C6 224.485-0/2008/15E
SCHRIFTLICHE AUSFERTIGUNG
DES VOM UNABHÄNGIGEN BUNDESASYLSENAT IN DER MÜNDLICHEN VERHANDLUNG
AM 15.5.2008 VERKÜNDETEN BESCHEIDS
SPRUCH
Der unabhängige Bundesasylsenat hat durch das Mitglied Mag. Judith PUTZER gemäß § 66 Abs 4 AVG iVm § 38 Abs. 1 des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 1997, i.d.g.F. entschieden.
Der Berufung von S. G. vom 16.10.2001 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 3.10.2001, Zahl 01 14.005-BAE, wird stattgegeben und S. G. gemäß § 7 AsylG Asyl gewährt. Gemäß § 12 leg cit wird festgestellt, dass S. G. damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
BEGRÜNDUNG
I. Bisheriger Verfahrensgang:
Am 13.6.2001 stellte der Berufungswerber, seinen Angaben zu Folge türkischer Staatsbürger und Angehöriger der kurdischen Volksgruppe, in Österreich einen Asylantrag. Der Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 3.10.2001, Zahl 01 14.005-BAE, gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen. Unter Spruchpunkt II dieses Bescheides wurde festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Berufungswerbers in die Türkei zulässig ist.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Berufung.
Der unabhängige Bundesasylsenat erhob Beweis durch Einsicht in die folgenden Dokumente:
Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Türkei (Stand September 2007);
Schweizerische Flüchtlingshilfe, Türkei. Zur aktuellen Situation - Oktober 2007;
Home Office, Operational Guidance Note Turkey, 11 July 2006;
Schweizerisches Bundesamt für Migration, Focus Türkei - Folter und Misshandlung, 8. März 2007;
und führte am 27.11.2003 und am 15.5.2008 eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung gemäß § 67d AVG unter Beiziehung eines Sachverständigen für die aktuelle politische Lage in der Türkei durch, an der das Bundesasylamt nicht teilgenommen hat.
II. Der unabhängige Bundesasylsenat hat erwogen:
1. Folgender Sachverhalt steht fest:
1.1. Zur Person des Berufungswerbers:
1.1.1. Der Berufungswerber ist türkischer Staatsangehöriger und Angehöriger der kurdischen Volksgruppe. Er stammt aus B. und besuchte von 1975 bis 1980 die Grundschule. Den Militärdienst leistete der Berufungswerber von 1989 bis 1991 ab. Der Großteil der Familie des Berufungswerbers lebt außerhalb der Türkei. 1997 heiratete der Berufungswerber Frau P. A.. Der Ehe entstammt eine Tochter, K. G., geboren 1999. Der Berufungswerber wurde mehrmals verhaftet, wobei er auch gefoltert und geschlagen wurde. 1997 wurde gegen den Berufungswerber ein Haftbefehl - wegen des Vorwurfes der Unterstützung und Hilfeleistung einer illegalen terroristischen Organisation sowie wegen Logistik, Rückendeckung und Beschaffung von Material für eine terroristische Organisation - ausgestellt. In weiterer Folge führte der Haftbefehl zur Festnahme des Berufungswerbers und zur Durchführung eines Gerichtsverfahrens. Nach seiner bedingten Entlassung wurde er von den Militärbehörden belästigt und unter Druck gesetzt. Er wurde aufgefordert, mit ihnen zu kooperieren und man drohte ihm im Falle der Verweigerung mit neuerlicher Folter; auch wurde auf die Familie des Berufungswerbers Druck ausgeübt.
Ausschlaggebend für die Verhaftung des Berufungswerbers im Jahre 1997 war die Aussage eines Guerillakämpfers, demzufolge der Berufungswerber PKK-Kämpfer vor Militäreinsätzen gewarnt habe. Der Haftbefehl ist nach wie vor aufrecht. Die gegen den Berufungswerber angestrebten Gerichtsverfahren sind nach wie vor anhängig.
1.2. Zum Herkunftsstaat des Berufungswerbers:
1.2.1. Zur hier relevanten Minderheitensituation:
Die Türkei erkennt Minderheiten als Gruppen mit rechtlichem Sonderstatus grundsätzlich nur unter den Voraussetzungen des Lausanner Vertrags von 1923 an, der "türkischen Staatsangehörigen, die nichtmuslimischen Minderheiten angehören, (...) die gleichen gesellschaftlichen und politischen Rechte wie Muslimen" (Art. 39) garantiert. Weiterhin sichert er den nichtmuslimischen Minderheiten das Recht zur "Gründung, Verwaltung und Kontrolle (...) karitativer, religiöser und sozialer Institutionen und Schulen sowie anderer Einrichtungen zur Unterweisung und Erziehung" zu (Art. 40). Nach offizieller türkischer Lesart beschränkt sich der in Art. 37 bis 44 des Lausanner Vertrages niedergelegte, aber nicht auf bestimmte Gruppen festgeschriebene Schutz allerdings nur auf drei Religionsgemeinschaften: die griechisch-orthodoxe und die armenisch-apostolische Kirche sowie die jüdische Gemeinschaft.
Ungefähr ein Fünftel der Gesamtbevölkerung der Türkei (72 Millionen) - also ca. 14 Millionen Menschen - ist zumindest teilweise kurdischstämmig. Im Westen der Türkei und an der Südküste lebt die Hälfte bis annähernd zwei Drittel dieser Kurden: ca. drei Millionen im Großraum Istanbul, zwei bis drei Millionen an der Südküste, eine Million an der Ägäis-Küste und eine Million in Zentralanatolien. Rund sechs Millionen kurdischstämmige Türken leben in der Ost- und Südost-Türkei, wo sie in einigen Gebieten die Bevölkerungsmehrheit bilden. Nur ein Teil der kurdischstämmigen Bevölkerung in der Türkei ist auch einer der kurdischen Sprachen mächtig.
Die meisten Kurden sind in die türkische Gesellschaft integriert, viele auch assimiliert. In Parlament, Regierung und Verwaltung sind Kurden ebenso vertreten wie in Stadtverwaltungen, Gerichten und Sicherheitskräften. Ähnlich sieht es in Industrie, Wissenschaft, Geistesleben und Militär aus (Deutsches Auswärtiges Amt, S 15).
1.2.2. Mit dem Wiedererstarken des PKK-Terrorismus wurde seit Mitte 2005 der Ruf nach einschneidenden Maßnahmen zur Terrorbekämpfung lauter. Am 29.06.2006 hat das Parlament zahlreiche Verschärfungen im Anti-Terror-Gesetz verabschiedet (das Gesetz ist am 18.7.2006 in Kraft getreten). Die von Menschenrechts-Organisationen und den Medien stark kritisierten Änderungen sehen ua eine Rückkehr des abgeschafften Art. 8 Anti-Terror-Gesetz ("separatistische Propaganda"), eine sehr offen formulierte Terror-Definition, eine Ausweitung von Straftatbeständen, die Schwächung der Rechte von Verhafteten und eine Ausweitung der Befugnisse der Sicherheitskräfte vor. Das Anti-Terror-Gesetz in seiner veränderten Form droht die Meinungsfreiheit weiter zu beschneiden und ermöglicht für viele Handlungen, die nicht in Zusammenhang mit Gewaltakten stehen, die Verurteilung als Beteiligung an Terrordelikten. Das veränderte Anti-Terrorgesetz, wird allgemein als Konzession an die türkischen Sicherheitskräfte angesehen (Bericht des deutschen Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Türkei, Stand Juni 2006, S. 14, 15).
1.2.3 Behandlung Abgeschobener nach ihrer Rückkehr in die Türkei:
Ist der türkischen Grenzpolizei bekannt, dass es sich um eine abgeschobene Person handelt, wird diese nach Ankunft in der Türkei einer Routinekontrolle unterzogen, die einen Abgleich mit dem Fahndungsregister nach strafrechtlich relevanten Umständen und eine eingehende Befragung beinhalten kann. Abgeschobene können dabei in den Diensträumen der jeweiligen Polizeiwache vorübergehend zum Zwecke einer Befragung festgehalten werden. Gleiches gilt, wenn jemand keine gültigen Reisedokumente vorweisen kann oder aus seinem Reisepass ersichtlich ist, dass er sich ohne Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland aufgehalten hat.
Die Einholung von Auskünften kann je nach Einreisezeitpunkt und dem Ort, an dem das Personenstandsregister geführt wird, einige Stunden dauern. In neuerer Zeit wurde dem Auswärtigen Amt nur ein Fall bekannt, in dem eine Befragung bei Rückkehr länger als mehrere Stunden dauerte (so die vom BT-Petitionsausschuss übermittelte Falldarstellung nach freiwilliger Ausreise einer kurdischstämmigen Familie, die kurz vor Abschiebung stand und wiederholt über mehrere Tage befragt wurde).
Besteht der Verdacht einer Straftat (z.B. Passvergehen, illegale Ausreise), werden strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet (Bericht des deutschen Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Türkei, Stand Juni 2006, S. 42,
43)
1.2.4. Gutachten des Sachverständigen (= SV), Herrn M. Ö., im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung vom 15.5.2008, dessen Inhalt als Sachverhalt festgestellt wird:
"SV: Gemäß dem Auftrag habe ich mich mit meinem Vertrauensanwalt in Verbindung gesetzt und ihn gebeten über den BW1 [= Berufungswerber] Recherchen durchzuführen und den Haftbefehl zu prüfen, ob er tatsächlich von der angegebenen Behörde ausgestellt wurde, und auch über seine Festnahmen (in zwei Provinzen wurde der BW1 über ein Monat festgenommen). Ich habe den Vertrauensanwalt auch gebeten, dass er sich an das Datenschutzgesetzt halten soll und die Personalien des BW1 an Privatpersonen nicht weitergibt und den Behörden möglichst so präsentiert, dass die Angehörigen der BW in seiner Heimat keinen Schaden davon tragen und dass der BW1 auch nicht überall bekannt wird.
Nach seinen Recherchen hat sich herausgestellt, dass die Gerichtsverfahren immer noch anhängig sind und zwar wegen Unterstützung und Hilfeleistung einer illegalen terroristischen Organisation, und wegen Logistik, Rückendeckung und Beschaffung von Material ebenfalls für eine illegale terroristische Organisation. Diese Verfahren sind bei jenen Strafgerichten anhängig, die anstelle der ehemaligen Staatssicherheitsgerichte agieren. Der Vertrauensanwalt hat mir weiterhin berichte, dass der BW1 damals bedingt auf freien Fuß gesetzt worden ist. Der BW1 hätte sich bei späteren Ladungen bei Gericht melden sollen, einige Male wurden solche Ladungen ausgeschrieben und an die offizielle Adresse des BW1 in der Türkei geschickt. Da der BW1 diesen Ladungen nicht Folge leistete, wurde die Polizei beauftragt, ihn zwangsweise vorzuführen. Da er für die Sicherheitskräfte unauffindbar war, hat man einen landesweiten Haftbefehl ausgestellt, dies war vor ca. 8 Monaten. Das heißt im Falle der Rückkehr in die Türkei wird der BW1 direkt an der Grenze der Anti-Terror-Einheit überstellt und zwangsweise dort hingebracht, wo die Verhandlungen stattfinden, also zum zuständigen Gericht. Es ist auch nicht auszuschließen, dass er gefoltert oder misshandelt würde. Da sein Gerichtsverfahren anhängig ist, wird man in seinem Fall keine erpresste Aussage benötigen, weil ohnehin die Anklagepunkte wegen Terrorismusbekämpfung aufrecht sind. Der BW1 würde nach dem Anti-Terror-Gesetz (§ 314 türk. StGB) wegen Hilfeleistung und Unterstützung für 7 bis 15 Jahre Strafe belangt werden; wegen Logistik und Beschaffung von Material wird er zusätzlich mit 15 Jahren Haft belangt. Das Vorgehen der Gerichte in der Türkei, wenn eine Person mehrere Verfahren hat, wird dies vom Gericht zusammengezogen und die zwei Anklagen werden von einem Gericht geführt. Die Strafen werden kumuliert. Der BW1 müsste beweisen, dass er keine Hilfe geleistet hat, was sehr schwierig vor Gericht ist, die Vorwürfe der Sicherheitskräfte mit entsprechenden Beweismitteln zu bekräftigen. Ein solcher Beweis gelingt praktisch nicht. Es gibt manche Richter die davon ausgehen, dass der Angeklagte, tatsächlich für solche Aktionen nicht fähig ist, dann wird das Mindeststrafausmaß verhängt und die Möglichkeit gegeben, eine Beschwerde beim Kassationsgericht einzubringen. Einen Freispruch oder Behebung des Gerichtsurteiles bleibt dem Kassationsgericht überlassen und erfahrungsgemäß wird solchen Beschwerden sehr selten statt gegeben. Daher werden die Urteile sehr oft bestätigt. Diejenigen, die durch die Anti-Terror-Gesetzgebung verurteilt sind, werden in einem neuen Typ von Gefängnissen ("E" oder "F") eingeliefert und müssen dort die Haft verbüßen. Die Haftbedingungen sind in den Gefängnissen sehr schlecht und berüchtigt. Sehr oft wird dort eine Isolationshaft verfügt oder Einzelzellenhaft. Manch Zellen beschränken sich auf 1 qm Größe, so dass man sich nicht bewegen kann. Damit will die Behörde erreichen, dass die Gefangenen mit ihnen kooperieren oder ihnen Informationen geben, an die sie sonst nicht herankönnen."
2.2. Die zur Person des Berufungswerbers getroffenen Feststellungen hinsichtlich seines politischen Hintergrundes basieren auf seinem Vorbringen im Asylverfahren, insbesondere in der mündlichen Berufungsverhandlung. Es gab für die Berufungsbehörde keine Anhaltspunkte, an der Glaubhaftigkeit des Vorbringens zu zweifeln.
Die zum Herkunftsstaat des Berufungswerbers getroffenen Feststellungen basieren auf den unter 1.2. jeweils genannte Quellen. Angesichts der Seriosität der genannten Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen, denen der Berufungswerber nicht substantiiert entgegengetreten ist, besteht für die Berufungsbehörde kein Grund, an der Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln.
3. Rechtlich folgt:
3.1.1. Mit 1.7.2008 wurde der Asylgerichtshof als unabhängige Kontrollinstanz in Asylsachen eingerichtet. Die maßgeblichen verfassungsmäßigen Bestimmungen bezüglich der Einrichtung des Asylgerichtshofes befinden sich in den Art 129c ff B-VG.
Gemäß Art 151 Abs 39 Z 1 B-VG wird mit 1.7.2008 der bisherige unabhängige Bundesasylsenat zum Asylgerichtshof. Gemäß Z 4 leg cit sind am 1.7.2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof weiterzuführen.
Bereits aufgrund der genannten Bestimmungen und der in ihnen erkennbar vom Verfassungsgesetzgeber vorgesehenen Kontinuität ergibt sich, dass der Asylgerichtshof auch für die schriftliche Ausfertigung von mündlich verkündeten Bescheiden des unabhängigen Bundesasylsenates zuständig ist. Da die ausfertigende Richterin des Asylgerichtshofes dieselbe Person wie das für das Berufungsverfahren vor dem unabhängigen Bundesasylsenat zuständige Senatsmitglied ist, ergeben sich auch aus dem Grundsatz der richterlichen Unmittelbarkeit keine Bedenken. Im vorliegenden Fall wurde der Berufungsbescheid mit oa Spruch am 15.5.2008 und damit vor Einrichtung des Asylgerichtshofes beschlossen und öffentlich verkündet.
Gemäß § 75 Abs. 1 des Asylgesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (im Folgenden: AsylG 2005) sind alle am 31.12.2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG i.d.F. BGBl. I Nr. 129/2004 (im Folgenden: AsylG) gilt. Gemäß § 44 Abs. 2 AsylG sind Asylanträge, die bis zum 30.04.2004 gestellt wurden, nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 16/2002 zu führen.
Gemäß § 38 Abs. 1 AsylG entscheidet der unabhängige Bundesasylsenat über Rechtsmittel gegen Bescheide des Bundesasylamtes.
3.1.2. Gem § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.
Der verwiesene Art 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention lautet: Im Sinne dieses Abkommens findet der Ausdruck "Flüchtling" auf jede Person Anwendung, die ... aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Gesinnung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will; ...
3.2. Die Furcht des Berufungswerbers vor Verfolgung ist begründet:
Der Berufungswerber hat im Verfahren Furcht vor Verfolgung durch die türkischen Behörden - insbes wegen der ihm unterstellten Mitgliedschaft zu einer vom türkischen Staat bekämpften illegalen Organisation ausgeschrieben wurde, geltend gemacht. Die Furcht des Berufungswerbers erweist sich nicht nur als begründet, sondern auch als asylrelevant.
Im Fall seiner Rückkehr in die Türkei ist davon auszugehen, dass über den Berufungswerber gesammelte Informationen auf Grund der routinemäßig durchgeführten Recherchen bei der Grenzkontrolle bereits der Grenzpolizei bekannt würden. Der Berufungswerber hat bereits bei der Einreise in die Türkei mit seiner Anhaltung, Festnahme und Befragung bzw. Überstellung an der für die Staatssicherheit zuständigen Polizeieinheit zu rechnen. Im Rahmen einer daran anknüpfenden Überstellung an die Anti-Terroreinheit ist das Risiko einer Misshandlung gegeben; Eingriffe in die psychische oder physische Integrität sind nicht auszuschließen, was sich aus den Ausführungen des Sachverständigen ergibt, der davon spricht, dass es nicht auszuschließen ist, dass es zu Folterungen und erzwungenen Aussagen kommen wird.
3.3. Der hier in seiner Intensität zweifellos erhebliche Eingriff - Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit - in die vom Staat schützende Sphäre des Einzelnen ist dann asylrelevant, wenn er an einem in Artikel 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft. Unter politischer Gesinnung als Ursache eines drohenden Eingriffes ist alles zu verstehen, was auf die staatliche, gesellschaftliche, wirtschaftliche und kulturelle Ordnung und ihre konkrete sachliche und personelle Ausgestaltung bezogen ist, alles, was der Staat gegen sich, seine Ordnung, seinen Bestand, eventuell gegen seine Legitimität gerichtet erachtet. Im Fall des Berufungswerbers knüpft die Verfolgungsgefahr an seine politische Gesinnung an. Es ist davon auszugehen, dass seine Gesinnung vom türkischen Staat jedenfalls als eine gegen den Bestand des Staates gerichtete qualifiziert wird. Die oben dargestellten spezifischen Gefährdungsrisiken stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit der Annahme einer bestimmten (staatsfeindlichen) politischen Gesinnung von Seiten des türkischen Staates. Die vom Berufungswerber zu befürchtende Verfolgungsgefährdung knüpft somit eindeutig an den Tatbestand der "politischen Gesinnung" an.
3.4. Eine inländische Fluchtalternative steht dem Berufungswerber aus folgenden Gründen nicht offen: Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes trägt der Begriff "inländische Fluchtalternative" dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss. Steht dem Asylwerber die gefahrlose Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht (VwGH 08.09.1999, 98/01/0503; 25.11.19999, 98/20/0523). Das einer "inländischen Fluchtalternative" innewohnende Zumutbarkeitskalkül setzt voraus, dass der Asylwerber im in Frage kommenden Gebiet nicht in eine ausweglose Lage gerät (VwGH 08.09.1999, 98/01/0614). Im konkreten Fall kann nicht angenommen werden, dass sich der Berufungswerber der dargestellten Bedrohung durch Ausweichen in einen anderen Teil seines Herkunftsstaates entziehen kann; dies schon deshalb, weil sich die Gebiets- und Hoheitsgewalt der türkischen Regierung auf das gesamte Gebiet erstreckt und Informationen über die im Ausland stattgefundenen politischen Tätigkeiten des Berufungswerbers den türkischen Behörden zur Verfügung stehen, so dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass es dem Berufungswerber möglich wäre, sich über einen längeren Zeitraum hindurch erfolgreich versteckt zu halten (vgl dazu auch Home Office, Operational Guidance Note Turkey, p. 3.10).
3.5. Zusammenfassend wird festgehalten, dass sich der Berufungswerber aus wohlbegründeter Furcht, wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb der Türkei befindet und im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren und auch keiner der in Artikel 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- und Ausschlussgründe vorliegt.
Gemäß § 12 AsylG war die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Dieser Beschied wurde in der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 15.5.2008 verkündet.