehöriger, gehört der russischen Volksgruppe an, ist nunmehr evangelischen Bekenntnisses, war im Heimatstaat zuletzt wohnhaft in K., reiste am 10.06.2003 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte auch am 10.06.2003 zusammen mit seinem Halbbruder einen Asylantrag. Der Beschwerdeführer wurde am 00.00.1958 in K. geboren und hat mit seiner Ehefrau bis zu seiner Flucht in K. gelebt.
Dem Halbbruder des Beschwerdeführers wurde von einem Mullah - im Gegenzug zu seinem Übertritt zum Islam - ein Krankenhausaufenthalt finanziert, den sich dieser selbst nicht leisten konnte. Der Halbbruder des Beschwerdeführers wurde unverzüglich zur Beschneidung gezwungen und hätte in weiterer Folge - im Rahmen des "kleinen Jihads" - Rauschgifttransporte von Kirgisistan nach Russland durchführen sollen, um die Ungläubigen durch Rauschgift zu töten. Aus diesem Grund und weil er nicht aus religiösen sondern ausschließlich aus finanziellen Gründen konvertierte, ist dieser gemeinsam mit dem Beschwerdeführer nach Österreich geflohen. Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates, Zl. 244.108/0-VII/43/03 vom 30.06.2006 wurde dem Halbbruder des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG 1997 iVm § 75 Abs. 1 AsylG 2005 Asyl gewährt.
Der Beschwerdeführer verhalf seinem Halbbruder zur Flucht und reiste mit diesem gemeinsam nach Österreich. Der Halbbruder des Beschwerdeführers wurde in Kirgisistan von den Muslimen gesucht. Im Zuge dieser Suche erfuhren die Muslime von der Fluchthilfe des Beschwerdeführers und weiteten die Suche auf diesen aus.
Zum Herkunftsstaat:
Als Folge der schwierigen Wirtschaftslage nimmt die Kriminalität stark zu. Korruption, Amtsmissbrauch, Übergriffe durch Staatsorgane, Fehlverhalten und Polizeigewalt sind ein weit verbreitetes Problem. Insbesondere auch aufgrund der herrschenden Unterbezahlung stellt Bestechung und Korruption ein großes Problem in Kirgisistan dar. Seitens der Regierung werden aber auch Schritte zur Bekämpfung der Korruption im Privaten- wie auch im Öffentlichensektor gesetzt, trotzdem stellt Korruption auf allen Ebenen der Gesellschaft weiterhin ein Problem dar.
Die Judikative gilt in weiten Kreisen der Öffentlichkeit als äußerst korrupt und weit davon entfernt, unabhängig zu sein. Vorwürfe, die Judikative habe ebenso wie die politische Elite enge Beziehungen zum organisierten Verbrechen, werden im Land immer wieder laut, Experten stimmen dem zumindest teilweise zu. Es herrscht allgemein Übereinstimmung darüber, dass seit der Revolution 2005 das organisierte Verbrechen durch die Spaltungen und Schwächen begünstigt wurde, die heute kennzeichnend für die Staatsbehörden sind. Eine Reihe von Morden steht in Zusammenhang mit dieser Entwicklung. Mehrere Abgeordnete wurden erschossen, was das Parlament dazu veranlasste, Rechtsvorschriften zu erlassen, um seinen Mitgliedern das Tragen von Waffen zu gestatten.
Durch die weitverbreitete Desillusionierung aufgrund der in Kirgisistan herrschenden politischen Lage scheint sich auch das Interesse am Islamismus zu erhöhen, der sich selbst als Alternative zu Korruption, Kriminalisierung und fehlender Ordnung darstellt. Dieses Interesse und die Schwäche der staatlichen Sicherheitsstrukturen scheinen auch zu einer Zunahme der Tätigkeiten gewalttätiger Gruppen geführt zu haben.
Festgestellt wird, dass es in Kirgisistan eine extremistische islamische Opposition gibt, etwa die Gruppe Hizb-ut-Tahrir, die in Kirgisistan, aber auch in der Bundesrepublik Deutschland verboten ist. Diese Gruppe strebt die Einigung der Gemeinschaft aller Muslime in einem weltweiten islamischen Staat, unter der Führung eines Kalifen an. Die Aufgabe des Kalifen ist unter anderem den Islam durch Missionierung und Jihad in die Welt zu tragen. Ein Dialog zwischen den Kulturen, geprägt von den Prinzipien der Gleichheit und Toleranz sei unmöglich, da mit dem Islam unvereinbar. Der Kampf ist sowohl auf ideologischer, wirtschaftlicher, politischer als auch auf militärischer Ebene zu führen. Der militärische Kampf gegen die Ungläubigen ist im Sinne eines "aktiven Jihad" für jeden Muslim verpflichtend. Der "aktive Jihad" soll sich nicht auf den Fall der Verteidigung beschränken, vielmehr sei den Ungläubigen offen der Kampf zu erklären bzw. ihnen gegenüber den Angriff zu führen. Die genannte Gruppe lehnt auch existierende islamische Staaten als blasphemisch ab. Die Hizb-ut-Tahrir drängt auf die vollständige Einführung der Scharia und wendet sich gegen jede Teilnahme am politischen Leben in den "blasphemischen Systemen". Nicht der Islam sei der Realität anzupassen, sondern die Realität sei so zu verändern, dass sie den Regeln der Scharia entspräche. Weitere zentrale Punkte des Parteiprogramms der genannten Gruppe sind die Bekämpfung des "Kolonialismus" und des "Zionismus". Bereits in den ersten Jahren nach der Gründung der zuvor genannten Gruppe im Jahre 1983 in Jordanien war sie in den 60er und 70er-Jahren nach Putschversuchen in Jordanien, Ägypten, Syrien und im Irak beteiligt. Die "Hizb-ut-Tahrir" ist inzwischen in nahezu allen arabischen Staaten verboten. Eine Vielzahl von Mitgliedern ist z.B. in Syrien, Ägypten und Usbekistan inhaftiert. Die Gruppe ist auch in Europa aktiv. Die genannte Gruppe wird von den kirgisischen Behörden als extremistisch qualifiziert und ist verboten.
Beweis wurde erhoben durch die Einvernahme des Beschwerdeführers durch die Behörde erster Instanz am 14.07.2003, sowie durch die Befragung des Beschwerdeführers im Rahmen der öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung des Asylgerichtshofes vom 31.07.2008, weiters durch Einsicht in den amnesty international Jahresbericht 2007, ACCORD- Anfragebeantwortungen vom 15.2.2007 und 27.6.2006, Länderfeststellungen, Mitteilung über die kirgisische Republik des EU-Parlaments vom 09.05.2007, Bericht vom Freedom-House, Kirgisistan (2008).
III. Beweiswürdigung:
Der Beschwerdeführer erweckt in der mündlichen Beschwerdeverhandlung einen persönlich glaubhaften Eindruck. Das für die Entscheidungsfindung zentrale fluchtauslösende Ereignis vermochte der Beschwerdeführer in der Verhandlung vor dem Asylgerichtshof anschaulich zu schildern. Er antwortete auf die ihm gestellten Fragen gewissenhaft, sodass in einer Zusammenschau sämtlicher Angaben - darunter auch die Aussage seiner Ehefrau - ein detailreiches nachvollziehbares und geschlossenes Bild des fluchtauslösenden Ereignisses entstand.
Eine Beweiswürdigung, ob der vom Beschwerdeführer behauptete Fluchtgrund glaubhaft dargetan werden kann, d.h. ob der behauptete Fluchtgrund wahrscheinlich ist, kann nur unter Miteinbeziehung der Beweiswürdigung und der in weiterer Folge getätigten Feststellungen im Verfahren des Halbbruders des Beschwerdeführers erfolgen, da der Beschwerdeführer seinen Halbbruder bei der Flucht aus Kirgisistan unterstützt hat.
Der Beschwerdeführer hat seine Flucht auch auf andere Vorfälle gegründet, Feststellungen darüber können jedoch aufgrund des bereits festgestellten Sachverhaltes entfallen. Im Hinblick auf die glaubwürdigen Angaben des Beschwerdeführers, der Aussage seiner Ehefrau am 31.7.2008 und der Feststellungen des Unabhängigen Bundesasylsenates in seinem Bescheid 244.108/0-VII/43/03 vom 30.6.2006, kann der vom Beschwerdeführer angegebene Grund jedenfalls als glaubwürdig angesehen werden.
Die Feststellungen zur Lage in Kirgisistan ergeben sich aus den zuvor zitierten Unterlagen.
Da die Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Situationsdarstellungen zu zweifeln. Auch seitens der Parteien wurden hinsichtlich der herangezogenen Quellen keine Einwände erhoben.
IV. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 75 AsylG 2005 BGBl. I Nr. 100/2005 sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetztes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt.
Gemäß § 75 Abs 7 Z 2 AsylG 2005 sind Verfahren, welche am 01.07.2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängig und einem Mitglied des Unabhängigen Bundesasylsenats zugeteilt waren, welches als Richter des Asylgerichtshofes ernannt wurde, von diesem als Einzelrichter weiterzuführen, soweit eine mündliche Verhandlung bereits stattgefunden hat.
Gemäß § 44 Abs. 1 AsylG 1997 werden Verfahren zur Entscheidung über Asylanträge und Asylerstreckungsanträge, die bis zum 30. April 2004 gestellt wurden, nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 126/2002 geführt.
Da gegenständlicher Asylantrag am 10.06.2003 gestellt wurde, war er nach der Rechtslage des AsylG 1997 idF 126/2002 unter Beachtung der Übergangsbestimmungen, woraus sich die gegenständliche Zuständigkeit ergibt, zu beurteilen.
Gemäß § 7 AsylG 1997 i.d.g.F hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Artikel 1, Abschnitt A, Ziffer 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht, und keiner der in Artikel 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.
Flüchtling im Sinne des AsylG 1997 ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der
Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht. Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen muss. Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet. Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine so genannte inländische Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt. Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein.
Die ihrem Herkunftsstaat zurechenbare von der beschwerdeführenden Partei in ihrem Asylantrag behauptet Verfolgung steht in engen Zusammenhang mit dem Vorbringen ihres Halbbruders. In dessen Asylverfahren (244.108/0-VII/43/03) wurde nachvollziehbar festgestellt, dass dieser Kirgisistan aus einem in Artikel 1, Abschnitt A Ziffer 2 der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Fluchtgründen (konkret Verfolgung aus religiösen Gründen) verlassen hat, da Kirgisistan nicht in der Lage ist ihn vor der Verfolgung durch islamische Extremisten zu schützen.
Die beschwerdeführende Partei machte ihre Fluchtgrunde glaubhaft, indem sie vorbrachte, dass sie aufgrund der Unterstützung eines nahen Verwandten, der von extremen Islamisten verfolgt wird, selbst der Verfolgung durch diese unterliegt und der Herkunftsstaat sie nicht schützen könne. Das Ermittlungsverfahren hat ergeben, dass dieses Vorbringen nicht widerlegt werden kann. Im Hinblick darauf, dass die gegenständlichen fundamentalistischen Moslems landesweit bzw. sogar über die Landesgrenzen hinaus operieren, wird eine inländische Fluchtalternative ausgeschlossen.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass glaubhaft ist, dass der beschwerdeführenden Partei in der Republik Kirgisistan Verfolgung aus Gründen ihrer religiösen Gesinnung droht und auch keiner der in Artikel 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.
Gemäß § 12 AsylG i.d.g.F. war die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass E.K. damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.