E8 401.074-1/2008-11E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Diehsbacher als Vorsitzenden und den Richter Dr. Bracher als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Fr. Schwarz über die Beschwerde der Z.F., geb. 00.00.1958, StA. Libanon, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 06.08.2008, FZ. 08 06.435-EAST Flughafen, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gem. § 33 Abs. 1 AsylG 2005 stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Verfahrensgang und Sachverhalt
1. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden kurz: "BF"), eine Staatsangehörige des Libanon und Angehörige der Volksgruppe der Araber, landete am 23.07.2008 gemeinsam mit ihrem volljährigen Sohn E.A. am Flughafen Wien Schwechat und stellte sodann im Sondertransitbereich des Flughafens einen Antrag auf internationalen Schutz.
Bei ihrer Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab sie als Fluchtgrund an, ihr mitgereister Sohn sei schwer krank; er habe einen künstlichen Darmausgang und brauche dringend medizinische Behandlung. Abgesehen davon sei auch die BF selbst krank, da sie Wasser im Kopf habe und die Ärzte ihr in ihrer Heimat nicht helfen könnten.
In weiterer Folge wurde die Einreise der BF in das Bundesgebiet nicht gestattet und wurde ihre Vorführung gem. § 31 Abs. 1 AsylG zur EAST Flughafen veranlasst. In der Zwischenzeit wurde der Sohn der BF in das Landesklinikum Thermenregion eingeliefert und wurde sein Verfahren zugelassen.
2. Am 31.07.2008 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme der BF vor der EAST Flughafen, bei der ein Rechtsberater anwesend war. Dabei gab die BF auf das Wesentlichste zusammengefasst an, ihr Sohn habe im Flüchtlingslager N. als Hilfsarbeiter gearbeitet und habe die BF unterstützt, da ihr Mann seit dem "Juli-Krieg" vermisst sei. Ihr Sohn sei einmal in der Woche zu ihr nach Hause gekommen. Als ihr Sohn jedoch 2 Monate lang nicht bei ihr erschien, habe sie versucht, etwas über seinen Verbleib zu erfahren und habe sich in das Lager N. begeben. Im Lager habe sie ihren Sohn sodann auch gefunden; er sei am Bauch operiert worden und habe sich in einem schlechten gesundheitlichen Zustand befunden. Sie habe sodann ihren Sohn aus dem Lager mitgenommen, da die Ärzte keine Verbesserung seines Zustandes hätten herbeiführen können. Aus dem Libanon geflohen sei sie schließlich einerseits wegen des schlechten Gesundheitszustandes ihres Sohnes; andererseits fürchte sie Verfolgung durch die Behörden im Libanon, da ihr Name beim Betreten des genannten Flüchtlingslagers registriert worden sei. Die Behörden würden die BF nun verdächtigen, Informationen aus dem Lager transportiert zu haben und hätten die Behörden auch bereits bei ihren Töchtern telefonisch nach ihr sowie nach ihrem Sohn gefragt. Die Töchter der BF hätten ihr gesagt, dass man die BF sowie ihren Sohn aufhängen würde, sollten sie zurückkehren. Auf den Vorhalt, warum die BF nicht bereits bei ihrer Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes von den Problemen mit den Behörden ihres Heimatstaates berichtete, gab die BF an, sie hätte Angst gehabt und geglaubt, man würde sie ins Gefängnis bringen; sie habe gedacht, die Polizei in Österreich wäre so wie die Polizei im Libanon, wo es seitens der Polizei Misshandlungen und Schläge gäbe. Abgesehen von diesen Fluchtgründen habe sie selbst auch gesundheitliche Probleme, da sie insbesondere "Wasser im Kopf" habe.
3. Am 06.08.2008 langte die Zustimmung seitens des UNHCR-Büros Österreich zur Abweisung des Antrages der BF im Rahmen des Flughafenverfahrens gem. § 33 Abs 2 AsylG ein.
4. Mit Bescheid vom 06.08.2008, Zahl: 08 06.435-EAST Flughafen, wies das Bundesasylamt den Antrag auf internationalen Schutz der BF bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gem. § 33 Abs. 1 Z 2 iVm § 3 Abs. 1 iVm § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.); gem. § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 wurde der Antrag der BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Republik Libanon abgewiesen (Spruchpunkt II).
Im Rahmen der Beweiswürdigung führe das Bundesasylamt im Wesentlichen aus, unbestritten sei lediglich die schwere Erkrankung des Sohnes der BF sowie der Umstand, dass die BF mit ihrem Sohn, um diesem eine optimale Behandlung zu ermöglichen, nach Österreich ausreiste, wobei auch verständlich sei, dass die BF den Wunsch hätte, sich auch weiterhin um ihren kranken Sohn kümmern zu können. Sämtliche darüber hinausgehende Ausführungen der BF - insbesondere was das Lager N. anbelangt - seien jedoch "absolut unglaubwürdig". Dieses Ergebnis stützte das Bundesasylamt darauf, dass die BF sich in zahlreiche - näher dargelegte - Widersprüchlichkeiten verwickelt habe und insbesondere auch Widersprüche zu den Aussagen ihres Sohnes bestünden. Vor allem sei auch ein wichtiges Indiz für die Unglaubwürdigkeit der BF, dass diese bei ihrer Erstbefragung durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes (genauso wie ihr Sohn) lediglich die gesundheitlichen Probleme als Ausreisegrund anführte und sodann erst bei der Einvernahme vor der EAST Flughafen weitere Fluchtgründe vorbrachte.
Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte das Bundesasylamt aus, dass im vorliegenden Fall davon ausgegangen werden müsse, dass das gesamte Vorbringen der BF zu ihrer Bedrohungssituation im Libanon seitens der libanesischen Sicherheitskräfte im Sinne des § 33 Abs. 1 Z 2 AsylG offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht. Die Unglaubwürdigkeit habe eine derartige Qualität erreicht, dass vernünftiger Weise nicht mehr davon ausgegangen werden könne, dass die behauptete Bedrohungssituation auch real existiere; es bestünden überdies nicht die geringsten Hinweise dafür, dass das Vorbringen der BF zu ihrer Bedrohungssituation der Wahrheit entsprechen könnte.
Im Rahmen der Refoulement-Entscheidung führte das Bundesasylamt aus, es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass im Libanon gegenwärtig eine derart extreme Gefahrenlage herrsche, durch die praktisch jeder im Fall einer Rückkehr der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre. Weiters habe sich auch im Hinblick auf die getroffenen Feststellungen zu den medizinischen Versorgungsmöglichkeiten im Libanon, zur Krankengeschichte der BF sowie zu ihrer Einbettung in die Unterstützung seitens ihrer im Libanon lebenden Verwandten keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK für den Fall der Abschiebung der BF in den Libanon gezeigt.
4. Gegen diesen Bescheid erhob die BF mit Schriftsatz vom 13.08.2008 fristgerecht Beschwerde, der auch ein von der BF handschriftlich verfasstes Schreiben beigelegt war, welches vom Bundesasylamt einer Übersetzung zugeführt wurde. In ihrer Beschwerde führt die BF insbesondere aus, in ihrem Fall mangle es an einer "qualifizierten Unglaubwürdigkeit", welche jedoch notwendig für die rechtmäßige Durchführung eines Flughafenverfahrens sei. Weiters wiederholt die BF, dass sie von der libanesischen Armee gesucht werde, sie präzisiert dies jedoch erstmals in der Berufung dahingehend, dass sie der Spionage zugunsten der Gruppe "Fatah al-Islam" beschuldigt werde. Erstmals führt sie auch aus, dass sie aus einer sunnitischen Familie stamme, wobei die Umgebung ihres Wohnortes mehrheitlich von Schiiten bewohnt sei, was dazu führe, dass sie und ihr kranker Sohn täglichen Belästigungen wie Beschimpfungen und Beleidigungen ausgesetzt worden sei. Was die vom Bundesasylamt im bekämpften Bescheid aufgezeigten Widersprüchlichkeiten zwischen den Angaben der BF sowie ihrem Sohn anbelangt, so führt die BF in ihrer Beschwerde aus, dass ihr Sohn A. wegen seiner schweren Krankheit "kein normaler Mensch" sei und "psychische Komplexe" habe und er nicht wisse, was er sagt. Auch die BF selbst leide an einem Problem mit ihrem Gehirn, da sich Wasser in ihrem Kopf befinde, was sich insbesondere negativ beim Reden auswirke. Im Übrigen wiederholte die BF weitgehend ihr bereits vor dem Bundesasylamt erstattetes Vorbringen.
II. DER ASYLGERICHTSHOF HAT ERWOGEN:
1. Gem. § 23 des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof, BGBl. I Nr. 4/2008 (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG) idgF sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr.51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt, weshalb im gegenständlichen Fall grundsätzlich das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) zur Anwendung gelangt.
Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die erkennende Behörde, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, im Spruch und in der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.
Gem. § 41 Abs 5 AsylG hat der Asylgerichtshof in Verfahren gegen eine Entscheidung im Flughafenverfahren eine inhaltliche Entscheidung zu treffen, wenn der Sachverhalt hinreichend festgestellt wurde.
Damit ist der Asylgerichtshof laut den erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage jedenfalls gehalten, die Frage des Vorliegens einer der Tatbestände im Flughafenverfahren (§ 33 Abs. 1 Z 1 bis 4) unabhängig von jenem Tatbestand, auf welchen sich das Bundesasylamt in seiner Entscheidung gestützt hat, zu prüfen. Dem Asylgerichtshof ist es jedoch verwehrt, die erstinstanzliche Entscheidung dahingehend abzuändern, dass der Antrag auf internationalen Schutz gem. §§ 3, 8 AsylG 2005 abgewiesen wird (so Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 2005, 489).
2. Gemäß § 33 Abs. 1 AsylG ist in der Erstaufnahmestelle am Flughafen die Abweisung eines Antrages nur zulässig, wenn sich kein begründeter Hinweis findet, dass dem Asylwerber der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen wäre und der Asylwerber die Asylbehörde über seine wahre Identität, seine Staatsangehörigkeit oder die Echtheit seiner Dokumente trotz Belehrung über die Folgen zu täuschen versucht hat (Z 1); das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht (Z 2); der Asylwerber keine Verfolgung im Herkunftsstaat geltend gemacht hat (Z 3) oder der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 39) stammt (Z 4).
§ 33 Abs. 1 Z 2 AsylG ist § 6 Z 3 AsylG 1997 idF vor der AsylGNov. 2003 und § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 1997 idF der AsylGNov. 2003 nachgebildet; die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu diesen Bestimmungen lässt sich daher heranziehen. Nach der Rechtsprechung (zu § 6 Z 3 AsylG 1997 idF vor der AsylGNov. 2003) ist die "schlichte" Unglaubwürdigkeit kein entscheidungswesentliches Begründungselement (VwGH 7.9.2000, 99/01/0273; 22.5.2001, 2000/01/0294; 7.6.2001, 99/20/0429; 19.7.2001, 99/20/0385; 21.8.2001, 2000/01/0214; 31.5.2001, 2000/20/0496; 31.1.2002, 2001/20/0381; 11.6.2002, 2001/01/0266). Kommt die Asylbehörde auf dem Boden ihrer Beweiswürdigung zu dem Ergebnis, dass das Vorbringen eines Asylwerbers als unglaubwürdig zu werten ist, so ist damit noch nichts darüber ausgesagt, ob es ein solches Maß an Unglaubwürdigkeit erreicht, dass der Tatbestand des § 6 Z 3 AsylG 1997 erfüllt ist. Dies kann nur dann angenommen werden, wenn Umstände vorliegen, die besonders deutlich die Unrichtigkeit der Angaben vor Augen führen. Es muss unmittelbar einsichtig ("eindeutig", "offensichtlich") sein, dass die abgegebene Schilderung tatsächlich wahrheitswidrig ist. Dieses Urteil muss sich quasi "aufdrängen", die dazu führenden Gesichtspunkte müssen klar auf der Hand liegen, sei es allenfalls auch deshalb, weil nach einem Ermittlungsverfahren "Hilfstatsachen" substantiell unbestritten bleiben. Im Ergebnis setzt die erforderliche "qualifizierte Unglaubwürdigkeit" voraus, dass es weder weitwendiger Überlegungen noch einer langen Argumentationskette bedarf, um zu erkennen, dass das Vorbringen eines Asylwerbers nicht den Tatsachen entspricht (VwGH 21.8.2001, 2000/01/0214; ähnlich VwGH 31.1.2002, 2001/20/0381; 16.4.2002, 2000/20/0131; 11.6.2002, 2001/01/0266; 15.5.2003, 2002/01/0086; 29.1.2004, 2000/20/0325). Nur dann, wenn es "unmittelbar einsichtig" ist und sich das Urteil quasi "aufdrängt", die Schilderungen des Asylwerbers, die für die Beurteilung seines Asylansuchens maßgeblich sind, seien tatsächlich wahrheitswidrig, erreicht das Vorbringen ein solches Maß an Unglaubwürdigkeit, dass der Tatbestand des § 6 Z 3 AsylG 1997 erfüllt ist (VwGH 27.9.2001, 2001/20/0393; 12.3.2002, 2001/01/0122). Bei der Anwendung des § 6 AsylG 1997 kann es typischerweise nur um die Klarstellung einfacher Fragen, aber nicht um diffizile Beweiswürdigungsprobleme gehen (VwGH 19.12.2001, 2001/20/0442). Erfordert es die Klärung des Sachverhaltes, ein Sachverständigengutachten einzuholen, dann liegen die Umstände, die zu einer "offensichtlichen" Unbegründetheit des Asylantrages führen, nicht so klar auf der Hand, dass sich das Urteil, der Asylantrag entbehre "eindeutig" jeder Grundlage, quasi "aufdrängt" (VwGH 27.9.2001, 2001/20/0393). Es ist nicht Aufgabe der Berufungsbehörde, den asylrelevanten Sachverhalt im Berufungsverfahren erschöpfend zu klären; sie ist daher zu weiterführenden Ermittlungen nicht verpflichtet (VwGH 26.7.2001, 99/20/0611; 27.9.2001, 2001/20/0393). Dies ergibt sich nunmehr zusätzlich aus § 41 Abs. 5 AsylG; danach hat der Asylgerichtshof in Verfahren gegen eine Entscheidung im Flughafenverfahren (wie zu ergänzen ist: nur dann), wenn der Sachverhalt hinreichend festgestellt wurde, eine inhaltliche Entscheidung zu treffen.
3. Im vorliegenden Fall hat das Bundesasylamt das Bestehen der Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 Z 2 AsylG auf Grund des Umstandes, dass die BF ihre (möglicherweise) asylrelevanten Fluchtgründen nicht bereits bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes vorbrachte sowie auf Grund zahlreicher, vom Bundesasylamt im Rahmen einer ausführlichen Beweiswürdigung aufgezeigten Widersprüche und Unplausibilitäten (insb. S. 41 bis 46 des bekämpften Bescheides), bejaht. Dennoch kann nach Ansicht des Asylgerichtshofes aus folgenden Gründen nicht davon ausgegangen werden, dass das Vorbringen der BF zur ihrer Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen im Sinne des § 33 Abs. 1 Z 2 AsylG entspricht:
3.1. Was die Wichtigste und ohne jede weitere Beweiswürdigung feststellbare Tatsache anbelangt, nämlich dass die BF den (möglicherweise) asylrelevanten Teil ihres Fluchtvorbringens nicht bereits bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes vorbrachte, so ist dem Bundesasylamt zunächst darin beizupflichten, dass es sich dabei um ein deutliches Indiz gegen die Glaubwürdigkeit der BF handelt. Andererseits darf aber auch nicht übersehen werden, dass die BF bei ihrer Einvernahme vor dem Bundesasylamt (sowie in ihrer Berufungsschrift) mehrfach versuchte, eine Erklärung für diesen Umstand abzugeben: So habe sie in Anbetracht der Waffen tragenden Polizisten Angst gehabt und geglaubt, man würde sie ins Gefängnis bringen (Einvernahmeprotokoll vom 31.07.2008, Seite 17). Legt man diese Sachlage nun der Judikatur des VwGH zu Grunde, so erhellt, dass hier noch keine "offensichtliche Unbegründetheit" vorliegt. So vermochte der VwGH etwa in seinem Erkenntnis vom 21.08.2001, Zl. 2000/01/0214, in dem Umstand, dass der Asylwerber seinen zunächst unter falscher Identität gestellten Asylantrag explizit mangels Verfolgungsgefahr zurückzog und sodann erst 2 1/2 Jahre später wiederum einen Asylantrag stellte, wobei er sich damit rechtfertigte, dass ihm ursprünglich libanesische Freunde geraten hätten, er solle den Antrag besser zurückziehen bzw. habe er den ersten Asylantrag aus Angst vor Inhaftierung in Österreich zurückgezogen, keinen ausreichenden Anhaltspunkt dafür zu erkennen, dass das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation im Sinne des § 6 Z 3 AsylG 1997 offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht. Umso mehr müssen diese Überlegungen auch dann greifen, wenn - wie im gegenständlichen Verfahren - die BF geltend macht, aus Angst vor der Polizei bei ihrer Erstbefragung nicht sämtliche Fluchtgründe geschildert zu haben. Diesfalls könnte entsprechend der Judikatur des VwGH lediglich eine "schlichte" Unglaubwürdigkeit bestehen. Auch ändern daran die vom Bundesasylamt aufgezeigten Divergenzen nichts, wonach sich ein Bruder der BF beim Bundesasylamt meldete und vorbrachte, die BF habe aus Angst vor der Polizei nicht sämtliche Fluchtgründe geschildert, während die BF an einer Stelle ihrer Einvernahme vor dem Bundesasylamt angab, sie hätte ihrem Bruder zuvor nichts von diesen Umständen erzählt, während sie in weiterer Folge angab, sie habe mit ihrem Bruder jedenfalls gesprochen. In diesem Fall handelt es sich nämlich um eine detaillierte Beweiswürdigung, die - wie sogleich im Anschluss unter 3.2. aufgezeigt wird - nicht dazu führen kann, dass das Vorbringen "offensichtlich" nicht den Tatsachen entspricht.
3.2. Was die äußerst ausführliche und detaillierte Beweiswürdigung durch das Bundesasylamt anbelangt, so ist zunächst anzuführen, dass eine "qualifizierte Unglaubwürdigkeit" nur dann bejaht werden kann, wenn es weder weitwendiger Überlegungen noch einer langen Argumentationskette bedarf, um zu erkennen, dass das Vorbringen eines Asylwerbers nicht den Tatsachen entspricht; in dieser Hinsicht kann es bei der Entscheidung über die Asylgewährung typischerweise nur um die Klarstellung einfacher Fragen, nicht aber um diffizile Beweiswürdigungsprobleme gehen (VwGH 21.08.2008, Zl. 2000/01/0214). Der Asylgerichtshof verkennt freilich nicht, dass dessen ungeachtet dem Bundesasylamt eine ausführliche und sorgfältige Beweiswürdigung - wie sie im gegenständlichen Fall vorgenommen wurde - nicht zum Nachteil gereichen darf, wenn es um die Beurteilung der qualifizierten Unglaubwürdigkeit geht. So hält auch der VwGH fest, dass "die Länge der Ausführungen, die die belangte Behörde diesem Thema gewidmet hat, für sich allein noch nicht zwingend bedeutet, dass sich die Beweiswürdigung im Sinne des erwähnten Vorerkenntnisses vom 21. August 2001 auf "weitwendige Überlegungen" oder eine "lange Argumentationskette" stützt und die Heranziehung des § 6 Z 3 AsylG schon deshalb nicht richtig ist" (VwGH vom 19.12.2001, Zl. 2001/20/0442). Dennoch liegt die Unglaubwürdigkeit des Vorbringens der BF nicht dermaßen klar auf der Hand, dass die Voraussetzungen des § 33 Abs 1 Z 2 AsylG erfüllt wären:
So hat das Bundesasylamt zwar treffend aufgezeigt, dass die BF bei ihrer Erstbefragung angab, ihr Sohn sei seit 9 Monaten krank, während sie in ihrer Einvernahme vom 31.07.2008 angab (S. 7 des Einvernahmeprotokolls), sie habe ihren Sohn vor ca. 10 Monaten in operiertem Zustand aufgefunden. Andererseits handelt es sich dabei aber nicht um einen derart gravierenden Widerspruch, welcher zwangsläufig auf ein offenkundiges Konstrukt schließen lässt.
Nicht zu beanstanden ist zunächst auch, dass es das Bundesasylamt für wenig plausibel erachtet, dass die beiden Schwager der BF - auf Rücksicht auf den Gesundheitszustand der BF - ihr von der Operation ihres Sohnes nichts erzählten; andererseits ist dieses Vorbringen aber nicht völlig abwegig. Wenn das Bundesasylamt in diesem Zusammenhang einen Widerspruch darin erblickt, dass die BF sodann angab, ihr Schwager habe ihr von der Operation erzählt, bevor sie in das Lager hineingegangen sei, so ist auch dies auf den ersten Blick zutreffend; es könnte jedoch eine Deutung, wonach die BF bislang tatsächlich nichts von der Erkrankung ihres Sohnes wusste und erst unmittelbar beim Eintritt in das Lager von ihrem Schwager informiert wurde, nicht ausgeschlossen werden.
Was weiters den vom Bundesasylamt aufgezeigten Umstand anbelangt, dass die BF zunächst angab, sie sei anlässlich der Suche nach ihrem Sohn "in Begleitung ihres Schwagers" gewesen (S. 8 des Einvernahmeprotokolls), während sie später sagte, ihr Schwager sei nicht in das Lager gegangen, sondern habe sie lediglich bis zum Tor begleitet (S. 14 des Einvernahmeprotokolls), so handelt es sich dabei in der Tat um einen Widerspruch, wobei diese Darstellung - wie vom Bundesasylamt treffend gewürdigt - auch nicht mit den Angaben des Sohnes der BF in Einklang zu bringen ist, wonach er (auch) von "Onkel A." besucht worden sei. Ähnliches gilt für die Aussagen der BF, wonach sie das Lager nur ein einziges Mal betreten habe, ihr Sohn jedoch Gegenteiliges andeutete, wobei hier ein Widerspruch allerdings nur dann erblickt werden könnte, wenn man den Satz "Dann hat mich nur mehr D. und meine Mutter besucht" implizit so deutet, dass damit jedenfalls mehrere Besuche (durch die BF) gemeint sind.
Letztlich hat das Bundesasylamt etwa zwar richtig aufgezeigt, dass die BF angab, ihr Sohn habe ca. 10 Monate vor den "Ereignissen" (gemeint: die Kämpfe zwischen Fatah al-Islam und der libanesischen Armee im Mai bis Juli 2007) im Lager zu arbeiten begonnen, während ihr Sohn selbst angab, er habe im Jahr 2007 (lediglich) für drei Monate als Bauhilfsarbeiter im Lager gearbeitet. Diesbezüglich ist aber anzumerken, dass die BF nur gefragt wurde, wann ihr Sohn zu arbeiten begonnen hat und dass (gemäß beiden Aussagen) nach Beginn der Tätigkeit des Sohnes der BF am Bau die Kriegshandlungen begannen und die Erkrankung ihres Sohnes auftrat - wobei es auf der Hand liegt, dass die Arbeiten damit beendet waren -, sodass zwischen den diesbezüglichen Aussagen kein (abgesehen von zeitlichen Unschärfen) eindeutiger Widerspruch festgestellt werden kann.
Diese angeführten Beispiele verdeutlichen nach Ansicht des Asylgerichtshofes jedenfalls, dass es im vorliegenden Verfahren einer eingehenden und detailreichen Beweiswürdigung bedurfte, um die Unglaubwürdigkeit des Vorbringens der BF festzustellen. Entsprechend der oben dargestellten Judikatur des VwGH darf es im Flughafenverfahren jedoch typischerweise nur um die Klarstellung einfacher Fragen - wenn auch im Rahmen einer sorgfältigen Beweiswürdigung -, nicht aber um diffizile Beweiswürdigungsprobleme gehen.
3.3. Schließlich ist auch auszuführen, dass in der Rechtsprechung des VwGH das Vorliegen der Voraussetzungen des (gleichlautenden) § 6 Z 3 AsylG zumeist dann bejaht wurde, wenn sog. "Hilfstatsachen" das Vorbringen eindeutig falsch erscheinen ließen. Darunter ist etwa zu verstehen, dass der Asylwerber eine von ihm nicht beherrschte Sprache als seine Stammessprache angibt oder dass es dem Asylwerber an elementaren geographischen Kenntnissen zu seiner Herkunftsregion mangelt (VwGH 06.03.2001, Zl. 2000/01/0232). Auch werden darunter klare Widersprüche in den Angaben des Asylwerbers zu einschlägigem Berichtsmaterial zu verstehen sein. Im vorliegenden Verfahren traten jedoch keinerlei "Hilfstatsachen" hervor, anhand derer das Vorbringen der BF klar widerlegt werden konnte (sondern zeigte sich die Unglaubwürdigkeit der BF erst anhand einer ausführlichen und detailreichen Beweiswürdigung durch das Bundesasylamt). Vielmehr ist der BF zuzugestehen, dass sie zumindest grundlegende Kenntnisse über das Lager N. und ebenso über die stattgefundenen Kämpfe zwischen Fatah al-Islam und der libanesischen Armee hat und stehen ihre diesbezüglichen Aussagen nicht im Widerspruch zum allgemeinen Berichtsmaterial. Im Übrigen hat das Bundesasylamt gar nicht den Versuch unternommen, anhand von "Hilfstatsachen" wie einzelfallbezogenen Berichten (etwa im Hinblick auf das Lager N., falls in derartigen Berichten zB. Aussagen über mögliche Registrierungen beim Eintritt getroffen werden oder - als rein fiktives Beispiel - falls darin etwa die Aussage getroffen würde, dass es dort gar kein Krankenhaus gäbe, in dem der Sohn der BF hätte operiert werden können) die offensichtliche Unglaubwürdigkeit der BF zu belegen.
An den eben dargestellten Erwägungen ändert auch der Umstand nichts, dass die Aussprache ihres Heimatortes durch die BF (eher geringfügig) von der von der BF angeführten Schreibweise abweicht. Auch das Bundesesaylamt führte diesbezüglich aus, dass zwar Zweifel angebracht seien, aber dennoch "keine gegenteiligen Feststellungen" (im Hinblick auf die Herkunft der BF aus dem Südlibanon) zu treffen seien.
3.4. Im Übrigen haben sich auch keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Durchführung des Flughafenverfahrens auf einen anderen Tatbestand des § 33 Abs 1 AsylG gestützt werden könnte, zumal die BF die Behörde weder über ihre Identität bzw. Staatsangehörigkeit bzw. Echtheit ihrer Dokumente zu täuschen versucht hat (Z 1), noch keine Verfolgung im Herkunftsstaat geltend gemacht hat (Z 3), noch aus einem sicheren Herkunftsstaat stammt (Z 4).
3.5. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das Vorbringen der BF allenfalls als "schlicht" unglaubwürdig qualifiziert werden könnte; eine offensichtliche Unglaubwürdigkeit iSd § 33 Abs 1 Z 2 kann jedoch in Anbetracht der (strengen) Judikatur des VwGH bei gegebener Aktenlage nicht angenommen werden, weshalb sich die Durchführung eines Flughafenverfahrens als unzulässig herausstellte und der bekämpfte Bescheid zu beheben war.
4. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gem. § 41 Abs 7 AsylG iVm § 67d AVG unterbleiben.