C1 228372-0/2008/24E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Fischer-Szilagyi als Einzelrichterin über die Beschwerde des M.A., geb. 00.00.1983 alias 1977 alias 1979 alias 1980, StA. Afghanistan, vom 08.05.2002 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 25.04.2002, Zahl: 02 04.075-BAE, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 20.03.2007 zu Recht erkannt:
Die Beschwerde gegen Spruchteil I. des Bescheides des Bundesasylamtes wird gemäß § 7 AsylG abgewiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
Mit angefochtenem Bescheid wurde der Asylantrag des nunmehrigen Beschwerdeführers vom 09.02.2002 gemäß § 7 AsylG abgewiesen; die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Afghanistan wurde gemäß § 8 AsylG für nicht zulässig erklärt.
In der Begründung wurde ausgeführt, dass die Angaben des Asylwerbers keine Deckung in der Genfer Flüchtlingskonvention finden würden, da daraus keine konkret gegen seine Person gerichteten staatlichen bzw. quasi-staatlichen Verfolgungen aus asylrechtsrelevanten Gründen ableitbar gewesen seien.
In dem dagegen eingebrachten Rechtsmittel wurde Spruchpunkt I. des Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten.
Im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung am 09.06.2005, zu welcher die Erstbehörde keinen Vertreter entsandte, gab der Beschwerdeführer Folgendes zu Protokoll:
"BWV: Der BW möchte eingangs korrigierend angeben, dass er 1356 geboren ist und die richtige Schreibweise seines Namens M. ist. Nach Absolvierung der Grundschule und des Lycees war der BW von 1372 bis 1374 Mitglied der Shora-e Nezar, die in verschiedenen Einsätzen mit der Kriminalpolizei zusammenarbeitete.Im Zuge dieser Tätigkeiten kam es zu Feindschaften mit Personen, deren Fälle der BW an die vorgesetzte Behörde weiterleitete. Der Vater des BW war Oberlehrer an mehreren Schulen in Afghanistan und war für die Khalq-Fraktion in der Öffentlichkeitsarbeit tätig. Einer seiner Schüler befindet sich in Österreich und könnte Angaben zu der Tätigkeit des Vaters des BW tätigen.
VL: Zumindest aus den ha. aufliegenden Informationen haben Sie als
Geburtsdaten angegeben: 1983, 1980, 1979 und heute 1977. Welches ist das Richtige ?
BW: 1977. Ich bin 29 Jahre alt.
VL: Das heißt also, Sie haben sowohl im Asylverfahren und im strafgerichtlichen Verfahren unrichtige Angaben gemacht ?
BW: Meine Dokumente habe ich verloren, als ich nach Europa unterwegs war. Als ich nach Österreich kam, hat man mir gesagt, dass ich mich jünger ausgeben solle, ansonsten droht die Gefahr, dass man 6 Monate im Gefängnis verbringen muss. Deshalb habe ich mich etwas jünger ausgegeben.
VL: Warum haben Sie im strafgerichtlichen Verfahren weiterhin 1983 angegeben ?
BW: Bei dem strafgerichtlichen Verfahren haben sie meine Angaben selbst anhand meines Asylverfahrens übernommen.
VL: Sie haben keine Notwendigkeit gesehen, dieses zu berichtigen ?
BW: Ich habe mich ein paar Mal an die CARITAS gewandt und dort ersucht, dass man mein Geburtsdatum korrigiert. Sie haben mir gesagt, dass ich warten soll, bis ich vom UBAS geladen werde. Bei diesem strafgerichtlichen Verfahren war ich unschuldig. Ich habe keine Dokumente bei mir gehabt, welche ich dort zeigen hätte können. Wenn ich es ihnen auch gesagt hätte, hätten sie mir nicht geglaubt.
Vorgehalten wird dem BW, das Foto, das von der SiDion Burgenland mit Schreiben vom 05.12.2002 übermittelt wird. Wer ist auf diesem Foto abgebildet ?
BW: Das bin ich.
VL: Wann wurde dieses Foto aufgenommen ?
BW: 1373.
Dolmetscher übersetzt Schriftzüge auf der Rückseite:
Ein Andenken an die Zeit in Q., vom Kommandanten des Sicherheitspostens der Polizei im Jahre 1374.
Ich verzichte auf alles, aber nicht auf dich, mein Vaterland.
VL: Welche Uniform trugen Sie am Foto ?
BW: Es ist eine Militäruniform.
VL: Erzählen Sie Näheres über die Uniform ?
BW: Die Polizeimilitäruniform.
VL: Es ist nicht glaubhaft, dass Sie am Foto 16 Jahre alt sind ?
BW: Ich war 17 oder 18 Jahre.
VL: Warum haben Sie bei der Sicherheitsdirektion Burgenland angegeben, dass dies ein Erinnerungsfoto sei und Sie die Uniform Ihres Vaters anhaben und ein Freund den Vermerk auf dem Foto aus Spaß geschrieben habe und dies alles mit dem Zusatz "Ich sage die Wahrheit".
BW: Ich habe damals Angst gehabt, die Wahrheit zu sagen, weil ich sehr viele Feinde habe. Ich wollte es nicht, dass ich überhaupt so bekannt werde, wie ich es bin. Ich wollte überhaupt nicht, dass ich hier in Österreich meine Daten so angebe, dass die Leute auf mich aufmerksam werden, dass ich in Österreich bin, weil ich so große Angst vor meinen Feinden habe.
VL: Vor welchen Leuten haben Sie so große Angst ?
BW: Einerseits habe ich Angst vor denjenigen, die meinen Vater umgebracht haben und andererseits habe ich Angst vor Personen, die wir damals im Rahmen unserer Tätigkeit bie der Sicherheitspolizei in Kabul festgenommen haben. Diese Personen sind Verbrecher gewesen und bewegen sie sich heute noch frei.
VL: Wer tötete Ihren Vater ?-
BW: Meinen Vater hat sein Cousin - Sohn seines Onkels väterlicherseits - getötet. Er heißt G. D..
VL: Woher wissen Sie das ?
BW: G.D. war während der kommunistischen Zeit ein mächtiger Kommandant der Hezb-e Islami in unserem Heimatdorf N.. Nach dem Sturz der Kommunisten, als die Mujaheddin Kabul erobert haben, ist mein Vater nach 14 Jahren in sein Heimatdorf nach N. gefahren. G.D. hat die Eigentumsurkunden unserer Grundstücke und Gärten verfälscht und damit hat er unserer Gärten und Grundstücke meinem Vater weggenommen. Er hat unsere Familie als Kommunisten und Ungläubige beschimpft. Mein Vater hat sich dort ein paar Monate aufgehalten und irgendwann haben wir es erfahren, dass mein Vater von G.D. und seinen Söhnen getötet worden ist. Mein Vater war eine bekannte Person. Er war in der Zeit der Monarchie ein Oberlehrer.
VL: Wann wurde der Vater getötet ?
BW: 1371 (=1992).
VL: Wo hielten Sie sich auf zu diesem Zeitpunkt ?
BW: Zu dieser Zeit habe ich mich mit meiner Mutter in Kabul aufgehalten.
VL: Wann verließen Sie Kabul?
BW: 1374 verließ ich Kabul und fuhr nach Pakistan.
VL: Haben Sie persönlich von 1371 bis 1374 Probleme gehabt ?
BW: Der Grund, warum ich Kabul verlassen habe und nach Pakistan gefahren bin, war, dass ich seitens des G.D. und seiner Söhne die Gefahr gesehen habe, umgebracht zu werden. Die Mujaheddin und G.D. wurden im Laufe der Zeit immer stärker und G.D. war ständig zwischen N. und Kabul unterwegs. Ich habe vom Tod meines Vaters später erfahren, dass G.D. und seine Söhne dafür verantwortlich sind und sie wollten mich auch umbringen. Die Gefahr hat sich erhärtet dahingehend, weil auch ein Bruder von mir im Jahr 1367 in N. getötet worden ist.
VL: Wie kam Ihr Bruder um ?
BW: Mein Bruder war ein Armeeoffizier in der kommunistischen Zeit und er diente in Takhar und Pol-e Khomri. Im Jahre 1366, als er von Kabul in Richtung Takhar und Pol-e Khomri in einem militärischen Konvoi unterwegs war, haben ihn die Mujaheddin der Hezb-e Jamiat-e Islami in S. festgenommen. Diese haben ihn nicht getötet und haben ihn nach N. geschickt. Er war in N. und wollte dann unsere Grundstücke und Gärten in seine Verwaltung nehmen. Er heiratete schließlich dort auch. Es verging nicht einmal ein Jahr, als eines Tages 4-5 Personen, welche bewaffnet waren, ihn getötet haben.
VL: Warum erzählen Sie heute erstmals die Geschichte mit Ihrem Bruder ?
BW: Beim BAA wurde nicht soviel gefragt und wurde alles über mich gesprochen. Mein Bruder war damals bereits tot und ich dachte, dass alles nur mich betrifft.
VL: Es ist unglaubwürdig, weil Sie ja auch über Ihren Vater erzählt haben, warum nicht auch über Ihren Bruder ?
BW: Mein Bruder wurde 1367 getötet. Mein Vater ist 1371 umgebracht worden. Mir wurden Fragen nach dem Zeitraum nach 1370 gestellt.
VL: Haben Sie persönlich von 1371 bis 1374 Probleme gehabt?
BW: Nach dem Tod meines Vaters war ich ständig von denen verfolgt. Sie haben sogar einmal auf mich in Kabul geschossen. Ich bin glücklicherweise nicht getroffen worden. Diese Leute waren bemüht, mich jedenfalls zu töten. Obwohl ich in dieser Zeit bewaffnet war, und auch ständig einige Leute, welche auch bewaffnet waren, mit mir zusammen waren, habe ich mich trotzdem nicht sicher gefühlt. Dies wurde auch durch die Aussagen meines Onkels mütterlicherseits bestätigt, welcher sich auch in N. aufgehalten hat, als er mir sagte, dass mein Vater von G.D. und seinen Söhnen getötet worden ist und sie auch vorhaben, mich zu töten. Er hat mir auch gesagt, dass es für mich sicher ist, Kabul zu verlassen und mich in Sicherheit zu bringen. Ansonsten sind G.D. und seine Söhne imstande, mich umzubringen, oder umbringen zu lassen.
VL: Warum gaben Sie das Schussattentat beim BAA nicht an ?
BW: Dort wurden mir Fragen gestellt und ich habe die Fragen beantwortet.
Vorgehalten wird Blatt 35 erste Frage.
VL: Es wäre Gelegenheit gewesen, davon zu erzählen.
BW: Ich habe von diesen Feindschaften dort erzählt. Von diesem Schussattentat habe ich dort deshalb nichts gesagt, weil ich mich nicht als Militärangehöriger ausgegeben habe.
VL: Warum befürchten Sie aufgrund Ihrer angeblichen Tätigkeit als Leiter einer Gruppe, welche mit der Kriminalpolizei zusammengearbeitet hat, verfolgt zu werden ?
BW: Im Rahmen meiner Tätigkeit habe ich eines Tages von einem bekannten Fleischer namens W. in Kabul, erfahren, dass es jemanden gibt, der sehr viele Schafe anbietet und sehr billig verkauft. Ich bin dieser Sache nachgegangen und ich habe dem Staatsanwalt A., dessen Sohn mit mir in die Schule gegangen ist, von der Sache berichtet. Es wurde dann eine Gruppe festgenommen, diese Gruppe hatte einen Hirten umgebracht und dessen Schafe gestohlen und billig in der Stadt verkauft. In dieser Gruppe hat sich auch eine Person namens FA. befunden. Die Familien dieser Personen haben sich bemüht, die Festgenommenen freizubekommen. Sie haben sogar Kontakte bis zum General F. hergestellt. Sie konnten nicht freikommen und schließlich wurde diese Gruppe, bestehend aus 3 Personen, gehängt. Aus meiner Tätigkeit haben wir auch einmal mit einem Kommandanten der Hezb-e Jamiat-e Islami namens Kommandant X. zu tun gehabt, der seine Posten in Kabul gehabt hatte. Eine Person namens B., welchen ich kannte und beim Kommandant X. war, berichtete mir, dass dieser mit seinen Leuten gefälschte Militäruniformen angezogen hat und geraubt haben. Sie haben sogar ein Museum geplündert. Ich bin dann schließlich mit diesem Bericht zusammen mit B. und einer anderen Person namens M. G. nach J. gefahren. Da B. die gute Beziehung mit den Bodyguards von A.S.M. hatte, sind wir alle mit diesem Bericht direkt zu A.S.M. gegangen und wir berichteten ihm über die Plünderung des Museums. Kommandant X. wurde darauf seiner Funktion enthoben und wurde festgenommen. Er musste seinen Posten verlassen Als dann die Taliban im Vormarsch waren und die Regierung der Mujaheddin gestürzt wurde, ist dann Kommandant X. freigekommen und eines Tages hat er B. auf der Straße in K. umgebracht.
VL: Warum brachten Sie diese Vorkommnisse nicht schon beim BAA vor ?
BW: Ich bin zum ersten Mal beim UBAS.
VL: Weder in der Berufung, noch beim BAA scheint ein solches Vorbringen auf.
BW: In der Berufung konnte ich nicht darüber sprechen, weil die Berufung nicht von mir, sondern von SOS Mitmensch verfasst wurde. Sie haben nur gegen die Ablehnung der §§ 7,8 berufen und wurden mir keine Fragen gestellt. Ich habe mich beim BAA nicht als Angehöriger des Militärs ausgegeben.
VL: Warum scheint im Personendatenblatt anlässlich Ihrer Ergreifung an der Grenze bei Beruf "Polizist" auf ?
BW: Dort gab ich es an.
VL: Warum schilderten Sie nicht beim BAA diese Vorkommnisse ?
BW: Als ich an der Grenze erwischt worden bin, sahen sie meine Fotos, welche ich bei mir hatte und eshalb gab ich an, dass ich Polizist sei. Sonst hatte ich keine anderen Dokumente bei mir. Außerdem habe ich Angst gehabt, dass ich in das Gefängnis komme und deshalb machte ich mich jünger. Daher konnte ich nicht angeben, dass ich ein Militärangehöriger war, obwohl ich es wollte.
VL: Nach Ihren Angaben haben Sie vor dem BAA bewusst falsche Angaben gemacht ?
BW: Ich habe mich mit der Gesetzeslage in Österreich nicht ausgekannt. Ich habe nur das getan, was man mir riet.
VL: Sie haben bei den österreichischen Behörden bewusst falsche Angaben gemacht. Warum soll Ihrem heutigen Vorbringen Glauben geschenkt werden ?
BW: Im Strafverfahren hat man mich 2 Monate festgehalten, obwohl ich unschuldig war.
Vorgehalten wird, dass Ihre Angaben sowohl beim BAA, als auch im Berufungsverfahren unglaubwürdig auf Grund zahlreicher Widersprüche und Ungereimtheiten sind.
BW: Ich sage die Wahrheit, vor allem die Angaben, welche ich heute tätigte, entsprechen der Wahrheit und liegt die Entscheidung bei Ihnen. Wie ich damals nach Österreich kam, kannte ich mich nicht aus mit der Gesetzeslage. Ich tat nur das, was man mir riet. Die Gesetze unterscheiden sich in Asien und Europa. Ich war unerfahren und hatte keine Ahnung. Meine Angaben entsprechen der Wahrheit. Ich habe mich jünger ausgegeben, um nicht in die Schubhaft zu kommen. Wegen dieser Feindschaften bin ich unter Druck. Auch arbeite ich.
BWV: Wie heißt die Einheit, wo Sie von 1372 bis 1374 arbeiteten ?
BW: Ich war Leiter einer Gruppe der Sicherheitspolizei.
BWV: Beantragt wird die Einholung eines länderkundlichen SV Gutachtens zur Frage, ob der BW an dem von ihm angegebenen Zeitraum in der von ihm angegebenen Tätigkeit für diese Einheit tätig war, zum Beweis für die Richtigkeit des Vorbringens.
BWV: Worauf bezieht sich die Freundschaft [gemeint: Feindschaft] zwischen dem Vater und seinem Bruder ?
BW: Es war der Cousin meines Vaters, mit dem mein Vater Schwierigkeiten hatten. Wir nennen das "Onkel". Der Grund war politisch. Der Cousin meines Vaters war bei der Hezb-e Islami und mein Vater war ein Kommunist, ein Khalqi und arbeitete für die Regierung. Mein Vater wurde als Kommunist von seinem Cousin beschimpft und das war ein Grund, dass er unsere Grundstücke und Gärten uns wegnehmen wollte.
BWV: Welche Öffentlichkeitsarbeit machte Ihr Vater ?
BW: Mein Vater war auch ein Mitglied des Rates für Versöhnung und Frieden in Gesamtafghanistan. Dazu wurden Personen einberufen, welche sehr bekannt und einflussreich waren, damit sie mit den Leuten, aus den jeweiligen Distrikten und Provinzen sprechen.
VL: Wie heißt genau Ihr Vater ?
BW: S.H.
BWV: War Ihr Bruder auch DVPA Mitglied ?
BW: Er war Mitglied der VDPA und ein Offizier.
BWV: Der BW ist Flüchtling iSd GFK auf Grund einer unterstellten politischen Gesinnung, die seiner Familie, insbesondere durch den Bekanntheitsgrad des Vaters des BW, und durch dessen Öffentlichkeitsarbeit der Familie zugerechnet wird. Familienangehörige des BW fanden auf Grund dieser politischen Gesinnung den Tod. Desweiteren hat sich der BW durch seine berufliche Tätigkeit (und hier spricht für den BW, dass er bereits beim Aufgriff an der Grenze angab, Polizist zu sein), Feindschaften zugezogen, welche Blutrachefehden auslösten. Bei einer hypothetischen Rückkehr wäre der BW mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit schwerem Schaden an Leib und Leben ausgesetzt.
BWV: Es wird die zeugenschaftliche Einvernahme folgender Person beantragt:
D[...] G[...] D[...]. Genauer Name und Adresse werden noch bekannt gegeben. Dies zum Beweis für die Abklärung der Tätigkeiten des Vaters des BW und dessen genauere Familienverhältnisse."
Am 27.06.2006 langte bei der erkennenden Behörde das in Auftrag gegebene Gutachten des Sachverständigen für die aktuelle politische Lage in Afghanistan, Dr. S.R., ein.
Im Rahmen einer weiteren mündlichen Berufungsverhandlung am 20.03.2007, zu welcher die Erstbehörde keinen Vertreter entsandte, gab der Beschwerdeführer Folgendes zu Protokoll:
"Vom Dolmetscher wird das Gutachten von Dr. S.R. übersetzt; Insgesamt 8 Seiten.
VL: Wollen Sie etwas dazu sagen?
BW: Der Sachverständiger hat meine Angaben bestätigt. Die bewaffneten Personen und Kriminellen von damals sind noch in Afghanistan und haben Waffen. Außerdem wegen des Grundstückes, ist auch mein Leben in Gefahr, sobald ich dorthin gehe und sie wissen, dass ich gekommen bin, würden sie mich ohne zu zögern umbringen. Sie wissen, dass ich von ihnen die Grundstücke zurückverlangen werde. Die bewaffneten Feinde von mir laufen noch immer herum. Mein Leben ist dort in Gefahr und ich kann nicht zurückgehen.
VL: Wollen Sie sonst noch etwas angeben?
BW: In meiner Heimatregion herrscht nicht 100%ige Sicherheit. Ich habe gehört, dass vor ca. einem Monat zu mehreren Zwischenfällen in der Bevölkerung gekommen ist und dabei Leute getötet und verletzt wurden. Es ist auch zu Probleme zwischen der staatlichen Sicherheitskräften und den dortigen Bewohnern gekommen. Als die Grundstücke damals nicht soviel wert waren, hat G.D. und sein Sohn meinen Vater getötet. Jetzt sind die Grundstückpreise in die Höhe getrieben worden, jetzt würden sie bereit sein dafür jeden zu töten. Ich kann mit Sicherheit sagen, dass ich dorthin nicht zurückkehren kann, sonst würden sie mich töten.
VL: Woher wissen Sie, dass G.D. noch dort ist?
BW: G.D. und seine Familie waren immer dort aufhältig. Sie haben uns unsere Grundstück weggenommen und jetzt ist er mit seiner gesamten Familie dort.
VL: Woher wissen Sie das?
BW: Ich habe das von meinem Onkel mütterlicherseits erfahren, der sich in Pakistan befindet und einmal dort war. Er sagte, dass sie noch dort sind und glauben schon, dass ich getötet worden bin. Sie wissen nicht, dass ich mich in Europa befinde.
VL: Wann haben Sie das von Ihren Onkel erfahren und wann war Ihr Onkel in Afghanistan?
BW: Ich habe es ca. vor einem Jahr und zwei Monaten erfahren. Mein Onkel fährt öfter nach Afghanistan, weil er dort Geschäfte macht. Es müsste irgendwann unmittelbar vor meinem Kontakt gewesen sein.
VL: In welcher Form erfolgte dieser Kontakt?
BW: Sie haben mich aus Pakistan angerufen.
VL: Wann hatten Sie den letzten Kontakt mit Ihren Onkel?
BW: Damals war es der letzte Kontakt zu ihm.
VL: Im Rahmen der letzten Verhandlung am 09.06.2005 wurde angekündigt, genau Namen und Adresse von G.D. anzugeben, das ist bis heute nicht erfolgt.
BW: Ich habe Sie damals gefragt, und Sie sagten mir, dass es reichen würde, wenn ich die Telefonnummer hergeben würde. Ich glaube, dass ich damals die Telefonnummer den Vertreter gegeben habe, und er sie weitergeleitet hat."
Folgender Sachverhalt wird festgestellt:
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Afghanistan, hat sein Heimatland im Jahr 1995 verlassen und lebte bis zum Jahr 2001 in Pakistan. In der Folge verließ er auch Pakistan, ist illegal in Österreich eingereist und hat am 09.02.2002 gegenständlichen Asylantrag gestellt. Er ist moslemischen Glaubens und Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken.
Mit Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt vom 00.00.2007, wurde der Berufungswerber wegen §§ 27 Abs. 1 sechster Fall und Abs. 2 Ziffer 1, 27 Abs. 1 erster und zweiter Fall SMG zu einer bedingten Freiheitsstrafe (Probezeit drei Jahre) im Ausmaß von drei Monaten verurteilt.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 02.09.2008 wurde dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 07.09.2009 erteilt.
In Afghanistan war der Berufungswerber zwischen 1993 und 1995 Mitglied einer Gruppe der Shura-e Nazar, wobei er wegen der Zugehörigkeit zur Shura-e Nazar nicht verfolgt wird. Der Berufungswerber übte in der Shura-e Nazar weder eine verantwortungsvolle noch eine leitende Funktion aus.
Betreffend diesen Teil der Sachverhaltsfeststellungen stützt sich die erkennende Behörde auf das Gutachten des Sachverständigen für die aktuelle politische Lage in Afghanistan, Dr. S.R., vom 27.06.2006, in welchem dieser ausführte, dass die vom Beschwerdeführer vorgelegten Fotos diesen in der Uniform der Shura-e Nazar-Kämpfer sowie auch in der grünen Uniform, die von den Angehörigen der Shura-e Nazar während deren Herrschaft in Kabul getragen wurden, zeigen. Ferner führt der Sachverständige aus, dass der Hintergrund der Fotos die afghanische Landschaft, insbesondere im Gebiet Kabuls zeigt.
Betreffend die Tätigkeit des Beschwerdeführers im Rahmen der Shura-e Nazar und einer Verfolgung wegen dieser Tätigkeit führte der Sachverständige in seinem Gutachten Folgendes aus:
"Shura-e Nazar wurde ca. 1987 in Nordafghanistan unter Führung von Ahmad Shah Massoud gegründet und zählte zur militärischen Arm der Jamiat-e islami Afghanistan unter Führung von Prof. Rabbani. Nach der Machtübernahme der Mujaheddin war Shura-e Nazar der Hauptmachtträger in Kabul. Die meisten Aktivisten der Shura-e Nazar waren Panjshiris und andere Tajiken aus den Provinzen Parwan und Kapisa. Nach 1992 tobte ein Bürgerkrieg in Kabul, sodass die islamischen Parteien mit ihrer ethnischen Identität ihre Reihe füllten. Daher ist es logisch gewesen, dass der BW damals auf der Seite der Shura-e Nazzar zur Waffe gegriffen hat.
Die Nordallianz gegen die Taliban wurde vom Shura-e Nazzar unter Ahmad Shah Massoud geführt. Der heutige Parlamentspräsident (Qanuni), der Innenminister, der Berater in Sicherheitsfragen des Präsidenten Karzai (Marschall Fahim, ehemaliger Verteidigungsminister) und viele andere Mitglieder der derzeitigen Herrschaft waren früher die Weggefährten von Massoud. Nach dem Sturz der Taliban war die Macht in der Hand der Shura-e Nazar, in Kabul. Ab 2003 musste Shura-e Nazar die Macht mit den Eliten anderer Ethnien teilen. Daher wird der BW wegen seiner Zugehörigkeit zur Shura-e Nazzar und zur Polizei der Shura-e Nazzar in Kabul nicht verfolgt, da in der Polizei und in der Armee die ehemaligen Mitkämpfer und Kollegen des BW sitzen."
Sohin geht die erkennende Behörde davon aus, dass der Beschwerdeführer tatsächlich zwischen 1993 und 1995 Mitglied der Shura-e Nazar war und aufgrund dieser Mitgliedschaft keinerlei Verfolgung zu befürchten hat.
Die Feststellung, dass er bei dieser weder eine verantwortungsvolle noch eine leitende Funktion innehatte, stützt sich ebenfalls auf das Gutachten des Sachverständigen vom 27.06.2006, in welchem dieser ausführt, dass es nicht glaubwürdig sei, dass der Beschwerdeführer in seinem noch jungen Alter derartig viele verantwortungsvolle Kompetenzen und Verantwortungsbefugnisse gehabt habe. Gemäß dem Sachverständigen-gutachten hätten solche Aufgaben Kommandanten inne, die über 20 Jahre alt und Weggefährten von Massoud wären.
Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass der Beschwerdeführer in der mündlichen Berufungsverhandlung vom 20.03.2007 den Ausführungen des Sachverständigen in oben erwähnten Gutachten nicht entgegen getreten ist.
Das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers ist jedoch als nicht glaubwürdig zu werten, zumal es Widersprüche und Ungereimtheiten aufweist, welche weder in der Rechtsmittelverhandlung aufgeklärt wurden noch mit dem Sachverständigengutachten in Einklang zu bringen sind.
Zunächst ist anzuführen, dass der Beschwerdeführer erstmals in der Rechtsmittelverhandlung die Existenz seines Bruders - jedoch nicht dessen Namen - erwähnte, welcher im Jahr 1988 durch mehrere bewaffnete Personen umgebracht worden sein soll. Bei der Aufnahme seiner persönlichen Daten vor dem Bundesasylamt am 15.04.2002 erwähnte er lediglich seine Schwester und gab zu seinen Familienverhältnissen befragt an, dass seine Schwester verheiratet sei und im Haus ihres Gatten lebe. Ferner gab er auch im Rahmen seiner Befragung durch die Sicherheitsdirektion Burgenland am 05.12.2002 an, sie seien [in seiner Familie] zwei Kinder gewesen; er habe nur eine Schwester. Weiters gab er an, dass sein Onkel seinen Vater getötet habe, da dieser viel Geld und nur zwei Kinder habe. Auf Vorhalt, warum er die Existenz und die Ermordung seines Bruders erstmals in der Rechtsmittelverhandlung vorgebracht habe, gab er lediglich an, dass er beim Bundesasylamt nicht soviel gefragt und nur über ihn gesprochen worden sei. Im Übrigen sei sein Bruder damals schon tot gewesen. Auf Vorhalt, aus welchen Gründen er dann seinen Vater erwähnt habe, brachte er vor, ihm seien nur Fragen nach dem Zeitraum 1370 [1991] gestellt worden. Dies ist allerdings dem erstinstanzlichen Einvernahmeprotokoll in keiner Weise zu entnehmen.
Ebenso verhält es sich mit dem Vorbringen, es sei ein Schussattentat auf ihn verübt worden. Auch dieses Vorbringen wurde erstmals in der Rechtsmittelverhandlung am 09.06.2005 erstattet. Auf Vorhalt, warum er das Schussattentat nicht beim Bundesasylsamt angegeben habe, brachte er lediglich vor: "Dort wurden mir Fragen gestellt und ich habe die Fragen beantwortet." Auf Vorhalt des Einvernahmeprotokolles, wonach er dezidiert nach sonstigen Verfolgungshandlungen befragt wurde, gab der Beschwerdeführer - ohne jegliche Darstellung eines Zusammenhanges - an, er habe von dem Schussattentat nichts erzählt, da er sich nicht als Militärangehöriger ausgegeben habe.
Zum - ebenfalls erstmals in der Rechtsmittelverhandlung erstatteten - Vorbringen betreffend die Schafdiebe, welche in der Folge aufgrund des Einschreitens des Beschwerdeführers angeblich gehängt wurden, ist auf die obigen Ausführungen zu verweisen, dass der Beschwerdeführer nach dem Sachverständigengutachten keine derartige verantwortungsvolle Position inne gehabt haben kann. Ferner führt der Sachverständige in seinem Gutachten aus, dass selbst wenn der Beschwerdeführer eine solche Position inne gehabt hätte, er lediglich dem Staatsanwalt berichtet hätte und eine Entscheidung über die Todesstrafe ohne Wissen und Wollen von Marshall Fahim, des Ministers für Staatssicherheitsdienstes unter Massoud, nicht möglich gewesen wäre.
Ferner wurde auch das Vorbringen betreffend die Anzeige des Beschwerdeführers gegen Kommandant X. wegen Raubes bzw. der Plünderung eines Museums, welcher in der Folge festgenommen und nach seiner Freilassung den Informanten des Beschwerdeführers umgebracht haben soll, erstmals in der Rechtsmittelverhandlung erstattet und gab der Beschwerdeführer auf die Frage, warum er dies nicht schon beim Bundesasylamt vorgebracht habe, lediglich an, er sei zum ersten Mal beim unabhängigen Bundesasylsenat. Ferner lässt sich dieses Vorbringen auch nicht mit dem Gutachten des Sachverständigen in Einklang bringen. Der Beschwerdeführer gibt an, dass Kommandant X. unter den Taliban freigekommen sei und in der Folge den Informanten des Beschwerdeführers namens B. umgebracht habe. Hierzu führt der Sachverständige aus, dass dies nicht möglich sei, da unter den Taliban Kommandanten wie X. zu den Hauptfeinden der Taliban gezählt hätten, und es daher für diesen unmöglich gewesen wäre, auf der Straße jemanden umzubringen. Ferner habe X. zu den wichtigsten Kommandanten von Massoud gehört und wäre von den Taliban getötet und nicht freigelassen worden.
Aber auch das ursprüngliche Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers betreffend die Grundstücksstreitigkeiten in seiner Familie ist aufgrund von Widersprüchen für die erkennende Behörde nicht glaubwürdig. Im Rahmen der erstinstanzlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 15.04.2002 gab er an, er habe gemeinsam mit seiner Mutter 1995/96 Kabul verlassen, da es zwischen seinem Vater und dessen Bruder zu Streitigkeiten aufgrund der Besitztümer der Familie gekommen sei und sein Vater im Jahr 1992 von seinem Onkel (= dem Bruder des Vaters) aufgrund der Grundstücksstreitigkeiten ermordet worden sei. Hingegen gab der Beschwerdeführer erstmals in der Rechtsmittelverhandlung an, dass sein Vater für die Khalq-Fraktion in der Öffentlichkeitsarbeit tätig gewesen sei und diese Feindschaft zwischen seinem Vater und dessen Cousin (im erstinstanzlichen Verfahren handelte es sich um den Bruder des Vaters) politische Gründe habe, da der Vater des Beschwerdeführers Kommunist gewesen sei und für die Regierung gearbeitet habe. Der Cousin des Vaters namens G.D. sei während der kommunistischen Zeit ein mächtiger Kommandant der Hezb-e Islami gewesen. Sein Vater sei als Kommunist von diesem beschimpft worden und das sei der Grund gewesen, warum er ihnen die Grundstücke und Gärten in N. habe wegnehmen wollen. Dieser habe die Eigentumsurkunden verfälscht und so die Gärten und Grundstücke dem Vater des Berufungswerbers weggenommen. Sein Vater habe sich nach dem Sturz der Kommunisten einige Monate in N. aufgehalten und irgendwann habe der Berufungswerber erfahren, dass sein Vater von G.D. im August oder September 1992 getötet worden sei. Abgesehen von diesen Widersprüchen bzw. Steigerungen hat der Sachverständige bei seinen Recherchen zwar mehrere Personen namens G.D. gefunden, jedoch war keine davon ein bedeutender Kommandant. Vor diesem Hintergrund war auch der Beweisantrag auf Einvernahme des Zeugen G. D., dessen genauer Name und Adresse trotz Aufforderung in der ersten Verhandlung am 09.06.2005 erst nach Beendigung der Beweisaufnahme (welche im Rahmen der zweiten Verhandlung vom 20.03.2007 erfolgte) bekannt gegeben wurde, zum Beweis für die Tätigkeit des Vaters des Beschwerdeführers abzuweisen.
Im Gesamtzusammenhang betrachtet ist sohin das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers als unglaubwürdig zu werten.
Es kann sohin nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in seinem Heimatland einer asylrechtlich relevanten Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention ausgesetzt war bzw. ist.
Zur Situation in Afghanistan wird Folgendes ausgeführt:
Afghanistan befindet sich mit seinen über 20 Millionen Einwohnern in einem langwierigen Wiederaufbauprozess. Grundvoraussetzung für die weitere Entwicklung ist die Gewährleistung von Sicherheit im gesamten Land. In weiten Teilen des Landes herrscht aber nach wie vor kein Friede.
Auf der Grundlage des Petersburger Abkommen von 2001 wurden vier wesentliche Schritte unternommen: die Einberufung der Sonderratsversammlung zur Einsetzung einer Übergangsregierung, die am 23. Dezember 2004 ihre Arbeit aufnahm, die Durchführung von Präsidentschaftswahlen, die Verabschiedung einer Verfassung sowie die Parlamentswahlen vom 18. September 2005.
Die Stimmauszählung der Parlaments- und Provinzratswahlen vom 18. September 2005 ergab eine in politischer wie ethnischer Hinsicht sehr heterogene Zusammensetzung des Parlaments. Dies war angesichts des geltenden stringenten Mehrheits- und Personenwahlrechts (politische Parteien waren nicht zur Wahl zugelassen, nur Einzelpersonen) erwartet worden. Das Lager der Moderaten und Demokraten befindet sich in der Minderheit. Ethnisch besteht eine Balance zwischen der paschtunischen Mehrheitsgruppe (47%) und nord- und zentralafghanischen Ethnien (Tadschiken, Usbeken, Hazara, Turkmenen, Aimaq).
Am 19. Dezember 2005 trat das Parlament zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen. Das Parlament hat ein Mitsprachrecht bei der Besetzung des Kabinetts und der Richterposten am Obersten Gerichtshof. Bei der Kabinettsumbildung im Frühjahr 2006 haben nicht alle vorgeschlagenen Kandidaten Bestätigung durch das Parlament gefunden. Trotz dieser Entscheidungen, bei denen das Parlament Selbstbewusstsein bewiesen hat, ist es ihm insgesamt im ersten Jahr seines Bestehens nicht gelungen, sich als Institution mit Gewicht zu etablieren. Die parlamentarische Arbeit ist über die Monate immer stärker durch den verbreiteten Absentismus der Abgeordneten beeinträchtigt worden, so dass bei Abstimmungen regelmäßig das erforderliche Quorum (50% der Abgeordneten) nicht zustande kommt.
Ein Parteiengefüge nach westeuropäischem System existiert bisher in Afghanistan nicht. Das Parteiengesetz vom Oktober 2003 sieht die Registrierung der Parteien beim Justizministerium vor. Es gelten folgende Beschränkungen mit Verfassungsrang: Parteiprogramme dürfen weder gegen Prinzipien des Islam, noch gegen Bestimmungen und Werte der Verfassung verstoßen. Organisationsstruktur und Finanzquellen müssen offen gelegt werden. (Para-)militärische Strukturen sind verboten. Dasselbe gilt für Abhängigkeiten finanzieller oder inhaltlicher Art von ausländischen Parteien. Schließlich darf keine Partei entlang ethnischer, sprachlicher, regionaler oder religiöser Grenzen gegründet werden. Parteimitgliedschaften dürfen nicht vom Geschlecht, nationaler, ethnischer oder religiöser Zugehörigkeit, Wohnort oder Beruf abhängig gemacht werden. Mittlerweile wurden 83 Parteien beim Justizministerium registriert, bei sechs weiteren läuft das Registrierungsverfahren. Sämtliche politische Richtungen finden sich in den Parteien vertreten. Weitere Anträge auf Registrierung liegen dem Justizministerium vor. Die meisten zugelassenen und einige noch nicht registrierte Parteien stellen Kandidaten für die Parlamentswahlen auf, die wegen des Wahlgesetzes jedoch als Unabhängige zu firmieren hatten. Im neuen Parlament sind indirekt 33 Parteien vertreten.
Am 26. Januar 2004 trat in Afghanistan eine neue Verfassung in Kraft. Sie wurde im Rahmen einer Verfassungsgebenden Großen Ratsversammlung ("Constitutional Loya Jirga") in Kabul verabschiedet.
Die Verfassung gründet auf einem starken Präsidialsystem mit einem Zwei-Kammer-Parlament. Die in Art. 64 genannten Zuständigkeiten des Präsidenten verdeutlichen seine exponierte Stellung im Regierungssystem. Er überwacht die Umsetzung der Verfassung, bestimmt die Richtlinien der Politik und ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Gem. Art. 69 kann das Unterhaus des Parlaments ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten initiieren. Auch benötigt er unter anderem für das Ausrufen des Notstands, die Besetzung wichtiger Verwaltungs- und Justizposten und die Festlegung der Richtlinien der Politik die Zustimmung des Parlaments.
Die Verfassung enthält einen umfangreichen Menschenrechtskatalog, der politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte umfasst. Auch die Justizgrundrechte (nulla poena sine lege, keine Sippenhaft, Unschuldsvermutung, etc.) und die Unabhängigkeit der Justiz werden gewährleistet.
Viele Grundrechte stehen allerdings unter Gesetzesvorbehalt. Gemäß Art. 22 haben Männer und Frauen gleiche Rechte und Pflichten.
Artikel 83 sieht zudem mindestens zwei weibliche Abgeordnete pro Provinz im Unterhaus vor. Präsident Karzai stellte allerdings klar, dass insbesondere die Verwirklichung der Frauenrechte von der weiteren rechtlichen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklung des Landes abhängen wird. Artikel 3 der Verfassung enthält einen Islamvorbehalt, wonach Gesetze nicht "dem Glauben und den Bestimmungen" des Islam zuwiderlaufen dürfen. Auf die Scharia wird hingegen nicht ausdrücklich Bezug genommen. Die Verfassung sieht allerdings in Art. 130 für den Fall, dass keine andere gesetzliche Norm anwendbar ist, die Anwendung der Scharia in den Grenzen der Verfassung vor. Afghanistan ist eine islamische Republik. Staatsreligion ist der Islam (Art. 2). Allerdings räumt dieser Artikel auch das Recht zur Ausübung anderer Religionen innerhalb der Grenzen der einfachgesetzlichen Bestimmungen ein.
Die im Jahr 2002 eingerichtete Unabhängige Afghanische Menschenrechtskommission (AIHRC) genießt verfassungsrechtlichen Status (Art. 58). Die Kommission nimmt Individualbeschwerden an, kann Fälle von Menschenrechtsverletzungen an die Justiz weitergeben und bei der Verteidigung der Rechte von Beschwerdeführern Unterstützung leisten. Eine nähere Ausgestaltung durch Gesetz ist im Mai 2005 erfolgt.
In der Rechtswirklichkeit ist das staatliche Justizsystem noch nicht funktionsfähig. Trotz bereits laufender Aus- und Fortbildungsmaßnahmen für Richter und Staatsanwälte wird es noch etliche Jahre dauern, bis das Gerichtssystem dem Anspruch der Verfassung genügen wird. Neben dem formellen staatlichen Gerichtswesen besteht weiterhin die traditionelle Gerichtsbarkeit. Vor allem auf dem Land wird die Richterfunktion in der Regel von lokalen Räten (Schuras) übernommen. Bei Gericht sind oft nicht einmal Texte der wichtigsten afghanischen Gesetze vorhanden. Einigkeit über die Gültigkeit und Anwendbarkeit von kodifizierten Rechtssätzen besteht meist nicht. Mangelnde Rechtskenntnis und die mangelnde Fähigkeit zur Auslegung verschärfen die Situation. Tatsächlich nehmen Gerichte, soweit sie ihre Funktion ausüben, eher auf Gewohnheitsrecht, auf Vorschriften des islamischen Rechts und auf die (nicht selten willkürliche) Überzeugung des einzelnen Richters als auf gültige Gesetze Bezug. Zudem fehlt es an einer Ausstattung mit Sachmitteln und geeignetem Personal sowohl bei der Staatsanwaltschaft als auch bei den Gerichten. Korruption wird allgemein als großes Problem im Justiz- und Verwaltungsbereich wahrgenommen.
Die Regierung scheute bisher davor zurück, ein Gesetz zur Regelung der besetzten Privat-grundstücke und Wasserquellen (Opfer sind typischerweise Auslandsafghanen/Rückkehrer) zu verabschieden. Weil es kein Katasterwesen gibt, kann der Nachweis des Eigentums letztlich nicht geführt werden.
Die Sicherheitslage variiert von Distrikt zu Distrikt. Während terroristische Aktivitäten im Süden und Osten des Landes aus zumeist ideologischen Motiven direkt gegen die Zentralregierung und die Präsenz der internationalen Gemeinschaft gerichtet sind, kann die Sicherheitslage im Norden und Westen (aber nicht nur hier) insbesondere durch Rivalitäten zwischen lokalen Machthabern und Milizenführer, die häufig in Drogenhandel und andere kriminelle Machenschaften verstrickt sind, beeinträchtigt werden. Die Sicherheitssituation wird von der wachsenden Unzufriedenheit weiter Bevölkerungskreise mit der bisherigen Regierungspolitik, einem Wiedererstarken der Taliban und der - insbesondere mit der Drogenwirtschaft verbundenen - zunehmenden Kriminalität und den Aktivitäten illegaler Milizen bestimmt. Nach den Angaben verschiedener Quellen ist es im Jahr 2006 zu rund 120 Selbstmordattentaten gekommen. Im Jahr 2005 belief sich die Zahl auf ca. 20 Attentate.
Im Raum Kabul bleibt sie weiter fragil, auch wenn sie aufgrund der ISAF-Präsenz im regionalen Vergleich zufrieden stellend ist. Sie wurde vom United Nations High Commissioner for Refugees (UNHCR) seit Mitte 2002 für freiwillige Rückkehrer als "ausreichend sicher" bezeichnet. Gelegentlich kommt es in Kabul zu Raketenbeschuss. Es gibt Übergriffe von Polizei und Sicherheitskräften auf die Zivilbevölkerung. Angehörige der Sicherheitskräfte stellen sich gelegentlich als Täter von bewaffneten Raubüberfällen oder Diebstählen heraus.
Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die afghanische Regierung unter Präsident Karzai ehemalige Kommunisten verfolgt. Eine Gefährdung - auch an Leib und Leben - hochrangiger früherer Repräsentanten der Demokratischen Volkspartei Afghanistans (DVPA) oder ehemaliger führender Geheimdienst-, Militär- und Polizeirepräsentanten durch private Racheakte kann nach Auffassung internationaler Beobachter nicht ausgeschlossen werden. Zum Teil werden diese auch durch Polizei- und Geheimdienstmitarbeiter verübt, die als Mudschahedin gegen das DVPA-Regime gekämpft hatten. Es bestehen Hinweise darauf, dass einzelne Regierungsmitglieder "privat" Verfolgung, Repression und auch Tötung ehemaliger Feinde billigen. Einige ehemalige Kommunisten, die sich in Kabul aufhalten, können dies nur deshalb gefahrlos tun, weil sie über entsprechende Netzwerke und Kontakte, auch zu Regierungsvertretern, verfügen.
Seit 2004 wurden mehrere neue Linksparteien registriert, darunter einige, die sich auf das Erbe der DVPA berufen. Die wichtigste von ihnen, die National United Party des ehemaligen Generals Nur-ul-Haq Ulumi, musste auf ihre Zulassung jedoch entgegen der Gesetzeslage fast zwei Jahre lang warten, weil sich einige hohe Politiker und ehemalige Jihad-Führer sowie das Oberste Gericht dagegen gestellt hatten.
Die Lebensbedingungen sind landesweit schlecht. Die Gefährdung des Einzelnen, zu einem Opfer von Gewalt oder einer Menschenrechtsverletzung zu werden, ist im gesamten Land gegeben. Die Sicherheitslage stellt sich regional sehr unterschiedlich dar und wirkt sich dementsprechend auf die Gefährdungssituation des Einzelnen aus. Ob eine Person sich einer möglichen Gefährdung durch ein Ausweichen im Land entziehen kann, hängt maßgeblich von dem Grad ihrer familiären, tribalen und sozialen Vernetzung ab.
Die Vereinten Nationen versorgen weiterhin noch Millionen von Afghanen mit Nahrungsmitteln und Hilfsgütern. Die Versorgungslage hat sich in Kabul und zunehmend auch in den anderen großen Städten zwar grundsätzlich verbessert, wegen mangelnder Kaufkraft profitieren jedoch längst nicht alle Bevölkerungsschichten von der verbesserten Lage. Die Versorgung mit Wohnraum ist unzureichend. Das Angebot an Wohnraum ist knapp und nur zu hohen Preisen erhältlich. In vielen Gebieten Afghanistans muss die Versorgungslage mit Lebensmitteln auch weiterhin als nicht zufrieden stellend bezeichnet werden. Humanitäre Nothilfeleistungen wurden 2006 in verschiedenen Landesteilen notwendig, z.T. wegen Dürre, z.T. wegen schweren Überschwemmungen. Eine Versorgung der Notstandsgebiete ist oftmals, bedingt durch fehlende oder schlecht ausgebaute Verkehrswege, sehr schwierig, im Winter häufig überhaupt nicht mehr möglich. Hinzu kommt die Gefahr von kriminell motivierten Überfällen und vor allem Landminen. Die Arbeit der Hilfsorganisationen wird vor allem im Süden und Osten durch Sicherheitsprobleme erschwert.
Die medizinische Versorgung ist in Afghanistan aufgrund fehlender Medikamente, Geräte und Ärzte und mangels ausgebildeten Hilfspersonals völlig unzureichend. Afghanistan gehört zu den Ländern mit der höchsten Kindersterblichkeitsrate in der Welt. Die Lebenserwartung der afghanischen Bevölkerung liegt bei etwa 45 Jahren. Auch in Kabul, wo mehr Krankenhäuser als im übrigen Afghanistan angesiedelt sind, ist für die afghanische Bevölkerung noch keine hinreichende medizinische Versorgung gegeben.
Staatliche soziale Sicherungssysteme sind nicht bekannt. Renten-, Arbeitslosen- und Krankenversicherungen gibt es nicht. Familien und Stämme übernehmen die soziale Absicherung. Rückkehrer, die außerhalb des Familienverbandes oder nach einer längeren Abwesenheit im westlich geprägten Ausland zurückkehren, stoßen auf größere Schwierigkeiten als Rückkehrer, die in größeren Familienverbänden geflüchtet sind oder in einen solchen zurückkehren (vor allem aus Iran und Pakistan), wenn ihnen das notwendige soziale oder familiäre Netzwerk, sowie die notwendigen Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse fehlen. Sie können auf übersteigerte Erwartungen hinsichtlich ihrer finanziellen Möglichkeiten treffen, so dass von ihnen überhöhte Preise gefordert werden. Von den "Zurückgebliebenen" werden sie häufig nicht als vollwertige Afghanen akzeptiert.
Andererseits bringen Afghanen, die in den Kriegs- und Bürgerkriegsjahren im westlichen Ausland Zuflucht gesucht haben, von dort in der Mehrzahl der Fälle einen bessere finanziellen Rückhalt, eine qualifiziertere Ausbildung und umfangreichere Fremdsprachenkenntnisse mit als Afghanen, die in die Nachbarländer geflüchtet sind. Derartige Qualifikationen verschaffen ihnen bei der Reintegration einen deutlichen Vorteil. Zudem ist die Mehrheit der "Intelligenzia" während der Kriegs- und Bürgerkriegsjahre überwiegend nach Europa und Nordamerika geflüchtet. Prinzipiell könnten die Fähigkeiten dieser Personen eine erhebliche Ressource für das Land darstellen, denn es mangelt an ausgebildeten Facharbeitern und Akademikern.
Es ist nicht bekannt, dass eine Asylantragstellung allein zu Sanktionen seitens der afghanischen Regierung führt.
(Quelle: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Afghanistan, Stand: Februar 2007 vom 17.03.2007)
Es wird darauf verwiesen, dass in Afghanistan Kommunisten wegen ihrer Vergangenheit als Angehörige der Volksdemokratischen Partei und als Mitarbeiter des kommunistischen Regimes nicht mehr verfolgt werden. Mehr als 60% der staatlichen FachbeamtInnen sind Personen, die entweder Kommunisten waren oder im kommunistischen Staat Ausbildung genossen und Dienste geleistet haben. Nur jene Kommunisten, die im Laufe ihrer Dienstleistung im kommunistischen Staat Menschen schwerst geschadet haben, können eventuell von ihren Privatfeinden verfolgt werden, wenn ihre Privatfeinde in Afghanistan Waffen besitzen und mächtiger sind als sie. Arme Menschen trauen sich nicht, weil sie fürchten, wenn sie nach der Tat von der Exekutive erwischt werden, schwerst bestraft zu werden.
Nachdem die Mujaheddin die Macht erlangten, wurden viele Kommunisten von den Mujaheddin in den Dienst genommen. Diese Kommunisten sind bis heute, soweit sie in Afghanistan geblieben sind, an wichtigen Positionen im Staat beschäftigt.
Die Gerichte beschäftigen meistens zivile Prozesse, wie z.B. Grundstücksstreitigkeiten, weil einerseits die Erbschaftsfrage nicht geklärt ist und andererseits während des Krieges die Stärkeren die Grundstücke an sich gerissen hatten oder die eigentlichen Besitzer der Grundstücke ins Ausland geflüchtet waren und die Kommandanten diese Grundstücke bewirtschafteten. Es genügt für die Einverleibung eines Besitzes durch den Stärkeren, wenn dieser annähernd an einem Besitz beteiligt ist. Die Stärkeren versuchen auch heute, kraft ihrer Beziehung und Macht, die Besitztümer, an diesen sie annähernd beteiligt sind, für sich zu behalten, auch wenn das Gericht für die Teilung oder Rückgabe des Besitzes eine Entscheidung fällt. In diesen Fällen appellieren die Richter an die Vernunft der beiden Seiten, soweit es sich um einen Streit innerhalb einer Familie handelt, sie mögen sich versöhnen und den Streit innerhalb der Familie beilegen. Aus der Sicht des Sachverständigen wird empfohlen, dass Flüchtlinge, die nach Afghanistan zurückkehren, nicht sofort Ansprüche auf ihre Besitztümer, die im Besitz von fremden Personen oder anderen Familienmitglieder befinden, zu stellen.
(Quelle: Gutachten des Sachverständigen für die aktuelle politische Lage in Afghanistan, Dr. Sarajuddin Rasuly vom 27.06.2006)
Rechtlich ist auszuführen:
Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Artikel 1 Abschnitt A Ziffer 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Artikel 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.
Im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A Ziffer 2 Genfer Flüchtlingskonvention ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und sich nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Zentraler Aspekt der dem § 7 AsylG unterliegenden, in Artikel 1 Abschnitt A Ziffer 2 Genfer Flüchtlingskonvention definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH vom 06.12.1999, Zl. 99/01/0279).
Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthalts zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr. So ist dem Herkunftsstaat eine Verfolgung sowohl dann zuzurechnen, wenn sie von dessen Organen direkt gesetzt wird, als auch, wenn der Staat nicht in der Lage oder nicht gewillt ist, die von anderen Stellen ausgehende Verfolgungshandlung hintanzuhalten (vgl. VwGH vom 06.10.1998, Zl. 96/20/0287; VwGH vom 23.07.1999, Zl. 99/20/0208).
Hinsichtlich der - als glaubwürdig gewerteten - Mitgliedschaft des Beschwerdeführers bei einer Gruppe der Shura-e Nazar zwischen 1993 und 1995, ist auszuführen, dass keine Verfolgungsgefahr wegen Zugehörigkeit zur Shura-e Nazar besteht, da dieser gemäß den Ausführungen im Sachverständigengutachten keine verantwortungsvolle oder leitende Position innehatte.
Betreffend das sonstige Vorbringen des Beschwerdeführers ist auf die oben angeführte Beweiswürdigung zu verweisen, derzufolge das Vorbringen nicht glaubwürdig ist und sohin kein Asyl zu gewähren ist.
Somit kann nicht davon ausgegangen werden, dass dem Beschwerdeführer asylrelevante Verfolgung in Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht. Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation kann nach ständiger Judikatur nicht als hinreichender Grund für eine Asylgewährung herangezogen werden (vgl. VwGH vom 17.06.1993, Zl. 92/01/1081; VwGH vom 14.03.1995, Zl. 94/20/0798).
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Das Verfahren war gemäß der Bestimmung des § 75 Abs. 1 AsylG idF BGBl. I Nr. 100/2005, des § 75 Abs. 7 Z 1 AsylG 2005 idF BGBl I Nr. 4/2008 und der Bestimmung des § 23 Asylgerichtshofgesetz, BGBl I Nr. 4/2008, zu führen.