Index
41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde der V B (geborene I), (geb. 17.1.1974), in Wien, vertreten durch Dr. Helmut Denck, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Fütterergasse 1, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 2. November 1998, Zl. SD 714/98, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 2. November 1998 wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine jugoslawische Staatsangehörige, gemäß § 36 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 Z. 1 iVm § 48 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen. Die Beschwerdeführerin befinde sich nach der Aktenlage seit Juni 1991 auf Grund ihr erteilter Sichtvermerke und Aufenthaltsbewilligungen in Österreich. Seit 24. Jänner 1994 sei sie mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 19. April 1996 sei sie wegen der Verbrechen des teils vollendeten und teils versuchten gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach den §§ 146, 147 Abs. 1 Z. 1, Abs. 2, 148 zweiter Fall und § 15 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Die Beschwerdeführerin habe gestohlene Kreditkarten, die von einem Mittäter übergeben worden seien, zur Bezahlung von Waren in diversen Geschäften vorgelegt und die Unterschriften der tatsächlichen Kreditkarteninhaber gefälscht, um die Verkäufer in betrügerischer Absicht zur Herausgabe von Waren zu verhalten. Die solcherart erlangten Waren habe sie dem ebenfalls verurteilten Mittäter übergeben und dafür jeweils S 600,-- bis S 1.000,-- für jeden Tag, an dem sie die beschriebenen Taten begangen habe, erhalten. Der verursachte Schaden habe mehr als S 50.000,-- betragen. Mit Urteil des Bezirksgerichtes Josefstadt vom 22. Jänner 1998 sei die Beschwerdeführerin wegen des Vergehens der Untreue zu einer Geldstrafe rechtskräftig verurteilt worden. Dem sei der Sachverhalt zu Grunde gelegen, dass die Beschwerdeführerin die von ihr als Kellnerin eingenommene Tageslosung nicht an ihren Arbeitgeber abgeliefert hätte. Wie die Beschwerdeführerin richtig erkannt habe, stehe die Rechtskraft der angeführten Verurteilungen einer neuerlichen, anderslautenden Sachverhaltsbeurteilung durch die belangte Behörde entgegen. Die Unschuldsbeteuerungen der Beschwerdeführerin hätten daher nicht zum gewünschten Erfolg führen können. Die angeführten Verurteilungen erfüllten zweifelslos den im § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG normierten Sachverhalt. Das dargestellte Fehlverhalten beeinträchtige die öffentliche Ordnung und Sicherheit in hohem Maße, sodass sich die Erlassung des Aufenthaltsverbotes - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 37 und 38 FrG - im Grunde des § 36 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. als gerechtfertigt erweise. Sohin lägen auch die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 erster Satz FrG vor.
Die Beschwerdeführerin sei seit mehr als sieben Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig. Sie sei mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet und habe Sorgepflichten für ein minderjähriges Kind aus erster Ehe. Es sei daher zweifellos von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin auszugehen. Dessen ungeachtet sei die gegen sei gesetzte fremdenpolizeiliche Maßnahme zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Verhinderung strafbarer Handlungen sowie zum Schutz der Rechte Dritter - dringend geboten. Das bisherige Verhalten der Beschwerdeführerin verdeutliche augenfällig, dass sie offenbar nicht in der Lage oder willens sei, die zum Schutz fremden Vermögens aufgestellten Normen einzuhalten. Eine "Zukunftsprognose" für die Beschwerdeführerin könne daher nicht positiv ausfallen, zumal ihre erste Verurteilung sie nicht davon habe abhalten können, neuerlich straffällig zu werden. Art und Schwere der den gerichtlichen Verurteilungen zu Grunde liegenden Straftaten ließen jedenfalls die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes gegen die Beschwerdeführerin zum Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dringend geboten und daher im Grunde des § 37 Abs. 1 FrG zulässig erscheinen. Im Rahmen der nach § 37 Abs. 2 leg. cit. erforderlichen Interessenabwägung sei auf den mehr als siebenjährigen inländischen Aufenthalt der Beschwerdeführerin Bedacht zu nehmen. Gleichzeitig sei aber zu berücksichtigen, dass der daraus ableitbaren Integration kein entscheidendes Gewicht zukomme, weil die dafür erforderliche soziale Komponente durch das strafbare Verhalten der Beschwerdeführerin erheblich beeinträchtigt werde. Sie könne auch den Kontakt mit ihrer Familie dadurch aufrecht erhalten, dass sie im Ausland von ihrer Familie besucht oder dorthin begleitet werde. Dieser somit insgesamt - unter Berücksichtigung ihrer familiären Bindungen - zwar immer noch gewichtigen, gleichwohl aber in einem wesentlichen Punkt deutlich geschwächten persönlichen Interessenlage der Beschwerdeführerin stehe das hoch zu veranschlagende maßgebliche öffentliche Interesse an der Verhinderung der Eigentumskriminalität gegenüber. Bei Abwägung dieser Interessen sei die belangte Behörde zur Auffassung gelangt, dass die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin keinesfalls schwerer wögen, als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme. Ein Sachverhalt gemäß § 38 FrG, der die Erlassung des Aufenthaltsverbotes unzulässig gemacht hätte, sei nicht gegeben gewesen. Unter den dargelegten Umständen habe die belangte Behörde auch nicht im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes Abstand nehmen können.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die von der belangten Behörde nach § 37 FrG vorgenommene Beurteilung. Sie sei seit nunmehr mehr als sieben Jahren rechtmäßig in Österreich aufhältig, mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet und habe Sorgepflichten für ein minderjähriges Kind aus erster Ehe. Weiters sei zu berücksichtigen, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin derzeit arbeitslos sei, sodass durch ein Aufenthaltsverbot auch der Unterhalt der gesamten Familie gefährdet wäre. Ihre minderjährige Tochter sei in Österreich aufgewachsen und hier voll integriert, weshalb es "ihr sicherlich nicht zumutbar" sei, den Kontakt mit der Beschwerdeführerin dadurch aufrecht zu erhalten, dass sie diese im Ausland besuche oder dorthin begleite. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin und ihrer Familie, insbesondere ihrer Tochter, seien "in maßgeblicher und gravierender Weise negativ einschneidend", zumal insbesondere bei ihrer Tochter "zweifelsohne irreparable und bleibende psychische Schäden" hervorgerufen würden. Die Auffassung der belangten Behörde, dass bei der Abwägung der Interessenlagen die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin und ihrer Familie keinesfalls schwerer wögen als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme, sei daher unrichtig.
2. Dieses Vorbringen ist im Ergebnis zielführend. Im angefochtenen Bescheid wird zwar zutreffend die Auffassung vertreten, dass dem öffentlichen Interesse an der Verhinderung der Eigentumskriminalität auf dem Boden von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen großes Gewicht zukommt. In Anbetracht ihres unstrittigen rechtmäßigen Aufenthalts in Österreich in der Dauer von etwa sieben Jahren und vier Monaten, ihren familiären Bindungen zu ihrem Ehegatten (einem österreichischen Staatsbürger) und zu ihrer minderjährigen Tochter - die nach Ausweis der Verwaltungsakten in Österreich geboren wurde (vgl. Blatt 29) und nach dem von der Beschwerdeführerin schon im Verwaltungsverfahren erstatteten behördlicherseits nicht in Zweifel gezogenen Vorbringen seither hier lebt (vgl Blatt 28) - weist die Beschwerdeführerin aber sehr große persönliche Interessen am Verbleib im Inland auf. Entgegen der Auffassung der belangten Behörde haben die besagten persönlichen Interessen ein so großes Gewicht, dass dem von der Behörde ins Treffen geführten öffentlichen Interesse im Verhältnis dazu kein größeres oder zumindest gleich starkes Gewicht zukommt. Von daher erweist sich die Auffassung der belangten Behörde, das Aufenthaltsverbot sei gemäß § 37 Abs. 1 FrG dringend geboten und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin und ihrer Familie wögen nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 leg.cit.), als rechtsirrig.
3. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 4. April 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1998180410.X00Im RIS seit
20.09.2001