TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/03 B10 203977-0/2008

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Veröffentlicht am 03.09.2008
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Spruch

B10 203.977-0/2008/29E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Stefan HUBER gemäß § 61 iVm § 75 Abs. 7 Z 1 Asylgesetz 2005, BGBl I 2005/100 idF BGBl. I 2008/4, (AsylG) und 66 Abs. 4 AVG, über die Beschwerde des X1 I., geb. am 00.00.1977, StA. von Sierra Leone, zu Recht erkannt:

 

I. Die Beschwerde von X1 I., vom 01.07.1998 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 16.06.1998, Zahl: 98 03.627-BAW, wird gemäß § 7 AsylG abgewiesen.

 

II. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wird festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung von X1 I. nach Sierra Leone zulässig ist.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

Der Berufungswerber (in der Folge Beschwerdeführer genannt) behauptete im Zuge des Asylverfahrens Staatsangehöriger von Sierra Leone und am 24.05.1998 illegal in das Bundesgebiet eingereist zu sein. Am 28.05.1998 stellte er einen Antrag auf Gewährung von Asyl, woraufhin er am 09.06.1998 im Beisein eines geeigneten Dolmetschers der englischen Sprache niederschriftlich einvernommen wurde.

 

Dabei gab er im Wesentlichen an, dass er dem Stamm der Fulani in Sierra Leone angehöre. Er sei in K. im Kono District geboren. Der Beschwerdeführer sei seit 1993 einfacher Soldat der offiziellen Regierung Sierra Leones gewesen. 1994 seien Rebellen ohne Uniform in sein Elternhaus eingedrungen, da sie Soldaten gesucht hätten. Seine Mutter und Schwester seien vergewaltigt und sein Vater getötet worden. In seinem Zimmer hätten sie seine Uniform und sein Gewehr gefunden. Mutter und Schwester seien aus dem Haus gejagt und das Haus angezündet worden. Der Beschwerdeführer sei von den Rebellen mitgenommen worden und wäre dann Soldat der RUF gewesen. Er hätte im November/Dezember 1997 mit seiner Einheit das Haus von Präsident Kabbah niedergebrannt. Auch hätten sie versucht auf Befehl die Nationalbank auszurauben, was jedoch misslungen sei. Nachdem das Militär von Kabbah wieder die Macht in Sierra Leone übernommen hätte, wäre die Gruppe, die das Haus des Präsidenten angezündet hätte, gesucht worden. Die hohen Offiziere hätten seinen Namen gekannt und diesen auch Präsident Kabbah mitgeteilt. Er habe dann im Radio gehört, dass drei dieser Gruppe verhaftet und zu lebenslänglicher Haft verurteilt worden seien. Seine einzige Furcht sei die vor Präsident Kabbah und einer Gerichtsverhandlung.

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 16.06.1998, Zahl: 98 03.627-BAW, wurde der Antrag auf Gewährung von Asyl gemäß § 7 AsylG abgewiesen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Berufungswerbers nach Sierra Leone gemäß § 8 AsylG für zulässig erklärt.

 

Mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 26.08.1998, GZ: 203.977/0-XI/33/98, wurde die Berufung gemäß § 7, 8 AsylG abgewiesen.

 

Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21.09.2000, 98/20/0569, wurde der Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften wegen unterlassener Verhandlung aufgehoben.

 

Zur mündlichen Verhandlung am 08.01.2000 vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat ist der Beschwerdeführer nicht erschienen.

 

Mit Urteil des Straflandesgerichtes Wien 2007 wurde der Beschwerdeführer wegen § 27 Abs. 1 und 2/2, § 27/1 (6. Fall), § 27/1 (1. 2. Fall) SMG zu einer bedingten Freiheitsstrafe im Ausmaß von 4 Monaten rechtskräftig verurteilt.

 

Der unabhängige Bundesasylsenat hat eine weitere mündliche Verhandlung am 03.04.2008 durchgeführt. Das Bundesasylamt, Außenstelle Wien, verzichtete mit Schreiben auf eine Teilnahme und beantragte die Berufung abzuweisen. Im Rahmen dieser Verhandlung wurde Beweis erhoben durch Einvernahme eines namhaft gemachten Zeugen, des Beschwerdeführers als Partei sowie durch Einsicht und Erörterung folgender Unterlagen:

 

Stellungnahme des Austrian Consulate Freetown vom 17.03.2001

 

Stellungnahme des Austrian Consulate Freetown vom 23.04.2002

 

Stellungnahme des Austrian Consulate Freetown vom 15.05.2002

 

Aktuelle Feststellungen zu Sierra Leone

 

Der Ablauf der in Rede stehenden Verhandlung gestaltete sich im

vollen Umfang wie folgt (VL = Verhandlungsleiter, Z = Zeuge, BW =

Berufungswerber, nunmehr Beschwerdeführer, BWV = Vertreter):

 

"VL: Woher kennen Sie den BW?

 

Z: Aus Wien. Ich kenne nur aus Sierra Leone Verwandte von ihm.

 

VL: Wen kennen Sie ?

 

Z: Ich kenne Onkeln und Tanten, die mit mir auch teilweise in Freetown in die Schule gegangen sind.

 

VL: Woher wissen Sie, dass das seine Onkel sind ?

 

Z: 1998 kam er auf mein Konzert. Bei dem Vorstellen der Musiker wurde zuletzt mein Name und meine Herkunft am Mikrofon gesagt. Daraufhin kam er zu mir und wir haben uns bekannt gemacht.

 

Daraufhin sagte ich, dass ich Verwandte von früher kenne.

 

VL: X1 ist ein sehr häufiger Name, sind Sie sicher, dass das der gleiche Name ist ?

 

Z: X1 ist ein häufiger Name, so wie X2. Die Familie X1 ist im Osten, Norden. Auf Grund seines Dialektes habe ich gemerkt, dass er aus meiner Region kommt.

 

VL: Wie groß ist die Familie X1 ?

 

Z: Eine sehr, sehr große Familie.

 

VL: Der Dialekt ist ein Krio Dialekt ?

 

Z: Ja.

 

VL: Woher kommen Sie genau ?

 

Z: Freetown/Sierra Leone.

 

VL: Er kommt gar nicht aus Ihrer Region ?

 

Z: Die X1 Familie hat ein großes Haus, dort wohnten die meisten.

 

VL: Wann kamen Sie nach Österreich ?

 

Z: 1988.

 

VL: Wissen Sie, ob die Familie immer noch in Freetown ist ?

 

Z: Ja, das Gebäude der Familie X1 ist in der S.-Street.

 

VL: Gemeinsam mit einem Onkel haben Sie den BW nie gesehen ?

 

Z: Er war damals noch klein.

 

VL: Haben Sie den BW als Kleinen noch gesehen ?

 

Z: Nein. Als wir nach dem Konzert gesprochen haben, hat er mir ein paar Namen von Familienmitgliedern genannt, die ich von meiner Jugendzeit noch kenne.

 

VL: Was ist, wenn der BW nur den Namen X1 benützt und er einen anderen Namen trägt ?

 

Z: Das kann ich mir nicht vorstellen. Der BW war damals noch nicht so lange in Österreich gewesen.

 

Andere Leute desselben Stammes wie der BW sagten, dass der BW aus Sierra Leone komme, weil der Krio-Dialekt nicht so einfach zu sprechen ist, manchmal versuchen Leute aus Ghana oder Nigeria diesen Dialekt zu sprechen.

 

Wir verstehen die Leute aus Ghana oder Nigeria, wenn sie in Krio sprechen, aber umgekehrt verstehen diese uns nicht.

 

BWV: Können Sie sich auf Krio unterhalten ?

 

Z: Ja, auf jeden Fall.

 

BWV: Was haben Sie gestern gemacht ?

 

BW: Heute wollte ich nicht fortgehen, ich war nervös wegen heute.

 

VL: Wird Krio nur in Sierra Leone gesprochen ?

 

Z: In den Nachbarländern, wie Liberia, haben diese einen eigenen Dialekt, diese sprechen wie Amerikaner, aber mit ihrem Dialekt.

 

VL: Die Volksgruppen sind nicht nur auf Sierra Leone beschränkt.

 

Z: Leute vom Land können wenig Krio sprechen.

 

Man versteht sie entweder durch ihre Stammessprache. Leute, die nicht in die Schule gingen, verstehen wenig Krio. Man weiß nur, dass die Leute von dort sind.

 

Es gibt auch ein Französisch-Krio in französischsprechenden Ländern, zB Guinea und Elfenbeinküste.

 

VL: Wie gut kann der BW Krio ?

 

Z: Sehr gut.

 

VL: Eigentlich kommt der BW vom Land ?

 

Z: Das macht nichts, wenn man in der Schule war, dann passt es.

 

Auch der jüngere Bruder des BW war einmal zu Besuch hier. Das war 2003.

 

Die beiden sprachen richtig auf Krio mit mir.

 

BWV: Waren Sie immer nur in Freetown, oder in einem anderen Teil ?

 

Z: Ich war damals viel im Süden und Osten von Sierra Leone unterwegs. Damals habe ich für eine Firma gearbeitet.

 

BWV: Kennen Sie auch die Gegend, woher der BW kommt ?

 

Z: Ja, sicherlich. Zu dieser Zeit war der BW ein kleiner Junge, den BW kannte ich nicht, seine Tanten und Onkeln."

 

"VL: In welcher Sprache soll die Einvernahme stattfinden ?

 

BW: In Krio.

 

Herr S.B. übersetzt nunmehr als Dolmetscher in Krio.

 

VL: Welche aktuelle Bedrohung fürchten Sie heute in Sierra Leone ?

 

BW: Ich war einer der Ausgewählten, die bei der XXX dabei waren, als es Krawalle gab und die Geschäfte kaputtmachten. Viele Leute haben Herrn X1 deswegen gehasst, auch einige Mitarbeiter des Herrn X1. Es ist für den BW gefährlich, wenn er 2008 nach Sierra Leone zurückkehren würde.

 

Nach Beratung mit der Rechtsvertretung wird beschlossen, die Einvernahme in englischer Sprache durchzuführen, da in Krio etliche Passagen (durch den Dolmetscher) verkürzt wurden.

 

Frage wird auf Englisch wiederholt.

 

BW: Es ist sehr schwierig für mich jetzt. Ich will nicht nach Freetown-Sierra Leone zurück. Ich war Teil der XXX. Unsere Gruppe war sehr bekannt in Freetown. Was wir damals gemacht haben, war, Leute festzunehmen, die eine Frau vergewaltigt hatten und Waffen trugen oder etwas gestohlen haben. Die Regierung bestand damals aus Rebellen. Die Leute, die wir festgenommen hatten, haben sie dann in das Gefängnis gesteckt, oder umgebracht.

 

Es war damals die Regierung, die uns beauftragte, solche Festnahmen durchzuführen.

 

VL: Vor wem konkret haben Sie Angst ?

 

BW: Ich habe Angst vor den Familienangehörigen der Menschen, die wir damals festgenommen hatten, oder die damals umgebracht worden sind. Es gibt auch Jugendliche, die früher einer Militärgruppe angehört hatten, die jetzt keine Arbeit haben. Es ist sehr leicht, ihnen Geld zu geben und zu sagen, sie sollen eine Person umbringen. Vor ihnen fürchte ich mich auch.

 

VL: Wie kommen Sie auf die Idee, dass Leute wie Sie, getötet werden ?

 

BW: Ich habe keinen Telefonkontakt mit Personen in Sierra Leone. Manchmal kommen aber Personen von dort, die hier studieren wollen oder die Asylwerber sind. Ich spreche mit solchen Menschen und frage sie, wie die Lage jetzt dort ist, was passiert.

 

Ich lese auch im Internet nach. Die Journalisten können nicht über alles berichten. Die Regierung erlaubt es ihnen nicht. Die Regierung will, dass man in Sierra Leone investiert und dass auch Touristen in das Land kommen.

 

VL: Sie waren Mitglied der RUF-Rebellen, lt. Ihren bisherigen Angaben, die dann mit Militärkommandant Koroma in Freetown wüteten. Jetzt hätten Sie vor Racheakten Angst ?

 

BW: Ja, das stimmt.

 

VL: Was haben Sie in Freetown gemacht, außer, dass Sie Leute verhaftet haben ?

 

BW: Wir kamen vom Dorf nach Freetown. Damals gab es ein Embargo über Sierra Leone, die Militärregierung war an der Macht. Es gab keinen Import und keinen Export. Ich war Teil der XXX. Wir wollten sicherstellen, dass keiner vergewaltigt wird und dass nichts gestohlen wird.

 

Ich verbrachte 8 oder 9 Monate in Freetown.

 

VL: Sie meinen nicht im Ernst, dass die RUF Rebellen die Ordnung in Freetown erhalten haben? Genau diese RUF-Rebellen wüteten in Freetown, wie auch aus unseren Berichten hervorgeht.

 

BW: Paul Koroma hat die Regierung unter dem demokratischen Präsidenten Tejan Kabbah gestürzt und hat die RUF-Gruppe gebeten, mit den Kämpfen im Busch aufzuhören und nach Freetown zu kommen, damit sie zusammen mit ihm eine neue Regierung bilden können.

 

VL: Die RUF unter Koroma wüteten fürchterlich in Freetown. Stimmt das ?

 

BW: Ja, das stimmt.

 

VL: Sie erzählen gerade, dass diese die Ordnung aufrecht erhalten haben ?

 

BW: Damals war die RUF und Koroma die Regierung.

 

Sie haben nur ihre eigenen Interessen vertreten und die Interessen der Bevölkerung nicht. Damals stand das Land unter Embargo. Die Regierung konnte von nirgendwo finanzielle Unterstützung erhalten. Es haben keine Behörden funktioniert. Sie arbeiteten nur in ihrem eigenen Interesse.

 

VL: Für wen waren Sie tätig in Freetown ?

 

BW: Für die RUF.

 

VL: Sie haben auch in Ihrem eigenen Interesse gearbeitet ?

 

BW: Ich habe Befehle der Führer unserer Gruppe einzuhalten, man befahl uns etwas zu tun, das tat ich.

 

VL: Dafür schämen Sie sich heute, weil Sie sagen, Sie führten nur Befehle aus ?

 

BW: Ich habe Sachen getan, die ich nicht tun wollte, die ich aber tun musste.

 

VL: Ich dachte, dass Sie die Ordnung aufrechterhielten. Dafür müssen Sie sich nicht schämen ?

 

BW: Es ist nicht so, dass ich mich nur schäme. Ich habe vielmehr vor den Folgen meiner damaligen Taten Angst.

 

VL: Was haben Sie gemacht, zuvor haben Sie angegeben, Sie haben die Verbrecher arrestiert, jetzt haben Sie vor Ihren Taten Angst ?

 

BW: Die XXX hat ein Regierungsgebäude, in Brand gesetzt.

 

Auch als Koroma und die Rebellen keine finanzielle Unterstützung erhalten konnten, schickten sie uns, damit wir etwas von der Bank nehmen.

 

Wir haben das versucht. Es gelang uns aber nicht. Unsere Gruppe hat damals auch Menschen getötet, nicht nur festgenommen, es wurden Diebe und Vergewaltiger festgenommen. Ich glaube aber nicht, dass jemand, der etwas gestohlen hat, getötet werden sollte.

 

VL: Wieso gingen Sie 1998 aus Freetown weg ?

 

BW: 1998 kam die Ecomog nach Freetown. Sie wollte unsere Rebellengruppe aus der Stadt jagen, damit der demokratische Präsident wieder die Regierung übernehmen kann.

 

Wir konnten gegen diese Einheit nicht ankämpfen.

 

Sie waren sehr viele und schwer bewaffnet. Deswegen mussten wir die Stadt verlassen. Manche liefen weg. Ich verließ damals Freetown und begab mich zuerst nach W., eine Stadt nahe von Freetown.

 

VL: Wieso wissen Sie, dass es 000km von W. nach Freetown sind ?

 

BW: Am Markt in W. steht ein Pfosten mit der Kilometeranzahl und den Entfernungen nach Freetown. Überall auf den Straßen ist jeder Kilometer mit so einem Posten markiert.

 

Das ist überall so im ganzen Land.

 

VL: Haben Sie Ihre Berufung auswendig gelernt ?

 

BW: Welche Berufung ?

 

VL: Die Berufung gegen den negativen Bescheid des BAA.

 

BW: Ich kann die deutsche Sprache nicht so gut lesen.

 

VL: Warum ist die Berufung viel ausführlicher als die Einvernahme vor dem BAA ?

 

BW: Bitte erklären Sie das in Krio.

 

Der Krio-Dolmetscher übersetzt diese Frage in Krio.

 

BW: Bei meiner letzten Einvernahme befand ich mich in Schubhaft. Ich wurde von 2 Sicherheitsbeamten in Handschellen der Asylbehörde vorgeführt. Ich wusste schon, dass man mich abschieben wollte und wusste, welch Horror mich in meinem Land erwartet.

 

Ich habe versucht, auf die Fragen des Richters zu antworten.

 

Ich war aber in Panik.

 

Heute ist es anders.

 

VL: Wie lange etwa waren Sie bei der RUF ?

 

BW: Von 1994 bis 1998, in etwa 4 1/2 Jahre.

 

VL: Wo waren Sie vorher ?

 

BW: Ich lebte bei meiner Familie im Kono-Distrikt und arbeitete als Sicherheitsmann für XY.

 

VL: Was ist XY ?

 

BW: XY, eine Diamantenfirma.

 

VL: Ich dachte, Sie waren seit 1993 einfacher Soldat der Regierung Sierra Leones ?

 

BW: Es war 1994. Die Rebellen haben uns gefangen genommen und nach Kailahun-Distrikt gebracht. 1993 war ich nicht bei den Rebellen.

 

VL: Waren Sie bei der NDCM oder bei der Armee 1993 ?

 

BW: Ich arbeitete als Sicherheitsmann für die Diamantenfirma.

 

VL: Sie sagten etwas anderes vor dem BAA.

 

BW: Vielleicht war das ein Missverständnis zwischen mir und dem Dolmetscher.

 

Das Jahr 1994 ist das einzige Datum, das ich nie in meinem Leben vergessen werde.

 

Damals wurde meine Familie angegriffen. Das werde ich nie vergessen.

 

VL: Warum gibt es bei den Wörtern XY und Official Army ein Verständigungsproblem ?

 

BW: Nein, ich sagte XY. Ich arbeitete damals dort als Sicherheitsmann.

 

Der Grund, warum mich damals die Rebellen mitgenommen haben, ist, dass sich meine Waffen, die ich als Sicherheitsmann beruflich verwendet habe, in unserem Haus befunden haben. Als sie die Waffe gesehen haben, haben sie mich geschlagen, meine Hand gebrochen und mich am Ellenbogen verletzt. Sie dachten, als sie die Waffen gesehen haben, dass ich Militärangehöriger war.

 

Dann hat ihnen mein Vater meinen Dienstausweis gezeigt und ihnen erklärt, dass ich als Sicherheitsmann für die XY tätig war und kein Soldat.

 

VL: Was passierte, nachdem der Vater ihnen das erklärte ?

 

BW: Wenn er ihnen nicht so schnell das erklärt hätte, hätten sie mich auch getötet.

 

VL: Wieso nahmen diese Sie mit ?

 

BW: Damals gab es nicht viele Menschen bei der RUF. Sie waren auf der Suche nach anderen jungen Männern, die sich ihnen anschließen, damit sie mehr werden. Sie hatten auch meine Waffe gesehen und wussten, dass ich mit Waffen umgehen kann.

 

VL: Welche Waffen hatten Sie ?

 

BW: Pistolen.

 

VL: Mit 16 Jahren waren Sie bei der XY Sicherheitsmann ?

 

BW: Ja.

 

VL: Beim BAA erzählten Sie eine andere Geschichte.

 

BW: Welche ist das ?

 

VL: Wenn man die Geschichte erlebt hat, weiß man diese, wenn nicht, kann man etwas vertauschen.

 

BW: Ich war 8 Jahre lang in der Schule. Danach arbeitete ich für das XY. Mein Vater war damals im Diamantengeschäft. Er wollte, dass ich etwas über das Geschäft lerne. Das war der Grund, warum ich für diese Firma gearbeitet habe.

 

VL an BWV: Möchten Sie Fragen stellen ?

 

BWV: Wie lange arbeiteten Sie bei der XY ?

 

BW: Weniger als 1 Jahr.

 

BWV: Haben Sie davor irgendwo anders gearbeitet, war das direkt nach der Schule?

 

BW: Nach der Schule habe ich direkt für das XY gearbeitet. Mein Vater wollte damals, dass ich etwas über dieses Geschäft lerne.

 

BWV: Angenommen, Sie müssten jetzt nach Sierra Leone zurückkehren, fürchten Sie sich nur vor Privatpersonen, oder auch vor dem Staat ?

 

BW: Ich habe vor beiden Angst. Die XXX brachte Menschen um.

 

Wir haben aber auch die Lodge in Brand gesetzt. Man hat uns auch geschickt, um in die Nationalbank hineinzukommen und etwas zu stehlen. Dort haben wir nur Schaden angerichtet, konnten aber nichts mitnehmen.

 

BWV: Warum glauben Sie, dass Sie bei einer Rückkehr heute noch bedroht sind, diese Vorfälle sind schon lange her ?

 

BW: Bevor ich das Land verlassen habe, hat man nach Mitgliedern unserer Gruppe gesucht.

 

Menschen wurden inhaftiert. Sie sitzen lange im Gefängnis, manche bis 4 Jahre und mehr und zwar ohne Gerichtsurteil.

 

Die Lage in den Gefängnissen in Sierra Leone ist die Schlimmste auf der ganzen Welt. Ich fühle mich nicht so gesund. Ich habe mich erkundigt, wie das Gesundheitssystem in Sierra Leone ist.

 

Aus diesen Gründen habe ich Angst.

 

VL: Handelte Ihr Vater mit Gold und Diamanten ?

 

BW: Ja.

 

VL: Müssten Sie nicht sehr reich sein ?

 

BW: Nein, er ist kein reicher Mann. Manche in diesem Geschäft kaufen Diamanten oder Gold, zB von den Arbeitern und verkaufen es sofort wieder.

 

Andere sind international tätig. Es gibt verschiedene Standards in diesem Geschäft.

 

Mein Vater ist nicht reich. Er kämpft nur für das Überleben unserer Familie.

 

VL: Was genau machte der Vater, den einen Standard oder den anderen ?

 

BW: Er kauft im Busch Diamanten, je nachdem wie viel Geld er dabei hat.

 

Er kann für 10 oder 50 Euro einen Diamanten kaufen. Wenn er einen Diamanten um 50 Euro kauft, dann verkauft er ihn um 60 Euro und zwar direkt dort in der Gegend.

 

VL: Von wem kauft er die Diamanten ?

 

BW: Es gibt Leute, die in die Erde graben im Busch, am Fluss und Diamanten herausholen. Mein Vater geht zu ihnen direkt zum Fluss und kauft ihre Waren.

 

VL: Es werden Diamanten aus dem Fluss gewaschen ?

 

BW: Ja.

 

VL: Warum macht das Ihr Vater nicht selbst, wenn das so leicht geht ?

 

BW: Es ist nicht etwas, was man alleine tun kann.

 

Man arbeitet in Gruppen. Wenn man Geld hat, sammelt man eine Gruppe von 10-15 Personen, dann ist man für deren Unterkunft und Versorgung zuständig.

 

Man muss auch Materialien für sie kaufen, Arbeitsutensilien, wie Schaufeln und verschiedene Maschinen. Allein kann man das nicht.

 

VL: Sie, als Sicherheitsmann der XY arbeiteten auch am Fluss ?

 

BW: Nein, die XY ist nicht am Fluss. Es ist eine große Firma und arbeitet in einem großen Gebäude. Sie arbeiten in Büros, nicht am Fluss.

 

VL: Was können Sie über Ihre engeren Familienmitglieder erzählen ?

 

BW: Ich habe keinen Kontakt mit meiner Familie.

 

Als ich das Land verlassen habe, waren meine Schwester und meine Mutter noch dort. Mein Vater wurde umgebracht. Ich weiß nicht, ob meine Schwester und meine Mutter noch leben.

 

VL: Was ist mit Ihrem Bruder ?

 

BW: Ich habe keinen Bruder von der gleichen Mutter und vom gleichen Vater.

 

VL: Welcher Bruder war 2003 in Österreich ?

 

BW: Wenn man mit jemandem zusammen in die Schule geht, wenn man ihn seit Kindheit kennt und mit ihm gespielt hat, dann kann man diese Person Bruder nennen. Ich habe diesen Mann als meinen Bruder vorgestellt, weil er mir sehr nahe steht.

 

Wir haben zusammen gespielt. Ich kenne ihn seit meiner Kindheit.

 

Ich hatte schon lange niemanden gesehen, den ich schon so lange kannte, der aus der gleichen Stadt und der gleichen Gegend kommt.

 

VL: Wieso haben Sie zu Ihrer Familie keinen Kontakt. Ich habe heute erfahren, dass es eine große und einflussreiche Familie ist.

 

BW: Ich habe keine Telefonnummer von zu Hause.

 

Die Personen, zu denen ich Vertrauen habe und die ich gerne anrufen würde, sind meine Mutter und meine Schwester, auch mein Vater, wenn er noch am Leben gewesen wäre.

 

Sie sind meine Blutsverwandten, ich vertraue ihnen.

 

Ich habe keine Telefonnummer von meiner Schwester und meiner Mutter und weiß auch nicht, wo sie wohnen.

 

VL: Wieso kontaktieren Sie nicht Ihre Tanten und Onkeln in Freetown?

 

BW: Seit damals, als das in Freetown alles anfing, als Häuser niedergebrannt wurden und jeder nur geschaut hat, dass er wegkommt, sind viele Menschen weggelaufen, viele sind in das Ausland gegangen, seitdem hat man die Kontakte verloren.

 

VL: Ihr Haus in Freetown steht noch.

 

BW: Das Haus meiner Familie, d.h. meines Vaters und meiner Mutter, war in Kono, in K.. Die Familie X1 hat viele Mitglieder und es gibt auch viele Häuser in Freetown und im ganzen Land, die Häuser dieser Familie sind.

 

Meine Familie ist aber meine Blutsfamilie. Die Menschen in einer solchen Familie haben eine Mutter und einen Vater. Unser Haus stand in Kono.

 

VL: Sie widersprechen dem Zeugen, der Sie zu der X1-Familie zugeordnet hat.

 

BW: Es gibt in Freetown vielleicht 5.000 X1.

 

Wir Fullanis haben immer einen von insgesamt vier Familiennamen. Wenn man eine Person trifft und sie stellt sich als X1 vor, heißt es nicht, dass wir Blutsverwandte sind.

 

Es ist so, als hätte man in Österreich insgesamt 4 Familiennamen. Man könnte keinen anderen Familiennamen verwenden.

 

Wir Fullanis heißen entweder X1, X2, X3 oder X4. Wenn eine Person einen dieser Namen trägt, dann kann man sofort sagen, welche Sprache sie spricht.

 

VL: Also kann Sie der Zeuge eigentlich nicht der Familie X1 zuordnen.

 

BW: Ich bin X1, das stimmt. Unsere Familie hat viele Häuser, in Kono und in Freetown.

 

Das heißt aber nicht, dass wir eine Blutsfamilie sind. Wir sind eine Familie, wir sind alle Brüder.

 

Wir sind X1. Auch hier in Österreich gibt es viele X1.

 

Viele Fullanis, die hier leben, heißen X1. Das heißt aber nicht, dass wir blutsverwandt sind.

 

Wenn ich eine Person treffe, die X1 heißt, ich bin ja auch X1, unterhalten wir uns.

 

Wir gehören zu einer Familie, wenn wir den gleichen Namen tragen, wir sind aber nicht blutsverwandt.

 

VL: Die Adresse FB gibt es laut Honorarkonsul nicht.

 

BW: FB ist ein Militärcamp. Es sind Militärbaracken. Es ist eine der größten Militär-Towns in Freetown.

 

Dort in den Baracken sind die Häuser in Blocks gegliedert. Es sind kleine Häuser, man bekommt ein Zimmer und ein Wohnzimmer.

 

Anmerkung: Anlässlich der Durchsicht des Protokolls durch die BWV auf nochmalige Befragung gibt BW an: FB.

 

VL: Der Honorarkonsul bezieht sich auf eine Auskunft des Department of Immigration and Passport Office.

 

BW: Diese existieren. Es ist 100%ig, dass die Baracken existieren. Es ist das größte Militärcamp in Freetown.

 

VL: Dafür wurde Ihr Führerschein vom Honorarkonsul für echt befunden.

 

BWV an Z: Kennen Sie das Militärcamp ?

 

Z: Das gibt es jedenfalls, das ist eine Baracke, die ist ganz oben auf den Bergen von Freetown.

 

BWV: Ist die Stadt gebirgig oder neben der Stadt ?

 

Z: Es gibt dort auch eine Ortschaft, die FB heißt. Dort gibt es Wohnbaracken, die Leute, die für das Militär arbeiten, haben in der Baracke eine Wohnung. Diese Baracken hat es immer schon gegeben, ob es diese immer noch gibt, weiß ich nicht sicher.

 

VL: Gibt es die Nummer 00 ?

 

Z: Das weiß ich nicht.

 

BWV: Zuerst sprachen Sie Ihren Gesundheitszustand an. Was ist Ihr gesundheitliches Problem, bekommen Sie eine Therapie ?

 

BW: Seitdem ich in Österreich bin, habe ich Schlafprobleme.

 

Immer, wenn ich mich zurückerinnere, an das, was wir damals machten, kann ich nicht schlafen und muss Schlaftabletten einnehmen.

 

Deswegen mache ich auch die 2. Therapie mit Dr. S..

 

Auch habe ich Hepatitis, es gibt viele Sachen, die ich nie wieder machen werde.

 

Immer, wenn ich unter Stress bin, spüre ich das in meinem ganzen Körper.

 

BWV: Keine weiteren Fragen.

 

BWV: Die Feststellungen zur Gesundheitsversorgung stimmen im Wesentlichen mit den Angaben des BW zusammen, die Gesundheitsversorgung ist nicht sehr gut.

 

VL: Können Sie in 2 Wochen von Dr. G. Informationen über Hepatitis erhalten?

 

BW: Ja.

 

Der BWV wird 4 Wochen Frist eingeräumt zur Stellungnahme zu den Feststellungen und zum Vorlegen eines ausführlicheren Befundes zur Hepatitis B Erkrankung des BW.

 

Erörtert wird: Stellungnahme des Austrian Consulate Freetown vom 23.04.2002, wonach der Führerschein des BW echt ist.

 

BWV: Ich stimme dem zu.

 

Bericht of Department of Immigration and Passport Office vom 15.03.2001.

 

BWV: Zum Militärdienst wird ausgeführt, dass der BW heute angegeben, von 1993 bis 1994 bei der XY tätig gewesen zu sein und in dieser Zeit keinen Militärdienst geleistet zu haben.

 

Die davon abweichende Protokollierung führe ich auf ein Missverständnis zurück.

 

Hinsichtlich des Blocks Nr. 00, wird ausgeführt, dass der BW tatsächlich an der Nr. 00 wohnhaft war.

 

Die Nr. seines Reisepasses ist dem BW nach 10jährigem Asylverfahren nicht mehr erinnerlich.

 

Dass der BW ein StA von Sierra Leone ist, ergibt sich aus der Echtheit des Führerscheins, seinen eigenen Angaben und den Angaben des Zeugen."

 

Mit Schriftsatz des Rechtsvertreters vom 02.05.2008 wurde eine Stellungnahme zur Lage in Sierra Leone abgegeben und Befundberichte vorgelegt.

 

Mit Schriftsatz vom 16.05.2008 wurden ein Privatrezept und ein ärztlicher Befund vorgelegt.

 

Auf Grundlage des durchgeführten Ermittlungsverfahrens werden seitens des Unabhängigen Bundesasylsenates folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zu Grunde gelegt:

 

Festgestellt werden konnte, dass der Beschwerdeführer einen Asylantrag gestellt hat und englisch spricht.

 

Beim Beschwerdeführer wurde Status Post bei Hepatitis B diagnostiziert.

 

Aktuelle Feststellungen zu Sierra Leone:

 

Aktuelle politische Situation

 

Nach der Verfassung vom 01.10.1991, die sich aus britischen und US-amerikanischen Elementen zusammensetzt und die horizontale Gewaltenteilung garantiert, hat Sierra Leone eine Präsidialdemokratie. Nach Beendigung des zehnjährigen Bürgerkrieges fanden am 14.05.2002 unter hoher Beteiligung der Bevölkerung Parlaments- und Präsidentschaftswahlen statt. Aus den friedlich und weitgehend fair verlaufenen Wahlen gingen Amtsinhaber Kabbah und seine Partei SLPP als klare Sieger hervor.

 

Präsident Kabbah leitet ein Kabinett von zurzeit 23 Ministern. Verwaltet wird das Land in drei Provinzen (ehemaliges britisches Protektorat) und der "Western Area" (Halbinsel mit Freetown, ehemals britische Kronkolonie). Den Provinzen sind insgesamt 12 Distrikte mit 146 "Chiefdoms" zugeordnet, die von gewählten "Paramount-Chiefs" verwaltet werden. Den Distrikten stehen gewählte "District Councils" vor, die von "District Committees" unterstützt werden.

 

Am 22.05.2004 fanden erstmals nach 32 Jahren landesweit wieder Regional- und Kommunalwahlen statt, aus denen die Regierungspartei SLPP insgesamt als Sieger hervorging; die "Western Area" aber an die Oppositionspartei APC verlor. Im Rahmen der Dezentralisierung geht sukzessive die Verantwortung auf die gewählten Kommunen und Town Councils über.

 

Die nächsten Präsidentschafts- und Parlamentswahlen sind für die erste Jahreshälfte 2007 geplant. Staatspräsident Kabbah hat angekündigt, nicht wieder für die SLPP kandidieren zu wollen. Als neuer Parteivorsitzender und Präsidentschaftskandidat wurde im September 2005 Vizepräsident Solomon Berewa nominiert. (Auswärtiges Amt, Innenpolitik Sierra Leone, April 2006,

 

 

http://www.auswaertigesamt.de/diplo/de/Laenderinformationen/SierraLeone/Innenpolitik.html, Zugriff am 08.11.2007)

 

Trotz großer Spannung während des Wahlkampfs sind die zweiten Wahlen seit dem Bürgerkrieg friedlich verlaufen. EU-Wahlbeobachter äußerten sich zunächst zufrieden über die gute Organisation und eine hohe Wahlbeteiligung, gaben aber später zu, dass die Regierung Geschenke an Wähler verteilt hätte. Die ersten Wahlen waren von der UNO organisiert worden.

 

(NAD - Netzwerk Afrika Deutschland, Wahl friedlich verlaufen, 13.08.2007

http://www.netzwerkafrika.de/dcms/sites/nad/laender/sierra_leone/ereignisse/index.html, Zugriff am 08.11.2007)

 

Nach den offiziellen Resultaten hat die Oppositionspartei 'All People's Congress' (APC) 59 der 112 Sitze im Parlament gewonnen und hat die Regierungspartei 'Sierra Leone People's Party (SLPP)', die 43 Sitze erhielt geschlagen. Die APC regierte das Land für zwei Jahrzehnte seit 1991. Die zweite Runde der Präsidentschaftswahlen findet nächsten Monat statt. (NAD - Netzwerk Afrika Deutschland, Opposition gewinnt Parlamentswahlen, 24.08.2007 http://www.netzwerkafrika.de/dcms/sites/nad/laender/sierra_leone/ereignisse/index.html, Zugriff am 08.11.2007)

 

Die regierende Volkspartei, die im letzten Parlament noch 85 Abgeordnete stellte, musste nach massiven Vorwürfen von Korruption und Amtsmissbrauch ordentlich Federn lassen: 43 Sitze hat sie dem vorläufigen Endergebnis zufolge noch im Parlament, gegenüber 59 für Koromas Volkskongress (APC) und zehn für die Volkspartei-Abspaltung "Volksbewegung für demokratischen Wandel".

 

Mit der APC kommt in Sierra Leone eine Bewegung an die Macht, die bis zum Ausbruch des Bürgerkriegs 1991 zwei Jahrzehnte lang die Geschicke im Land bestimmte. Fünf Jahre nach Ende des Bürgerkriegs mit mehr als 50.000 Toten scheinen die Wähler Koromas Partei vergeben zu haben, dass sie am Ende ihrer Amtszeit wie die scheidende Volkspartei wegen Korruption und Amtsmissbrauch verschrien war. Trotz kleiner Zwischenfälle gelten die Wahlen - die ersten, die Sierra Leone nach Ende des Bürgerkriegs in Eigenregie organisiert hat - bisher als Erfolg. Wahlbeobachter sprechen von fairen Wahlen und einem geordneten Ablauf. (derstandard.at, Sieg der Opposition bei Parlamentswahl. 24.08.2007, http://derstandard.at/Text/?id=2998137, Zugriff am 08.11.2007)

 

Nach einem von Gewalt geprägtem Wahlkampf ist der zweite Durchgang der Präsidentschaftswahlen friedlich verlaufen. In einer Botschaft hatten die katholischen Bischöfe aufgerufen, jegliche Gewalt zu vermeiden und die Wahlen zu nutzen, um eine Kultur des Friedens und des Respekts für den Rechtsstaat aufzubauen. (NAD - Netzwerk Afrika Deutschland, Friedliche Wahlen, 11.09.2007, http://www.netzwerkafrika.de/dcms/sites/nad/laender/sierra_leone/ereignisse/index.html, Zugriff am 08.11.2007)

 

Ernest Bai Koroma leistete als neuer Präsident seinen Amtseid. Nach einem heißen Wahlkampf gewann er die Stichwahl mit 54% gegen seinen Rivalen Solomon Berewa. Die Wahlkommission erklärte, dass einige Unregelmäßigkeiten bei der Wahl das Endresultat nicht verändern würden.

 

(NAD - Netzwerk Afrika Deutschland, Neuer Präsident vereidigt, 18.09.2007,

http://www.netzwerkafrika.de/dcms/sites/nad/laender/sierra_leone/ereignisse/index.html, Zugriff am 08.11.2007) (Derstandard.at, Opposition siegt bei Präsidentenwahl, 22.09.2007

http://derstandard.at/?url=/?ressort=SierraLeone (Zugriff am 08.11.2007)

 

Sicherheitslage

 

Sierra Leone befindet sich nach einem über zehn Jahre dauernden und zum Teil mit unerbittlicher Brutalität geführten Bürgerkrieg seit Januar 2002 wieder auf dem Weg zur Normalität. Die Sicherheitslage hat sich im ganzen Land stabilisiert. Sierraleonische Armee und Polizei sind landesweit stationiert und haben nach dem vollständigen Abzug der VNFriedensmission die Verantwortung für die innere und äußere Sicherheit übernommen. Die Entwaffnung und Reintegration der Ex-Kombattanten der verschiedenen Bürgerkriegsparteien wurde im März 2004 erfolgreich abgeschlossen. Über 70.000 Kämpfer wurden entwaffnet und mehr als 50.000 haben seither Ausbildungs- und Reintegrationsprogramme durchlaufen. Die hohe Arbeitslosigkeit, insbesondere unter den Jugendlichen, bleibt eine Gefahr für den sozialen Frieden und damit eine der größten Herausforderungen an die Regierung und die internationale Gebergemeinschaft.

 

(Auswärtiges Amt, Innenpolitik Sierra Leone, April 2006 http://www.auswaertigesamt.

de/diplo/de/Laenderinformationen/SierraLeone/Innenpolitik.html (Zugriff am 08.11.2007)

 

Die Sicherheitslage blieb im Allgemeinen stabil. Die Regierung übernahm mehr Verantwortung für die Aufrechterhaltung der Sicherheit. Allerdings gab die Lage an der Grenze zu Guinea zu Besorgnis Anlass. Die Streitkräfte wurden bei ihren Schulungsmaßnahmen auch im Berichtsjahr von einem internationalen Team von Militärberatern aus Großbritannien, den USA, aus Kanada, Bermuda, Australien und Frankreich unterstützt. (Amnesty International, Jahresbericht Sierra Leone,24.05.2007,http://www2.amnesty.de/internet/deall.nsf/51a43250d61caccfc1256aa1003d7d38/11e109bc75187706c12572ff00510708?OpenDocument Zugriff am 08.11.2007)

 

Menschenrechte

 

Die Menschenrechtssituation in Sierra Leone hat sich weiterhin verbessert. Durch Dezentralisierung und Einführung von neuen Strukturen auf Bezirksebene hat sich das Mitbestimmungsrecht bei politischen Angelegenheiten erheblich verbessert. Politische Aktivitäten und Debatten unter den Kandidaten für die Wahlen im Jahr 2007 blieben bisher friedlich. Es gibt weder Berichte von willkürlichen oder extralegalen Tötungen noch über verbreitete Menschenrechtsverletzungen. Ausgenommen davon ist die Genitalverstümmelung (FGM), die im Land weit verbreitet praktiziert wird. Anschuldigungen über Verletzungen von zivilen oder politischen Rechten werden routinemäßig untersucht, jedoch gab es Fälle wo die Regierung dies nicht zeitgerecht und transparent durchführte. (U.K. Home Office, Country of Origin Information Report Sierra Leone, March 2006

http://www.ecoi.net/file_upload/hl1175_sierra_leone_120406.doc, Zugriff am 08.11.2007)

 

Die Aufarbeitung der während des Bürgerkriegs begangenen Straftaten bzw. Menschenrechtsverletzungen obliegt dem mit Resolution Nr. 1315 (2000) des VNSicherheitsrats vom 14. August 2000 eingerichteten, von Deutschland finanziell unterstützten Sondergerichtshof für Sierra Leone, der eine temporale Zuständigkeit für alle nach dem 30.11.1996 begangenen Bürgerkriegsverbrechen hat. Materiell hat der Gerichtshof eine Zuständigkeit für Verbrechen gegen die Menschlichkeit und andere schwere Menschenrechtsverletzungen durch diejenigen Personen, die die größte Verantwortung tragen ("bearing the greatest responsibility"). Im Juni 2004 wurde mit den Hauptverhandlungen im Prozess gegen 9 der insgesamt 11 Angeklagten begonnen. Mit ersten Urteilsverkündungen ist nach Abschluss der erstinstanzlichen Verfahren in der zweiten Jahreshälfte 2006 zu rechnen. Charles Taylor, ehemaliger Präsident von Liberia und einer der Hauptangeklagten, wurde dem Gerichtshof am 29. März 2006 überstellt.

 

Parallel zum Sondergerichtshof wurde eine Wahrheits- und Versöhnungskommission (Truth and Reconciliation Commission, TRC) nach südafrikanischem Vorbild eingerichtet, die ihre Arbeit Ende 2003 abgeschlossen hat. Deutschland hat die Kommission mit insgesamt 730.000 EUR gefördert. Die zur moralischen Aufarbeitung des Bürgerkriegs eingesetzte Kommission hat im Juli 2005 den vier Bände umfassenden Bericht und ihre Empfehlungen an die sierraleonische Regierung (u.a. auch zur Entschädigung von Bürgerkriegsopfern) veröffentlicht. In dem Bericht sind die Aussagen von 8000 Betroffenen zusammengefasst. (Auswärtiges Amt, Innenpolitik Sierra Leone, April 2006, http://www.auswaertigesamt.

de/diplo/de/Laenderinformationen/SierraLeone/Innenpolitik.html, Zugriff am 08.11.2007)

 

Bei der Reform des Justizsystems wurden keine wesentlichen Fortschritte erzielt. Hauptprobleme waren unter anderem die schleppende Durchführung von Gerichtsverfahren und die Einmischung der Exekutive in die Rechtsprechung.

 

Nachdem sich Persönlichkeiten der Zivilgesellschaft bei der Kommission für Gesetzesreformen entsprechend eingesetzt hatten, kündigte diese an, sie beabsichtige, eine Reform der Verfassung herbeizuführen, um sie auf den Stand der aktuellen Gesetzgebung zu bringen. Nach dem Willen der Kommission soll die Bevölkerung von Sierra Leone bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen im Juli 2007 auch über einen Verfassungsentwurf abstimmen.

 

Anfang Oktober billigte das Parlament die Ernennung von fünf Mitgliedern der Menschenrechtskommission durch den Staatspräsidenten. Dieser hatte zwei Frauen, Jamesina King und Yasmin Jusu Sheriff, sowie drei Männer, Edward Sam, Joseph Stanley und Reverend Kanu, in die Kommission berufen. Zentrale Aufgabe der Kommission sind der Schutz und die Förderung der Menschenrechte, sie soll aber auch eine Kontrollfunktion wahrnehmen. (Amnesty International, Jahresbericht Sierra Leone, 24.05.2007, http://www2.amnesty.de/internet/deall.nsf/51a43250d61caccfc1256aa1003d7d38/11e109bc75187706c12572ff00510708?OpenDocument, Zugriff am 08.11.2007)

 

Die Regierung respektierte im Allgemeinen die Menschenrechte der Bürger, jedoch gab es in einigen Bereichen ernste Probleme wie z.B. Missbrauch und Vergewaltigungen, begangen von Sicherheitskräften, Anwendung übertriebener Gewalt an Häftlingen, auch an Jugendlichen.

 

Es gibt zahlreiche internationale und nationale Menschenrechtsorganisationen, die in Sierra Leone arbeiten. Generell haben sich einheimische sowie internationale Menschenrechtsorganisationen in Sierra Leone mit nur geringen Einschränkungen seitens der Regierung konfrontiert gesehen und können ihre Berichte auch veröffentlichen. Im Allgemeinen waren die Behörden kooperativ und Vorschlägen der NGO's gegenüber aufgeschlossen.

 

Das National Forum for Human Rights (NFHR) ist als Dachorganisation von 41 Menschenrechtsorganisationen in Sierra Leone tätig.

 

Ein Großteil der nationalen Menschenrechtsorganisationen hat den Bereich Menschenrechtsbildung als Schwerpunkt seiner Arbeit definiert. Einige Organisationen wie die "Campaign for Good Governance" das "Lawyers' Center for Legal Assistance" und "Access to Justice" haben Monitoring von Menschenrechtsverstößen betrieben. Menschenrechtsaktivist/Innen sind in ihrer Reisefreiheit im Land nicht eingeschränkt gewesen.

 

(US Department of State (USDOS), Country Reports on Human Rights Practices, 08.03.2007)

 

Versorgungslage

 

Wirtschaftliche Lage

 

Es gibt eine Anzahl staatlicher und nichtstaatlicher Hilfsorganisationen für Hilfsbedürftige in Sierra Leone.

 

Es besteht in Sierra Leone kein Mangel an Grundnahrungsmitteln und die derzeitige Lage in Sierra Leone kann als stabil angesehen werden.

 

(Österreichisches Honorarkonsulat Freetown, Anfragebeantwortung, 09.08.2006)

 

Nach dem wirtschaftlichen Niedergang des Landes während der Bürgerkriegsjahre ist seit Ende 2000 eine Verbesserung der Wirtschaftslage zu verzeichnen. Dennoch belegt Sierra Leone auch im Jahre 2005 weiterhin nur den vorletzten Platz unter den 177 Ländern im Human Development Index der Vereinten Nationen. Das Bruttosozialprodukt beträgt knapp 150 USD pro Kopf und Jahr; geschätzte 70 % der Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze von 1 USD pro Tag. Präsident Kabbah hat die Bekämpfung der Armut und des Hungers zum übergeordneten Ziel seiner Regierung erklärt. Die Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln soll bis zum Jahr 2007 erreicht werden.

 

Die landwirtschaftliche Produktion hat mit der Rehabilitierung von landwirtschaftlichen Nutzflächen und der Rückkehr der Flüchtlinge wieder zugenommen, auch bei den Exportgütern Kakao und Kaffee und beim Reisanbau. Nach Angaben der "Food and Agricultural Organisation", FAO, wurden seit Beendigung des Bürgerkrieges die Anbauflächen für Reis um 47% gesteigert (und damit fast 80% des Vorkriegsniveaus erreicht). Schätzungsweise 80% der ländlichen Bevölkerung betreiben reine Subsistenzlandwirtschaft; dennoch ist statistischen Angaben zufolge der Landwirtschaftssektor mit 60 % wichtigster Arbeitgeber. (Auswärtiges Amt, Wirtschaft Sierra Leone, April 2006http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Laenderinformationen/SierraLeone/Wirtschaft.html, Zugriff am 08.11.2007)

 

Gesundheitsversorgung

 

Der Gesundheitssektor befindet sich immer noch in einem schwierigen Stadium und benötigt dringend zusätzliche Ressourcen sowie eine neue Politik und neue Strukturen. Die Dienstleistungen sind in Teilen des Landes eingeschränkt. Der Zugang hängt hauptsächlich davon ab, ob die Patienten zahlen können. Vielen Krankenhäusern fehlen die geeigneten finanziellen Strukturen.

 

In Sierre Leone kommen 7 Ärzte auf 100.000 Einwohner. Aber mit der Rückkehr von Frieden und Stabilität verstärkt die Regierung ihre Anstrengungen bei der Neustrukturierung der Gesundheitsversorgung. Viele Krankenhäuser wurden renoviert. Die Krankenhäuser besitzen Krankenwagen und Allradfahrzeuge, die die Beförderung von Patienten und Krankenhauspersonal erleichtern können.

 

Bei der Bereitstellung von Gesundheitsdiensten sind im Land signifikante Unterschiede festzustellen. Ein privater Sektor der Gesundheitsversorgung existiert außerhalb der Provinzhauptstädte kaum. Die große Mehrheit der Gesundheitsdienste ist im Westen des Landes konzentriert. Dasselbe gilt für Apotheken.

 

Von den acht öffentlichen Krankenhäusern, die tertiäre Gesundheitsversorgung bieten, befinden sich fünf im Westen, die anderen in den Provinzhauptstädten Bo, Kenema und Makeni. Von den 15 öffentlichen Krankenhäusern, die sekundäre Gesundheitsversorgung bieten, befinden sich sechs im Westen und eines in jeder Distrikthauptstadt.

 

Die folgende Tabelle zeigt die Zahl der funktionierenden öffentlichen Gesundheitseinrichtungen.

 

Distrikt (Provinzen) ÖGE 2004

 

Bo (S) 80

 

Kenema (O) 87

 

Moyamba (S) 61

 

Pork Loko (N) 72

 

Bombali (N) 65

 

Kailahun (O) 58

 

Koinadugu (N) 40

 

Kono (O) 70

 

Privatkrankenhäuser, die Religionskörperschaften gehören, sind besser als die Regierungskrankenhäuser ausgestattet.

 

(IOM - International Organization for Migration, Länderinformationsblatt Sierra Leone, Juni 2007)

 

Rückkehrsituation

 

Staatsangehörige von Sierra Leone haben bei ihrer Rückkehr keine Konsequenzen zu befürchten.

 

Es besteht in Sierra Leone keine Meldepflicht und die derzeitige Lage in Sierra Leone kann als stabil angesehen werden. (Österreichisches Honorarkonsulat Freetown, Anfragebeantwortung, 09.08.2006)

 

"Die Rückführung von Flüchtlingen nach Sierra Leone begann im Dezember 2000 mit einer Notfallevakuierung aus Guinea, von wo Flüchtlinge aus Sierra Leone aufgrund des Einfallens bewaffneter Elemente fliehen mussten.

Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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