S10 400.051-2/2008/2E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. ROSENAUER als Einzelrichter über die Beschwerde des H.H., geb. 00.00.1986 alias 00.00.1987, StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 13.08.2008, Zahl: 08 03.063-Außenstelle Linz, zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß §§ 5, 10 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
BEGRÜNDUNG
1. Verfahrensgang und Sachverhalt:
Der Verfahrensgang vor der erstinstanzlichen Behörde ergibt sich aus dem erstinstanzlichen Verwaltungsakt und stellt sich im Wesentlichen wie folgt dar:
1.1 Der Beschwerdeführer (in der Folge BF) ist am 03.04.2008 illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist und hat am selben Tag beim Bundesasylamt einen Antrag auf internationalen Schutz eingebracht. Im Zuge der niederschriftlichen Befragung vor einem Organwalter des öffentlichen Sicherheitsdienstes der PI Bregenz am selben Tag gab er im Wesentlichen Folgendes an:
Er sei afghanischer Staatsbürger, Volksgruppe Hazare, und sei vor ca. 1 Monat aus seiner Heimat Afghanistan geflüchtet. Er sei gestern Nacht mit dem Flugzeug in Europa gelandet und dann mit dem PKW und Bus nach Bregenz gefahren. Als Fluchtgrund gab er an, er habe große Angst vor seinem Onkel, dass man auch ihn töte, nachdem sein Vater umgebracht worden sei.
Ein AFIS-Abgleich ergab, dass der BF am 00.00.2007 in Leros (Griechenland) erkennungsdienstlich behandelt worden war. Am 07.04.2008 wurde ein Aufnahmeersuchen gem. Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates (in der Folge Dublin II VO) an Griechenland gerichtet.
Da die erstinstanzliche Behörde ein Vorgehen nach § 29 Abs. 3 Z 4 AsylG 2005 (in der Folge AsylG) beabsichtigte, wurde dem BF am 07.04.2008 eine Aktenabschrift ausgehändigt und eine Frist zur Stellungnahme eingeräumt, in der die Rechtsberatung erfolgte. Überdies wurden dem Rechtsberater die relevanten Aktenbestandteile zugänglich gemacht.
Zur Wahrung des Parteiengehörs gemäß § 29 Abs. 5 AsylG erfolgte am 15.05.2008 im Beisein des Rechtsberaters eine niederschriftliche Einvernahme, in der der BF im Wesentlichen Folgendes vorbrachte:
Er hätte vor ca. 8 Monaten gemeinsam mit seiner Mutter und seinem Bruder Afghanistan verlassen und wäre mithilfe eines Schleppers zunächst illegal in den Iran eingereist. Ca. 3 Tage sei er im Iran gewesen. Als er von Afghanistan in den Iran unterwegs gewesen sei, hätte er seinen Bruder und seine Mutter verloren. Vom Iran sei er vom Schlepper in die Türkei gebracht worden, wo der Schlepper ein Schlauchboot gekauft habe und er gemeinsam mit 6 anderen afghanischen Flüchtlingen nach Griechenland gereist wäre. Kurz vor der griechischen Küste sei ein 8-jähriges Kind ertrunken. Sie seien 5 Tage auf dem Meer unterwegs gewesen und dann von der griechischen Polizei festgenommen worden.
Zu den Fluchtgründen befragt gab der BF an, sein Vater und er hätten Probleme mit den Taliban gehabt. Sein Onkel väterlicherseits habe sie an die Taliban verraten, er wolle ihre 12 Hektar Felder. Er wolle dort Mohn anbauen und Drogenschmuggler werden. Die Taliban (später: sein Onkel) hätten seinen Vater umgebracht und auch ihn mit dem Umbringen bedroht.
Zu den Gründen befragt, die einer Ausweisung nach Griechenland entgegenstünden, gab der BF im Wesentlichen an, dass er in Griechenland von der Polizei mehrmals verhaftet und misshandelt worden sei. Er hätte dort kein Asylverfahren gehabt, im Übrigen würden auch Asylwerber dort nicht versorgt und er fühle sich dort nicht sicher.
Nach Krankheiten oder medizinischen Behandlungen befragt meinte der BF, es gehe ihm gut, er habe keine Beschwerden und leide an keinen Krankheiten, auch nehme er keine Medikamente. Auf Frage des Rechtsberaters zu seiner psychischen Verfassung erklärte der BF, er sei, als er Afghanistan verlassen hätte, ein gesunder Mensch gewesen. In Griechenland sei er psychisch und körperlich krank geworden. Er hätte Schlafstörungen und Angst vor einer Rückkehr nach Griechenland. Die griechische Polizei foltere Flüchtlinge systematisch.
Der Rechtsberater beantragte eine Untersuchung gemäß § 10 AsylG, da nicht ausgeschlossen werden könne, dass eine krankheitswertige psychische Störung vorliege.
Bezüglich anderweitiger Integrationsverfestigungen und Beeinträchtigungen seines Privat- und Familienlebens durch aufenthaltsbeendende Maßnahmen machte der BF keine Angaben.
1.2. Das Bundesasylamt hat mit Bescheid vom 6.06.2008, Zahl: 08 03.363-EAST West, den Antrag auf internationalen Schutz, ohne in die Sache einzutreten, gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass für die Prüfung des gegenständlichen Antrages auf internationalen Schutz gemäß Art. 10 Abs. 1 iVm Art. 18 Abs. 7 der Dublin II VO Griechenland zuständig sei. Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Griechenland ausgewiesen und gemäß § 10 Abs. 4 AsylG festgestellt, dass die Abschiebung nach Griechenland zulässig sei.
Die Erstbehörde traf in diesem Bescheid Feststellungen zur Refoulementprüfung und Schubhaftpraxis, zum Asylverfahren nach einer Rücküberstellung, wie auch zur allgemeinen und medizinischen Versorgung in Griechenland und zur Anerkennungsquote. Da Griechenland auf das Aufnahmeersuchen keine fristgerechte Antwort erteilt hätte, wäre mit dem Schreiben vom 09.05.2008 (Zugangsbestätigung DubliNet) Griechenland somit zur Führung des Asylverfahrens gemäß Dublin II VO zuständig.
Festgestellt wurde weiters, dass keine Umstände, die gegen eine Ausweisung des Beschwerdeführers sprechen, ermittelt werden konnten.
Beweiswürdigend wurde hervorgehoben, dass die Identität des BF mangels Dokumente nicht feststehe. Sein Vorbringen bezüglich Festnahmen und Misshandlungen in Griechenland sei allgemein gehalten, undetailliert und unkonkret. Das Amtswissen um den Umgang mit Asylwerbern stünde dem entgegen und sei glaubwürdiger, da es aus verlässlichen, seriösen und unbedenklichen Quellen stamme. Eine ärztliche Untersuchung gemäß § 10 AsylG durch Frau Dr. M. habe ergeben, dass keine belastungsabhängige, krankheitswertige psychische Störung vorliege,
Nach Ansicht der Erstbehörde war unter Berücksichtigung der bekannten Tatsachen eine Verletzung von Art. 3 und Art. 8 EMRK somit nicht festzustellen, wodurch von der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO kein Gebrauch zu machen war.
1.3 Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht mit Schriftsatz vom 11.06.2008 Berufung erhoben. Diese Berufung galt mit 01.07.2008 gemäß Asylgerichtshofeinrichtungsgesetz, BGBl. I Nr. 4/2008, als Beschwerde. Darin machte der BF geltend, er sei in Griechenland festgenommen worden und habe ein schriftliches Aufenthaltsverbot erhalten, wonach er innerhalb von 30 Tagen Griechenland verlassen solle. In Griechenland sei eine Asylantragstellung sehr schwer, man bekomme keinerlei staatliche Unterstützung und er sei für mehr als fünfeinhalb Monate in Einzelzellen und Kerker festgehalten und brutal durch griechische Sonderkommandanten gefoltert worden. Er wolle und könne nicht nach Griechenland zurückkehren.
1.4 Der Asylgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 08.07.2008 den bekämpften Bescheid behoben und in der Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass dem angefochtenen Bescheid Ausführungen darüber fehlten, inwiefern die Bemühungen Griechenlands zur Beseitigung der von UNHCR festgestellten, auch den BF im Falle seiner Rückkehr betreffenden Mängel geführt hätten. Es bedürfe einer intensiveren Auseinandersetzung mit den von UNHCR beschriebenen Problemfeldern und einer fallbezogenen Beurteilung der Risiken des BF. Es würde in diesem Zusammenhang auch Bedacht auf aktuellste Berichte zu nehmen sein (z.B. den in der Zwischenzeit zugänglichen Bericht des schwedischen Migrationsamtes über den Besuch in Griechenland von 21. bis 23. April 2008), die im Falle ihrer Entscheidungswesentlichkeit - fallbezogen - mit dem Beschwerdeführer zu erörtern wären.
1.5 Das Bundesasylamt hat verfahrensergänzend sowohl die Erstellung eines psychologischen Gutachtens veranlasst, dem zufolge laut Herrn Dr. L., Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, keine krankheitswertige psychische Störung vorliegt, als auch im Zuge einer weiteren Einvernahme am 13.08.2008 den BF über aktuelle Berichte zum griechischen Asylverfahren (Richtlinien des Generaldirektors des Schwedischen Migrationsamtes vom 07.05.2008 sowie Änderung der Praxis Norwegens mit Schreiben vom 21.07.2008, wonach wieder Überstellungen nach Griechenland - mit Ausnahme von Familien mit Kindern - effektuiert werden.
Weiters hat das Bundesasylamt mit dem verfahrensgegenständlichen angefochtenen Bescheid vom 13.08.2008, Zahl: 08 03.363-Außenstelle Linz, den Antrag auf internationalen Schutz, ohne in die Sache einzutreten, erneut gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass für die Prüfung des gegenständlichen Antrages auf internationalen Schutz gemäß Art. 10 Abs. 1 iVm Art. 18 Abs. 7 der Dublin II VO Griechenland zuständig sei. Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Griechenland ausgewiesen und gemäß § 10 Abs. 4 AsylG festgestellt, dass die Abschiebung nach Griechenland zulässig sei.
Zusätzlich zu den bereits im ersten, aufgehobenen Bescheid getroffenen Feststellung enthält dieser Bescheid Feststellungen über die Ergebnisse einer Fact Finding Mission der schwedischen Migrationsbehörde, derzufolge in Griechenland im Rahmen eines Dublin-Verfahrens inhaltliche Asylverfahren durchgeführt würden und keine Kettenabschiebungen erfolgten, sowie über die oben angeführte Praxis Norwegens. Die Beweiswürdigung entspricht im Ergebnis dem ersten, aufgehobenen Bescheid.
Nach Ansicht der Erstbehörde war unter Berücksichtigung der bekannten Tatsachen eine Verletzung von Art. 3 und Art. 8 EMRK somit wiederum nicht festzustellen, wodurch von der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO kein Gebrauch zu machen war.
1.6 Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht mit Schriftsatz vom 18.08.2008, Poststempel 25.08.2008, eingelangt am 26.08.2008 bei der Erstbehörde, Beschwerde erhoben. Darin wurden im Wesentlichen unrichtige rechtliche Beurteilung und Mangelhaftigkeit des Verfahrens geltend gemacht sowie beantragt, den Bescheid zu beheben und der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
In der Begründung dazu wurde im Wesentlichen angegeben, dass sich die Erstbehörde mit den Mängeln des griechischen Asylverfahrens nicht ausreichend auseinandergesetzt habe.
1.7 Die gegenständliche Beschwerde samt erstinstanzlichem Verwaltungsakt langte am 29.08.2008 beim Asylgerichtshof ein.
2. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt.
Rechtlich ergibt sich Folgendes:
2.1 Mit Datum 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG idF. BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 4/2008) und ist auf die ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.
Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 AsylG erledigter Asylantrag als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Dublin II VO zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Asylbehörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist die Zurückweisung eines Antrages nach Maßgabe des § 10 Abs. 3 und Abs. 4 AsylG mit einer Ausweisung zu verbinden.
Die Dublin II VO ist eine Verordnung des Gemeinschaftsrechts im Anwendungsbereich der 1. Säule der Europäischen Union (vgl. Art. 63 EGV), die Regelungen über die Zuständigkeit zur Prüfung von Asylanträgen von Drittstaatsangehörigen trifft. Sie gilt also nicht für mögliche Asylanträge von EU-Bürgern, ebensowenig ist sie auf Personen anwendbar, denen bereits der Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde. Das Grundprinzip ist, dass Drittstaatsangehörigen das Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Asylverfahren in einem Mitgliedstaat zukommt, jedoch nur in einem Mitgliedstaat, dessen Zuständigkeit sich primär nicht aufgrund des Wunsches des Asylwerbers, sondern aufgrund der in der Verordnung festgesetzten hierarchisch geordneten Zuständigkeitskriterien ergibt.
2.1.1. Es ist daher zunächst zu überprüfen, welcher Mitgliedstaat nach den hierarchisch aufgebauten (Art. 5 Abs. 1 Dublin II VO) Kriterien der Art. 6-12 bzw. 14 und 15 Dublin II VO, beziehungsweise dem Auffangtatbestand des Art. 13 Dublin II VO zur inhaltlichen Prüfung zuständig ist.
2.1.1.1. Das aufgrund des Vorliegens der Tatbestandsmerkmale des Art. 9 Abs. 3 lit. c der Dublin II VO eingeleitete Aufnahmeersuchen an Ungarn erfolgte innerhalb der Frist von drei Monaten nach Einreichung des Asylantrages durch den Beschwerdeführer (Art. 17 Abs. 1 Dublin II VO).
Im vorliegenden Fall hat das Bundesasylamt zutreffend festgestellt, dass eine Zuständigkeit Griechenlands gemäß Art. 10 Abs. 1 iVm Art. 18 Abs. 7 der Dublin II VO besteht.
Die erste Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der getroffenen Unzuständigkeitsentscheidung ist somit gegeben und ist diese im Verfahren nicht bestritten worden.
2.1.1.2. Es sind auch aus der Aktenlage keine Hinweise ersichtlich, wonach die Führung der Konsultationen im gegenständlichen Fall derart fehlerhaft erfolgt wäre, sodass von Willkür im Rechtssinn zu sprechen wäre und wegen Verletzung der gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgrundsätze aus diesem Grund ausnahmsweise keinen Bestand haben könnte (Filzwieser, Subjektiver Rechtsschutz und Vollziehung der Dublin II VO - Gemeinschaftsrecht und Menschenrechte, migraLex, 1/2007, 22ff; vgl. auch das Gebot der Transparenz im "Dublin-Verfahren", VwGH 23.11.2006, Zl. 2005/20/0444). Das Konsultationsverfahren erfolgte mängelfrei; die Verständigung nach § 28 Abs. 2, 2. Satz AsylG wurde dem Beschwerdeführer zeitgerecht übermittelt.
2.1.2. Das Bundesasylamt hat ferner von der Möglichkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO keinen Gebrauch gemacht. Es war daher noch zu prüfen, ob von diesem Selbsteintrittsrecht im gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung der EMRK zwingend Gebrauch zu machen gewesen wäre.
Der VfGH hat mit Erkenntnis vom 17.06.2005, Zl. B 336/05-11, festgehalten, die Mitgliedstaaten hätten kraft Gemeinschaftsrecht nicht nachzuprüfen, ob ein anderer Mitgliedstaat generell sicher sei, da eine entsprechende normative Vergewisserung durch die Verabschiedung der Dublin II VO erfolgt sei, dabei aber gleichzeitig ebenso ausgeführt, dass eine Nachprüfung der grundrechtlichen Auswirkungen einer Überstellung im Einzelfall gemeinschaftsrechtlich zulässig und bejahendenfalls das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO zwingend geboten sei.
Die Judikatur des VwGH zu den Determinanten dieser Nachprüfung lehnt sich an die Rechtsprechung des EGMR an und lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigende notorische Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der EU in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, Zl. 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter auf den betreffenden Fremden bezogener Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall seiner Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 26.11.1999, Zl 96/21/0499, VwGH 09.05.2003, Zl. 98/18/0317; vgl. auch VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059): "Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art. 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist." (VwGH 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949).
Die Vorlage allgemeiner Berichte ersetzt dieses Erfordernis in der Regel nicht (vgl. VwGH 17.02.1998, Zl. 96/18/0379; EGMR Mamatkulov & Askarov v Türkei, Rs 46827, 46951/99, 71-77), eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle einer Überstellung, ebenso eine allfällige Unterschreitung des verfahrensrechtlichen Standards des Art. 13 EMRK sind für sich genommen nicht ausreichend, die Wahrscheinlichkeit einer hier relevanten Menschenrechtsverletzung darzutun. Relevant wäre dagegen etwa das Vertreten von mit der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) unvertretbaren rechtlichen Sonderpositionen in einem Mitgliedstaat oder das Vorliegen einer massiv rechtswidrigen Verfahrensgestaltung im individuellen Fall, wenn der Asylantrag im zuständigen Mitgliedstaat bereits abgewiesen wurde (Art. 16 Abs 1 lit. e Dublin II VO). Eine ausdrückliche Übernahmeerklärung des anderen Mitgliedstaates hat in die Abwägung einzufließen (VwGH 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582, VwGH 31.05.2005, Zl. 2005/20/0025, VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/19/0673), ebenso andere Zusicherungen der europäischen Partnerstaaten Österreichs (zur Bedeutung solcher Sachverhalte Filzwieser/Liebminger, Dublin II VO, K13. zu Art. 19 Dublin II VO).
Weiterhin hatte der Asylgerichtshof folgende Umstände zu berücksichtigen:
Bei entsprechender Häufung von Fällen, in denen in Folge Ausübung des Selbsteintrittsrechts die gemeinschaftsrechtliche Zuständigkeit nicht effektuiert werden kann, kann eine Gefährdung des "effet utile" Grundsatzes des Gemeinschaftsrechts entstehen.
Zur effektiven Umsetzung des Gemeinschaftsrechts sind alle staatlichen Organe kraft Gemeinschaftsrechts verpflichtet.
Der Verordnungsgeber der Dublin II VO, offenbar im Glauben, dass sich alle Mitgliedstaaten untereinander als "sicher" ansehen können, wodurch auch eine Überstellung vom einen in den anderen Mitgliedstaat keine realen Risken von Menschenrechtsverletzungen bewirken könnte (vgl. insbesondere den 2. Erwägungsgrund der Präambel der Dublin II VO), hat keine eindeutigen verfahrens- oder materiellrechtlichen Vorgaben für solche Fälle getroffen, diesbezüglich lässt sich aber aus dem Gebot der menschenrechtskonformen Auslegung des Gemeinschaftsrechts und aus Beachtung der gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgrundrechte ableiten, dass bei ausnahmsweiser Verletzung der EMRK bei Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat eine Überstellung nicht stattfinden darf. Die Beachtung des Effizienzgebots (das etwa eine pauschale Anwendung des Selbsteintrittsrechts oder eine innerstaatliche Verfahrensgestaltung, die Verfahren nach der Dublin II VO umfangreicher gestaltet als materielle Verfahren, verbietet) und die Einhaltung der Gebote der EMRK stehen daher bei richtiger Anwendung nicht in Widerspruch (Filzwieser, migraLex, 1/2007, 18ff, Filzwieser/Liebminger, Dublin II VO, K8-K13. zu Art. 19).
Die allfällige Rechtswidrigkeit von Gemeinschaftsrecht kann nur von den zuständigen gemeinschaftsrechtlichen Organen, nicht aber von Organen der Mitgliedstaaten rechtsgültig festgestellt werden. Der EGMR hat jüngst festgestellt, dass der Rechtsschutz des Gemeinschaftsrechts regelmäßig den Anforderungen der EMRK entspricht (30.06.2005, Bosphorus Airlines v Irland, Rs 45036/98).
Es bedarf sohin europarechtlich eines im besonderen Maße substantiierten Vorbringens und des Vorliegens besonderer vom Antragsteller bescheinigter außergewöhnlicher Umstände, um die grundsätzliche europarechtlich gebotene Annahme der "Sicherheit" der Partnerstaaten der Europäischen Union als einer Gemeinschaft des Rechts im individuellen Fall erschüttern zu können. Diesem Grundsatz entspricht auch die durch das AsylG 2005 eingeführte gesetzliche Klarstellung des § 5 Abs. 3 AsylG, die Elemente einer Beweislastumkehr enthält. Es trifft zwar ohne Zweifel zu, dass Asylwerber in ihrer besonderen Situation häufig keine Möglichkeit haben, Beweismittel vorzulegen (wobei dem durch das Institut des Rechtsberaters begegnet werden kann), und dies mitzubeachten ist (VwGH, 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949), dies kann aber nicht pauschal dazu führen, die vom Gesetzgeber - im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht - vorgenommene Wertung des § 5 Abs. 3 AsylG überhaupt für unbeachtlich zu erklären (dementsprechend in ihrer Undifferenziertheit verfehlt, Feßl/Holzschuster, AsylG 2005, 225ff). Eine Rechtsprechung, die in Bezug auf Mitgliedstaaten der EU faktisch höhere Anforderungen entwickelte als jene des EGMR in Bezug auf Drittstaaten, wäre jedenfalls gemeinschaftsrechtswidrig.
2.1.2.1. Mögliche Verletzung des Art. 8 EMRK
Es leben keine Angehörigen der Kernfamilie des Beschwerdeführers in Österreich. Die diesbezüglichen Ausführungen der Erstbehörde treffen zu, diesen ist in der Beschwerde auch nicht entgegengetreten worden. Es liegen auch sonst keine Hinweise auf eine bereits erfolgte außergewöhnliche Integration in Österreich, etwa aufgrund sehr langer Verfahrensdauer, vor (vgl. VfGH 26.02.2007, Zl. 1802, 1803/06-11).
2.1.2.2. Kritik am griechischen Asylwesen, mögliche Verletzung des Art. 3 EMRK
Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer bei seinem seinerzeitigen Aufenthalt in Griechenland keinen Asylantrag gestellt. Das Vorbringen beschränkt sich im Wesentlichen auf das Vorbringen konkreter, aber gänzlich unsubstantiiert gebliebener Vorbringen betreffend Festnahmen und Misshandlungen durch die griechische Polizei, sowie auf allgemeine Kritik an der Situation in Griechenland. Hinweise auf eine besondere individuelle Vulnerabilität des Beschwerdeführers sind nicht hervorkommen. In den zwei im Verfahren vorgenommenen ärztlichen Untersuchungen sind zwar Narben und ein ausgeschlagener Zahn festgestellt worden, jedoch konnte kein zeitlicher oder ursächlicher Zusammenhang mit den vom BF vorgebrachten Ereignissen konkret festgestellt werden. Dem BF war es nicht möglich, glaubhaft und substantiiert darzulegen, dass durch eine Überstellung nach Griechenland Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung drohen würde.
Zur allgemeinen Kritik des Beschwerdeführers an Griechenland ist unbestritten, dass UNHCR das Absehen von Überstellungen empfohlen hat und einige Berichte von NGO's ernste Kritik an verschiedenen Aspekten des griechischen Asylverfahrens und des Umgangs mit Asylwerbern üben. Dies hat auch zur Aufhebung bestimmter Bescheide des BAA durch den UBAS bzw. den Asylgerichtshof geführt, wenn sich diese Bescheide mit dieser Erkenntnislage nicht hinreichend auseinandergesetzt haben (siehe nur UBAS 05.05.2008, Zahl: 318.977-1/2E-XV/53/08), da jedenfalls bei bestimmten Vorbringen von einer Erschütterung der Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG auszugehen war.
Im vorliegenden Fall hat sich (neben anderen aktuellen Quellen) aber die Erstbehörde auf das Ergebnis einer Fact Finding Mission der schwedischen Asylbehörde aus April 2008 gestützt, der die Beschwerde nur pauschal, nicht aber im Einzelnen substantiiert entgegentritt.
Zentral folgt daraus, dass bei Überstellungen nach der Dublin II VO nach Griechenland ein tatsächlicher Zugang zum Asylverfahren besteht. Probleme des Zugangs zum Asylverfahren, wie sie sich etwa in anderen Berichten bei der Ersteinreise von Personen aus der Türkei nach Griechenland widerspiegeln, sind daher nicht relevant. Unabhängig von der ursprünglichen Verfristung Griechenlands im konkreten Fall oder allfälligen Kommunikationsproblemen zwischen griechischer und österreichischer Asylbehörde hat Griechenland im vorliegenden Konsultationsverfahren auch ausdrücklich den Zugang des BF zum Asylverfahren bejaht. Anlass, dieser individuellen Erklärung der griechischen Asylbehörde als der Behörde eines EU-Mitgliedstaates zu misstrauen, besteht nicht und wurde wiederum im Vorbringen des Beschwerdeführers auch nicht substantiiert dargetan.
Da im konkreten Fall ein Asylverfahren noch nicht begonnen wurde, verbieten sich auch spekulative Erwägungen über dessen Ausgang und die Erfolgsaussichten des Beschwerdeführers. Die Kritik von UNHCR an der fehlenden Praxis der Gewährung subsidiären Schutzes kann daher bei der gegenwärtigen Entscheidungsfindung beispielsweise keine Rolle spielen. Nichtsdestotrotz hat der Gerichtshof mitberücksichtigt, dass in keiner der Quellen des vorliegenden Verfahrens Fälle angeführt wurden, in denen Asylwerber tatsächlich in ihre Herkunftsländer aus Griechenland abgeschoben wurden. So hat der britische Court of Appeal in der zeitlich nach der Veröffentlichung der UNHCR-Position (und unter ausdrücklicher Auseinandersetzung mit derselbigen) ergangenen Berufungsentscheidung vom 14.05.2008 ([2008] EWCA Civ 464, Jawad NASSARI), in welcher eine Überstellung eines afghanischen Asylwerbers nach Griechenland im Einklang mit der im vorliegenden Erkenntnis des Asylgerichtshofes vertretenen Rechtsauffassung, abgewiesen wurde, ausgeführt: (Punkte 40-41, per Lord Justice Laws: "There are clearly concerns about the conditions in which asylum-seekers may be detained in Greece. It is not however shown that they give rise to systemic violations of Article 3. As regards refoulement, Mr Nicol in a note dated 2 May 2008 submits that the earlier evidence taken together with the new UNHCR material shows "at the very least, a serious cause for concern as to whether the Greek authorities would onwardly remove the respondent to Afghanistan in breach of Article 3. I certainly accept that such evidence as there is, and in particular the recent UNHCR Paper, shows that the relevant legal procedures are to say the least shaky, although there has been some improvement. I have considered whether the right course would be to send the case back to the High Court for a fuller examination of the factual position. But in truth there are currently no deportations or removals to Afghanistan, Iraq, Iran, Somalia or Sudan, and as I understand it no reports of unlawful refoulement to any destination. That seems to me to be critical. I would accordingly hold, on the evidence before us, that as matters stand Greece's continued presence on the list does not offend the United Kingdom's Convention obligations. It follows that there is no case for a limited declaration of incompatibility relating only to Greece (...)."
Auch der von der Erstinstanz herangezogene Bericht des Schwedischen Migrationsamtes bestätigt, dass das reale Risiko einer Verletzung des Art. 3 EMRK durch eine Kettenabschiebung infolge Verstoßes gegen das Non-Refoulement Gebot nicht besteht. Dass gerade der Beschwerdeführer - bei dem Faktoren einer besonderen Vulnerabilität nicht bestehen - bei einer Rückkehr in eine aussichtslose Situation wegen Verweigerung der Unterbringung kommen würde, lässt sich aus der allgemeinen Berichtslage, bei aller Kritik an Einzelfällen, nicht ableiten.
Im Ergebnis hat die vorgenommene Prüfung somit nicht ergeben, dass allgemein Überstellungen nach Griechenland nicht vorgenommen werden dürfen. Dies entspricht der Rechtsansicht der Europäischen Kommission (vgl. Pressemitteilung vom 09.04.2008), ebenso wie der zitierten englischen Judikatur.
Explizit gegenteilige Judikatur ist zum Entscheidungszeitpunkt aus keinem Mitgliedstaat bekannt. Auch die norwegische Position beinhaltet lediglich eine Aussetzung von Entscheidungen im Zusammenhang mit einer näheren Prüfung der Berichtslage. Wie im beschwerdegegenständlichen Bescheid bereits ausgeführt, führt nun auch Norwegen nach einer eingehenden Prüfung wieder Dublin Verfahren mit Griechenland durch. Ausgenommen von der Effektuierung von Überstellungen sind lediglich Familien mit Kindern. In Ermangelung sonstiger individueller Gründe und individuellen Vorbringens des Beschwerdeführers erweist sich daher in diesem Fall das von der Erstbehörde beigeschaffte Tatsachensubstrat als ausreichend und die individuelle Beweiswürdigung als zutreffend. Griechenland ist ein Staat mit rechtsstaatlichen Einrichtungen und Mitgliedsstaat der Europäischen Union. Ein zwingender Grund zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts besteht in diesem Zusammenhang daher nicht.
2.1.2.3. Zusammenfassend sieht der Asylgerichtshof im Einklang mit der diesbezüglichen Sichtweise der Erstbehörde keinen Anlass, Österreich zwingend zur Anwendung des Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO infolge drohender Verletzung von Art. 3 oder Art. 8 EMRK zu verpflichten.
2.1.3. Spruchpunkt I der erstinstanzlichen Entscheidung war sohin bei Übernahme der Beweisergebnisse und rechtlichen Würdigung der Erstbehörde mit obiger näherer Begründung zu bestätigen, zumal der BF sowohl bei der Angabe seiner Reiseroute widersprüchliche Angaben machte, als auch bezüglich der von ihm gemachten und der Beweiswürdigung unterzogenen Angaben über Ereignisse (Reise, Mitreisende, Festnahmen, Verhaftung etc.) keinerlei konkrete Angaben (beispielsweise über Namen oder sonstige Daten) machen konnte.
2.2. Die Erwägungen der Erstbehörde zu Spruchpunkt II waren zu übernehmen. Auch im Beschwerdeverfahren sind keine Hinweise hervorgekommen, die eine Aussetzung der Überstellung des BF in Vollzug der Ausweisung aus Österreich erforderlich erschienen ließen. Diese erweist sich daher bezogen auf den Entscheidungszeitpunkt als zulässig.
2.3. Gemäß § 41 Abs. 4 AsylG konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Eine gesonderte Erwägung bezüglich einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konnte angesichts des Spruchinhaltes entfallen.