TE Vwgh Erkenntnis 2001/4/4 2000/01/0530

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Veröffentlicht am 04.04.2001
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1997 §7;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Mairinger und Dr. Köller als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des TE in W, geboren am 16. Oktober 1956, vertreten durch Mag. Dieter Hauser, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Falkestraße 1, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 20. September 2000, Zl. 216.344/0-V/14/00, betreffend §§ 7 und 8 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der seit 1995 mit Unterbrechungen in Österreich aufhältige Beschwerdeführer reiste zuletzt im Juli 1999 in das Bundesgebiet ein. Er ist Staatsbürger der Bundesrepublik Jugoslawien, stammt aus dem Kosovo und gehört der albanischen Volksgruppe an. Seinen Asylantrag vom 19. Oktober 1999 begründete er im Wesentlichen damit, dass er von der UCK gesucht werde, weil er nicht für sie gearbeitet habe; er habe "nichts bezahlt und sie nicht unterstützt". Bei einem Heimatbesuch im Sommer 1999 sei er von zwei ehemaligen Lehrerkollegen, Mitgliedern der UCK, gefragt worden, warum er nichts für die UCK getan, warum er nicht gekämpft oder die UCK finanziell unterstützt habe. In der Folge sei er dann auch geschlagen und aufgefordert worden, nicht mehr in den Kosovo zu kommen, er "hätte dort nichts".

Mit Bescheid vom 23. März 2000 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG ab; zugleich sprach es aus, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die "BR Jugoslawien, Provinz Kosovo" gemäß § 8 AsylG zulässig sei. Auf Grund der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung führte der unabhängige Bundesasylsenat (die belangte Behörde) am 13. September 2000 eine mündliche Verhandlung durch. Dabei gab der Beschwerdeführer u.a. an, dass er seine Tätigkeit als Lehrer beendet habe (1995), weil er von den Serben keinen Lohn mehr erhalten habe. Zu seinem Treffen mit den beiden ehemaligen Kollegen führte er weiter aus, dass er nicht gegen die UCK sei. Die beiden Kollegen wären jedoch dieser Meinung gewesen, weil er die UCK nicht finanziell unterstützt habe. Er (der Beschwerdeführer) habe versucht, die beiden davon zu überzeugen, dass ihm eine finanzielle Unterstützung nicht möglich gewesen wäre. Die beiden ehemaligen Kollegen hätten ihm geantwortet, dass es sie nicht interessiere, ob er 9.000,-- oder 50.000,-- Schilling verdiene. Einer der beiden habe ihn an den Haaren gepackt und in ein Auto zerren wollen; der andere habe seine Pistole gezogen und ihn erschießen wollen. Das sei jedoch von anderen Kosovo-Albanern (es sei "Markt" gewesen) verhindert worden. Die beiden ehemaligen Kollegen hätten dem Beschwerdeführer "gesagt", dass er früher nicht ohne Lohn für den Kosovo gearbeitet habe und dass es eine Liste von Personen gebe, die die UCK nicht unterstützt hätten. Es gebe in jeder Gemeinde ein solches Verzeichnis, die beiden ehemaligen Kollegen hätten eine Liste mitgehabt und der Name des Beschwerdeführers sei auf der Liste gestanden.

Mit Bescheid vom 20. September 2000 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG ab (Spruchpunkt A). Weiters stellte sie gemäß § 8 AsylG iVm § 57 FrG fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers "in die autonome Provinz Kosovo der Bundesrepublik Jugoslawien" zulässig sei (Spruchpunkt B). Dieser Entscheidung legte die belangte Behörde als Sachverhalt zugrunde, dass der Beschwerdeführer im Sommer 1999 in den Kosovo gereist sei, um dort die Lage zu erkunden; dabei habe er mit zwei Kollegen, mit denen er als Lehrer 12 Jahre lang zusammengearbeitet hätte, Probleme gehabt; diese Kollegen seien bei der UCK gewesen und hätten ihn bedroht, weil er (zu ergänzen: im Kosovo ab 1995) nicht ohne Lohn unterrichtet und die UCK nicht unterstützt habe. Nunmehr habe er Angst, von diesen Leuten bei einer Rückkehr umgebracht zu werden. Wenn er (der Beschwerdeführer) mehr Geld gehabt hätte, hätte er die UCK unterstützt; er sei nicht gegen die UCK eingestellt gewesen.

Nach Feststellungen zur "allgemeinen Situation im Kosovo" führte die belangte Behörde weiter aus, dass die Entmilitarisierung der Kosovobefreiungsarmee UCK inzwischen erfolgt sei. Infolge der weiten Verbreitung von Waffen in der kosovarischen Bevölkerung im Allgemeinen werde man (jedoch) davon ausgehen können, dass es auch nach Auflösung der UCK bewaffnete ehemalige UCK-Kämpfer und Waffenlager gäbe. Der UN-Generalsekretär habe in seinem letzten Report eingeräumt, dass einzelne ehemalige UCK-Mitglieder an kriminellen Aktivitäten beteiligt seien, diese würden jedoch von ehemaligen Führern der UCK öffentlich verurteilt und sei es in der Folge verstärkt zu Verhaftungen gekommen. Infolge der KFOR-Präsenz und dem zwischen KFOR und UCK abgeschlossenen "Demilitarisation Agreement" sei auszuschließen, dass es im Kosovo heute noch bewaffnete UCK-Einheiten gäbe. Die "International Organisation for Migration" habe darüber hinaus ein sehr ambitioniertes Programm zur Wiedereingliederung ehemaliger UCK-Kämpfer ins zivile Leben gestartet. Nicht entgegengetreten werden könne allerdings Berichten, dass UCK-Strukturen, insbesondere im Bereich der lokalen Verwaltungen, nach wie vor bestünden; die UNMIK sei jedoch bemüht, diese in eigene Verwaltungsstrukturen zu integrieren; Übergriffen ehemaliger UCK-Kämpfer trete KFOR energisch entgegen.

Rechtlich verwies die belangte Behörde einerseits auf den Wegfall des effektiven Machtapparates des vormaligen Verfolgers (Serbien). Andererseits führte sie aus, dass eine dem Staat zuzurechnende asylrelevante Verfolgungssituation auch dann gegeben sein könne, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage sei, von "Privatpersonen" (hier: ehemalige Lehrerkollegen und Mitglieder der UCK) ausgehende Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, sofern diesen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - Asylrelevanz zukommen sollte. Der Beschwerdeführer habe (jedoch) bei der mündlichen Verhandlung auf den Vorhalt, sich unter den Schutz der im Kosovo stationierten Einheiten wenden zu können, um vor kriminellen Übergriffen durch UCK-Kämpfer sicher zu sein, vorgebracht, dass diese Truppen keine Möglichkeit hätten, ihn rund um die Uhr zu schützen. Damit könne der Beschwerdeführer der behaupteten Verfolgung durch die kriminellen "UCK-(Lehrer) Kollegen" keine asylrechtlich relevante Bedeutung verleihen, weil in dieser Aussage zum Ausdruck komme, dass die für die Bekämpfung der Verbrechen zuständigen Organe grundsätzlich sehr wohl in der Lage und auch willens seien, ihn vor einer Verfolgung in Schutz zu nehmen. Ein lückenloser Schutz vor privater Verfolgung könne von den (quasi) staatlichen Organen nicht gewährleistet werden, weshalb dem Fehlen eines solchen auch keine Asylrelevanz zukomme.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer seinen Asylantrag ausschließlich auf eine befürchtete Verfolgung seitens der UCK (bzw. seitens ehemaliger Mitglieder dieser Organisation) gestützt. Wie die belangte Behörde richtig erkannt hat, wäre eine derartige Verfolgung dann von Relevanz, wenn die nunmehrige Ordnungsmacht (Organe der Vereinten Nationen) nicht willens oder nicht in der Lage sein sollte, eine derartige Verfolgung - so sie asylrelevante Intensität erreicht und auf die in der Genfer Flüchtlingskonvention genannte Gründe zurückzuführen ist - zu unterbinden (vgl. zuletzt und näher zur Frage der Schutzfähigkeit das hg. Erkenntnis vom 6. März 2001, Zl. 2000/01/0056, mwN).

Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vorgehalten, er könne sich vor kriminellen Übergriffen durch die UCK-Kämpfer um Schutz an die im Kosovo stationierten Einheiten (KFOR) wenden. Dem hielt der Beschwerdeführer entgegen, dass diese Truppen keine Möglichkeit hätten, ihn rund um die Uhr zu schützen; "der Staat, die NATO und die UNMIK können nicht jede Person und jedes Haus schützen". Die belangte Behörde wertete diesen Einwand dahin, dass daraus zum Ausdruck komme, dass die für die Bekämpfung dieser Verbrechen zuständigen Organe grundsätzlich sehr wohl in der Lage und auch willens seien, ihn (den Beschwerdeführer) vor einer Verfolgung in Schutz zu nehmen. Auf die Aussage des Beschwerdeführers bzw. auf seine persönliche Wertung kommt es in diesem Zusammenhang indes nicht an. Maßgeblich ist vielmehr, wie sich die Schutzfähigkeit der internationalen Verwaltung tatsächlich darstellt, wozu die belangte Behörde Ermittlungen zu pflegen und Feststellungen zu treffen hatte. Dieser Verpflichtung ist die belangte Behörde insoweit nachgekommen, als sie im Rahmen ihrer Feststellungen zur "allgemeinen Situation im Kosovo" auch auf den Aspekt der Sicherheit Bezug genommen hat. Im Einzelnen finden sich dazu im bekämpften Bescheid folgende Ausführungen:

"... Zur Aufrechterhaltung von Sicherheit, Ruhe und Ordnung zeigen KFOR-Einheiten eine sehr sichtbare Präsenz. Zu den wichtigsten Maßnahmen zählen Rund-um-die-Uhr Straßenpatrouillen, Fahrzeug- und Personenkontrollen, Hausdurchsuchungen, eine 'statische' Bewachung von Kulturgütern sowie Grenzpatrouillen. Diese Aktivitäten zeigen zunehmend Resultate und machen der Bevölkerung klar, dass die KFOR nicht bereit ist, Verstöße gegen die geltenden Gesetze - wie das im Kosovo übliche illegale Waffentragen - zuzulassen. ... Das Kosovo Protection Corps (TMK) ist als zivile Organisation konstruiert worden und besteht weitgehend aus demobilisierten Mitgliedern der UCK. Die TMK verfügt über rund 5.000 Mitglieder; im Jänner wurden 44 ehemalige UCK-Offiziere zu TMK-Offizieren ernannt. Die Aufgaben der TMK sind der zivile Wiederaufbau und Katastrophenhilfe. Von albanischer Seite wird die TMK jedoch eher als Grundstein einer neuen zukünftigen Armee betrachtet. ... Im Kosovo herrscht weiterhin eine Atmosphäre der (teilweisen) Gesetzlosigkeit und Gewaltbereitschaft, aber keine systematische Gewalt. Die Gewalt ist gemäß einem internen UNO-Bericht vom 12.1.2000, aber auch gemäß KFOR-Kommandant Reinhardt und amerikanischen Stellen, insgesamt klar zurückgegangen. ..."

Darüber hinaus traf die belangte Behörde die schon zuvor in der Bescheidwiedergabe erwähnten Feststellungen zur Entmilitarisierung der UCK, zum Weiterbestand von UCK-Strukturen im Bereich der lokalen Verwaltungen und dazu, dass Übergriffen ehemaliger UCK-Kämpfer seitens der KFOR energisch entgegengetreten werde.

Die erwähnten Feststellungen weisen auf eine ausreichende Schutzfähigkeit der internationalen Verwaltung hin. Sie sind jedoch nicht mit jenen Grundlagen in Einklang zu bringen, auf die sich die belangte Behörde selbst bezogen hat und die - wenn auch nur partiell - mit dem Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vom 13. September 2000 erörtert wurden. Das gilt namentlich für den im bekämpften Bescheid als "UNHCR-Empfehlung betreffend Rückführung, Up Date März 2000" bezeichneten Bericht, der u.a. seinerseits auf eine angeschlossene "UNHCR-Hintergrundinformation über ethnische Albaner aus dem Kosovo, die nach wie vor des internationalen Rechtsschutzes bedürfen" verweist. In dieser "UNHCR-Hintergrundinformation" wird auszugsweise Folgendes festgehalten:

     "... Inzwischen ist jedoch ein neues Muster von Gewalt,

Schikanen, und Diskriminierung entstanden, das in vielen Fällen

die Form von Verfolgung annimmt. Diese neuerliche Gewalt richtet

sich gegen neue Opfer, deren Schutz größte Aufmerksamkeit

verlangt. Bei diesen Opfern handelt es sich größtenteils um

ethnische Minderheiten, aber auch um bestimmte Kategorien von

Kosovo-Albanern. ... Es ist unwahrscheinlich, dass Personen aus

Gegenden, in denen sie zur ethnischen Minderheit gehören, an ihre

Herkunftsorte zurückkehren können; viel wahrscheinlicher ist, dass

sie Bedingungen vorfinden, die zu interner Vertreibung bzw. zu

begründeter Furcht vor Verfolgung führen. ... Im zur Zeit

herrschenden Klima der Gewalt und der ungeahndet bleibenden Straftaten könnten bestimmte Kosovo-Albaner im Falle ihrer Rückkehr mit ernsten Problemen konfrontiert sein, einschließlich von Gewalt gegen Leib und Leben. Berichte über Gewalt, Schikanen und Diskriminierung enthalten Informationen, die darauf schließen lassen, dass vor allem folgende Kategorien Verfolgung befürchten müssen:

-

...

-

Personen, die sich weigerten, sich der Kosovo-Befreiungsarmee (UCK) anzuschließen oder aus dieser desertiert sind

-

Personen, die sich kritisch über die ehemalige UCK bzw. die frühere selbst ausgerufene 'Provisorische Regierung des Kosovo' äußern, und Mitglieder oder Anhänger politischer Parteien, die nicht die Linie der ehemaligen UCK bzw. der früheren selbst ausgerufenen 'Provisorischen Regierung des Kosovo' vertreten

-

Personen, die sich weigern, den Gesetzen und Vorschriften der ehemaligen UCK bzw. der früheren selbst ausgerufenen 'Provisorischen Regierung des Kosovo' Folge zu leisten.

     - Diese Auflistung ist nicht vollständig und es kann durchaus

auch andere Personen bzw. Gruppierungen geben, die im Kosovo

ebenfalls mit Verfolgung rechnen müssen. ... Die UCK wurde am

20. September 1999 aufgelöst und es entstand aus ihr die Partei

für ein progressives und demokratisches Kosovo ... . Gleichzeitig

wurden viele ehemalige Kämpfer der UCK in das neu entstandene

Kosovo-Schutzkorps (TMK) ... übernommen. ... Das TMK wurde zwar im

Einvernehmen mit KFOR eingerichtet und in der Folge durch eine UNMIK-Verordnung sanktioniert, doch hat sie keinerlei Befugnisse als Exekutive oder bei der Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung. Dennoch wird immer wieder über illegale Aktivitäten polizeilicher Natur und andere illegale Handlungen durch Personen berichtet, die behaupten, das TMK zu repräsentieren, die über provisorische TMK-Ausweise verfügen oder TMK-Uniformen tragen. ... Angebliche Vertreter der ehemaligen UCK, des TMK oder des MRP werden immer wieder in Zusammenhang mit Schikanen und Gewalt gegen Minderheiten gebracht. ... Hierzu sei festgestellt, dass sich die Urheber solcher Schikanen und Gewalttaten oft als Vertreter der Staatsgewalt ausgeben, weshalb die Opfer nicht offen über das von ihnen Erlebte sprechen wollen, was Ermittlungen und entsprechende Maßnahmen seitens der rechtmäßigen Behörden sehr erschwert. ... Die mangelnde Aussagebereitschaft wichtiger Zeugen und Schwachstellen im Justizwesen behindern die diesbezüglichen Bemühungen, was dazu führt, dass diese irregulären und illegalen Aktivitäten weitergehen. ... Trotz engagierter Bemühungen sowohl der KFOR als auch der UNMIK-Polizei konnten zahlreiche Angriffe auf Minderheiten und auf die unten beschriebenen Kategorien von Albanern nicht verhindert werden, und es herrscht in vielen Teilen der Provinz ein Klima der Gesetzlosigkeit, in dem Straftaten ungeahndet bleiben. ... In vielen Gebieten ist die Bevölkerung nicht bereit, der KFOR oder der UNMIK-Polizei Verbrechen zu melden, da sie einerseits nicht glauben, dass sie damit etwas Positives bewirken, und sie andererseits Repressalien befürchten. Der Umstand, dass viele Leute meinen, ihre Probleme über Parallelstrukturen lösen zu können oder zu müssen, zeigt, mit welchen Hindernissen KFOR und die UNMIK-Polizei zu kämpfen haben.

Diese Mängel in der Polizeiarbeit beeinträchtigen nachhaltig die

Fähigkeit der rechtmäßigen Behörden im Kosovo, die Rechte aller

Einwohner wirksam zu schützen. ... Im derzeit herrschenden Klima

der Gesetzlosigkeit und der ungeahndet bleibenden Straftaten

scheinen die Richter und Staatsanwälte in bestimmten Fällen unter

großem Druck zu stehen, was sie daran hindert, ihren beruflichen

Pflichten nachzukommen. ... Eine ganze Reihe von Fällen werden

dadurch blockiert, dass die Staatsanwälte einfach keine Ermittlungen einleiten und sie stattdessen an Untersuchungsrichter weiterleiten. Ob sie dies nun auf Druck von außen oder auf Grund ihrer eigenen Loyalitäten oder Befangenheit tun, so ist jedenfalls die Folge, dass gewisse Personen vor dem Gesetz geschützt werden und dass keine konsequenten Untersuchungen und Gerichtsverfahren stattfinden. ... Solange keine Verbesserung eintritt, ist davon auszugehen, dass das derzeitige Justizsystem keinen Schutz der Rechte aller Einwohner des Kosovo garantiert. ..."

Vor dem Hintergrund der eben zitierten Passagen aus der "UNHCR-Hintergrundinformation" stellt sich die Frage, wie die belangte Behörde zu den oben wiedergegebenen, ein im Wesentlichen deutlich positiveres Bild der Sicherheitssituation im Kosovo zeichnenden Feststellungen gelangen konnte. Eine Beantwortung dieser Frage ist die belangte Behörde im bekämpften Bescheid schuldig geblieben, sie hat sich - soweit erkennbar - nicht näher mit den Aussagen dieser "UNHCR-Hintergrundinformation" auseinander gesetzt. Das belastet ihren Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, der aus nachstehenden Gründen Relevanz zukommt:

Zunächst könnte am Boden der dargestellten Aussagen der "UNHCR-Hintergrundinformation" nicht davon ausgegangen werden, dass die internationale Verwaltung im Kosovo ausreichend schutzfähig wäre; die dargestellten Defizite im Polizeiwesen und im Justizsystem ließen gegebenenfalls eine Verfolgung mit "maßgeblicher Wahrscheinlichkeit" (siehe dazu das schon erwähnte hg. Erkenntnis vom 6. März 2001) erwarten. Dass eine derartige Verfolgung asylrelevante Intensität erreichen könnte, stünde im Hinblick auf die Behauptungen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vom 13. September 2000 außer Zweifel (die belangte Behörde spricht im gegebenen Zusammenhang zwar nur unscharf von "Problemen" mit Lehrerkollegen, die den Beschwerdeführer bedroht hätten, lässt jedoch nicht erkennen, dass seinen Angaben über den "Entführungsversuch" unter Anwendung von Waffengewalt die Glaubwürdigkeit versagt worden wäre). Nach der Darstellung des Beschwerdeführers wäre die befürchtete Verfolgung schließlich nicht schlichtweg auf kriminelle Motive gestützt, sondern als eine solche zu qualifizieren, die aus Gründen seiner "politischen Gesinnung" (Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) stattfinde. Dass der Beschwerdeführer tatsächlich nicht gegen die UCK eingestellt sei, ist insoweit irrelevant; maßgeblich ist allein, dass ihm seitens dieser Organisation bzw. ihrer Mitglieder behauptetermaßen unterstellt werde, eine derartige Einstellung zu vertreten und dass im Hinblick darauf Verfolgung drohe (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 30. September 1997, Zl. 96/01/0871).

Leidet der bekämpfte Bescheid an einem Verfahrensmangel, dem nach dem eben Gesagten Relevanz zukommt, so muss er - konkret gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG - der Aufhebung verfallen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 4. April 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2000010530.X00

Im RIS seit

07.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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