TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/04 C1 300023-1/2008

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Veröffentlicht am 04.09.2008
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Spruch

C1 300023-1/2008/6E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Fischer-Szilagyi als Einzelrichterin über die Beschwerde des K.Y., geb. 00.00.1986, StA. Türkei, vom 16.03.2006 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 02.03.2006, FZ. 05 18.221-BAG, zu Recht erkannt:

 

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

Der nunmehrige Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Kurden, ist illegal in Österreich eingereist und hat am 28.10.2005 einen Asylantrag gestellt.

 

Im Rahmen seiner Einvernahmen vor der Erstbehörde am 22.11.2005, am 23.11.2005 und am 26.01.2006 gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, dass sich seine Familie ebenfalls in Österreich befinde. Die Türkei habe er verlassen, da er Probleme mit nationalistischen Türken gehabt habe. Einmal sei er bei einem Streit mit Nationalisten am Oberschenkel mit einem Messer verletzt worden. In der Schule sei es immer wieder zu Rauferein mit türkischen Mitschülern gekommen. Ferner wäre er in der Türkei bereits beim Militär. Er sei im April 2005 bei der Musterung gewesen und für tauglich befunden worden. Einen Einberufungsbefehl habe er noch nicht erhalten. Bei einer Rückkehr in die Türkei müsse er den Militärdienst ableisten und da man immer wieder höre, dass Kurden in den Osten geschickt würden, wüsste er nicht, wie er sich verhalten hätte, wäre es dazu gekommen.

 

Mit angefochtenem Bescheid wurde der Asylantrag des nunmehrigen Beschwerdeführers vom 28.10.2005 gemäß § 7 AsylG abgewiesen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Türkei gemäß § 8 Abs. 1 AsylG für zulässig erklärt. Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG wurde er aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei ausgewiesen. In der Begründung des angefochtenen Bescheides wurde zunächst angeführt, dass das Einfließen von umfassender Länderinformationen zum Herkunftsstaat im gegenständlichen Fall vernachlässigbar sei, da aufgrund der Art des Vorbringens die Beweiswürdigung auf die Glaubwürdigkeit bzw. Asylrelevanz der behaupteten Fluchtgründe abzustellen sei. In der Folge wurde ausgeführt, dass der Asylwerber keine asylrelevante Verfolgung geltend gemacht habe. Er habe als ausschließlichen Grund für das Verlassen der Türkei die angestrebte Familienzusammenführung mit den in Österreich lebenden Angehörigen genannt. Aufgrund seines Alters und der allgemeinen Wehrpflicht in der Türkei hätte der Asylwerber mittelfristig mit einer Einberufung zur Ableistung des Wehrdienstes zu rechnen. Bloße Spekulation seien jedoch die Überlegungen bezüglich der militärischen Verwendung des Asylwerbers, da diese Informationen erst mit Zustellung des Einberufungsbefehls zur Kenntnis gebracht werden würden. Ein asylrelevanter Hintergrund sei hieraus nicht ersichtlich.

 

In der dagegen erhobenen Berufung wurde der Bescheid wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhalts in seiner Gesamtheit angefochten.

 

Im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung am 23.08.2007, zu welcher die Erstbehörde keinen Vertreter entsandte, gab der Beschwerdeführer Folgendes zu Protokoll:

 

"VL: Wie geht es Ihnen?

 

BW4: Danke.

 

VL: Wann sind Sie nach Österreich gekommen?

 

BW4: Im Oktober 2005.

 

VL: Warum sind Sie nicht gemeinsam mit Ihrem Bruder ausgereist?

 

BW4: Es musste so sein.

 

VL: Haben Sie in der Türkei die Schule besucht?

 

BW4: Ja, ich bin Absolvent des Oberstufengymnasiums.

 

VL: Haben Sie in der Schule Probleme gehabt? Wenn ja, welche Probleme waren das?

 

BW4: Manchmal. Wegen dieser Kurdenfrage kam es in der Schule zu einer Auseinandersetzung, bei der ich mit einem Messer am rechten Oberschenkel verletzt wurde.

 

VL: Waren Sie deswegen in ärztlicher Behandlung?

 

BW4: Ja, es musste genäht werden.

 

VL: Hat es irgendwelche Konsequenzen für den Täter gegeben?

 

BW4: Er wurde schon auf die Polizeiwache zur Aussage mitgenommen, ich glaube aber, dass er dann wieder freigelassen wurde.

 

VL: War das auch ein Schüler?

 

BW4: Ja.

 

VL: Haben Sie ihn später wieder an der Schule gesehen?

 

BW4: Ich glaube schon, dass er keine Strafe erhalten hat, weil, nur ein paar Tage nach dme Vorfall habe ich ihn wieder in der Schule gesehen.

 

VL: Hat es mit ihm wieder Probleme gegeben?

 

BW4: Nein.

 

VL: Sie haben sich nicht gerächt?

 

BW4: Ich habe keine solchen Ambitionen.

 

VL: Wann haben Sie die Schule beendet?

 

BW4: Juni 2004.

 

VL: Gleichzeitig mit Ihrem Bruder?

 

BW4: Ja.

 

VL: Waren Sie zusammen in einer Klasse?

 

BW4: Ja, wir waren seit der Volksschule zusammen.

 

VL: Was haben Sie nach dem Schulabschluss gemacht?

 

BW4: Ich habe bei meinem Großvater gelebt.

 

VL: Haben Sie gearbeitet oder eine Ausbildung gemacht?

 

BW4: Ja, ich habe eine Zeit lang in der Konfektion gearbeitet.

 

VL: Verkäufer?

 

BW4: Nein, bei der Produktion, als Näher.

 

VL: Wo wohnt Ihr Großvater?

 

BW3: Im Dorf E. hat er ein Haus, in G. hatte er auch ein Haus, er lebte dort als als auch in E..

 

VL: Wo haben Sie sich aufgehalten?

 

BW4: In G..

 

VL: Warum haben Sie dann im Jahr 2005 die Türkei verlassen?

 

BW3: Es hat keinen besonderen Grund gegeben, es hat sich so ergeben.

 

VL: D.h. Sie haben die Türkei nur deswegen verlassen, weil Ihr Bruder sie verlassen hat?

 

BW4: Ja, auch wegen des Wehrdienstes.

 

VL: Wieso haben Sie wegen des Wehrdienstes die Türkei verlassen?

 

BW3: Weil ich Angst hatte, da es in letzter Zeit zu sehr vielen Kämpfen und bewaffneten Auseinandersetzungen gekommen ist.

 

VL: Wovor hatten Sie da Angst?

 

BW4: Weil eben sehr viele Terror-Vorfälle in letzter Zeit waren und weil kurdische Wehrdiener im Osten zum Einsatz kommen.

 

VL: Nach den internationalen Berichten, so auch vom Rat der EU, wird Acht gegeben, dass Kurden nicht im kurdischen Kampf eingesetzt werden, sondern weit weg von ihrem Heimatort.

 

BW4: Von meinen eigenen Bekannten, die zum Wehrdienst gingen, wurden viele im Osten eingesetzt.

 

VL: Haben Sie schon einen Einberufungsbefehl bekommen?

 

BW4: Ja, aber ich habe um Erstreckung angesucht.

 

VL: D.h. Sie haben schon einen Einberufungsbefehl bekommen?

 

BW4: Die Musterung habe ich gemacht, aber den Wehrdienst habe ich erstrecken lassen, dies bis 2009.

 

VL: Wann hatten Sie die Musterung?

 

BW4: Entweder im Mai oder Juni 2005.

 

VL: Wovon hat Ihre Familie in der Türkei gelebt?

 

BW4: Eine Zeit lang hatte mein Vater ein Geschäft gemeinsam mit meinem Onkel und dadurch bestritten wir unseren Lebensunterhalt. Dann hat das Geschäft mit meinem Onkel nicht geklappt, sie haben sich nicht mehr verstanden, dann hat mein Großvater für uns gesorgt.

 

VL: Was für ein Geschäft war das?

 

BW4: Mein Vater hatte ein Geschäft für weiße Haushaltswaren.

 

Festgehalten wird, dass von der Dolmetscherin angemerkt wird, dass der BW4 akzentfreies Türkisch spricht.

 

VL: Was arbeitete Ihr Großvater, dass er Sie unterstützen konnte?

 

BW4: Mein Großvater verkaufte Pistazien, er hatte große Pistazien-Felder.

 

VL: Haben Sie auf den Feldern gearbeitet?

 

BW4: Eine Zeit lang habe ich geholfen.

 

VL: Hat Ihr Vater auf den Feldern gearbeitet?

 

BW4: Nicht viel, aber manchmal musste er mithelfen.

 

VL: Haben Sie mitbekommen, welche Probleme Ihr Vater in der Türkei hatte?

 

BW4: Ich weiß es nicht genau, aber ich weiß, dass die Polizei manchmal bei uns im Haus war und man ihn beschuldigte, die PKK zu unterstützen.

 

VL: Wissen Sie näheres darüber?

 

BW4: Nein.

 

VL: Hat Sie das nicht interessiert?

 

BW4: Anfangs interessierte mich das weniger, aber dann bemerkte ich, dass die Kontrollen öfters waren.

 

VL: Hatten Sie Probleme mit der Polizei?

 

BW4: Nein.

 

VL: Wissen Sie, warum Ihre Mutter die Türkei verlassen hat?

 

BW4: Nachdem mein Vater die Türkei verlassen hatte, kam die Polizei öfters in unser Haus, sie beschuldigte uns, der PKK zu helfen.

 

VL: Was bedeutet "uns"?

 

BW4: Man kam zu uns, in unser Haus, und beschuldigte uns. Sie gingen auch ins Nebenhaus und beschuldigte diese Leute auch. Aus diesem Grund kam es auch mit den Nachbarn zu Streitereien.

 

VL: Wurden Sie persönlich von der Polizei beschuldigt, die PKK zu unterstützen?

 

BW4: Nein, für mich hat man sich nicht so interessiert, obwohl sie auch mich befragten.

 

VL: Was hat man Sie gefragt?

 

BW4: Sie fragten mich, ob Fremde in unser Haus kämen, ob mein Vater Leute in unser Haus mitbrächte.

 

VL: Da war Ihr Vater noch in der Türkei?

 

BW4: Ja.

 

VL: Und als Ihr Vater schon weg war?

 

BW4: Da kamen sie auch und fragten, ob unser Vater in die Berge oder nach Europa gegangen wäre.

 

VL: Im erstinstanzlichen Verfahren haben Sie angegeben, dass Sie wüssten, dass die Polizei sich erkundigte, persönlich aber nie davon betroffen gewesen zu sein?

 

BW4: Ich kann nicht sagen, dass überhaupt nichts war, aber es kam auch nicht oft vor."

 

Folgender Sachverhalt wird festgestellt:

 

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Türkei und Angehöriger der Volksgruppe der Kurden, hat sein Heimatland verlassen, da er den Militärdienst nicht ableisten will. Er war bereits im Frühjahr 2005 bei der Musterung, hat jedoch noch keinen Einberufungsbefehl erhalten, da er die Frist verlängern lassen konnte. Diese Verlängerungsfrist endet im Jahr 2009.

 

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den glaubwürdigen und übereinstimmenden Aussagen des Beschwerdeführers sowohl vor der Erstbehörde als auch im Berufungsverfahren.

 

Rechtlich ist auszuführen:

 

Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann der Asylgerichtshof, wenn der ihm vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen. Gemäß § 66 Abs. 3 AVG kann der Asylgerichtshof die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.

 

Der Gesetzgeber hat in Asylsachen ein zweiinstanzliches Verfahren eingerichtet; dabei kommt dem Asylgerichtshof die Rolle einer "obersten Instanz" zu (Artikel 129 B-VG). In diesem Verfahren hat bereits das Bundesasylamt den gesamten für die Entscheidung über den Asylantrag relevanten Sachverhalt zu ermitteln. Diese Anordnungen würden aber unterlaufen, wenn ein Ermittlungsverfahren in erster Instanz unterbliebe und somit nahezu das gesamte Verfahren vor den Asylgerichtshof verlagert würde, sodass die Einrichtung von zwei Entscheidungsinstanzen zur bloßen Formsache würde. Das wäre etwa der Fall, wenn es das Bundesasylamt ablehnte, auf das Vorbringen des Asylwerbers sachgerecht einzugehen und brauchbare Ermittlungsergebnisse in Bezug auf die Verhältnisse im Herkunftsstaat in das Verfahren einzuführen. Es liegt nicht im Sinne des Gesetzes, wenn es der Asylgerichtshof ist, des erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und beurteilt, sodass er seine umfassende Kontrollbefugnis nicht wahrnehmen kann. Eine ernsthafte Prüfung des Antrages soll nicht erst beim Asylgerichtshof beginnen und zugleich enden, sieht man von der im Sachverhalt beschränkten Kontrolle ihrer Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof ab. Dies spricht auch bei Bedachtnahme auf eine mögliche Verlängerung des Gesamtverfahrens dafür, nach § 66 Abs. 2 AVG vorzugehen (vgl. VwGH 21.11.2002, 2000/20/0084; VwGH 21.11.2002, 2002/20/0315; ähnlich auch VwGH 12.12.2002, 2000/20/0236; VwGH 30.09.2004, 2001/20/0135; alle Erkenntnisse zum Unabhängigen Bundesasylsenat als Vorgängerbehörde)

 

Die Asylbehörde ist als Spezialbehörde für das Asylwesen von sich aus verpflichtet, ihren Feststellungen des maßgeblichen Sachverhaltes jeweils aktuelle Beweismittel zu Grunde zu legen (vgl. VwGH vom 04.04.2001, Zl. 2000/01/0348 sowie VwGH vom 14.01.2003, Zl. 2001/01/0604, mwN).

 

Im gegenständlichen Fall hat es die Erstbehörde unterlassen, sich ausreichend sowohl mit der allgemeinen als auch mit der konkreten den Beschwerdeführer betreffenden Situation in der Türkei auseinanderzusetzen. Im angefochtenen Bescheid finden sich weder Feststellungen zur allgemeinen Lage in der Türkei noch Feststellungen zur Wehrpflicht bzw. zum Militärdienst in der Türkei sowie zum Thema "Kurden als Wehrdienstverweigerer in der Türkei", obwohl der Beschwerdeführer bereits im erstinstanzlichen Verfahren ein diesbezügliches Vorbringen erstattet hat. Im angefochtenen Bescheid findet sich lediglich die Feststellung, dass "das Einfließen von umfassenden Länderinformationen zum Herkunftsstaat vernachlässigbar war, da aufgrund der Art des Vorbringens die Beweiswürdigung auf die Glaubwürdigkeit bzw. Asylrelevanz der behaupteten Fluchtgründe abzustellen war."

 

Hiezu ist auszuführen, dass zur Abgrenzung einer konkreten, von einem Asylwerber vorgebrachten Fluchtgeschichte zur allgemeinen Situation im Herkunftsstaat eine - je nach Fall unterschiedlich detaillierte - Ermittlung der allgemeinen Situation im Herkunftsstaat notwendig ist. Darüber hinaus erweist sich die Ermittlung dieser Situation auch im Bereich der Feststellung nach § 8 AsylG in Verbindung mit § 57 FrG (nunmehr § 50 FPG) als unentbehrlich, stellt sie doch den Hintergrund für die Beurteilung der Zulässigkeit einer dort genannten Rückbringungsmaßnahme dar (vgl. VwGH vom 19.04.2001, Zl. 99/20/0301).

 

Ferner ist bezüglich Militärdienstes von Kurden in der Türkei auch auf das Erkenntnis des VwGH vom 01.03.2007, Zl. 2003/20/0111, zu verweisen, demgemäß im Hinblick auf die lange Dauer des Kurdenkonfliktes und den seit den 80er-Jahren geführten bewaffneten Auseinandersetzungen in den Kurdengebieten sich die Behörde mit der Frage auseinander zu setzen hat, ob mittlerweile von einer solchen Konsolidierung der Verhältnisse gesprochen werden kann, dass menschenrechtswidrige Übergriffe durch türkische Einheiten, an denen der Asylwerber im Zuge seines Militärdienstes beteiligt wäre, nicht mehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit vorkommen.

 

Da die Erstbehörde überhaupt keine Erhebungen über die Situation von Wehrdienstverweigerung, Militärdienst und Kurden in der Türkei durchgeführt hat, hätte der Asylgerichtshof ergänzende Länderberichte einzuholen und bei Vorliegen der Ergebnisse eine ergänzende Einvernahme des Beschwerdeführers durchzuführen. Die Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof ist sohin unvermeidlich. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgeführt hat, ist es primär Aufgabe des Bundesasylamtes, aktuelles Dokumentationsmaterial in das Ermittlungsverfahren einzubringen und dieses in Beziehung zum realen Hintergrund zu setzen. Es kann nicht dem Asylgerichtshof allein überlassen bleiben, über die Befragung des Asylwerbers hinaus auch geeignetes Berichtsmaterial in das Verfahren einzuführen. Das Unterbleiben derartiger Ermittlungsschritte beim Bundesasylamt hat zur Folge, dass sich das Verfahren einem eininstanzlichen Verfahren vor dem Asylgerichtshof annähert und dieses belangte Behörde den vom Gesetzgeber mit seiner Einrichtung bezweckten Qualitätsgewinn für das Asylverfahren nur unter erschwerten Bedingungen gewährleisten kann (vgl. VwGH vom 30.09.2004, Zl. 2001/20/0135-7).

 

Ergänzend wird festgehalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Feststellungen zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat dem Beschwerdeführer vorzuhalten sind und diesem die Möglichkeit zur Stellungnahme einzuräumen ist.

 

Das erstinstanzliche Verfahren erweist sich daher insgesamt als so mangelhaft, dass die Durchführung einer neuerlichen mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, wobei es für die Frage der Unvermeidlichkeit einer mündlichen Verhandlung im Sinne des § 66 Abs. 2 AVG unerheblich ist, ob eine kontradiktorische Verhandlung oder nur eine bloße Einvernahme erfolgt (VwGH 21.11.2002, 2000/20/0084 mwN; 21.11.2002, 2002/20/0315; VwGH 11.12.2003, 2003/07/0079).

 

Ausgehend von diesen Überlegungen war im vorliegenden Fall das dem Asylggerichtshof gemäß § 66 Abs. 2 und 3 AVG eingeräumte Ermessen im Sinne einer kassatorischen Entscheidung zu üben. Besondere Gesichtspunkte, die aus der Sicht des Beschwerdeführers gegen eine Kassation des erstinstanzlichen Bescheides sprechen würden, sind im vorliegenden Fall nicht erkennbar.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung
Zuletzt aktualisiert am
31.12.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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