TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/03 A5 314818-1/2008

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Veröffentlicht am 03.09.2008
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Spruch

A5 314.818-1/2008/6E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. SCHREFLER-KÖNIG als Vorsitzende und die Richterin Mag. UNTERER als Beisitzerin im Beisein der Schriftführerin VB Wilhelm über die Beschwerde der E.B., geb. 00.00.1985, Staatsangehörige von Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 13.9.2007, Zl. 07 07.832- EAST West, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

I. Die Beschwerde der E.B. wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, abgewiesen.

 

II. Gemäß § 8 Abs. 1 Z. 1 AsylG 2005 wird E.B. der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Nigeria nicht zuerkannt.

 

III. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 AsylG 2005 wird E.B. aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe

 

Verfahrensgang

 

I.1. Mit dem angefochtenen Bescheid hat das Bundesasylamt den Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung von internationalem Schutz vom 26.8.2007 abgewiesen, ihr den Status der Asylberechtigten und den Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Nigeria nicht zuerkannt und diese Entscheidung mit einer Ausweisung verbunden.

 

I.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde. Mit 1.7. 2008 wurde gegenständliche Beschwerdeangelegenheit dem nunmehr erkennenden Senat des Asylgerichtshofes zur Entscheidung zugewiesen.

 

I.3. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 41 Abs. 7 AsylG 2005 Abstand genommen, da der entscheidungsrelevante Sachverhalt als aus der Aktenlage als geklärt anzusehen ist (siehe dazu auch noch begründend unter Punkt II.3).

 

I. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

II.1. Folgender Sachverhalt wird der Entscheidung zugrunde gelegt:

 

II.1.1.Die Identität der Beschwerdeführerin konnte nicht festgestellt werden. Es ist davon auszugehen, dass sie Staatsangehörige von Nigeria ist.

 

II.1.2. Sie reiste am 26.8.2007 illegal nach Österreich ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz.

 

II.1.3. Am der Antragstellung folgenden Tag wurde die nunmehrige Beschwerdeführerin gemäß § 19 AsylG 2005 von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich einvernommen. Zu ihren Fluchtgründen gab die Genannte an, Nigeria verlassen zu haben, weil sie Probleme mit der Familie ihres verstorbenen Gatten gehabt habe. Diese habe sie lebendig begraben wollen.

 

II.1.4. Am 4.9.2007 führte die belangte Behörde eine niederschriftliche Einvernahme mit der nunmehrigen Beschwerdeführerin durch. Dabei führte die Beschwerdeführerin zu ihren persönlichen Verhältnissen aus, verwitwet zu sein und eine Tochter zu haben, die bei ihrem Vater in Nigeria lebe. Sie sei von ihrem Vater gezwungen worden, einen älteren Mann zu heiraten. Nachdem dieser am 00.00. 2007 gestorben sei, habe die Familie der Tradition entsprechend von ihr gefordert, nun den ältesten Sohn zu ehelichen. Für den Fall ihrer Weigerung sei ihr gedroht worden, dass sie bei lebendigem Leib begraben werde. Sie habe sich dennoch geweigert und sei zu ihrem Vater in dessen Haus zurückgekehrt. Die Familienangehörigen ihres verstorbenen Mannes seien ihr nur dreißig Minuten später gefolgt und hätten ihren Vater beschimpft. Sie sei darauf hin nach Port Harcourt geflüchtet und habe sich dort einen Tag aufgehalten. Im Fall ihrer Rückkehr befürchte die nunmehrige Beschwerdeführerin, von der Familie ihres verstorbenen Mannes lebendig begraben zu werden, wenn sie nicht den ältesten Sohn heirate. Sie habe sich sogar an die Polizei gewandt, die aber darauf verwiesen habe, dass stets ein Polizist umgebracht würde, wenn jemand die besagte Familie aufsuche.

 

Im Zuge der Einvernahme wurden der Beschwerdeführerin seitens der belangten Behörde aktuelle Feststellungen zur Lage in Nigeria zur Kenntnis gebracht und dabei insbesondere auf die Frage der Schutzmöglichkeiten von Frauen vor geschlechtsspezifischen Verfolgungshandlungen eingegangen. Die Beschwerdeführerin wollte sich dazu nicht äußern.

 

II.1.5. Am 12.9. 2007 fand eine weitere niederschriftliche Einvernahme der nunmehrigen Beschwerdeführerin vor der belangten Behörde statt. Dabei betonte die Genannte, sie könne nicht in ihre Heimat zurück, da sie dort nicht überleben werde. Sie habe kein Geld und kenne auch niemanden, der ihr weiterhelfen könne. Sie habe außerdem Angst davor, von der Familie ihres verstorbenen Mannes geschlagen zu werden.

 

II.1.6. Die belangte Behörde wies den Antrag der nunmehrigen Beschwerdeführerin auf Gewährung von internationalem Schutz ab. Die bekämpfte Entscheidung enthält umfassende und aktuelle Länderfeststellungen zu Nigeria. Begründend führte die belangte Behörde aus, den Angaben der nunmehrigen Beschwerdeführerin keinen Glauben zu schenken, da sie die Bedrohung durch die Familie ihres verstorbenen Mannes bloß in den Raum gestellt habe und sich zudem auch in den Abläufen widersprochen habe. So habe sie etwa einmal behauptet, unmittelbar nach der Bedrohung durch die Familie ihres verstorbenen Mannes nach Port Harcourt geflüchtet zu sein, während sie an anderer Stelle behauptet habe, eine Anzeige bei der Polizei erstattet zu haben. Die angegebene Begründung für die mangelnde Hilfestellung durch die Polizei sei völlig unglaubwürdig. Zudem stünde der Betreffenden eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung. Wenn die Genannte einen Ortswechsel unter Verweis auf eine ihr nicht näher bekannte "katholische" Frau bloß deshalb ausschließe, weil ihr diese gesagt habe, die Familie ihres verstorbenen Mannes würde sie andernfalls umbringen, sei dies alleine deshalb unglaubwürdig, weil diese Frau die Familie der Beschwerdeführerin gar nicht kenne.

 

II.1.7. Die Beschwerdeführerin bekämpfte die Entscheidung der belangten Behörde fristgerecht mittels Berufung (ab 1.7.2008: Beschwerde). Nachdem der Schriftsatz entgegen den Vorschriften von der Beschwerdeführerin nicht unterfertigt worden war, wurde ihr mit Schreiben des Asylgerichtshofes vom 15.7. 2008 ein diesbezüglicher Verbesserungsauftrag erteilt, dem die Genannte fristgerecht nachgekommen ist.

 

Die Beschwerdeführerin monierte die inhaltliche Rechtswidrigkeit und Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie die unrichtige und fehlende Sachverhaltsfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung. Die belangte Behörde sei durch eine nicht nachvollziehbare Beweiswürdigung zum Ergebnis gelangt, dass das Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht glaubwürdig sei. Die belangte Behörde habe die Genannte keineswegs einer konkreten Befragung unterzogen, in der sie sie zu genaueren Angaben ermuntert habe.

 

II.2. Zur Lage in Nigeria

 

Die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zu Nigeria werden zum Inhalt dieses Erkenntnisses des Asylgerichtshofes erklärt.

 

II.3. Rechtliche Beurteilung und Beweiswürdigung

 

II.3.1. Gemäß § 28 Abs. 1 AsylGHG, BGBl. I Nr. 2008/4, nimmt der Asylgerichtshof mit 1.7.2008 seine Tätigkeit auf. Das Bundesgesetz über den Unabhängigen Bundesasylsenat (UBASG), BGBl. Nr. 77/1997, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2005, tritt mit 1.7.2008 außer Kraft.

 

II.3.2.Gemäß § 23 AsylGHG sind auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof, sofern sich aus dem Bundes- Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. I/1930, dem Asylgesetz 2005, AsylG 2005, BGBl. Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985- VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991- AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs " Berufung" der Begriff " Beschwerde" tritt.

 

II.3.3.Gemäß § 9 leg.cit. entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, sofern bundesgesetzlich nicht die Entscheidung durch Einzelrichter oder verstärkte Senate (Kammersenate) vorgesehen ist.

 

II.3.4. Gemäß § 61 Abs. 1 AsylG entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes. Gemäß Abs. 3 entscheidet der Asylgerichtshof durch Einzelrichter über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4, wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5 und wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG sowie über die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.

 

II.3.5. Gemäß § 75 Abs. 7 AsylG 2005 sind am 1.7.2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen weiterzuführen:

 

Mitglieder des Unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, sind von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat weiterzuführen.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, die von nicht zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannten Mitgliedern des Unabhängigen Bundesasylsenates geführt wurden, sind nach Maßgabe der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes vom zuständigen Senat weiterzuführen.

 

II.3.6. Gemäß § 41 Abs.7 AsylG 2005 kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 67d AVG.

 

II.3.7. Gemäß § 18 Abs. 1 AsylG 2005 haben das Bundesasylamt und der Asylgerichtshof in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amtswegen beizuschaffen. Gemäß Abs. 2 ist im Rahmen der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Vorbringens eines Asylwerbers auf die Mitwirkung im Verfahren Bedacht zu nehmen.

 

II.3.8. Gemäß § 15 AsylG 2005 hat ein Asylwerber am Verfahren nach diesem Bundesgesetz mitzuwirken; insbesondere hat er ohne unnötigen Aufschub seinen Antrag zu begründen und alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen. Weiters hat er bei Verfahrenshandlungen und Untersuchungen durch einen Sachverständigen persönlich und rechtzeitig zu erscheinen, und an diesen mitzuwirken sowie unter anderen auch dem Bundesasylamt oder dem Asylgerichtshof alle ihm zur Verfügung stehenden Dokumente und Gegenstände am Beginn des Verfahrens, oder soweit diese erst während des Verfahrens hervorkommen oder zugänglich werden, unverzüglich zu übergeben, soweit diese für das Verfahren relevant sind.

 

Im gegenständlichen Fall liegen die genannten Voraussetzungen des § 41 Abs.7 AsylG 2005 für den Entfall einer mündlichen Verhandlung vor.

 

Die belangte Behörde hat ein im beschriebenen Sinne ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und enthält der Beschwerdeschriftsatz zudem kein Vorbringen, das geeignet wäre, die in der schlüssigen Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides zum Ausdruck kommende Beurteilung der belangten Behörde zu entkräften oder in Zweifel zu ziehen. Der verfahrensrelevante Sachverhalt ist daher nach dem Dafürhalten des Asylgerichtshofes als aus der Aktenlage als geklärt anzusehen.

 

Nach ständiger Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u. a. VwGH vom 23.1.2003, Zl. 2002/20/0533, VwGH vom 2.3.2006, Zl. 2003/20/0317), kann nur dann angenommen werden, dass ein Sachverhalt nicht aus der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung (nunmehr Beschwerde) als geklärt anzusehen ist, wenn die erstinstanzliche Beweiswürdigung in der Berufung substantiiert bekämpft wird oder der Berufungsbehörde ergänzungsbedürftig oder in einem entscheidenden Punkt nicht richtig erscheint, wenn rechtlich relevante Neuerungen vorgetragen werden oder wenn die Berufungsbehörde ihre Entscheidung auf zusätzliche Ermittlungsergebnisse stützen will.

 

Diese Voraussetzungen liegen im gegenständlichen Fall der Beschwerdeführerin nicht vor.

 

Der Asylgerichtshof erachtet es des Weiteren im gegenständlichen Fall nicht für notwendig, die Beweiswürdigung des Bundesasylamtes um zusätzliche (über bloße Zusatzbemerkungen oder Eventualausführungen hinausgehende) eigene Argumente zu ergänzen.

 

Nach der Rechtssprechung des VwGH widerspräche lediglich diese Notwendigkeit der Annahme eines hinreichend geklärten Sachverhaltes mit der Folge, dass von einer mündlichen Verhandlung nicht Abstand genommen werden dürfte (vgl. VwGH vom 30.9.2004, Zl. 2001/20/0140).

 

II.2.9. Gemäß § 66 Abs.4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

II.2.10. Auf die oben zitierte Bestimmung des § 23 AsylGHG, demzufolge die Bestimmungen des AVG mit der Maßgabe anzuwenden sind, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt, wird hingewiesen.

 

Gegenständlicher Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz wurde am 26.8.2007 gestellt, so dass die Bestimmungen des AsylG 2005 vollinhaltlich zur Anwendung gelangen.

 

Zu Spruchpunkt I

 

II.2.11. Gemäß § 3 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatssicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist und glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

 

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK (idF des Art. 1 Abs.2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. z.B. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde.

 

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/011). Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.2.1997, 95/01/0454; 9.4. 1997, 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr -Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl VwGH 18.4.1996, 95/20/0239; vgl. auch VwGH 16.2.2000, 99/01/097), sondern erfordert eine Prognose.

 

Verfolgungshandlungen, die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. dazu VwGH 9.3.1999, 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99720/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorherigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.6.1994, 94/19/0183; 18.2.1999, 98/20/0468). Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 9.3.1999, 98/01/0318; 19.10.2000, 98/20/0233).

 

II.2.12. Der Asylgerichtshof schließt sich somit unter Abstandnahme einer mündlichen Verhandlung der Beurteilung der belangten Behörde an und kommt zum Ergebnis, dass dem Vorbringen der Beschwerdeführerin keine Asylrelevanz im oben beschriebenen Sinne zukommt.

 

Wenn die Beschwerdeführerin gegen die Beurteilung der belangten Behörde auftritt und einwendet, sie sei keiner "konkreten Befragung" unterzogen worden, ist ihr entgegen zu halten, dass die belangte Behörde ihr durch Nachfrage, aus welchen Gründen sie Nigeria verlassen habe, Gelegenheit eingeräumt hat, sich umfassend zu ihren Fluchtgründen zu äußern. Es ist in diesem Zusammenhang nicht der belangten Behörde anzulasten, wenn die Antworten der Beschwerdeführerin knapp und oberflächlich ausgefallen bzw. vielfach völlig unplausibel geblieben sind. Die Beschwerdeführerin übersieht offenkundig, dass der Ermittlungspflicht der Behörde stets die Mitwirkungspflicht des Antragstellers gleichrangig gegenüber steht.

 

Selbst wenn man aber von der Glaubwürdigkeit der Angaben der Beschwerdeführerin und somit davon ausgehen möchte, dass sie nach dem Tod ihres Mannes von dessen Familie zu einer neuerlichen Eheschließung gezwungen werden sollte und aufgrund ihrer Weigerung bedroht worden ist, ändert dies nichts an der Beurteilung der fehlenden Asylrelevanz. Auch darauf hat die belangte Behörde die Beschwerdeführerin bereits während des erstinstanzlichen Verfahrens unter Vorhalt der Länderfeststellungen hingewiesen. Zunächst sind die Ankündigungen der Familie, die Beschwerdeführerin bei lebendigem Leibe zu begraben, als Bedrohung durch Privatpersonen zu qualifizieren und ergeben sich auch für den Asylgerichtshof keine Anhaltspunkte für eine staatliche Schutzunfähigkeit und Schutzunwilligkeit.

 

Wenn die Beschwerdeführerin davon spricht, dass die Polizei sie nicht unterstützt hätte, weil immer ein Polizist ermordet würde, wenn er zu der Familie ginge, so handelt es sich auch nach Einschätzung des Asylgerichtshofes um eine bloße Schutzbehauptung, die jeglicher realen Grundlage entbehrt. Ginge man nämlich davon aus, dass die Familie des verstorbenen Mannes der Beschwerdeführerin bereits Polizisten umgebracht hätte, so setzte dies einerseits denklogisch voraus, dass diese bereits einmal eingeschritten sind, was von der Beschwerdeführerin aber bestritten wurde. Andererseits würde dies dazu führen, dass die Täter alleine schon aus diesem Grund (Mord an Polizisten) in Haft wären, so dass für die Beschwerdeführerin daraus ein faktischer Schutz vor ihren Verwandten bestünde.

 

Wie auch die belangte Behörde bereits zu Recht festgestellt hat, wäre es der Beschwerdeführerin jedenfalls frei gestanden, sich vor den möglichen Übergriffen auf ihre Person durch Verwandte mittels innerstaatlichen Ortswechsels zu entziehen. Damit konfrontiert, meinte die Beschwerdeführerin lediglich, sie habe niemanden, der ihr weiterhelfen könne. Dies ist schon alleine deshalb nicht glaubwürdig, zumal die Genannte an anderer Stelle des Verfahrens betont hatte, dass ihre Tochter bei ihrem Vater verblieben sei. Zudem ist es der Beschwerdeführerin außerdem gelungen, sich - erfolgreich - an eine "katholische Frau" zu wenden. Es ist, wie die belangte Behörde zu Recht ausgeführt hat, wenig überzeugend, dass diese Frau der Beschwerdeführerin zur Flucht aus Nigeria geraten habe, weil sie sonst von ihrer Familie umgebracht würde, obwohl diese Frau die Familie gar nicht kennt.

 

Die Beschwerdeführerin hat es verabsäumt, der schlüssigen Beweiswürdigung der belangten Behörde substantiiert entgegen zu treten. Soweit sie den Beschwerdeschriftsatz mit zahlreichen Zitaten von Berichten über die Zwangsehe und der häuslichen Gewalt anreichert, ist ihr zu entgegnen, dass diese in ihrer Allgemeinheit nicht geeignet sind, einen konkreten Bezug zur Person der Beschwerdeführerin herzustellen oder die im angefochtenen Bescheid dargelegten Erwägungen der belangten Behörde zu entkräften.

 

Insgesamt sind somit die Voraussetzungen für eine Asylgewährung im Fall der Beschwerdeführerin nicht erfüllt.

 

Zu Spruchpunkt II

 

II.2.13. Gemäß § 8 Abs.1 AsylG ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung oder Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

II.2.14. Der Asylgerichtshof hat somit zu klären, ob im Falle der Verbringung des Beschwerdeführers in sein Heimatland Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 (Verbot der Folter) oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtssprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen Bedrohung der relevanten Rechtsgüter, hinsichtlich derer der Staat nicht willens oder nicht in der Lage ist, Schutz zu bieten, glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, 95/18/1291; 17.7.1997, 97/18/0336).

 

Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind, und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.9.1993, 93/18/0214).

 

II.2.15. Es ist während des gesamten Verfahrens kein Anhaltspunkt hervor gekommen, der die Rückführung der Beschwerdeführerin aus einem der genannten Gründe unzulässig erscheinen lässt.

 

Unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Beweisverfahrens kann somit nicht angenommen werden, dass die Beschwerdeführerin im Falle ihrer Rückkehr in ihr Herkunftsland einer existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein könnte, sodass die Abschiebung eine Verletzung des Art. 3 EMRK bedeuten würde. Die Deckung der existentiellen Grundbedürfnisse kann aus den Feststellungen als gesichert angenommen werden.

 

Die Beschwerdeführerin behauptet oder bescheinigt auch keinen sonstigen auf ihre Person bezogenen "außergewöhnlichen Umstand", der ein Abschiebungshindernis im Sinne von Art. 3 EMRK iVm § 8 Abs. 1 AsylG darstellen könnte.

 

Soweit von der Unglaubwürdigkeit der Angaben der Genannten auszugehen ist, ergibt sich für den Asylgerichtshof kein Anhaltspunkt, der gegen eine Rückkehr der Antragstellerin in ihren Familienverband spricht, so dass jedenfalls auch vom Bestehen eines sozialen Netzwerkes ausgegangen werden kann. So hat die Genannte selbst angegeben, dass ihre Tochter bei ihrem Vater in Nigeria lebt und ergibt sich für den Asylgerichtshof kein Anhaltspunkt, der dagegen spricht, dass auch die Beschwerdeführerin dort nach ihrer Rückkehr Aufnahme findet. Zudem ist es ihr als gesunder und junger Frau durchaus zumutbar, in ihrer Heimat eine ihrem Bildungsniveau entsprechende Arbeitsstelle zu finden und sich auf diese Weise eine eigene Existenz aufzubauen.

 

Zu Spruchpunkt III

 

II.2.16. Gemäß §10 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.

 

Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 sind Ausweisungen unzulässig, wenn dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden.

 

Es liegen keine Gründe im Sinne des § 10 Abs. 2 AsylG vor, die einer Ausweisung entgegenstehen. Weder verfügt die Beschwerdeführerin über einen nicht nach dem AsylG erteilten Aufenthaltstitel, noch gelten Umstände als verwirklicht, die auf eine Verletzung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK schließen lassen, dessen Voraussetzungen bereits durch die belangte Behörde geprüft und verneint wurden.

 

Im Zusammenhang mit der Interessenabwägung des Art. 8 EMRK ist weiters die kurze Aufenthaltsdauer der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet - sie reiste Ende August 2007 nach Österreich ein - zu beachten. Verfestigungs- oder Integrationstatbestände wurden seither erkennbar nicht verwirklicht.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Ausweisung, Familienverband, Glaubwürdigkeit, inländische Schutzalternative, Lebensgrundlage, mangelnde Asylrelevanz, non refoulement, private Verfolgung, soziale Verhältnisse, staatlicher Schutz
Zuletzt aktualisiert am
31.12.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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