TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/02 D4 244111-0/2008

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Veröffentlicht am 02.09.2008
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Spruch

D4 244111-0/2008/15E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Mag. Scherz als Vorsitzende und den Richter Dr. Kuzminski als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Mag. Pfleger über die Beschwerde des M. U., geb. 00.00.1984, StA. Kirgisistan, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 06.10.2003, FZ. 03 16.481-BAL, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 21.08.2008 zu Recht erkannt:

 

Der Beschwerde wird stattgegeben und M. U. gemäß § 7 AsylG 1997 i. d.F. BGBl 126/2002 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

 

Gemäß § 12 AsylG i.d.F. BGBl 126/2002wird festgestellt, dass M. U. damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang:

 

Die beschwerdeführende Partei führt nach eigenem Namen den im Spruch genannten Namen, ist kirgisischer Staatsangehöriger, gehört der kirgisischen Volksgruppe an, ist muslimischen Bekenntnisses, war im Heimatland zuletzt wohnhaft in B., reiste am 04.06.2003 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 04.06.2003 einen Asylantrag.

 

Vom Bundesasylamt, Außenstelle Linz, am 11.07.2003 im Beisein eines Dolmetschers einvernommen, wurde als Fluchtgrund im Wesentlichen Folgendes angegeben:

 

Der Beschwerdeführer würde einen Sport ausüben. 2002 hätte er nach dem Training ca. 100 m vor seinem Haus einen Freund gesehen. Ein russischer Mann hätte sich, aus einem Tunnel kommend, seinem Freund genähert und dreimal auf ihn geschossen. Er hätte jedoch den Beschwerdeführer nicht gesehen. Der Beschwerdeführer sei sofort nach Hause gelaufen, hätte seiner Mutter alles erzählt und auch die Mutter hätte die Schüsse gehört. Die Mutter hätte ihm geraten über den Vorfall zu schweigen. Auch sein Bruder hätte ihn gebeten, zu schweigen. Drei oder vier Tage später erzählte der Nachbar des Beschwerdeführers, dass ihn ein kleiner und rothaariger, russischer Mann suchen würde. Sein Bruder hätte ihn daraufhin zu seinem Onkel nach I. geschickt. Dort sei er bis Mai geblieben, bis zwei Polizisten seinen Onkel nach ihm gefragt hätten. Zu diesem Zeitpunkt sei der Beschwerdeführer nicht zu Hause gewesen. Sein Onkel hätte ihn zurück nach Bischkek geschickt, wo der Beschwerdeführer seinen Bruder über die Vorfälle informiert hätte. Sein Bruder hätte ihm geraten, das Gebiet der ehemaligen Sowjetunion zu verlassen. Der ermordete Freund würde B. A. heißen. Bei dem Mörder würde es sich um einen Polizisten handeln - der Beschwerdeführer hätte ihn bereits einige Male in Polizeiuniform gesehen. Zum Zeitpunkt des Mordes hätte er jedoch keine Uniform getragen. Dies sei auch der Grund, warum er die Polizei nicht um Hilfe ersucht hätte.

 

Mit dem nunmehr angefochtenen oben angeführten Bescheid des Bundesasylamtes vom 06.10.2003 wurde der Asylantrag abgewiesen und die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die kirgisische Republik festgestellt. In der Bescheidbegründung wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer eine Verfolgung durch Mitglieder einer Verbrecherbande vorzubringen versucht hätte, jedoch nicht in der Lage gewesen wäre, diese schlüssig nachvollziehbar und somit glaubhaft darzulegen. Das geschilderte Vorbringen sei vage dargelegt, sodass mit absoluter Sicherheit davon auszugehen sei, dass es sich bei den Angaben um eine konstruierte Geschichte handeln würde. Nach Ansicht des Bundesasylamtes würde es eine innerstaatliche Fluchtalternative geben.

 

Um Wiederholungen zu vermeiden, wird auf die Feststellungen der Erstbehörde zum Herkunftsstaat im angefochtenen Bescheid verwiesen.

 

Gegen diesen Bescheid wurde innerhalb offener Frist berufen. In der Berufung sowie den nachfolgenden Berufungsergänzungen führte der Beschwerdeführer aus, dass er sehr wohl konkrete Angaben zum Täter gemacht hätte und dass ihn die Polizei als Mörder suchen würde. Da der richtige Mörder für die Polizei arbeiten würde, würde der Polizeiapparat dazu benutzt, ihn als Zeuge des Mordes beseitigen zu lassen.

 

Zusätzlich führte er folgenden Nachfluchtgrund aus:

 

Er wäre ein Aktivist des "Demokratischen Kongresses Zentralasiens", da in allen fünf Staaten Zentralasiens Diktatoren an der Macht seien. 2006 hätten sich in Deutschland lebende Mitglieder des "Demokratischen Kongresses Zentralasiens" an ihn gewandt und ihn gebeten, Unterlagen der Oppositionskräfte zu verteilen, da Kirgisistan im Jahre 2009 die Präsidentschaft bei der OSZE beanspruchen würde. Es sei an diesem Tag eine große Delegation aus Kirgisistan eingetroffen. Er hätte diese Unterlagen verteilt, Vertreter Kirgisistans seien auf ihn zugelaufen und hätten ihm gedroht, dass sie ihn bald finden und töten würden. Sie hätten die Polizei gerufen, diese hätten seine Dokumente überprüft und ihn wieder gehen lassen. Im Anschluss daran hätte er Anrufe aus den Botschaften von Kasachstan und Kirgisistan erhalten, in welchen er damit bedroht worden sei, dass "alles Mögliche unternommen werden würde, um seine Abschiebung aus Österreich einzuleiten und in seinem Heimatland würde er entweder für lange Zeit eingesperrt oder getötet werden". Die Mitarbeiter des Demokratischen Kongresses Zentralasiens hätten sich zu seiner Unterstützung mit dem Botschafter der Delegation der USA in Verbindung gesetzt und über die Drohungen erzählt. Dieser hätte sich danach mit ihm in Verbindung gesetzt und der Beschwerdeführer hätte ihm alles über die Drohungen erzählt. Über den Vorfall sei ein Artikel in einer Zeitungnach einem vom Beschwerdeführer gegebenen Interview erschienen. Eine Kopie des Artikels wurde vorgelegt.

 

Die Brüder des Beschwerdeführers würden nunmehr angerufen und eingeschüchtert werden. Man würde ihnen drohen - wegen der Aktivitäten ihres Bruders - verhaftet zu werden. Sie hätten ihren Wohnort und alle Telefonnummern gewechselt. Zusätzlich legte der Beschwerdeführer ein Konvolut an Unterlagen, hauptsächlich Zeitungsartikel vor.

 

Anlässlich der öffentlichen mündlichen Verhandlung am Asylgerichtshof am 21.08.2008, zu der sich ein Vertreter der Erstbehörde entschuldigen ließ, führte der Beschwerdeführer zu seiner Flucht im Wesentlichen folgendermaßen aus:

 

Der Beschwerdeführer hätte sei dem Jahr 1995 professionell Sport betrieben. 2002 hätte er nach einem Abendtraining ca. 100 m vor seinem Haus gesehen, wie ein Mann aus einem Tunnel herausgekommen sei und einen Freund des Beschwerdeführers (ein bekannter Sportler namens B. A.) erschossen hätte. Ein zweiter Mann, der hinter dem Schützen nachgekommen sei, hätte den Beschwerdeführer gesehen, als er ins Haus gelaufen sei. Der Beschwerdeführer hätte seiner Mutter, welche ebenfalls die Schüsse gehört hätte, davon erzählt. Am folgenden Tag sei der Beschwerdeführer zu seinem älteren Bruder gefahren, hätte den Vorfall geschildert und dieser hätte ihm geraten, niemandem darüber zu erzählen. Zwei oder drei Tage später hätte ihn die Bezirkspolizei bei seiner Mutter, seinen Nachbarn und seinen Freunden gesucht. Aus diesem Grund sei er auf Anraten seines älteren Bruders zu seinem Onkel gefahren und hätte dort einige Monate gelebt, bis er auch dort von zwei Polizisten gesucht worden sei. Sein Onkel hätte ihn verleugnet, wollte aber, dass er wieder nach Hause zurück fährt. Da weder sein Bruder noch er gewusst hätten, woher die Polizei seinen Aufenthaltsort gekannt hätte, hätten sie beschlossen, dass der Beschwerdeführer Kirgisistan verlassen solle. Der Mörder sei ein ihm vom Sehen aus bekannter Polizist gewesen, den zweiten Mann würde er nicht kennen. Dies sei auch der Grund, weshalb der Beschwerdeführer keine Anzeige erstattet hätte. Gegen den Beschwerdeführer sei ein Strafverfahren wegen Verweigerung der Zeugenaussage eingeleitet worden. Im Anschluss daran sei jedoch bereits wegen Mordes gegen ihn ermittelt worden. Die Angelegenheit hätte so schnell wie möglich beendet werden sollen, weil der Ermordete ein bekannter Sportler gewesen sei. Ob ein Interesse der Polizei an der Ermordung des B. A. bestehen würde, wüsste der Beschwerdeführer nicht, er wüsste nur, dass der Schütze ein Polizist gewesen sei. Im Zuge dieser Einvernahme legte der Beschwerdeführer eine kirgisische Zeitung aus 2008 vor, welcher zu entnehmen ist, dass nach dem Beschwerdeführer gefahndet werde. In dieser Zeitung ist als Tatzeitpunkt März 2002 angeführt. Weshalb ein anderer Tatzeitpunkt angeführt werde, konnte der Beschwerdeführer nicht angeben.

 

Am 30. Mai sei der Beschwerdeführer in einem Zug über Russland ausgereist und in weiterer Folge nach Österreich gelangt. Der Beschwerdeführer legt eine weitere Zeitung vor, in welcher ein Artikel über die Ermordung seines Trainers erschienen ist. Die Zeitungen hätte ihm sein Bruder geschickt. Der Vertreter des Beschwerdeführers gab in diesem Zusammenhang zusätzlich an, dass der Beschwerdeführer keine Möglichkeit hätte, staatlichen Schutz in Anspruch zu nehmen, da die Judikative ebenfalls durch die Exekutive dominiert werden würde. Weiters verwies er auf die Ausgabe einer weiteren Zeitschrift, in welcher zum Ausdruck komme, dass der Beschwerdeführer nunmehr nicht mehr als Zeuge sondern bereits als Täter gelte . Weshalb ein anderer Tatzeitpunkt angeführt werde, konnte der Beschwerdeführer nicht angeben, er versicherte aber, dass der 00. 00.2002 der tatsächliche Zeitpunkt des Mordes gewesen sei.

 

Als zweiten Fluchtgrund (Nachfluchtgrund) gibt der Beschwerdeführer in seiner Einvernahme an, dass er seit 2006 ein Aktivist des "Kirgisischen Komitees für Menschenrechte" (KCHR) sei. Er hätte eine 6-seitige Broschüre, welche im Akt aufliegt, anlässlich einer OSZE - Konferenz verteilt, da Kasachstan 2009 den Vorsitz übernehmen soll. Nach ca. 10 Minuten seien kasachische Botschaftsmitarbeiter aus dem Gebäude gekommen und hätten begonnen ihn zu bedrohen. Sie hätten sich für die Unterlagen interessiert und wissen wollen, woher er diese bekommen hätte. Die Unterlagen würde er von einem ihm persönlich bekannten Herrn L. M. bekommen, der ihn gebeten hätte, diese Broschüren zu verteilen. Er wäre am Heldenplatz als Vertreter des "Demokratischen Kongresses Zentralasiens" aufgetreten, der mit dem KCHR zusammen arbeiten würde. Der Beschwerdeführer sei bedroht und beschimpft worden, ein Berater des kasachischen Botschafters hätte ihm gesagt, dass man "ihn auch in Österreich finden würde" und hätte die Polizei gerufen. Nach Prüfung seiner Dokumente sei der Beschwerdeführer wieder freigelassen worden. Die Botschaft hätte erfahren, dass er sich als Asylwerber in Österreich befinden würde. Er wurde daraufhin vom Berater des kasachischen Botschafters D. bedroht und gewarnt, dass er in Österreich keinen Flüchtlingsstatus erhalten und ausgewiesen werden würde. Einen Zeitungsartikel einer Internetzeitung darüber legte der Beschwerdeführer vor. Andere Diplomaten hätten den Vorfall aus der Ferne beobachtet und er hätte diesen Mitarbeitern die vom ihm verteilten Unterlagen übergeben. Am nächsten Tag sei er in einem von der Kasachischen Botschaft ausgehenden Telefonat bedroht worden. Es folgten einige solche Anrufe. Es sei ihm gesagt worden, dass man sich mit dem österreichischen Innenministerium in Verbindung setzen würde, um seine Abschiebung zu erreichen. Einige Tage später hätte ihn ein Journalist namens V. V. aus Deutschland angerufen, lange mit ihm gesprochen und ihn nach den Umständen und Details gefragt. Zum damaligen Zeitpunkt hätte er ihm auch noch den Namen des Anrufers mitteilen können, heute sei ihm dieser Name nicht mehr erinnerlich. Der Journalist teilte ihm mit, dass er einen Anruf der Amerikanischen Botschaft bekommen würde. Er sei wirklich von der Botschafterin der USA bei der OSZE, Julie Finley angerufen worden, die wissen hätte wollen, auf welche Art und Weise man ihn eingeschüchtert hätte. Sie hätte ihn auch gefragt, ob er die Personen erkennen könnte, die ihn bedroht hätten. Einmal hätte ihn auch ein Mitarbeiter der Kirgisischen Botschaft um Mitternacht angerufen, dessen erste Worte auf Russisch "Ich möchte dich treffen" waren und angeboten hätte ihn abzuholen. Der Beschwerdeführer war zu diesem Zeitpunkt der Meinung, dass der Anruf aus der Kasachischen Botschaft stammen würde. Erst als der Anrufer kirgisisch gesprochen hätte, hätte er bemerkt, dass es sich beim Anrufer um einen Kirgisen handeln würde. Dieser Anrufer hätte mit ihm politische Fragen klären wollen, da der kasachische Botschafter wegen des Beschwerdeführers die Kirgisische Botschaft angerufen hätte. Der Beschwerdeführer hätte das Treffen aus Angst verweigert, woraufhin der Anrufer gedroht hätte, dass "er Schutz brauchen würde". Er hätte ihn beschimpft und gefragt, ob er sich vorstellen könne, was Kasachstan mit ihm machen würde. Der Beschwerdeführer hätte das Telefonat beendet, hätte am nächsten Tag die Telefonnummer gewechselt und sei umgezogen. Der Beschwerdeführer legte im Zusammenhang damit ein Schreiben der Republikanischen Partei der im Exil befindlichen Turkmenen vor. Bei dem Autor handelt es sich um einen Zeugen . Weiters legte er ein Schreiben vom L. M. vor, welcher bestätigt, dass der Beschwerdeführer zur Verteilung des Info-Materials eingeladen wurde.

 

Bereits im Jahr 2004 hätte der Beschwerdeführer in Österreich an einer Demonstration zum Jahrestag der Ereignisse in A. (damals seien regierungsfeindliche Demonstranten erschossen und gefoltert worden) teilgenommen. Ein zweites Mal hätte er an einer Kundgebung zur Unterstützung des kirgisischen Volkes teilgenommen. Eine weitere Kontaktaufnahme durch die Kirgisische Botschaft sei nicht erfolgt, aber der Beschwerdeführer hätte von einem in Österreich studierenden Kasachen erfahren, dass man nach ihm suchen würde. In Kasachstan würde es eine Nachfolgeorganisation des KGB geben, die jederzeit in Europa befindliche Flüchtlinge zurück nach Asien bringen könne. Seiner Ansicht nach ginge die Bedrohung gegen ihn sowohl von Kasachstan als auch von Kirgisistan aus. Sein Bruder sei bereits mehrmals vorgeladen worden, Grund dafür sei sein Verteilen der Broschüre gewesen sein. Man hätte von seinem Bruder den Grund für das Verteilen erfahren wollen. Sein Bruder hätte darauf verwiesen, dass es eine Angelegenheit des Beschwerdeführers sei, sei eingeschüchtert worden, körperliche Misshandlungen hätten jedoch nicht statt gefunden. Es würde nunmehr ein zweites Strafverfahren in Kirgisistan wegen der Verteilung der Flugblätter laufen. Ob auch in Kasachstan ein Strafverfahren anhängig sei, wüsste er nicht, da er keine Kontakte nach Kasachstan haben würde.

 

Derzeit sei er in Österreich als Sportler tätig und hätte ein Jahr trainiert. Er hätte in Österreich Sport studieren und eine Trainerausbildung machen wollen, in Österreich sei jedoch der Sport nicht populär. Jetzt würde er nicht professionell trainieren. Er hätte einen Deutschkurs besucht und eine Zulassung zum BWL-Studium, das er sich jedoch auf Grund der Studiengebühren nicht mehr leisten hätte können.

 

In einer schriftlichen Stellungnahme vom 28.8.2008 führte der Beschwerdeführer unter Bezugnahme auf die in der Verhandlung als Erkenntnisquelle übergebenen Unterlagen unter anderem aus, dass Schikanen und Repressionen der kirgisischen Sicherheitsbehörden gegenüber Mitgliedern des KCHR bekannt seien. Darüber hinaus bestünde zwischen Kasachstan und Kirgisistan wegen ihrer engen ethnischen sowie kulturellen Verbindungen eine besondere Nahebeziehung. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr Verfolgung und Repressionen ausgesetzt werden würde und somit einer Verfolgung im Sinne der GFK vorliegen würde.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens steht nachstehender entscheidungswesentliche Sachverhalt als erwiesen fest:

 

1. Zur Person:

 

Die beschwerdeführende Partei führt den im Spruch genannten Namen, ist kirgisischer Staatsangehöriger, gehört der kirgisischen Volksgruppe an, ist muslimischen Bekenntnissen, war zum Schluss wohnhaft in B., reiste am 04.06.2003 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Asylantrag.

 

Der Beschwerdeführer war Zeuge eines von einem Polizisten verübten Mordes an einem bekannten Sportler, einem Freund des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer wurde von einem zum Mörder gehörenden Mann dabei gesehen. In weiterer Folge wurde der Beschwerdeführer bei seiner Mutter, seinen Nachbarn und seinen Freunden von der Polizei gesucht. Offizieller Grund war zu diesem Zeitpunkt noch eine von der Polizei von ihm geforderte, den Mord an seinem Freund betreffende Zeugeneinvernahme. Der Beschwerdeführer, der den Mörder als Polizisten erkannte, floh in weiterer Folge zu seinem Onkel nach I., wo er nach einigen Monaten, konkret im Mai 2003, wieder von der Polizei gesucht wurde. Aus diesem Grund reiste er aus dem Staatsgebiet der Republik Kirgisistan auf Anraten seines Bruders in Richtung Österreich aus. Nunmehr wird der Beschwerdeführer nicht mehr als Zeuge, sondern als Mörder des getöteten Sportlers gesucht. Auch ein Trainer des Beschwerdeführers wurde bereits ermordet.

 

Der Beschwerdeführer ist Mitglied des "Kirgisischen Komitees für Menschenrechte (KCHR)". Er nahm bereits im Jahr 2004 an einer Demonstration wegen des Jahrestages einer regierungsfeindlichen Demonstration während er es zur Tötung und Misshandlung von Teilnehmern in Kirgisistan kam, teil.

 

Ein zweites Mal nahm er an einer Kundgebung zur Unterstützung des kirgisischen Volkes teil.

 

Im Jahr 2006 verteilte er anlässlich einer OSZE - Konferenz auf Ersuchen des "Demokratischen Kongressen Zentralasiens" als dessen Vertreter gegen die Regierung der Republik Kasachstans gerichtete Broschüren. Das KCHR arbeitet mit dem "Demokratischen Kongress Zentralasiens" zusammen. Er wurde dabei von Botschaftern der Republik Kasachstan beschimpft und vom Berater des kasachischen Botschafters D. damit bedroht, dass man ihn in Österreich finden würde und dass er den Flüchtlingsstatus nicht erhalten und aus Österreich ausgewiesen werden würde. In den folgenden Tagen wurde er immer wieder von der kasachischen Botschaft aus angerufen und per Telefon damit bedroht, dass sich die Botschaft mit dem österreichischen Innenministerium in Verbindung setzen würde, damit der Beschwerdeführer abgeschoben werden würde. Ein anderes Mal wurde er von einem Mitarbeiter der kirgisischen Botschaft angerufen, der sich mit ihm zur Klärung politischer Fragen treffen hätte wollen, da der kasachische Botschafter den kirgisischen Botschafter von der vom Beschwerdeführer im Jahr 2006 verursachten politischen Eskalation in Kenntnis gesetzt hatte. Der Beschwerdeführer verweigerte die Kontaktaufnahme und wurde damit bedroht, ob "er sich vorstellen könne, was man in Kasachstan mit ihm machen würde". Er wechselte die Telefonnummer und seinen Wohnort. Der Beschwerdeführer hat selbst in Österreich Angst vor Übergriffen.

 

Sein Bruder wurde in Kirgisistan mehrmals vorgeladen und über ihn und das Verteilen der Broschüre befragt und wurde dabei auch eingeschüchtert. Gegen den Beschwerdeführer läuft derzeit auch ein Strafverfahren in Kirgisistan wegen des Vorfalles in Kirgisistan.

 

Die Gefahr gegen den Beschwerdeführer geht sowohl von Kasachstan als auch von Kirgisistan aus. Zwischen Kasachstan und Kirgisistan bestehen ausgezeichnete diplomatische Verbindungen.

 

2. Zur Lage in Kirgisistan wird Folgendes festgestellt:

 

Der Präsident, Kurmanbek Bakijew, wurde direkt für einen Zeitraum von fünf Jahren gewählt. Er ernennt den Premierminister, der vom Parlament gebilligt werden muss.

 

Das Parlament, Jogorku Kenesh, hat seit 2003 eine Kammer und 75 Mitglieder, die direkt in Einmandat-Wahlkreisen für einen Zeitraum von fünf Jahren gewählt wurden. Da viele Bürger und auch politische Führungspersönlichkeiten, wie Rosa Otunbajewa, weiterhin davon überzeugt sind, dass die derzeitigen Mitglieder kein echtes Mandat zur Vertretung des Volkes haben, ist die Position des Parlaments geschwächt. Weit verbreitet ist auch die Ansicht, die Abgeordneten seien stark darauf bedacht, persönliche und Interessen des "Clans" zu fördern, statt im nationalen Interesse zu handeln. Derzeitiger Parlamentspräsident ist Marat Sultanow.

 

Im Frühjahr 2006 gründete die Opposition die gemeinsame Plattform Za Reformy ("Für Reformen") und veranstaltete große Demonstrationen. Nach anderthalb Jahren politischer und verfahrensrechtlicher Streitigkeiten kam es im November 2006 zu einem Machtkampf zwischen Exekutive und Parlament. Die regierungsfeindlichen Demonstrationen im Zentrum der Hauptstadt Bischkek nahmen zu und wurden mit der Veranstaltung regierungsfreundlicher Demonstrationen beantwortet. Tausende Angehörige der Truppen des Innenministeriums und der Bereitschaftspolizei wurden mobilisiert, um das Weiße Haus zu schützen und eine Wiederholung der "Tulpenrevolution" zu verhindern.

 

Während die Demonstrationen andauerten, zeigte sich einige Tage später, dass das Parlament weder in der Lage war, einen von Präsident Bakijew eingebrachten Verfassungsentwurf zu erörtern noch einen konkurrierenden Verfassungsentwurf anzunehmen. Die Spannungen auf der Straße eskalierten, die Bereitschaftspolizei löste die Menge mit Schockgranaten und Tränengas auf. Angesichts der Gefahr eines Abdriftens in unkontrollierbare Gewalt und Chaos einigten sich Präsident Bakijew und seine Kontrahenten rasch auf eine neue Verfassung und Präsident Bakijew nutzte diese Gelegenheit, um einige der früheren Befugnisse des Präsidenten wieder einzusetzen, die dem Parlament überlassen worden waren.

 

Aus nicht ganz erkennbaren Gründen gab Premierminister Kulow seinen Rücktritt bekannt, offenbar entsprechend einer Abmachung mit Präsident Bakijew, deren Ziel darin bestand, die Zustimmung des Parlaments zu den Änderungen an der Verfassung zu vereinfachen. Die Änderungen wurden angenommen, und Präsident Bakijew unterzeichnete im Januar 2007 die neue Verfassung.

 

Das Parlament lehnte danach zweimal die vom Präsidenten vorgeschlagene Ernennung von Kulow zum Premierminister ab. Den späteren Aussagen Kulows zufolge hatte Bakijew versprochen, ihn auch ein drittes Mal zu nominieren, wodurch das Parlament gezwungen gewesen wäre, entweder zuzustimmen oder sich aufzulösen. Bakijew entschied sich jedoch, einen unauffälligen, loyalen Gefolgsmann namens Azim Isabekow zu nominieren, der gebilligt wurde, jedoch bereits zwei Monate später zurücktrat. Danach wurde der gemäßigte Oppositionspolitiker Almazbek Atambajew Premierminister.

 

Kulow steht heute an der Spitze der Partei Ar-Namys ("Würde"). Im Februar 2007 gab er die Gründung einer neuen Oppositionsbewegung, "Vereinte Front für eine würdige Zukunft Kirgisistans", bekannt. Diese Bewegung drängt auf den sofortigen Rücktritt von Präsident Bakijew und hat die Opposition gespalten. Mitte April 2007 kam es wieder zu regierungsfeindlichen Protesten in Bischkek. Die Opposition forderte erneut Änderungen der Verfassung, um die Befugnisse des Präsidenten einzuschränken. Nachdem es bei den Protesten zu Gewalttätigkeiten gekommen war, griffen die Sicherheitskräfte ein und räumten den Ala-Too-Platz in der Nähe des Weißen Hauses, der als Ausgangspunkt für die Demonstrationen gedient hatte. Später folgten Razzien in einer Druckerei, die mit Unterstützung der USA eingerichtet worden war, und in der Dokumente der Opposition konfisziert wurden, sowie Durchsuchungen im Hauptquartier der Vereinten Front Kulows.

 

Die Judikative gilt in weiten Kreisen der Öffentlichkeit als äußerst korrupt und weit davon entfernt, unabhängig zu sein. Vorwürfe, die Judikative habe ebenso wie die politische Elite enge Beziehungen zum organisierten Verbrechen, werden im Land immer wieder laut, Experten stimmen dem zumindest teilweise zu. Es herrscht allgemein Übereinstimmung darüber, dass seit der Revolution das organisierte Verbrechen durch die Spaltungen und Schwächen begünstigt wurde, die heute kennzeichnend für die Staatsbehörden sind. Eine Reihe von Morden steht in Zusammenhang mit dieser Entwicklung. Mehrere Abgeordnete wurden erschossen, was das Parlament dazu veranlasste, Rechtsvorschriften zu erlassen, um seinen Mitgliedern das Tragen von Waffen zu gestatten.

 

Die weit verbreitete Desillusionierung scheint auch das Interesse am radikalen Islamismus zu erhöhen, der sich selbst als Alternative zu Korruption, Kriminalisierung und fehlender Ordnung darstellt.

 

Die Lage der Menschenrechte ist in vieler Hinsicht besorgniserregend, zu den größten Problemen gehören politisch motivierte Morde, Folter, sehr schlechte Bedingungen in den Gefängnissen und Gewalt gegen Frauen. Die Durchsetzung der Menschenrechte wird auch durch mangelnde rechtsstaatliche Tradition und eine fehlende unabhängige Justiz erschwert. Es gibt weder eine rechtstaatliche Tradition noch eine unabhängige Justiz. In der Praxis ist die Folter nicht abgeschafft. Die Zustände auf Polizeistationen, in der Untersuchungshaft und in Gefängnissen sind in vielen Fällen menschenwidrig.

 

Das "Kirgisische Komitee für Menschenrechte" (KCHR) gehört zu den - auch international - bekannteren Nichtregierungsorganisationen in Kirgisistan. Es existieren Berichte über Schikanen und Repressionen der kirgisischen Sicherheitsbehörden gegenüber Mitgliedern des KCHR. Dabei handelt es sich um vorläufige Festnahmen, Verurteilungen zu Geldstrafen wegen Teilnahme an "illegalen Demonstrationen", Vorladungen zur Polizei und dgl. In einem Fall wurde über einen Überfall durch angebliche "Hooligans" mit Körperverletzung und Zerstörung der Büroeinrichtung berichtet.

 

Beweis wurde erhoben durch die Einvernahme des Beschwerdeführers durch die Behörde erster Instanz am 11.7.2003, sowie durch die Befragung des Beschwerdeführers im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung des Asylgerichtshofes vom 21.8.2008, weiters durch Einsicht in den amnesty international Jahresbericht 2007, Anfragebeantwortungen des deutschen Auswärtigen Amtes vom 16.10.2003, Ländervorhalt und Mitteilung über die kirgisische Republik des EU-Parlaments vom 09.05.2007.

 

III. Beweiswürdigung:

 

Der Beschwerdeführer erweckt in der mündlichen Berufungsverhandlung einen persönlich glaubhaften Eindruck. Die zentralen fluchtauslösenden Ereignisse - insbesondere den Vorfall im 2006 und die daraus resultierenden für den Beschwerdeführer entstandenen Folgen - vermochte der Beschwerdeführer in der Verhandlung vor dem Asylgerichtshof detailreich, engagiert und anschaulich zu schildern. Er antwortete auf die ihm gestellten Fragen gewissenhaft und detailreich und überzeugend, sodass in einer Zusammenschau sämtlicher Angaben ein detailreiches nachvollziehbares und geschlossenes Bild der fluchtauslösenden Vorfälle entstand. Ungereimtheiten in den Angaben konnten während der Beschwerdeverhandlung nicht festgestellt werden. Auch konnte er Unterlagen (Zeitungsausschnitte, Auszüge von Internetzeitungen, ...) zur Untermauerung seiner Behauptungen vorlegen.

 

Zur Beweiswürdigung des Bundesasylamtes ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer sein Vorbringen in der Verhandlung vor dem Asylgericht glaubhaft konkretisierte und darüber hinaus einen Nachfluchtgrund geltend gemacht hat. Das Vorbringen des Beschwerdeführers - vor allem die Schilderungen den KCHR sowie das "Demokratische Komitee Zentralasiens" betreffend, deren grundsätzliche Tätigkeit als NRO und die vom Beschwerdeführer gesetzten konkreten Handlungen und deren Folgen - erscheint keineswegs im Zusammenhang mit den allgemeinen Verhältnissen in Kasachstan und Kirgisistan unvereinbar. Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Gründe sind somit als wahrscheinlich anzusehen.

 

Die Feststellungen zur Lage in Kirgisistan ergeben sich aus den zuvor zitierten Unterlagen. Da die Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Situationsdarstellungen zu zweifeln. Auch seitens der Parteien wurden hinsichtlich der herangezogenen Quellen keine Einwände erhoben.

 

IV. Rechtliche Beurteilung:

 

Gemäß § 61 AsylG entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes, soweit nicht etwas anders in § 61 Abs 3 AsylG vorgesehen ist.

 

Gemäß § 75 Abs. 7 Z 2 AsylG sind beim Unabhängigen Bundesasylsenat am 01.07.2008 anhängige Verfahren in denen bis zu diesem Zeitpunkt keine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, vom dem nach der Geschäftsverteilung zuständigen Senat des Asylgerichtshof weiterzuführen.

 

Gemäß § 75 AsylG 2005 BGBl. I Nr. 100/2005 sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetztes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt.

 

Gemäß § 44 Abs. 1 AsylG 1997 werden Verfahren zur Entscheidung über Asylanträge und Asylerstreckungsanträge, die bis zum 30. April 2004 gestellt wurden, nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 126/2002 geführt.

 

Da gegenständlicher Asylantrag am 4.6.2003 gestellt wurde, war er nach der Rechtslage des AsylG 1997 idF 126/2002 unter Beachtung der Übergangsbestimmungen, woraus sich die gegenständliche Zuständigkeit ergibt, zu beurteilen.

 

Gemäß § 7 AsylG 1997 i.d.g.F hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Artikel 1, Abschnitt A, Ziffer 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht, und keiner der in Artikel 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Flüchtling im Sinne des AsylG 1997 ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde.

 

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht. Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen muss. Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet. Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine so genannte inländische Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt. Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein.

 

Die beschwerdeführende Partei machte ihre Fluchtgründe glaubhaft, indem sie vorbrachte, an zwei regierungskritischen Demonstrationen teilgenommen hat, über welche in diversen Zeitungen (inklusive Fotos) berichtet wurde. Weiters war sie als Vertreter von NROs - konkret des "kirgisischen Komitees für Menschenrechte" und des "Demokratischen Komitees Zentralasiens" für eine Flugblattverteilungsaktion gegen den OSZE-Vorsitz Kasachstans - dies begründet auf Menschenrechtsverletzungen in Kasachstan - verantwortlich. Während dieser Aktion wurde der Beschwerdeführer bereits von Mitarbeitern der kasachischen Botschaft unter Druck gesetzt und in weiterer Folge von Mitarbeitern der kasachischen und auch kirgisischen Botschaften bedroht. Mit einer Verfolgung durch die kirgisischen Behörden ist aufgrund der Nahebeziehungen zwischen Kasachstan und Kirgisistan und der grenzüberschreitenden Tätigkeit des "Demokratischen Komitees Zentralasiens" jedenfalls zu rechnen. Ein Schutz des Beschwerdeführers durch den Polizeiapparat ist sowohl aus den oben angeführten politischen Gründen als auch aus dem Grund der ungerechtfertigten Fahndung wegen Mordes aufgrund eines von einem Polizisten verübten Mordes im gesamten Gebiet der Republik Kirgisistan nicht vorhanden. Eine inländische Fluchtalternative ist somit ausgeschlossen.

 

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass glaubhaft ist, dass der beschwerdeführenden Partei in der Republik Kirgisistan Verfolgung aus Gründen ihrer politischen Gesinnung droht und auch keiner der in Artikel 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Gemäß § 12 AsylG i.d.g.F. war die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass M. U. damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Demonstration, gesamte Staatsgebiet, Nachfluchtgründe, politische Gesinnung
Zuletzt aktualisiert am
31.12.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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